Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Schimmerschwert
Schimmerschwert
Schimmerschwert
eBook346 Seiten5 Stunden

Schimmerschwert

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

In Paginëa herrscht Krieg, seitdem der grausame König Morpheus die Drachen ausgerottet hat. Tod und Leid sind allgegenwärtig. Nur Varus, ein typischer Bauernjunge aus dem Querztal, bekommt von den fernen Schlachten nichts mit. Er führt ein ruhiges Leben an der Seite seines Großvaters und seiner Freundin.
SpracheDeutsch
HerausgeberManuel Baumann
Erscheinungsdatum24. März 2016
ISBN9783945618516
Schimmerschwert

Ähnlich wie Schimmerschwert

Ähnliche E-Books

Fantasy für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Schimmerschwert

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Schimmerschwert - Manuel Baumann

    Dieses Buch widme ich

    meiner Familie, die hinter mir stand, um an meiner Seite durch dick und dünn zu gehen,

    meiner Freundin, die mir den Zauber unserer Welt zeigte und

    zwei besonderen Menschen, auf die ich immer zählen konnte.

    Manuel Baumann

    Schimmerschwert

    Fantasy

    - Prolog -

    Fall der Hoffnung

    Wir müssen los, die Sclocums kommen! SOFORT!" schrie Aazar. Weinend löste sich Felice von dem schlafenden Etwas, welches auf der Türschwelle lag. Neben ihm ein Zettel mit Anweisungen für denjenigen, der die Türe öffnen und ihn finden würde. Es schien, dass selbst Aazar, der nie weinte, es sich dieses Mal nicht verkneifen konnte. Doch aufgrund des strömenden Regens fiel das Felice nicht auf. Sie hatte sowieso nur Augen für das Bündel, das zu ihren Füßen lag.

    Ein Donnerschlag gleich dem Schlachtgebrüll von zehn Kanonen rauschte durch das Querztal. Das grauenhafte Geheul der Horde von Sclocums riss die beiden beinahe so sehr von den Füßen, wie es die stürmischen Böen taten. Mit einer letzten Träne drehten sich Felice und Aazar weg von dem Haus und machten sich zum letzten Kampf bereit, den sie fechten würden.

    So schnell sie konnten liefen sie auf die Schergen des grausigen Königs Morpheus zu, damit sie außer Sichtweite des Hauses blieben. In der dunklen Nacht sahen sie die Fackeln einer riesigen Streitmacht am Horizont. Gerade als sie den Feuerhügel, die Grenze des Querztals, erreichten, standen sie den grausigen Gestalten gegenüber. Zwanzig der gut zwölf Fuß hohen und beinahe ebenso breiten Schlächter standen ihnen mit hämischem Grinsen gegenüber. Ihre gelben spitzen Fänge schienen ebenfalls zu lächeln. Von der Gestalt her ähnelten sie einem Menschen, auch wenn sie beinahe doppelt so groß waren und ihre Haut eine grünliche Farbe inne hatte. Ihre roten Rüstungen sahen aus, als stünden sie in Flammen.

    „Der König wird uns in Gold aufwiegen, wenn wir ihm die Köpfe dieser Maden bringen!", grölte Eisenfaust, ihr Anführer. Die übrigen Sclocums brachen in breites Gelächter aus. Mit seinen durchdringenden grünen Augen schaute er in Aazars blaue und freute sich auf die Rache, die er bald verüben konnte. Eisenfausts Narbe über dem linken Auge schimmerte bei jedem Blitz. Bei der großen Schlacht von Mergonis hatte Aazar ihn dort verletzt und beinahe getötet. Hinter ihnen eilten weitere vier Dutzend ihresgleichen herbei. Schwer atmend kamen sie mit ihren Äxten und Beilen in den Händen neben dem restlichen Gesindel zu stehen.

