Weltenbruch
Von Laura Schiereck, Oliver Alraun und Jessica Arndt
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Über dieses E-Book
Eine geheimnisvolle Macht treibt die Menschen aus ihrer Heimat in den Westen. Als die Erde zu beben beginnt, ist die Menschheit gezwungen, ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen. Erlebe, ob Ayva, Rayko und Loth sich im Chaos der zerbrechenden Welt behaupten können.
Drei Autoren.
Drei Geschichten.
Eine Welt.
Laura Schiereck
Laura Schiereck, 1994 geboren, ist seit den Anfängen Teil des Teams rund um Divoisia. Sie hat Texte und Geschichten für das Weltenbuch und Weltenbruch geschrieben. Was im Jugendalter mit Pferdemärchen über Mädchen anfing, die böse Verbrecher jagten, wurde mittlerweile zu einer starken Faszination für Fantasygeschichten.
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Buchvorschau
Weltenbruch - Laura Schiereck
Drei Geschichten aus der Welt »Divoisia«
Mitwirkende
Florian Harloff
Isa Rückemann
Philip Beierbach
Michael Liebhauser
INHALT
Grausame Königin
Laura Schiereck
Geheimnisvoller Fremder
Oliver Alraun
Freie Ketzerin
Jessica Arndt
»Ich kann nicht mehr. Ich habe es versucht, Freund, doch ich bin gescheitert. Ich wollte meinem Volk Sicherheit schenken, doch die Angst ist stärker, als ich es je sein könnte. Ihr habt uns so oft geholfen… Wo seid ihr in dieser Zeit, in der wir nicht gegen Könige kämpfen, keine Schlachten schlagen oder Monster besiegen müssen? Wo seid ihr, wenn wir gegen etwas bestehen müssen, das wir nicht bekämpfen können? Warum lasst ihr uns jetzt im Stich?«
aus den Schriften Fürst Lôrath Aramêus Elvîrssons, kurz vor seinem Tod in einem Brief an Rêhdi Îdrinsson
Laura Schiereck
GRAUSAME KÖNIGIN
»Wie eine Trommel.«
Ayva öffnet die Augen, hält dann jedoch inne. »Hm?«
»Es fühlt sich an wie eine große Trommel in der Brust.« Nôra reckt ihr Gesicht dem Himmel entgegen. Ihre Augen sind geschlossen und die Brise lässt ihr Haar im Wind tanzen. Ayva mustert ihre Schwester schweigend. Nôra sieht sie an und ein feines Lächeln legt sich auf ihre Lippen, als sie sieht, dass ihre Schwester noch immer nicht versteht.
»Deine Frage von heute morgen«, sagt Nôra. Das Lächeln bleibt auf ihren Zügen, doch ihre Augen sind müde. Sie sind schon so lange müde. »Du hast gefragt, wie es sich bei mir anfühlt. Die Angst.«
»Und du hast bis jetzt darüber nachgedacht?« Ayva lächelt nun auch. Feine Steine graben sich in ihre Handinnenflächen, als sie sich auf die Mauer vor sich stützt. Nôra zuckt mit den Schultern.
»Wie fühlt es sich denn bei dir an?«
Ayva schluckt trocken. Es gibt in dieser und auch in keiner anderen Stadt ihres Landes einen Menschen, der nicht täglich damit kämpft. Sie alle spüren die Angst. Sie liegt schwer in der Brust und im Bauch und wenn man gehen muss in den Füßen. Sie raubt einem den Atem. Manchmal wird sie ganz leicht. Dann legt sie sich wie ein Schleier über die Augen und macht sie blind.
