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Heimat: Ein Vorschlag zur Güte
Heimat: Ein Vorschlag zur Güte
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eBook179 Seiten2 Stunden

Heimat: Ein Vorschlag zur Güte

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Über dieses E-Book

RENAISSANCE EINES POLITISCHEN KAMPFBEGRIFFS
Ob rechts, ob links, ob bürgerlich, liberal oder öko: Seit Neuestem verwenden alle wieder das "H-WORT"! Ist HEIMAT ein gefährlicher Begriff, der in den Giftschrank POLITISCHER TABUWÖRTER gehört? Oder kann das Konzept heute tatsächlich eine KONSTRUKTIVE ROLLE in unserer Gesellschaft spielen? Die in Wien lebende Volkskundlerin und Philosophin ELSBETH WALLNÖFER gibt eine klare Antwort: Wir müssen den Begriff endlich aus seiner völkisch-nationalistischen Umklammerung lösen und PLURALISTISCH verstehen, dann ist die Heimat durchaus noch zu retten.

VON DER KRANKHEIT ZUR IDEOLOGIE
Schon in der Antike beklagten Menschen den VERLUST ihrer Heimat – wie beispielsweise der ans Schwarze Meer verbannte römische Dichter OVID. In der Neuzeit beschrieben Schweizer Ärzte dann erstmals das sogenannte "HEIMWEHVERBRECHEN": Immer wieder töteten Kindermädchen ihre Schützlinge, und zwar aus Kummer darüber, weit weg von zuhause zu sein. War also Heimat bis in die Moderne nur als Verlustgefühl greifbar, so begann die ROMANTIK damit, eine Verbindung von HEIMAT UND VOLK herzustellen. Damit war der Weg bereitet, aus einem individuellen Gefühl ein POLITISCHES KONZEPT zu schmieden.

DAS BUCH ZUR STUNDE
Die Männerbünde der deutschen NATIONALBEWEGUNGEN griffen die romantisch-völkische Interpretation auf und machten Heimat zu etwas EXKLUSIVEM: hier das angestammte Volk, dort die Fremden, die aus der "eigenen" Heimat ausgeschlossen bleiben. Angesichts der aktuellen politischen Debatten um kollektive Identität und "Leitkultur", um Geflüchtete, Migration und Asyl ist es hoch an der Zeit, die nationalistischen Wurzeln dieses Schemas zu hinterfragen. Elsbeth Wallnöfer zeigt uns Wege, HEIMAT(EN) NEU ZU DENKEN – KENNTNISREICH, ORIGINELL und dabei stets VERGNÜGLICH ZU LESEN.

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"Seit Jahrzehnten erforscht die Volkskundlerin und Philosophin Elsbeth Wallnöfer das, was dem Menschen innewohnt."
FALTER, Stefanie Panzenböck
SpracheDeutsch
HerausgeberHaymon Verlag
Erscheinungsdatum22. Feb. 2019
ISBN9783709938676
Heimat: Ein Vorschlag zur Güte

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    Buchvorschau

    Heimat - Elsbeth Wallnöfer

    Elsbeth Wallnöfer

    Heimat

    Ein Vorschlag zur Güte

    Inhaltsverzeichnis

    Cover

    Titel

    Vorwort

    Von der Krankheit

    Nostalgia

    Von der Armut oder testimonium paupertatis

    Vom Mangel und von der Strafe

    Brot im Gepäck

    Krankheit in romantischer Schönheit

    Von der Schönheit der Natur und der Seele

    Wilde Natur – schöne Seele

    Die Geburt des Volkes aus dem Geiste des Ideals

    Spiegel der Volksseele – Spiegelung der Volksseele

    Wie kommt das Heimweh ins Vaterland?

    Ein Recht auf Heimat

    Von der Deutschen Heimat I

    Heimat & Vaterland

    „Das ist der Deutschen Vaterland, wo Eide schwört der Druck der Hand"

    „Im Wesen der Kultur liegt es, als solche Pflege ihrerseits sich in die Pflege zu nehmen und so zur Kulturpolitik zu werden"