    Felice spannte einen Pfeil in ihren Bogen und schoss einem Sclocum direkt zwischen die Augen. Auch Aazar hatte sein Schwert in der Scheide gelockert. Mit seinem typischen grünen Schimmern kam es zum Vorschein, als er einem Sclocum, der mit Geschrei auf ihn zugerannt kam, den Kopf abschlug. Schwarzes Blut spritzte auf seine silberne Rüstung. Mit einer Drehung wich er einem Axtstreich aus, tänzelte um zwei Sclocums und erschlug beide mit einem Rückhandschlag. Links sah er seine Frau mit ihren beiden Dolchen einen wahren Sturm aus Schlägen auf die Gegner abfeuern. Neben diesen Gestalten wirkte sie winzig, obwohl sie Aazar um einen halben Kopf überragte. Als sie stoppte, lagen fünf tote Riesen um sie herum auf dem modrigen Boden.

    Ein dröhnendes Sclocum Horn riss Aazar zurück in die Schlacht.

    „Verstärkung", grunzte Eisenfaust zufrieden.

    Langsam wurde Felice klar, dass dies die letzte Schlacht sein würde, die sie vor dem Einzug ins Jenseits zu führen hatten. Ein ganzer Bataillon dieser stinkenden Ungeheuer zog ihnen entgegen.

    „Der König weiß, wo wir sind", dachte sich Aazar. Er wandte sich den heranstürmenden Grorns zu, wie die Bauern sie aufgrund ihrer Größe und Hörner nannten.

    Indem er dem vordersten durch die Beine rutschte und ihn mit seinem Schwert spaltete, gelangte er zwischen vier von ihnen und drehte sich mit ausgestrecktem Arm im Kreis.

    Mittlerweile säumten hunderte von Leichen den Boden, doch für jeden getöteten Sclocum kamen drei neue. Felice hielt mittlerweile nur noch einen Dolch in der Hand, da sie den anderen auf einen Grorn geworfen hattte.

    Eisenfaust sah seine Chance und schlich sich von hinten an sie an. Mit einem Messer stach er ihr in die Hüfte. Schreiend brach sie auf dem Boden zusammen. Als Aazar sah, wie Felice fiel, packte er sich schreiend die Axt von einem toten Sclocum und rannte zu ihr. Mit einem Streich schlug er sechs der Grons nieder, die zwischen ihm und seiner Frau standen und kniete sich neben Felice.

    „Ich liebe dich", flüsterte sie vollkommen erschöpft. Mit einem letzten Zucken legte sie sich auf dem vermoderten Boden zur Ruhe. Aazar schloss ihre blauen Augen mit seinen Händen. Er war nicht mehr in der Lage sich zu bewegen. Er hatte heute die beiden Menschen verloren, die ihm am meisten bedeuteten. Er hätte schwören können, dass er Stunden da gesessen hatte, doch es dauerte nur Sekunden, bis die Axt von Eisenfaust herabstürzte und auch ihn zu den Toten rief.

    In jenem Augenblick, in dem das Leben aus Aazars Augen wich, schien die ganze Welt stillzustehen. Wegen des ohrenbetäubenden Sturms, der sich anhörte wie das Geheul von tausenden Sterbenden und des Donners, der einen bis ins Mark erschütterte, war in diesem Augenblick nichts zu hören, als ob selbst der Himmel fassungslos über diesen Verlust war. Die Nachricht, dass Felice und Aazar gestorben seien, ging um wie ein Lauffeuer. In jener dunklen Nacht verloren die Bewohner von Paginëa nicht nur zwei Helden, sondern auch die Hoffnung, den König endlich entmachten zu können.

    - Kapitel 1 -

    Die Entscheidung

    Aufstehen, Faulpelz, die Kartoffeln ernten sich nicht von selbst und wir haben nur noch einen Halbmond zum Horten für den Markt!", schrie Wilhelm von der Wohnstube aus nach oben.

    Varus reckte sich. Er hatte gut geschlafen, was nicht verwunderlich war. Die Erntezeit stand an und er war froh über jede Pause.

