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Aurelia: Tochter eines Lanista
Aurelia: Tochter eines Lanista
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eBook441 Seiten6 Stunden

Aurelia: Tochter eines Lanista

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Über dieses E-Book

Omnia vincit amor


Nach dem Tod ihrer Mutter und dem darauffolgendem Exil bei ihrer Tante versucht die junge Aurelia, ihren Platz in der Welt zu finden.
Als ihr Vater sie an ihrem 18. Geburtstag zurück nach Hause in seine Gladiatorenschule ruft, entpuppt diese sich als Gefängnis, aus dem ein Entkommen unmöglich scheint. Umringt von kalten Mauern, Sand und Blut, wartet sie darauf, mit einem Senatsmitglied vermählt zu werden.
Die Begegnung mit dem besten Gladiator des Ludus verändert mit einem Mal alles und stellt Aurelias Entschlossenheit, all dem entfliehen zu wollen, auf die Probe.


Wird sie an den Gefühlen für einen Sklaven festhalten oder verliert sie ihren Glauben an das Gute in den Menschen?
SpracheDeutsch
HerausgeberLycrow Verlag
Erscheinungsdatum16. Jan. 2024
ISBN9783755468226
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    Buchvorschau

    Aurelia - Magdalena Steinkogler

    Aurelia

    Aurelia

    Tochter eines Lanista

    Magdalena Steinkogler

    Magdalena Steinkogler wurde 1989 in Wien geboren und lebt auch heute noch dort mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern. Wenn sie nicht gerade neue Geschichten schreibt, liebt sie es, lange Waldspaziergänge mit ihrem Hund zu machen oder in ihrem Garten zu arbeiten.

    Auf ihrem Instagram-Account

    @autorin.steinkoglermagdalena

    teilt sie Einblicke in ihren Autorenalltag und über weitere Projekte.

    Triggerwarnung

    Dieses Buch enthält sensible Szenen. Eine Liste der Themen befindet sich am Ende des Buches.

    Glossar

    Ein ausführliches Glossar zu den verwendeten lateinischen Begriffen befindet sich am Ende des Buches in alphabetischer Anordnung, ebenso die lateinischen Sprüche mit Übersetzung und ggf. Urheber in der Reihenfolge ihres Auftretens.

    Aurelia

    Tochter eines Lanista

    Von Magdalena Steinkogler

    Titel: Aurelia

    Autorin: Magdalena Steinkogler

    ISBN: 978-3-98942-207-0

    © 2023 Lycrow Verlag

    Alle Rechte vorbehalten.

    Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Verlag verantwortlich. Jede Verwendung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig.

    Lycrow Verlag GbR

    Schillerstraße 8

    17266 Teterow

    info@lycrowverlag.de

    Bestellung und Vertrieb:

    Nova MD GmbH, Vachendorf

    omnia vincit amor

    I. Das Mädchen

    I. Das Mädchen

    „Euer Vater hat es befohlen. Wehrt Euch nicht." Eine Hand Schloss sich fest um Aurelias Oberarm.

    „Nein! Ihr könnt mich nicht zwingen!, rief das kleine Mädchen unter Tränen. „Das ist mein Heim! Ich werde nicht gehen. Ihre Stimme glich einem verzweifelten Schluchzen. Mit aller Kraft versuchte sie, dem Griff der Dienerin zu entkommen. Die dünnen Finger der Sklavin hatten sich unnachgiebig um ihr zartes Handgelenk geschlossen, und so sehr sie es auch versuchte, er lockerte sich nicht.

    Ungeachtet ihres Widerstands zerrte die Dienerin das Kind hinter sich durch die Gänge der Villa. „Nun stellt Euch nicht so an. Euer Vater weiß, was das Beste für Euch ist. Ihr habt ihm zu gehorchen", zischte ihr die Frau ungeduldig entgegen.

    Aurelia starrte sie entsetzt an. All das war zu viel für das kleine Mädchen.

    Der Tod ihrer Mutter lag erst einige Tage zurück. Sie hatte Tag und Nacht nur geweint, stundenlang vor der Türe ihres Vaters gesessen und gehofft, er würde sie zu sich hereinholen, doch sie wurde bitter enttäuscht. Eine eisige Kälte hatte ihr aus seinen Augen entgegengeblickt. Eine Kälte, die ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ. Er gab ihr keinerlei Halt, spendete ihr keinerlei Trost. Und nun hatte er beschlossen, seine eigene Tochter zu verstoßen. Er schickte sie fort von allem, was sie kannte, von allem, was sie liebte.

    Mit geballter Kraft riss sie sich los und spuckte der Sklavin ins Gesicht. „Ihr könnt mich nicht zwingen!" Aufgelöst rannte sie, so schnell ihre Beine sie tragen konnten, zurück in die Villa. Im Innenhof angekommen stieß sie mit ihrem Vater zusammen. Ihr Herz setzte einen Schlag aus, als sie ihm ins Gesicht sah. Für einen kurzen Augenblick schien es ihr, als würde sie eine Gefühlsregung in seinem Blick erkennen, doch schon nach einem Wimpernschlag war diese verschwunden.