    Von der Deutschen Heimat II

    Kulturerbe

    Moderne/Antimoderne – Heimatbilder/Heimatkleider

    Identität und Totalitarismus

    Identität, Heimweh, Krieg

    Heimat auf tönernen Füßen – Deutsche Heimat vs. österreichische Heimat

    Der Tod der modernen Heimat – im Stechschritt Richtung großdeutsche Heimat

    Heimatliebe, ein Diktat

    Die Rache der Heimatliebe

    Literaturauswahl

    Anmerkungen

    Elsbeth Wallnöfer

    Zur Autorin

    Impressum

    Weitere E-Books aus dem Haymon Verlag

    Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh ich wieder aus

    Wilhelm Müller, Winterreise

    Vorwort

    Heimat hat so viele Facetten, wie es Sprachen und Dialekte gibt. Hoamatle, Daheim, Drhuam, Daheem, drhoim oder wie immer man es noch nennt, jedenfalls ist es etwas, das die meisten von uns ganz selbstverständlich haben. Wer Heimat hat, ist verortet. Der hat ein Dach über dem Kopf, einen Beruf, Familie, Freunde und so mancher auch ein Vereinsleben. Das heimatliche Leben verläuft innerhalb eines ritualisierten Jahresablaufes. Dieser bildet einen Rahmen, gibt Sicherheit, eine gewisse Routine, die nicht jeden Tag aufs Neue befragt werden muss. Insofern ist Heimat hauptsächlich als Gefühl spürbar. Dass sie darüber hinaus eine lange Tradition in der politischen und der Forschungsgeschichte aufzuweisen hat, bleibt bei den gegenwärtigen hitzigen Debatten meistens unberücksichtigt. Der lange Weg der Heimat von einer individuellen Empfindung mit Folgen für das Strafrecht hin zur Heimat als politischem Kampfbegriff der Gegenwart will nachgezeichnet werden.