    Außerdem hatte er in einem halben Monat Geburtstag und wie es der Zufall wollte, war gerade da der Jahresmarkt. Der Markt in Margo war dabei besonders bekannt. Nirgends war die Auswahl größer als in der verschlafenen Hauptstadt des Querztals, nördlich des Hamgard-Passes. Da er endlich ins Mannesalter kam, durfte er den Schnaps von Margret, der Dorfbräuerin, das erste Mal im Einklang mit dem Gesetz probieren. Die letzten beiden Jahre hatte er aufgrund seines Aussehens zwar schon ein paar Schlücke erhaschen können, war jedoch eigentlich noch zu jung dafür gewesen. Dennoch hatte er keine Probleme bekommen, da die Leute ihn immer älter schätzten, als er tatsächlich war. Dabei hatten ihm seine tiefe Stimme und sein breites Kinn geholfen, das bereits einige Bartstoppel aufwies. Außerdem war er gut einen halben Kopf größer als sein Opa. Seine Freundin Ahri sagte immer, dass sie an ihm vor allem seine Größe und seine strahlenden blauen Augen liebte.

    „Die hast du von deiner Mutter", sagte Wilhelm immer und wurde danach ganz still.

    Über Varus Eltern wurde nicht oft gesprochen. Varus wusste nicht einmal, wie sie gestorben waren. Wilhelm wollte ihm das erst erzählen, wenn er das Mannesalter erreichte, was bald der Fall sein würde. Das hieß für ihn, er durfte sich ein Geschenk aussuchen und den Tag mit seiner Freundin Ahri verbringen.

    „Ich komme Opa!", rief er Wilhelm entgegen, der schon die Treppen hoch stapfte.

    In ihrem alten Holzhaus knarzten die Stufen bei jedem Schritt, doch Wilhelm wollte alles beim Alten lassen, da er das Haus von seinem Vater geerbt hatte. Es bedeutete ihm alles, da es ihn an seine Frau erinnerte, die gestorben war, als es einst einen Grorn ins Querztal verschlug. Wilhelm war zu spät gekommen um ihr helfen zu können und wurde so zornig über den Verlust, dass er den Grorn mit seinen bloßen Händen erschlug. Aus den Hörnern hatte er sich einen Bogen und einen Becher gemacht.

    Sein schwarzes Haar war bereits im Türrahmen zu sehen.

    „Nenn mich nicht Opa, da fühle ich mich immer so alt", brummelte Wilhelm.

    Er hatte heute Varus Lieblingsfrühstück gemacht: Eier mit abgehangenem Räucherspeck. Nach dem Essen holte Wilhelm ihm den Pferdezug aus dem Schuppen und ließ ihn damit über den Acker fahren. Da jedoch noch einige Kartoffeln im Boden steckten, musste er die restlichen durch harte Arbeit mit dem Spaten und per Hand ausgraben. Als sich der Mittag schon dem Ende zuneigte, war er endlich fertig mit dieser harten Arbeit. Der einzige Vorteil lag darin, dass er durch die Landarbeit sehr kräftig geworden war und gegen jeden im Dorf im Armdrücken gewann.

    „Opa ich bin fertig, darf ich noch zu Ahri ins Dorf?", fragte Varus.

    „Wenn die Sonne untergeht bist du wieder zu Hause, sonst grab ich die Kartoffeln wieder ein!, spaßte Wilhelm, „und nenn mich nicht Opa!.

    Aber das hörte Varus nicht mehr, da er bereits auf dem Weg zu seiner Geliebten war. Als die Nacht hereinbrach, war er immer noch nicht zu Hause, doch Wilhelm machte sich keine Sorgen; er kannte seinen Enkel, so ging es immer bei den beiden.

    Die Tage zogen ins Land, bis endlich Varus Geburtstag und Markttag war. Er wurde durch eine wohlbekannte sanfte Stimme geweckt, die ihm ins Ohr

    flüsterte: „Aufstehen Süßer, es gibt Essen ans Bett und ein Geschenk."