    Streng blickte er auf seine Tochter herab. „Wieso bist du noch nicht beim Tor?" Seine Stimme ließ in diesem Moment keinerlei Zuneigung spüren.

    „Das kannst du nicht machen, Vater!, flehte sie. „Ich habe schon Mutter verloren. Ich kann nicht dich auch noch verlieren! Verzweifelt klammerte sie sich an ihm fest. Sie konnte nicht verstehen, weshalb er sich in dieser schweren Zeit von ihr abwandte.

    Sein Gesicht blieb unnachgiebig und hart. Weder Trauer noch Verständnis lagen in seinem Blick. Er sah aus völlig kalten Augen auf sie herab. Seine Kiefermuskulatur spannte sich an und er schnaubte. „Ich habe es dir bereits mehrfach gesagt. Du wirst zu Ephilia aufs Land fahren und dort wirst du die nächsten Jahre verbringen ..."

    „Wieso tust du das? Wieso stößt du mich von dir? Das hier ist mein Zuhause, du kannst mich nicht einfach fortschicken!", unterbrach sie ihn schluchzend.

    Lucius hatte genug von der langen Diskussion. Grob packte er seine widerspenstige Tochter am Oberarm. „Ich kann und ich werde, knurrte er sie an. „Wenn du dich weiter so anstellst, werde ich andere Saiten aufziehen.

    In seiner Stimme schwang unbändiger Zorn mit.

    Aurelia blickte ihn verständnislos aus ihren großen Augen an.

    „Wo ist die Dienerin, die dich zur Kutsche bringen sollte?", fragte er und zog seine Tochter hinter sich her. Das Kind weinte und schrie. Mit aller Kraft versuchte sie, ihm und dem drohenden Abschied zu entfliehen. Ihr Vater beachtete diesen Umstand nicht weiter. Unbeirrt zerrte er sie weiter in Richtung Tor.

    Die Sklavin eilte an seine Seite. „Dominus, entschuldigte sie sich. „Ich bitte um Vergebung. Sie senkte demütig ihr Haupt. „Sie hatte sich losgerissen."

    Lucius strafte sie mit strengem Blick, legte aber keinen Wert darauf, ihr zu antworten.

    Am großen Tor angekommen ließ er seine Tochter endlich los. Von Traurigkeit umhüllt rieb sich das Mädchen über den Oberarm. Noch nie zuvor hatte ihr Vater sie derart grob angefasst und in solch einem strengen Ton mit ihr gesprochen. Sie erkannte ihn nicht wieder. Wie konnte er ihr nur so etwas antun?

    „Steig in die Kutsche, Aurelia", donnerten seine Worte über den Hof. Aurelia sah sich um. Die römischen Wachen, welche neben der Kutsche Stellung bezogen hatten, wandten ihre Blicke ab. Sie rührte sich nicht von der Stelle.

    „Aurelia!, mahnte er erneut. „Wir hatten das besprochen. Zwing mich nicht, dir weh zu tun.

    Sie starrte ihren Vater an.

    Plötzlich stand ein Mann, in einen bodenlangen Umhang gehüllt, neben ihr. Da seine Kapuze tief ins Gesicht gezogen war, war es ihr unmöglich, sein Gesicht zu erkennen. Aurelia wusste, er war einer von Vaters Gladiatoren. Ohne auch nur ein Wort zu ihr zu sprechen, flößte er ihr allein mit seiner Erscheinung ungeheure Angst ein. Seine breiten Schultern und kräftigen Arme ließen ihn wie einen Fels erscheinen. Er überragte ihren Vater noch um mehr als einen Kopf und sein breites Kreuz hob ihn auch von den gut ausgebildeten Soldaten in den purpurroten Umhängen ab.

    Fassungslosigkeit und Angst betäubte ihren jungen Körper und Tränen liefen dem aufgelösten Mädchen über die Wangen. Die Dienerin, der sie noch vor wenigen Minuten entflohen war, drängte sie indes weiter zur Kutsche. Jede Faser ihres Körpers sträubte sich, dem Willen ihres Vaters nachzugeben. Jeder Muskel hatte sich verspannt und weigerte sich, einen weiteren Schritt auf die Kutsche zuzumachen.

    Ohne Vorwarnung packte sie der Gladiator an den Oberarmen. Sie hielt den Atem an. Ihr Herz schien vor Schreck stehengeblieben zu sein. „Nehmt Euer Schicksal an ...", knurrte er. Seine Stimme glich einem herangrollenden Donner und ließ sie innerlich erzittern. Ihre Beine waren kurz davor unter ihr nachzugeben und eine Welle von Furcht drohte, sie mit sich zu reißen.

    Sie hatte jeglichen Halt verloren.

    Aurelia schreckte schweißgebadet hoch. Ihr Herz raste. Völlig außer Atem rang sie nach Luft. Unsicher, ob dies wirklich nur ein Traum war, strich sie sich über die Oberarme. Die Beine vor ihrer Brust angewinkelt, umschlang sie diese mit ihren zittrigen Armen.

    Seit Jahren schon hatte sie keine Albträume mehr gehabt. In den ersten Monaten nach ihrer Ankunft bei Ephilia war sie jede Nacht von ihnen heimgesucht worden und sie war mit rasendem Herzen erwacht.