    Von der Krankheit

    Nostalgia

    Als der uns als Philosoph, Förderer und Freund Hannah Arendts bekannte Karl Jaspers im Jahr 1909 in Heidelberg seine Dissertation einreichte, befasste sich der angehende Psychiater mit dem Thema „Heimweh und Verbrechen. Was heute in Zeiten des massenhaften Billigreisens undenkbar scheint – wegen Heimwehs Verbrechen zu begehen oder ernsthaft krank zu werden – beschäftigte zum damaligen Zeitpunkt bereits über zweihundert Jahre eine Reihe von Gelehrten, eben weil es auffallend oft zu Heimwehverbrechen kam. Jaspers stützte sich auf Untersuchungen des Begründers der Heimwehforschung Johann Hofer bzw. Johannes Hoferus, wie er latinisiert in der Gelehrtensprache hieß. Mit seiner „Dissertatio Medica De Nostalgia, oder Heimwehe, Basel 1678, fokussierte er ein damals gesellschaftsrelevantes Thema. Die Schweizer lieferten zu dieser Zeit, und hier insbesondere die Berner, Anlass zur Sorge, Heimweh könnte eine Krankheit sein. Gründe dafür waren vermehrt auftretende Suizide oder kriminelles Verhalten von Dienstboten, Mägden und Knechten. Bei den Untersuchungen zeichnete sich ab, dass die Inkriminierten nicht aus Gier, sondern vielmehr aus einem gefühlten Schmerz heraus Straftaten begingen. Dies alles in der irrigen Annahme, sie würden, nachdem das Kind, das sie zu beaufsichtigen hatten, tot sei, oder das Haus, das sie zu hüten hatten, abgebrannt sei, nach Hause zurückkehren dürfen. Als erwähnter Johann Hofer sich dem Thema widmete, meinte er, das von den Schweizern so bezeichnete „Heimweh" sei nicht nur unter Eidgenossen verbreitet, es gäbe Entsprechungen auch im Französischen, wo es mal du pays hieß. Besonders junge, unausgereifte Menschen würden daran leiden. Die beste Heilung erziele man, indem man die Leute zurück nach Hause schickte. Heutzutage, wo alle Welt auf den Beinen ist, nahezu jeder sich auf Reisen begibt, können wir gar nicht glauben, dass man vor lauter Heimweh krank werden kann. Umso absurder klingen die Erklärungsversuche für unsere heutigen Ohren. Man suchte die Ursache im Luftdruck der schweizerischen Höhenluft oder glaubte, vornehmlich mit Muttermilch gesäugte Jugendliche würden von Heimweh befallen. Exotischer noch mutet die Annahme, das derbe Leben im Gebirge führe zu Dummheit bei den Menschen und diese wiederum wären dann in der Folge anfälliger für das Leiden. Heimweh als Ursache des Krankheitsbildes zu deuten, war angesichts der immer wieder auftretenden Fälle von Kindstötungen oder Brandstiftungen durch ländliches Personal in städtischen Haushalten naheliegend wie verständlich. Es betraf vorwiegend heranwachsende Mädchen. Für diese Verzweifelten gab es recht bald die expressis verbis weibliche Bezeichnung Heimwehverbrecherinnen. Was von den Eltern gut gemeint war, die eigenen Kinder vor der Not daheim fort in den Dienst zu fremden Leuten in unbekannte Gegenden zu schicken, endete nicht selten in einer Katastrophe. Die Häufigkeit, mit der dies geschah, zog die Aufmerksamkeit der sich gerade formierenden Psychiatrieforschung auf sich. Der Schmerz, das Leid, die seelische Not der an Heimweh Erkrankten und die daraus resultierenden kriminellen Taten nannten die doctores recht bald treffend nostalgia, in Anlehnung an die altgriechischen Wörter nostos für Heimkehr und algos für Schmerz. Nun ist das Heimweh nichts, was es erst mit dem Aufkommen der Psychiatrie gab. Das Heimweh ist ziemlich sicher so alt wie die Menschheit, dennoch galt es lange als Schweizer Phänomen. Die Verortung des Menschen, seine Sesshaftwerdung, zog es nach sich, dass man begann sich auf einen greifbaren Punkt zu konzentrieren und auf diesem Besitz auszubilden. Rund um den Besitz herum formierte sich Gemeinschaft, in der man zunächst unter sich blieb. Innerhalb dieser blieb die Unterscheidung zwischen einem abgegrenzten individuellen Ich und dem individuellen Anderen dennoch topographisch auf einen gemeinsamen Lebensraum beschränkt, der sich als Gemeinschaft, als Kollektiv ausformte. Das Eigene und das Fremde entstanden, zeichneten sich ab, konturierten sich, lagen im Spannungsfeld ökonomischen Handelns. Der Marktplatz und die ökonomischen Strukturen des Warentausches erzwangen geradezu, den selbstbezogenen Blick auf Unterschiede im Anderen auszudehnen. Neid, Begehrlichkeit, Bewunderung – alles Regungen, die vor allem durch die Differenz des Lebens erweckt werden. Die Verbindung zwischen den Unterschieden, dem Selbst und dem Anderen, fand ihren Ausdruck in unterschiedlichen Ausprägungen sozialer Beziehungen, hier speziell von Interesse ist das Gastrecht. Im Gestus des Gastrechtes manifestiert sich nicht nur eine Willkommenskultur. Sie birgt auch das Gegenteil davon, denn sie zeigt an, wo das Fremde beginnt und das Eigene aufhört. Kurzum, wo Grenzen zu ziehen man gewillt ist. Dem Gast oder dem Fremden wird signalisiert, dass er eben nur ein Gast ist, was mit beschränkten Rechten und Pflichten einhergeht, dass er dem Einheimischen, dem Gastgeber, nicht gleichgesetzt ist. Ist man Gast, ist man nicht daheim, lautet die Grundregel zum Verständnis dessen, was Heimat zu sein vermag. Der Gast ist und bleibt der Fremde, nur jener Gast, der sich „wie daheim fühlt", adelt den Gastgeber und in gewisser Weise sich selbst.

    Auch wenn Daheim a priori dort ist, wo man in die Welt geworfen wurde, muss man sich diese erst erobern. Innerhalb dieses abgesteckten Mikrokosmos gilt es, leben, essen, trinken, weinen, lieben, zürnen und hassen zu lernen. Wird man daraus, wie aus dem mythologischen Paradies, vertrieben, verwandelt man sich schlagartig selbst zum Fremden. Und nicht zu vergessen: Diese erste, eine Heimat, dieses Daheim kann das Paradies, aber auch die Hölle sein.