    Varus öffnete die Augen und sah direkt in Ahris Gesicht. Mit ihren mandelfarbigen Augen und ihrem langen blonden Haar, das zusammen mit ihren strahlenden Zähnen ein fabelhaftes Bild abgab, lächelte sie ihn an. Sie hatte ihm extra einen Apfelkuchen gebacken und zeigte ihm das Geschenk. Es handelte sich dabei um ein wunderschönes mit Ölfarben gemaltes Bild von den beiden, wie sie einen Sonnenuntergang in der Ferne beobachteten. Eng umschlungen saßen sie auf Varus Geheimplatz oben auf dem Feuerberg. Im Hintergrund war eine Aussicht über das gesamte Querztal zu erkennen.Es war so wunderschön, dass es Varus kurz die Sprache verschlug. Schließlich brachte er ein: „Ich liebe dich" über die Lippen und er hatte noch nie in seinem Leben etwas so ernst gemeint, wie diese Worte.

    Er strich Ahri durch ihr Haar und sie legte ihren Kopf auf seine Schulter. Varus dunkelbraunes Haar glänzte in der Sonne, die durch das geöffnete Fenster hineinfiel. Mit dem Messer in der Hand schnitt er sich ein Stück Kuchen ab. Er schmeckte himmlisch.

    Nach dem Essen gingen die beiden hinunter zu Wilhelm. Dieser hatte bereits die Pferde gesattelt und die Ernte auf den Wagen geladen, die er, wie jedes Jahr, auf dem Markt verkaufen wollte. Es wurden Jahr für Jahr bessere Preise für die Kandaro-Kartoffeln aus dem Querztal erzielt, da sie so süß schmeckten.

    „Varus, da du heute Geburstag hast, musst du mir nicht helfen. Ihr beide sollt den Tag genießen. Hier, nimm dieses Geld und kauf dir dein Geschenk. Du weißt besser, was du haben willst", meinte Wilhelm und warf ihm einen kleinen Sack voller Goldmünzen zu.

    Varus öffnete den Sack und kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Sein Opa hatte ihm so viel Geld geschenkt, wie er es im Leben noch nicht gesehen hatte. Varus war sofort klar, dass Wilhelm Monate dafür gespart haben musste.

    Danke Opa! Du bist der Beste", antwortete Varus den Tränen nahe und umarmte ihm.

    Lernst du denn nie, dass ich nicht Opa genannt werden will?", grinste Wilhelm.

    Varus lachte nur und machte sich auf, mit Ahri nach Margo zu reiten. Im Dorf waren bereits viele Stände aufgebaut. Man wusste gar nicht, wo man hinschauen sollte. Jedoch sahen alle Stände sehr mitgenommen aus. Auf Varus Nachfrage hin antworteten die Menschen, dass sie unterwegs von Truppen des Königs ausgeraubt worden waren. Varus hatte nicht damit gerechnet, dass der König sein Volk überfallen würde, aber das ging angeblich schon lange so. Er sprach mit einigen Händlern, doch alle berichteten das Gleiche. Seit Jahren überfiel der König mit seinen Truppen harmlose Händler und nahm ihnen ihre Ware ab. Angeblich verkaufte er diese anschließend selber, oder ließ sie in die goldene Stadt, wie Mergonis, die Hauptstadt des Reiches, auch noch genannt wurde, transportieren. Dort verschenkte er sie an die Adligen, die mit ihm in seiner Zitadelle wohnten.

    Nach den Gesprächen sahen sie sich um. Schließlich kaufte Varus eine zweiteilige glitzernde Kette, die mit Diamanten gespickt war. Sie war sehr teuer. Der Händler hatte sie unter Lebensgefahr in seiner Hose verstecken müssen, damit die Schergen des Königs sie nicht auch noch an sich rissen. Er hatte ein schlechtes Gewissen, da er beinahe das ganze Geld, das sein Opa für ihn gespart hatte, für die Kette ausgab.

    Den einen Teil gab er Ahri, den Anderen behielt er für sich. Obwohl heute sein Geburstag war, liebte er es, ihr Geschenke zu machen. Sofort vergaß er sein schlechtes Gewissen, als er ihren Gesichtsaudruck sah. Dieses Lachen in ihren Augen und ihre Freude, wann immer sie etwas von ihm bekam, hatte Varus schon lange süchtig gemacht und er konnte einfach nicht genug davon bekommen. Dennoch schenkte er ihr nicht so viel, dass sie sich nicht mehr freuen würde. Stolz trugen er und Ahri die Kette und sahen sich weiter um.