    Immer wieder hatte sie von dem schmerzhaften Abschied und dem einschüchternden Gladiator geträumt und immer wieder hatte sie das Gesicht ihrer sterbenden Mutter aus dem Schlaf gerissen.

    Doch irgendwann verschwanden diese grauenhaften Erinnerungen und mit ihnen auch das ständige Gefühl der Angst.

    Nun waren ihre Träume zurück. Die Vergangenheit schien das Mädchen erneut einzuholen. Unwillkürlich begann Aurelia am gesamten Körper zu zittern. Sie wollte sich nicht vorstellen, ihrem Vater wieder gegenüberzustehen. Wie sollte sie ihm vors Angesicht treten, nachdem er sie vor so vielen Jahren verstoßen hatte? Bei dem Gedanken, in ihr einstiges Heim zurückzukehren, krampfte sich ihr Magen zusammen und ihr stiegen die Tränen in die Augen. Wie könnte sie dort jemals wieder leben? An dem Ort, an dem ihre Mutter ihr Leben und sie selbst alles verloren hatte? Wie sollte sie dort jemals glücklich werden?

    Vor ihren Augen sah sie wieder den Gladiator, der sie damals aus dem ludus, der Gladiatorenschule ihres Vaters, gebracht hatte. Krampfhaft versuchte sie, sich sein Gesicht ins Gedächtnis zu rufen. Als er sie bei Ephilia vor fünf Jahren aus der Kutsche geholt hatte, trug er keine Kapuze. Aurelia bemühte sich, wollte sich an jedes Detail erinnern. Doch ihr Blick war damals wie heute durch einen Schleier aus Tränen getrübt.

    Nachdem sie ihre Tränen getrocknet und sich ihr Herzschlag beruhigt hatte, hüllte sie sich in eines ihrer Laken. Traurig trat sie ans Fenster. Ihren Blick in die Sterne gerichtet, sog sie die kühle Nachtluft ein.

    Es war ihr, als könnte sie den festen Griff ihres Vaters immer noch spüren. Sie erinnerte sich an sein Gesicht, als ob er direkt vor ihr stehen würde. Sein kantiges, kühles Gesicht, seine gerade Nase, seine schmalen Lippen. Seine kalten, grünen Augen, in denen keinerlei Zuneigung lag. Eine Gänsehaut überkam sie bei diesen Erinnerungen. Schließlich legte sie sich wieder ins Bett und kämpfte mit all ihrer Kraft gegen den Schlaf an, doch er übermannte sie, wie stets.

    Als Aurelia am folgenden Morgen erwachte, setzte ihr Herz einen Schlag aus. Sie schlug das Laken zur Seite und entdeckte eine Blutlache. Zu den krampfartigen Schmerzen, die sie im Unterleib verspürte, mischte sich bei diesem Anblick und der damit verbundenen Gewissheit, in der letzten Nacht zur Frau geworden zu sein, eine lähmende Übelkeit. Ein grässliches Unbehagen bemächtigte sich ihrer.

    Dies war der Moment, vor dem sie sich schon so lange Zeit gefürchtet hatte.

    Dies war der Moment, der ihr Leben wie sie es bis jetzt geführt hatte, für immer verändern würde.

    Sie war zur Frau geworden.

    Nachdem sie sich gesäubert hatte, saß das Mädchen gedankenverloren in den Gärten ihrer Tante Ephilia. Umringt von all den blühenden Pflanzen wirkte sie wie ein kostbares Juwel. Ihr langes, braunes Haar lag in großen Locken über ihren schmalen Schultern. Das leichte, zart fallende Kleid umschmeichelte ihren zierlichen Körper.

    Aurelia lebte seit fünf Jahren auf dem Landsitz ihrer Tante. Tag und Nacht umgeben von Dienern, hatte sie sich nie um etwas sorgen müssen, und jeder Wunsch wurde ihr von den Augen abgelesen. Obwohl die Tante sie wie ihr eigenes Kind behandelte, fühlte sie sich oft allein und verlassen, denn die bohrende Leere, die der Tod ihrer Mutter in ihr hinterlassen hatte, konnte nicht gefüllt werden. Wie so häufig liefen Tränen über ihre Wangen. Es schien, als würde sie keine Luft bekommen, und allein beim Gedanken, was ihre Tante zu ihrem Zustand sagen würde, krampfte sich ihr Magen zusammen.

    Ihr war klar: Sie musste bald schon in den ludus ihres Vaters zurückkehren, da sie nun eine Frau war, doch wollte sie das nicht, nicht nach so vielen Jahren.

    Nicht, nachdem sie hier ein zweites Heim gefunden hatte.

    Ephilia konnte ihre Mutter nicht ersetzen, aber sie gab ihr Geborgenheit und das Gefühl, geliebt zu werden. Aurelia graute davor, all das hinter sich zu lassen. Sie dachte an ihren Vater und den ludus. Sie war zu jung gewesen, um sich an alles zu erinnern, oder sie hatte diese Erinnerungen ganz tief in ihrem Inneren begraben. Zu schmerzhaft waren die Dinge, die sie mit ihrem einstigen Zuhause verbanden. Sie wusste nur, hier bei Ephilia hatte sie es gut. Sie liebte ihre Tante und die farbenfrohen Gärten, die sie hier umgaben.