    Verlässt man freiwillig sein angestammtes Terrain beispielsweise aus Not, um Handel zu treiben oder noch besser aus Neugier, ist das, was man zurücklässt, einmal mehr, einmal weniger überschaubar. Und das, was man beim Weggang mitnimmt, einmal mehr, einmal weniger bewusst gewählt. Aber immer lässt man etwas zurück und stets nimmt man etwas mit, das eine dauernde Verbindung oder langanhaltende Erinnerung zur Verlassenschaft zu nennen ist. Es ist nicht bloß der Verlust materieller Güter, auch wenn dieser oft schwer wiegt, es ist mehr, viel mehr. Die Hilflosigkeit der jungen Schweizerinnen, die blind und endlos verzweifelt vor Weh nach dem Daheim einfach nur nach einem Ausweg suchten, zeugt davon. Es ist im Kopf, es ist in dem, was man Seele nennt, es ist im Herzen, es ist wo auch immer, aber es ist da und verursacht Unbehagen und ist wie der Tod, es kann jeden befallen.

    Wie schmerzhaft der Verlust von Heimat sein kann, bekommen wir auch von Heroen unserer Kulturgeschichtsschreibung überliefert. Die Briefe aus der Verbannung des römischen Dichters Ovid, die in regelmäßiger Stetigkeit und voller Schmerz an die daheim Lebenden gerichtet sind, vermitteln eindringlich den Verlust der Heimat, oder anders formuliert die Liebe zu Gewohntem. Eine Reihe weiterer Briefe und Aufzeichnungen berühmter und weniger berühmter Menschen sind uns Zeugnis für dieses Besondere, das wir gemeinhin Daheim, Heimat nennen und das bei Verlust emotionale Irritationen hervorruft. Heimat als Angst- oder Verlustmotiv finden wir in zahlreichen Mythen und Märchen abgehandelt, zu den berühmtesten gehören die Odyssee und die Vertreibung aus dem Paradies.

    Je entfernter von Daheim, aber vor allem je unfreiwilliger die Reise angetreten wurde, desto drängender müssen die Seelenqualen gewesen sein. Nicht umsonst ließ sich der Mensch Verbannung als Strafe einfallen. Bedenkt man, in welcher Sehnsucht nach Daheim selbst ein großer Geist wie Ovid, während seiner Verbannung in Tomis am Schwarzen Meer, dem heutigen Constanţa in Rumänien, darbte, versteht man erst recht die Appetitlosigkeit und psychischen Probleme der jungen, ungebildeten, armen, verängstigten und überforderten schweizerischen Landmädchen.

    Von der Armut oder testimonium paupertatis

    Am Beginn der wissenschaftlichen Erforschung von Heimweh befundete man Heimweh als passive asthenische Geisteskrankheit, die sich, so die Annahme der Mediziner, mit dem Heimweh eines Ovid oder Napoleon nicht vergleichen ließe. Der Unterschied liege in einem testimonium paupertatis, einem Zeugnis der Armut, begründet. Das eine Heimweh entspränge dem Unbewussten: Es ist das Heimweh der Dienstboten, das der armen, ungebildeten Kreaturen, das Heimweh der Sprachlosen. Während das Heimweh der politischen, klugen und reichen Verbannten dem bewussten Geiste entsprechen würde. Derselbe Schmerz, der beim Armen nur als krankhaftes Symptom gewertet wurde, schwang sich beim Gelehrten oder Feldherrn zu Poesie empor.

    Trauer über den Verlust von Gewohnheiten wie von sozialen Beziehungen war es bei den einen wie den anderen, und als solches fühlte es jeder Betroffene.

    Rings von Gefahren, von Feinden umdroht, muss ich leben, als wäre mir mit der Heimat zugleich jeglicher Friede geraubt: […] Dann auch das Antlitz des Orts, das Laub nicht noch Bäume verschönen! Träg an den Winter schließt immer der Winter an sich an. Hier nun werd’ ich bereits vom vierten Winter gepeinigt, kämpfe mit Pfeilen und Frost, kämpfe mit einem Geschick. Ach, meine Tränen versiegen nur dann, wenn Betäubung sie hindert und in der Brust mein Herz scheint wie im Tode erstarrt.¹

    Befallen von der Heimwehkrankheit wurden arme Mädchen vom Lande, die in die Stadt mussten, um sich zu verdingen, genauso wie Soldaten, Gefangene, Vertriebene oder Mönche und Nonnen. Die krankhafte Pein und die mit ihr einhergehenden strafrechtlichen Folgen verleiteten die Mediziner dazu, Heimweh (Nostalgia) bei jenen, die diesen Schmerz nicht in hohe Dichtung umzuwandeln wussten, als Teil des Krankheitsbildes Melancholia zu betrachten.

    Was im Zeichen des Verlustes, durch den Schmerz geboren wurde, von

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