    Nach einigen Stunden auf dem Markt fragte Ahri: „Varus, sollen wir zu mir nach Hause und dort Essen? Es gibt heute Eintopf".

    Da packte jemand Varus am Arm und schleuderte ihn herum. Varus Herz pulsierte wie verrückt, als er dem Fremden ins Gesicht sah und sich losreißen wollte. Der Fremde ließ jedoch nicht locker.

    „Ist die Geschichte also wahr? Bist du wirklich Varus, der Sohn von Aazar und Felice?", fragte ihn ein alter, äußerst merkwürdig aussehender Mann, dessen graue Haare mit seinem Bart, der ihm bis zum Bauch reichte, verwachsen zu sein schienen. Mit stechenden, hoffnungsvollen Augen blickte er ihn an.

    „Ja, der bin ich, aber was meint Ihr für eine Geschichte?", fragte Varus verwirrt.

    Es ist also tatsächlich wahr. Es gibt noch Hoffnung. Es ist wahr, ich kann es nicht glauben. So lange warte ich schon auf diesen Moment." Lachend drehte sich der Mann um und begann zu singen:

    „Die Geschichte über den Sohn Aazars ist wahr,

    Nun ist der Tag der Vergeltung nah,

    Er wird sich rächen für die Tat,

    er ist da, jener Tag!"

    Immer wieder sang er diese Strophe und wollte schon gehen, da packte Varus ihn seinerseits.

    Von was für einer Geschichte redet Ihr da?"

    „Na von der von Euren Eltern und wie sie Euch gerettet haben", lachte der Fremde.

    Varus erstarrte. „Was wisst Ihr von meinen Eltern? Sprecht!"

    Verdutzt fragte der Mann: „Wie? Ihr kennt eure eigene Geschichte nicht?"

    „Nein", stellte Varus fest.

    Misstrauisch sah ihn der Mann an. Schließlich erzählte er die Legende von Felice und Aazar, wie sie ihren Sohn retteten und sich für ihn opferten, von Eisenfaust und den Schergen des Königs und auch von ihm.

    Mit jedem Wort, das der Mann sprach, wurde Varus bleicher, so viele Fragen taten sich in ihm auf. Wieso hatte ihm Wilhelm das nicht erzählt? Wieso waren seine Eltern und er vom König verfolgt worden? Von was für einem Tag hatte der Mann gesprochen? So in seinen Gedanken versunken bemerkte er gar nicht, wie der Fremde sich umdrehte und singend weiterging. Ahri ergriff Varus Hand und presste sie zusammen. Sie war beinahe ebenso bleich wie er.

    „Ich muss jetzt zu Wilhelm und mit ihm sprechen, tut mir leid!", flüsterte er. Sie war derselben Meinung, also machte er sich auf den Heimweg. Als er ankam, war es bereits dunkel.Wilhelm saß mit einem Bier am Tisch und hatte scheinbar auf Varus gewartet.

    „Na was hast du dir von dem Geld denn gekauft?", fragte ihn sein Opa mit einem Lächeln auf den Lippen.

    „Ich habe heute einen Mann in der Stadt getroffen. Er hat mir etwas erzählt, eine Art Legende von meinen Eltern und mir. Wilhelm, was hat es damit auf sich? Wilhelm verschluckte sich fast an seinem Bier. Nachdem er sich wieder gefasst hatte, antwortete er grimmig: „Ich habe zwar gehofft, dass du mich mal Wilhelm nennst, aber nicht unter solchen Umständen. Ja, es ist wahr, sagte er und ein Schatten trat auf sein Gesicht. Er steckte seine Pfeife an.

    „Wieso hast du es mir nie gesagt? Wieso musste ich die Geschichte durch einen Fremden und nicht durch dich erfahren?", platzte es aus Varus heraus. Er war immer lauter geworden und schrie mittlerweile.