    „Aurelia!, rief Ephilia, als sie das Kind in den Gärten erspähte. Aurelia wischte sich rasch die Tränen mit dem Handrücken von den Wangen. Ihre Tante setzte sich neben das junge Mädchen und sah sie liebevoll an. „Was bedrückt dich, Liebes? Du weißt, du kannst mir alles erzählen! Ephilia hatte ihren Arm fürsorglich um Aurelia gelegt. „Sprich mit mir, liebes Kind", forderte sie Ephilia auf.

    Ihre Nichte sah sie mit tränengefüllten Augen an. „Ich habe heute Morgen eine fürchterliche Entdeckung gemacht." Ihre Stimme drohte zu versagen.

    Sie hatte überlegt, es ihrer Tante zu verheimlichen, doch sie würde früher oder später dahinterkommen. „Ich blute ...", schluchzte sie. Aurelia konnte ihre Tränen nicht länger zurückhalten und vergrub ihr Gesicht in ihren Handflächen. Sie war voller Sorge, Schmerz und Angst. Was, wenn Ephilia sie wieder zu Lucius zurückschicken würde? Sie hatte hier ein neues Leben begonnen. Sie könnte es nicht verkraften, erneut aus ihrem Heim gerissen und von ihrer Tante getrennt zu werden.

    Ephilia nahm sie in ihre Arme. „Mein liebes Kind ... Sie küsste ihre Nichte zärtlich auf die Stirn. „Wir werden kein Wort darüber verlieren.

    Ephilia lächelte sie aufmunternd an. „Dein Vater weiß nur das, was ich ihm weitergebe. Ich werde schweigen. Du hast mein Wort", versprach sie.

    Aurelia drückte ihre Tante noch etwas fester.

    Im ersten Jahr nach dem fürchterlichen Verlust ihrer Mutter hatte sie mehrmals versucht, von Ephilia wegzulaufen. Nichts wollte sie damals mehr als wieder zurück in ihr Zuhause.

    Zurück zu ihrem Vater.

    Doch mit der Zeit hatte sie es aufgegeben und akzeptiert, dass er sie nicht bei sich haben wollte. So sehr es sie auch schmerzte, hier war nun ihr Zuhause. Hier bei Ephilia hatte sie ein angenehmes Leben und wurde geliebt. Doch nun, da sie zur Frau geworden war, drohte ihre Welt erneut zu zerbrechen.

    Ephilia hatte ihr kurz nach ihrer Ankunft gestanden, dass ihr Vater verkündet hatte, sobald sie zur Frau wurde, dürfte sie zurück in die Stadt.

    Zurück in den ludus.

    Zurück zu Lucius.

    So sehr sie sich zu Beginn danach gesehnt hatte, wieder bei ihrem Vater zu sein, umso mehr fürchtete sie nun diesen Tag. Sie nahm Ephilias Hände in die ihren. „Ich habe Angst. Ich will nicht zurück", schluchzte sie.

    Ephilia atmete tief aus. Liebevoll strich sie Aurelia durch ihr langes Haar. „Ich passe auf dich auf, Aurelia. Mach dir keine Sorgen. Niemand wird etwas erfahren. Wir halten zusammen. Ich verspreche es dir. Du musst dich nicht fürchten."

    Aurelia beruhigte sich langsam. Sie wusste, sie konnte sich immer auf ihre Tante verlassen. „Ich danke dir, Ephilia."

    Die beiden saßen noch stundenlang im Garten, ehe ein Unwetter aufzog. Aurelia begab sich in ihr Zimmer. Nachdenklich saß sie auf ihrem Bett. Bald schon tobte draußen ein schwerer Sturm, begleitet von heftigen Regenfällen. Die Nacht wurde durch grelle Blitze und ohrenbetäubenden Donner entzweigerissen. Genau in einer solchen Nacht war es geschehen.

    Inmitten eines Unwetters verließ ihre Mutter vor fünf Jahren diese Welt.

    Sie erinnerte sich daran, als wäre es erst gestern gewesen.

    Der Regen prasselte auf das Ziegeldach der Villa. Dennoch waren die Terrassentüren weit geöffnet, der aufkommende Wind riss an den Vorhängen. Ihr Vater Lucius saß an dem Bett ihrer Mutter und hielt ihre Hand. Tränen standen dem sonst so kühlen Mann in den Augen.

    Diverse Bedienstete eilten herbei, stets bemüht, all den Aufforderungen ihres Herrn Folge zu leisten. Eine der Dienerinnen versuchte die Türen nach draußen zu schließen, doch der Sturm entriss ihr erneut die Vorhänge.

    „Lass!, rief Gaia. „Ich will den Regen hören. Lass sie offen. Ihre Kraft drohte zu schwinden. Gaia litt unter hohem Fieber und starken Schmerzen.

    Eine junge Dienerin legte ihrer Herrin ein mit kühlem Wasser benetztes Tuch auf die Stirn.