»Wie ein Fels an meinem Herzen«, antwortet Ayva und löst den Blick von ihrer Schwester, um ihn über die Docks gleiten zu lassen. Obwohl schon so viele geflohen waren, liegen noch immer ein Dutzend Boote in Vêhmenhâven. Doch wie lange noch? Wie lange würden sie der Anordnung ihres Fürsten Folge leisten und hier bleiben, wenn sie genau so gut der Angst nachgeben und fliehen könnten? Was hält sie hier? Der Gedanke daran, was geschieht, wenn sie ihre Treue über Bord werfen und fliehen würden? Es wäre so einfach. Sie könnten einfach eines der Schiffe nehmen. Sie müssten nicht einmal durch den Westwald, der in diesen Tagen so gefährlich ist.
»Komm. Die Köchin wartet«, fordert Nôra sie auf. Sie reißt sie aus ihren düsteren Gedanken und nimmt ihre Hand. Ayva drückt sie leicht. Seit sie denken kann, ist diese Angst da. Sie hatte sie immer begleitet, doch in den letzten Wochen war es schlimmer geworden. Wie eine Welle aus dunklem Wasser begräbt sie die Menschen unter sich. Manche reden von Geistern der Natur, die ihnen so mitteilen, dass sie versagt haben und dass dieses Land nun ohne Menschen leben will. Andere behaupten, dass es ein göttliches Zeichen sei, das ihnen eine neue Heimat verspricht.
»Bald hast du die Sorge ja nicht mehr«, sagt Ayva und Nôra verharrt.
Die Angst frisst sich wie eine Krankheit in jene hinein, die ihr ausgesetzt sind. Es ist egal, wie weit man flüchtet. Vollkommen egal.
Ihre Amme hatte ihnen damals Märchen von einer grausamen Königin erzählt, die ihr Volk folterte und hungern ließ. Sie verbreitete Angst und Schrecken, stahl den Menschen was sie liebten und vergiftete ihre Herzen, so dass sie nach und nach alle daran starben. So ist die große Angst. Sie raubt einem den Atem, den Appetit und dann schleichend, ganz langsam, raubt sie einem das Leben selbst.
»Du bist wütend«, stellt Nôra fest. Ihre fein geschwungenen Brauen berühren sich beinahe in der Mitte. Tiefe Falten ziehen sich durch ihre Stirn. »Was soll ich denn tun?«
»Bin ich nicht«, streitet Ayva ab. Sie schüttelt den Kopf, lässt dann die Hand ihrer Schwester los. »Vater befiehlt es. Was sollst du schon machen?«
»Du bist wütend auf ihn, weil er mich in Sicherheit wissen will?«
Die Ruhe ist vorbei. Das Lächeln ist verflogen und nicht einmal mehr die Erinnerung daran hängt in der Luft. Ayvas Blick verfinstert sich. Ihre Augen funkeln aufgebracht. Die beiden Frauen starren sich an. »Du weißt, dass er dich nur gehen lässt, weil…«
»Ja. Natürlich«, unterbricht Nôra sie. Sie richtet sich auf, schnappt sich den Korb von der niedrigen Mauer und geht in Richtung Burg. »Das Kind. Ich weiß.«
»Fürst Antûr Aramêus Lôrathsson von Vêhmenhâven.«
Die Stimme des Dieners hallt durch den Raum. Starr steht er an der Tür und öffnet sie. Ayva und ihre Geschwister erheben sich, als ihr Vater den Raum betritt. Ihr Blick huscht einen Moment zu Nôra. Sie versucht im Gesicht ihrer Schwester etwas zu finden, das ihr eine Entschuldigung erleichtern würde, doch sie sieht nicht mal zu ihr hinüber. Stur blickt sie ihrem Vater entgegen, beugt dann vor ihm ihr Haupt und lächelt höflich.
»Wie geht es deinem Kind, Tochter?«, fragt der weißhaarige Mann und wartet geduldig, bis Nôra sich wieder aufgerichtet hat.
»Sehr gut, Vater. Ich bin voller Energie und er ist es auch.«
Er nickt und geht einen Stuhl weiter. Darauf sitzt Ayvas Mutter. Sie erhebt sich nicht, nimmt stattdessen einen Handkuss des Fürsten entgegen und