    Wilhelm zog an seiner Pfeife. „Dreh dich um und mach die Schublade auf. Ganz unten liegt der Brief, den deine Eltern neben dich gelegt haben, als sie starben."

    Varus sprang auf und kramte den Brief hervor. Dort stand:

    Wilhelm, dort vor deinen Füßen liegt unser Sohn dein Enkel. Du musst uns versprechen, auf ihn aufzupassen. Wir werden verfolgt und können die Schergen des Königs nicht mehr abhängen. Wir werden gegen sie kämpfen. Falls wir die Schlacht nicht überleben sollten, so pass auf ihn auf. Du musst ihn aufziehen, aber sage ihm nicht, wie wir gestorben sind, bis er es selbst herausfindet oder das Mannesalter erreicht. Er soll fern von alldem aufwachsen, er wird es schon früh genug durchleiden müssen. Wenn der Tag gekommen ist, zeig ihm diesen Brief. In dem Umschlag ist noch ein weiterer Brief, welcher nur für Varus bestimmt ist. Falls er sich entscheidet zu kämpfen, wirst du ihn durch die Ausbildung begleiten müssen. Wenn wir überleben, werfe diesen Brief weg. Ich liebe dich, Vater!

    Varus stockte der Atem. Zitternd holte er den anderen Brief aus dem Umschlag.

    Varus. Mein Sohn. Wenn du das liest, sind ich und Aazar, dein Vater, bereits tot. Wir wollen dir wenigstens einmal sagen, dass wir beide dich lieben. Es gibt so vieles, was ich am liebsten in diesen Brief schreiben würde, aber wir haben nicht viel Zeit. Also höre genau zu: Du musst jetzt die Wahl treffen, ob du dein Leben, wie es bisher ist, weiterführen willst, oder ob du dich dazu entscheidest gegen den König zu kämpfen und das Land zu befreien. Wenn du so weiterleben willst wie bisher, wirst du keiner Gefahr ausgesetzt sein. Der König weiß nicht wo du bist, da du ansonsten schon längst tot wärst. Wenn du dich entscheidest zu kämpfen, musst du das Querztal hinter dir lassen und dich zur Ausbildung aufmachen. Du wirst zuerst zu den Menschen in Hezron gehen und den zweiten Teil deinerAusbildung bei den Waldläufern in Daileass mitten im Astor-Wald verbringen. Sie werden dir alles Weitere erklären. Ich will, dass du dich selber entscheidest. Allerdings solltest du wissen, dass du mit Wilhelm der Einzige bist, der den König töten kann. Wilhelm kann jedoch nicht aus dem Querztal heraus. Gleichgültig wie du dich entscheidest, Wilhelm und wir werden immer auf deiner Seite stehen. Ein letztes Mal will ich dir noch sagen, wie wichtig du uns bist.

    Tränen tropften auf das Pergamentpapier des Briefes.

    Wir lieben dich von ganzem Herzen!

    Varus las diesen Brief ein halbes Dutzend Mal und konnte es immer noch nicht glauben. Er hatte die letzten Worte seiner Eltern in seinen Händen. Er war nicht in der Lage zu sprechen. Wilhelm saß nachdenklich neben ihm. Er wollte nicht wissen, was in dem Brief stand. Er konnte es sich denken.

    Als Varus seine Gedanken wieder einigermaßen in Ordnung gebracht hatte, flüsterte er: „Wilhelm, ich glaube, ich habe eine Entscheidung getroffen. „Überschlaf sie und teil sie mir morgen mit. Es ist eine Entscheidung, die unser beider Leben beeinflussen wird. Du musst dir ganz sicher sein. Einmal mit der Ausbildung begonnen, gibt es kein Zurück.

    Varus hörte auf den Rat und ging zurück in sein Zimmer. Dort lag er noch eine ganze Weile wach und versuchte zu verstehen, was er da eben erfahren hatte. Er war der Sohn zweier Legenden und sollte den König töten. Er atmete tief durch und schloss die Augen. Seine Gedanken kreisten immer noch, als er einschlief.