    „Wo bleibt der medicus?, rief Lucius außer sich vor Sorge. Schon seit Tagen ging es seiner Gemahlin schlecht. Bisweilen halfen jedoch die Mittel, welche ihr der medicus verabreicht hatte. Heute Abend hatte sich Gaias Zustand allerdings dramatisch verschlechtert. Sie war nicht mehr in der Lage, ihr Bett zu verlassen, und sprach wirr. Lucius wich nicht von ihrer Seite. Aufgelöst versuchte er, sie zu beruhigen. „Der medicus ist auf dem Weg, liebste Gaia. Er wird dir helfen.

    Gaia sah ihn mit angstgeweiteten Augen an. Sie kannte ihren Gatten besser als er sich selbst. Sie hörte es an seiner Stimme und erkannte es in seinen Augen.

    Er fürchtete um ihr Leben.

    Gaia versuchte Luft zu holen. Als würde ihr Brustkorb von einer unnatürlichen Schwere bedrückt röchelte sie. „Aurelia." Lucius reagierte zunächst nicht.

    „Aurelia, hol sie, flüsterte seine geschwächte Frau. „Ich will sie noch ein letztes Mal sehen, bevor mich die Götter zu sich holen.

    Lucius rief sofort nach einem Diener. „Hol mir Aurelia und beeile dich!" Voller Sorge wandte er sich wieder zu Gaia. Seine Frau schloss die Augen und wand sich vor Schmerz.

    Aurelia hatte indes vor dem Zimmer ihrer Eltern gelauscht. Tränen standen ihr in den Augen.

    Ebenso wie jetzt, da diese Erinnerung all den Schmerz neu entfachte. Ein ohrenbetäubender Donner zerriss die fürchterliche Stille.

    Aurelia erschrak, denn in diesem Moment trat ein Diener aus dem Raum, um sie zu holen.

    Als Gaia ihre Tochter erblickte, streckte sie die Hand nach ihr aus. „Komm zu mir", hauchte sie.

    Aurelia eilte zu ihrer Mutter. Gaia war kaum wiederzuerkennen. Ihr Haar war stumpf und spröde wie Stroh, ihre Haut war blass, die bläulichen Venen darunter gut sichtbar, als wollten sie sich einen Weg an die Oberfläche bahnen. Sie war abgemagert, hatte seit Tagen nichts mehr gegessen. Ihre Finger, welche sie nach ihrer Tochter ausstreckte, waren dünn wie abgenagte Hühnerknochen, ihre Augen dunkel und eingefallen.

    Aurelia erschrak bei diesem Anblick. Zitternd trat sie näher. Ohne Kontrolle über die Gefühle, die sie überrollten, kniete sie tränenüberströmt vor ihr Bett.

    „Mutter?", fragte sie kaum hörbar.

    Gaia legte ihre Hand an Aurelias Wange. „Du musst jetzt sehr stark sein, mein Liebes. Du musst für uns beide stark sein. Das Mädchen lehnte ihr Gesicht in Gaias Hand. „Wenn mich die Götter zu sich rufen, mein liebes Kind ...

    „Nein, Mutter! Du darfst mich nicht verlassen!, schluchzte sie. Das kleine Mädchen vergrub ihr Gesicht in der Toga ihrer Mutter und schlang ihre Arme um den geschwächten Körper. „Bitte, Mutter! Du darfst nicht sterben! Tränen der Trauer und der Verzweiflung strömten unaufhaltsam über ihre Wangen.

    Gaia nahm das Gesicht ihrer Tochter in ihre schwachen Hände, sodass Aurelia ihr in die Augen sehen musste. „Wenn es so weit ist, Aurelia ... Sie blickte ihrer Tochter tief in die Augen. „Bleib stark. Du bist so ein tapferes kleines Mädchen. Du wirst einmal eine starke junge Frau. Ich weiß es. Gaias Blick war voller Liebe und Zuversicht. „Und vergiss niemals, wie sehr ich dich liebe", hauchte sie, ehe ihre Kraft völlig schwand und sie erneut die Augen schloss.

    Aurelia wusste nicht, wie lange sie vor ihrer Mutter gekniet hatte, ehe sie auf die Seite gedrängt wurde. Sie hatte jegliches Zeitgefühl verloren und fühlte sich taub und leer. Von Trauer umhüllt trat sie einige Schritte zurück, als der medicus eintrat.

    „Na endlich!", schimpfte Lucius. Der Mann besah sich die geschwächte Frau und schüttelte betroffen den Kopf. Lucius erstarrte. In seinen Augen lagen Entsetzen und Trauer. Augenblicklich packte er Aurelia am Oberarm und zog sie weiter von ihrer Mutter weg.

    In seiner Trauer über den drohenden Verlust seiner geliebten Frau bemerkte er nicht, wie grob er seine Tochter am Arm gepackt hatte.

    „Mutter!" Heute wie damals rief Aurelia verzweifelt nach ihr und rieb sich bei dieser Erinnerung über ihre Oberarme. Noch Tage später waren die bläulichen Verfärbungen an ihrem Oberarm zu erkennen gewesen, die der feste Griff ihres Vaters auf ihrer zarten Haut zurückgelassen hatte.

    Sie wusste damals nicht, was für sie schlimmer war, die Tatsache, dass ihr Vater sie in dieser fürchterlichen Stunde, von ihrer geliebten Mutter getrennt hatte, oder der Schmerz, den seine grobe Berührung ausgelöst hatte.