    Am nächsten Morgen weckte Wilhelm ihn. So ernst hatte Varus seinen Opa noch nie gesehen.

    „Deine Entscheidung?", fragte er direkt.

    „Ich werde kämpfen!", antwortete Varus.

    „Bist du dir ganz sicher?", hakte Wilhelm nach.

    „Ja! Ich werde ihn bezahlen lassen für seine ganzen Untaten."

    Ein leichtes Lächeln huschte über Willhelms Lippen. „Ja, das wirst du!"

    Er war sehr stolz auf seinen Enkel. Seiner Meinung nach hatte er sich richtig entschieden.

    - Kapitel 2 -

    Der Hamgard-Pass

    Wilhelm traf die Vorbereitungen für die beschwerliche Reise der beiden über das Acaraho-Gebirge.

    „Ich gehe ins Dorf, du willst sicher mitkommen. Du musst dich schließlich noch verabschieden", sagte er zu Varus.

    Dieser erstarrte. Er hatte Ahri vollkommen vergessen. Ihm wurde erst jetzt klar, dass er sie wahrscheinlich eine ganze Weile nicht mehr sehen würde. Tränen traten in seine Augen. Auf einmal war die Entscheidung, die ihm vorhin noch so einfach zu sein schien, sehr viel schwerer geworden.

    „Du hast recht", brachte er schließlich heraus. Während dem Ritt nach Margo überlegte er sich die ganze Zeit, ob er gehen sollte oder nicht. Immer wieder dachte er an seinen Geburtstag zurück und fragte sich, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn er den Mann in der Stadt nie getroffen hätte. Wie sollte er nur seine Liebe mit dem vagen Versprechen zurücklassen, eines Tages zurückzukehren und mit ihr eine Familie zu gründen. Sein Opa riss ihn aus den Gedanken.

    „Wir sind da. Ich gehe unsere Sachen kaufen und hole dich gegen Abend wieder hier ab, ich muss noch einiges erledigen", kündigte Wilhelm an. Er kaufte in Margo fünf Pfund gepökeltes Fleisch und Süßkartoffeln. Außerdem baute er aus seinen ehemaligen Futtertrögen Kanister, um genug Wasser für einige Tage mitnehmen zu können. Dann schrieb er noch einen Brief an Braum, um sich mit ihm zu bereden und ihre Absichten anzukündigen.

    Unterdessen lief Varus zu Ahris Haus. Der Weg kam ihm heute endlos vor. Es war ein merkwürdiges Gefühl zu Ahri zu gehen, mit dem Wissen, sie vielleicht nie wieder zu sehen.

    Als er vor der Tür stand zögerte er. Schließlich klopfte er. Insgeheim hoffte er, dass sie nicht da war. Er wusste einfach nicht, wie er es ihr sagen sollte. Ein strahlendes Gesicht öffnete die Tür und warf sich ihm um den Hals. Sie zog ihn an seiner Hand hoch in ihr Zimmer und setzte sich auf ihr Bett. Er setzte sich neben sie und hörte zu, als sie von ihrem Tag erzählte.

    Nach kurzer Zeit fragte sie: „Was ist denn los? Du bist heute so anderes!"

    Da konnte er nicht anders und erzählte ihr alles, das Gespräch mit Wilhelm gestern Abend, den Brief von seinen Eltern, seine Aufgabe und seine Entscheidung, ihr zu folgen. Anschließend wollte er ihr den Teil der Kette geben, die ihm gehörte, da er nicht erwarten konnte, dass sie wartete. Ahri jedoch schloss seine geöffnete Hand um die Kette und ganz entgegen dem, was er erwartet hatte, fing sie nicht an zu weinen. Im Gegenteil, sie lächelte ihn an. „Ich bin stolz auf dich! Du hast die richtige Entscheidung getroffen. Habe keine Angst, du wirst diese Aufgabe meistern. Ich habe immer schon gewusst, dass in dir ein Held steckt; behalte deinen Teil der Kette. Ich werde solange warten, bis du mit dem Kopf des Königs in der Hand zurückkommst."