    Nun, fünf Jahre später wusste sie genau, sie wollte nie wieder dorthin zurück. Sie wollte nicht an den Ort zurück, an dem ihr die Götter ihre Mutter geraubt und der Vater ihr den letzten Halt genommen hatte.

    Unter Tränen ließ sie sich auf ihr Bett fallen. Kaum schloss sie ihre Augen, sah sie das verzweifelte und schmerzverzerrte Gesicht ihrer Mutter.

    Aurelia krampfte sich vor Schmerz zusammen.

    Bringt sie in ihr Zimmer, hallten die Worte ihres Vaters durch ihr Gedächtnis. Seine Diener hatten Aurelia gepackt und schoben das aufgelöste Mädchen zur Türe hinaus. Lucius hatte sich indes wieder zu Gaia gesetzt. Sein Blick war von Tränen getrübt. Aurelia sah sich selbst, wie sie weinend um sich schlug, um wieder zu ihrer Mutter zu kommen. Doch es war vergebens. Sie sah ihre Mutter in dieser Nacht zum allerletzten Mal.

    Aurelia wurde von ihren Gefühlen übermannt und barg den Kopf in einem Kissen. Sie vermisste ihre Mutter nach wie vor sehr.

    Die Wochen und Monate waren ins Land gezogen. Aurelia wuchs weit ab von der Stadt und den dortigen Eskapaden, von denen sie immer wieder mal von gelegentlichen Besuchern erfuhr, auf. Sie war bei Ephilia wohl behütet und sicher.

    Bald wurde Aurelia siebzehn Jahre alt und zu ihrer Erleichterung hatte ihre Tante Wort gehalten und ihrem Vater bisher nichts davon erzählt, dass sie bereits zur Frau geworden war. Sie konnte daher ohne Angst in Ephilias Anwesen leben. Die Albträume hatten nachgelassen und Aurelia blühte auf und entwickelte sich zu einer fröhlichen jungen Frau.

    Seit einigen Monaten traf sie sich regelmäßig mit Marcus. Er war ein junger Mann aus einer angesehenen Familie, die nicht unweit von Ephilias Anwesen lebte. Sein kurzes, blondes Haar leuchtete golden in der Sonne und sein freundliches Lächeln erfüllte Aurelia mit einer wachsenden Zuversicht. Wann immer sie bei ihm war, fühlte sie sich erwachsen. All ihre Ängste und Sorgen waren in seiner Nähe wie weggewischt. Dann dachte sie weder an die Zukunft noch an die Wünsche ihres Vaters. Sie lebte in diesem Augenblick und genoss jede Minute mit ihm.

    Er gab ihr Halt und Geborgenheit. Mit ihm konnte sie über ihre Träume und Ängste sprechen.

    Bei ihm konnte sie einfach sie selbst sein.

    Mit ihm an ihrer Seite war sie glücklich.

    Eines Morgens kam Aurelia aufgeregt zu ihrer Tante. „Ephilia!, sie strahlte über das ganze Gesicht. Ephilia wurde von ihrem Lächeln angesteckt. „Ephilia, wiederholte sie freudig. „Es ist etwas Wunderbares geschehen." Ihre Augen leuchteten. Sie biss sich voller Vorfreude auf die Unterlippe, als sie sich mit Ephilia an den Tisch setzte.

    Ihre Tante zog interessiert die Augenbrauen hoch. „Was kann so großartig sein, dass du so außer dir bist?", fragte sie lächelnd nach.

    Aurelia nahm ihre Tante an den Händen. Sie holte tief Luft. „Marcus und ich möchten eine gemeinsame Zukunft."

    In diesem Moment erstarb Ephilias Lächeln. Aurelia bemerkte dies zunächst nicht, zu aufgeregt war sie wegen der Gefühle, welche sie für Marcus empfand. Ihr Herz klopfte wie wild in ihrer Brust und ihre Worte überschlugen sich beinahe. „Wir haben uns verliebt. Ich möchte seine Frau werden."

    Kaum hatte die junge Frau diese Worte ausgesprochen, nahm Ephilia ihre Hände zurück. Nun bemerkte Aurelia ihre Veränderung. Verwundert zog sie die Augenbrauen zusammen. „Was hast du denn?"

    Sie konnte sich die Distanziertheit ihrer Tante nicht erklären. „Freust du dich denn gar nicht für mich?"

    Ephilia versuchte, ruhig zu bleiben. Sie schüttelte den Kopf. „Das ist unmöglich, Aurelia."

    Die junge Frau sah sie fassungslos an. „Wie meinst du das?", fragte sie ungläubig nach.

    „Es ist unmöglich", wiederholte Ephilia. Immer noch kopfschüttelnd erhob sie sich.

    Aurelia verstand nicht.

    „Weshalb sollte das unmöglich sein?" Sie versuchte, etwas im Gesicht ihrer Tante zu lesen, doch die sonst so lieblichen Züge ihrer Tante schienen in diesem Moment wie versteinert.

    „Dein Vater würde das niemals gutheißen", hauchte Ephilia beinahe betroffen.

    „Mein Vater?, Aurelia konnte es kaum fassen. „Marcus ist der Sohn einer angesehenen römischen Familie. Was sollte Vater an ihm auszusetzen haben? Er ist freundlich, ehrenwert und hat mich immer gut behandelt. Ich bin kein kleines Kind mehr. Ich liebe ihn ... und er liebt mich.

    Ephilia betrachtete ihre Nichte. In ihrem Blick lag so viel Mitgefühl, doch Aurelia fühlte sich übergangen. „Ich werde Marcus‘ Frau, ob es euch gefällt oder nicht!, fuhr sie trotzig ihre Tante an. „Vater ist nicht hier. Was kümmert ihn, was aus mir wird? Was kümmert es ihn, wen ich liebe oder wen ich heirate? Er hat mich weggeworfen wie eine Toga, die er nicht mehr tragen wollte. Er kann hier nicht über mich bestimmen! Wütend über diese Entwicklung machte Aurelia kehrt und lief in ihr Zimmer zurück.

    Ephilia sank atemlos auf den Stuhl und senkte traurig den Kopf. Hier schien das Kind endlich Frieden gefunden zu haben. Hier war sie aufgeblüht. Sie hatte sich zu einer wunderschönen, liebevollen, ehrlichen und reizenden jungen Frau entwickelt. Aurelia war klug und stur, ganz wie ihre Mutter.

    Ein wehmütiges Lächeln huschte über Ephilias Gesicht, als sie an ihre geliebte Schwester dachte. Sie erkannte so viel von Gaia in Aurelia. Doch nun stand Aurelia wieder ein schmerzlicher Einschnitt in ihrem Leben bevor. Ephilia wusste um Lucius‘ Absichten und Pläne mit seiner Tochter. Ein junger Mann von niederem Stand hatte in Aurelias Zukunft keinen Platz, zumindest nicht, wenn es nach Lucius ging.

    Schweren Herzens schrieb sie Lucius an diesem Abend einen Brief, in dem sie ihm über die Entwicklungen in ihrem Hause unterrichtete. Sie zögerte. Konnte sie Aurelia hintergehen und sie ihrer großen Liebe berauben?

    Doch täte sie es nicht, welche Konsequenzen hätte dieses Handeln dann für sie und Aurelia? Mit Tränen in den Augen versiegelte sie das Schriftstück und übergab den Brief einem ihrer Diener.

    Dieser brachte die Nachricht noch in derselben Nacht an seinen Bestimmungsort.

    Ephilia liebte Aurelia wie ihre eigene Tochter, doch sie kannte Lucius gut. Er hatte sich seit dem Tod ihrer Schwester sehr verändert. Er steckte sich immer höhere Ziele und schreckte vor nichts zurück. Ephilia fürchtete schlicht seinen Zorn.

    Aurelia hatte beinahe den gesamten Tag in ihrem Zimmer verbracht. Abends hatte sie sich aus dem Haus geschlichen, um Marcus zu treffen.

    In einem nahegelegenen Olivenhain fielen sich die beiden in die Arme. Aurelia weinte. „Marcus, was sollen wir nur tun?"

    Der junge Mann drückte sie fest an sich.

    Sie schluchzte. „Meine Tante sagt, mein Vater würde dieser Verbindung niemals zustimmen. Marcus, ich habe Angst. Ich will dich nicht verlieren. Ich will nicht mehr von hier weg. Sie wischte sich die Tränen von den Wangen. „Ich will dich nicht aufgeben. Ich will uns nicht aufgeben.

    Er strich ihr liebevoll über die Haare. „Meine liebste Aurelia, sprach er sanft. „Wir lieben einander, wir finden einen Weg. Er küsste sie zärtlich auf die Stirn.

    Aurelia wurde von ihren Gefühlen überwältigt.

    Die beiden saßen noch lange unter den Olivenbäumen, ehe sie zurück zu ihrer Tante ging.

    Ohne viele Worte hatte ihr Marcus das Gefühl gegeben, es gäbe eine Lösung und einen Ausweg für diese so aussichtslos erscheinende Situation. Sie spürte, solange er an ihrer Seite war, brauchte sie nichts zu fürchten. Er würde sie nicht allein lassen. Er war nicht wie ihr Vater. Er war ehrlich, gütig und er liebte sie aufrichtig.

    In dieser Nacht konnte Aurelia kaum ein Auge zutun. Unentwegt kreisten ihre Gedanken um Marcus, ihre Zukunft und die Worte ihrer Tante. Irgendwann übermannte sie die Müdigkeit und sie schlief ein.

    Doch es war kein erholsamer Schlaf, denn bald schon wand sie sich von Albträumen geplagt im Bett.

    Ubi bene, ibi patria

    II. Die Entscheidung

    II. Die Entscheidung

    Der Mond stand bereits hoch am Himmel, als der Bote den ludus des Lucius Tullius erreichte. Sogleich wurde er hereingebeten und durfte im großzügigen Innenhof auf Lucius warten, der kurz darauf vor den Boten trat. „Du kommst von Ephilia?", fragte er mit hochgezogenen Augenbrauen.

    Der Mann nickte, den Blick stets gen Boden gerichtet. „So ist es, ehrenwerter Lucius. Sie gab mir diese Nachricht für Euch." Er händigte Lucius den Brief seiner Herrin aus.