    Er konnte in diesem Moment nicht anders als sie zu küssen und er wollte sie nicht mehr loslassen. So lagen sie da, bis der Abend nahte. Als es zu dämmern begann, riss er sich von ihr los, küsste sie ein weiteres Mal und verabschiedete sich mit den Worten: „Ich werde zu dir zurückkommen. Ich kann nicht anders, ich liebe dich!".

    Und auch wenn Ahri vorhin so stark gewesen war, konnte sie nicht anders, als jetzt zu weinen. Varus küsste sie ein letztes Mal, drehte sich um und ging, damit sie seine Tränen nicht sah.

    Da ihr Pferd nicht mehr am Futtertrog vor Margets Hof festgebunden war, musste Wilhelm bereits ohne Varus nach Hause geritten sein. Varus war es so ohnehin lieber. Er konnte die Zeit für den Weg nutzen, um sich auf ihre Reise mental vorzubereiten.

    Die Dämmerung setzte bereits ein, als Varus endlich ihren Hof erreichte. Im Haus lagen die Sachen für ihren Weg schon bereit. Wilhelm hatte sich Mühe gegeben, an alles zu denken. Zwei Rucksäcke, bis oben hin gefüllt, lagen auf dem Esstisch. Doch neben diesen Rucksäcken lagen drei Gegenstände, die Varus Interesse noch mehr auf sich zogen: Der Bogen, den Wilhelm aus den Hörnern des Grorns gemacht hatte, ein silbernes Schwert und ein leicht grünlich schimmerndes Schwert, das Varus nahezu anzulächeln schien. Er ging auf das Schwert zu und hob es auf.

    „Das gehörte deinem Vater. Gib gut darauf acht, es gibt nur noch zwei dieser Art und das andere hat der König. Du wirst es von heute an oft genug brauchen."

    Varus wirbelte herum. Er hatte Wilhelm gar nicht die Treppen heruntersteigen gehört. In seinen Händen hatte er eine Karte von ganz Paginëa.

    „Wir brechen noch heute Nacht auf. Wir müssen bis zum Einbruch des Morgens am Hamgard-Pass sein. Am Tag treiben sich im Acaraho-Gebirge Waldbären herum und so einen willst du nicht treffen! Außerdem ist bald Winter, da haben sie Hunger."

    Varus hatte schon von solchen Waldbären gehört. Groß wie ein Scheunentor sollten sie sein und mit einem Schlag einen ganzen Baum entwurzeln können. Glücklicherweise gab es sie nur im Acaraho-Gebirge und im Reich der Waldläufer.

    „Wir werden zu Fuß über das Gebirge müssen, da Pferde nicht über die steilen und engen Pässe kommen. Anschließend werden wir in Biford zwei Pferde kaufen und du wirst weiter reiten."

    „Wieso kommst du nicht mit?", fragte Varus erstaunt.

    „Das erzähle ich dir unterwegs noch alles, wir müssen los", versetzte Wilhelm, griff sich einen Rucksack und trat durch die Tür hinaus. Varus nahm den anderen Rucksack und das grüne Schwert und folgte ihm. Mit einem wehmütigen Blick betrachtete Varus ein letztes Mal sein altes Zuhause, doch er freute sich gleichzeitig auf die neuen Abenteuer, die ihn nun erwarteten. Gemeinsam gingen sie auf die hohen Berge des Querztals zu. Er sah sich noch einmal um und ahnte bereits, dass er so bald nicht mehr hier wohnen würde.

    Bereits nach kurzer Zeit hatten sie den Feuerberg erreicht. Er erinnerte sich an die Momente mit Ahri, die er hier verbracht hatte und schaute noch einmal gen Margo.

    „Wenn die wüssten, dass sich einer von ihnen aufmacht, sie vom König zu befreien, würden sie jetzt nicht so friedlich schlafen", dachte sich Varus, als er auf die rauchenden Schornsteine hinab blickte. Mit einem Ruck drehte er sich zurück zu Wilhelm und sah, dass dieser mit einem ähnlichen Gesichtsausdruck zurückblickte. Nach einigen Momenten machten sich

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1