    Dieser nickte dem Sklaven zu. „Du kannst hier warten." Ohne ein weiteres Wort verließ Lucius den Innenhof, um sein Arbeitszimmer aufzusuchen.

    Die Laune des lanista war ohnehin an diesem Tage nicht die beste, doch Ephilias Worte sollten ihn an seine Grenzen bringen. Er atmete tief ein, ehe er das Schriftstück überflog. Seine Augen weiteten sich, seine Stirn legte sich in Falten. Kaum hatte er ihre Nachricht zu Ende gelesen, zerknüllte er das Papier in seiner Faust.

    Aufgebracht leerte Lucius ein Glas Wein und besann sich. So kurz vor der Erreichung seiner Ziele wollte er keinerlei Hindernisse akzeptieren. Dass sich seine Tochter in einen einfachen, jungen Römer verliebt hatte, war jedoch ein gewaltiges Hindernis. Er wusste, es war an ihm zu handeln, ehe er die Kontrolle über sie verlor. Hastig schrieb er Ephilia eine Antwort. Mit seinem Siegel verschloss er den Brief und nickte. Er spürte, er war auf dem richtigen Weg. Bald schon würden sich ihm ganz neue Möglichkeiten eröffnen.

    „Hol mir Braccus", befahl er einem seiner Sklaven. Sogleich eilte der junge Mann zu den Zellen der Gladiatoren, um Braccus zu seinem dominus zu geleiten.

    Der erfahrene Gladiator folgte dem Sklaven bis in Lucius Arbeitszimmer. „Dominus", begrüßte er seinen Herrn und nickte diesem zu.

    Der Gladiator stand barfuß und in eine einfache, sandfarbene Tunika gewandet vor seinem dominus. Er hatte sich in der Arena einen Namen gemacht. Viele der anderen Gladiatoren fürchteten sich vor Braccus, ein Umstand, den sich Lucius, nur zu gerne auch außerhalb der Arena, zunutze machte. Braccus war nicht der größte oder talentierteste Gladiator, doch er glänzte mit roher Gewalt. Dieser Mann war von der Statur eher klein, aber fest gebaut, muskulös und zu allem bereit.

    Lucius respektierte seine ehrliche Brutalität. Immer wenn er jemand für die Dreckarbeit außerhalb der Arena brauchte, zählte er daher auf Braccus.

    Lucius hatte sich seiner Stärken nicht erst einmal bedient. Nun wollte er Ephilia, allein durch Braccus‘ Anwesenheit, einschüchtern und so dafür sorgen, dass sie seinen Anweisungen widerstandslos Folge leistete. Er konnte es sich nicht leisten, Ephilias Unterstützung zu verlieren.

    Lucius lächelte schief. „Braccus! Er streckte die Arme von sich, als ob er den Gladiator umarmen wollte. „Ich komme gleich zum Punkt, Braccus, begann Lucius. „In meinem Innenhof steht ein Diener meiner Schwägerin. Ich habe eine Nachricht für sie. Er hielt den versiegelten Brief hoch. „Ich möchte, dass dieses Schriftstück sie so rasch wie möglich erreicht. Braccus verstand seinen Anteil in diesem Unterfangen noch nicht. Fragend hob er die Augenbrauen.

    „Hier kommst du ins Spiel, Braccus. Du sorgst mit deiner Anwesenheit dafür, dass meine Schwägerin meine Worte auch deutlich versteht. Lucius grinste verschlagen. „Ich dulde in diesem Belang keine Widerworte. Zieh dich um und mach dich gleich auf den Weg.

    Braccus nickte. „Wie Ihr befehlt, dominus." In einen braunen, bodenlangen Umhang gehüllt erhielt er am Tor eines von Lucius‘ Pferden und folgte Ephilias Boten, der voranritt.

    In den Morgenstunden erreichten sie das Anwesen der ehrenwerten Ephilia. Ihre Bediensteten führten die beiden Männer sogleich in Ephilias Innenhof. Braccus kniff die Augen zusammen und versuchte aufmerksam, sich alles einzuprägen. Kurz darauf kam Ephilia herbei, um ihren Boten zu begrüßen. Als sie den Gladiator hinter einer der Säulen hervortreten sah, stockte ihr der Atem. Obwohl er nicht bewaffnet war, löste er in Ephilia eine beinahe unerträgliche Angst aus. Allein seine Erscheinung ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Die Tatsache, dass Lucius eine seiner Bestien mitgeschickt hatte, ängstigte die Römerin zutiefst. Verwundert sah sie sich um. Hatte Lucius diesen Barbaren gesandt, um ihr etwas anzutun? Oder wollte er gar Aurelia mit sich nehmen? Bei all diesen Gedanken schnürte sich ihr die Kehle zu. Mit zitternden Händen nahm sie den Brief. Den Gladiator ließ sie dabei nicht aus den Augen.

    „Domina", der Diener verneigte sich vor ihr und ging anschließend seiner Wege.

    Ephilia zögerte, den Brief zu öffnen. Sie spürte die Blicke des Gladiators auf sich. Eine lähmende Übelkeit überkam sie, doch endlich brach sie das Siegel. Mit jedem Satz, den sie las, wurde ihr Gesicht

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