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Die Eichenthron Annalen: Bd.2 Die Gefüge der Macht
Die Eichenthron Annalen: Bd.2 Die Gefüge der Macht
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eBook361 Seiten4 Stunden

Die Eichenthron Annalen: Bd.2 Die Gefüge der Macht

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Über dieses E-Book

Bd.2
Kennst du den Schmerz, wenn dir der Mut fehlt? Wenn Verzweiflung dich durch das Tal der Tränen führt? Wenn alle Hoffnung verfliegt wie ein verwelktes Blatt im Wind? Das ist der Ruf des Schicksals und Helden können ihn hören.
Karis Versagen lastet schwer auf ihr. Sie will Dun verlassen, denn alle Hoffnungen auf Sieg und Frieden sind in der Schlacht am Talos hinweggefegt worden. Nur eine kleine Schar Rebellen kämpft noch auf verlorenem Posten. Sie verhindern Karis Heimreise, während die Gegner insgeheim die Invasion vorbereiten. Dun kann dieser Streitmacht nichts entgegensetzen. Die Banner liegen darnieder.
Doch nicht immer ist, was scheint, und der Samen der Hoffnung keimt auch auf ausgelaugtem Boden.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum21. Okt. 2020
ISBN9783752677669
Die Eichenthron Annalen: Bd.2 Die Gefüge der Macht
Autor

P.G. Connor

Buchautor P.G. Connor ist Mitglied im Phantastik Autoren Netzwerk PAN. Er schreibt vorwiegend Fantasy und Horror Romane, die er unter eigenem Namen verlegt, sowie Kurzgeschichten in Anthologien von Verlagen. Dabei flechtet er gerne gesellschaftspolitische und diskussionswürdige Themen in seine Geschichten ein. Der Autor lebt mit seiner Familie in Luxemburg .

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    Buchvorschau

    Die Eichenthron Annalen - P.G. Connor

    Ich bin dein ständiger Begleiter,

    der Freund und der Zweifler.

    Bin der Schatten deiner Gedanken,

    lasse Sorgen und Zwiespalt um sie ranken.

    Ich bin der

    SELBSTZWEIFEL.

    Sie wollen die von Christian Krier eigens komponierte Musik

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    Folgen sie dem QR Code in die phantastische Welt Arturias.

    http://www.christiankrier.com/eichenthronannalen.htm

    INHALT

    GEDANKEN EINES TODGEWEIHTEN

    KEIN FUNKE HOFFNUNG

    DIE ANKÜNDIGUNG

    DER DUFT DES PFEIFENKRAUTS

    DIE STADT DES KÖNIGS

    LIEBESSUMMEN UND HASSGESANG

    ALTHEAS LIST

    DIE NIEDERUNGEN ARTURIAS

    DER SCHLANGENBÄNDIGER

    BLUTGELD

    TOTE STERBEN NICHT

    DER VOGELKÄFIG

    ANGEKÜNDIGTES WIEDERSEHEN

    MELISSA

    DER VERRAT DES VERRÄTERS

    DAS RAD DES SCHICKSALS

    DAS FLÜSTERN DES WINDES

    DIE THRONFOLGE

    DER BLUTSCHWUR

    DAS FUNDAMENT DER HERRSCHAFT

    DAS KOMPLOTT

    ZÜNGELNDE FLAMMEN

    RISSE IM GEFÜGE DER MACHT

    DIE BEWÄHRUNGSPROBE

    DER PLAN

    DIE NEUE UNTERSTADT

    SCHWARZ WIE DIE NACHT

    DAS WEISSE HORN

    WAHRE LIEBE, PURES GIFT

    DAS AUFEINANDERTREFFEN

    DER WAHRE SCHRECKEN DER SEE

    DER FEHLER

    DIE STADT DER FRAUEN

    DIE LETZTE WARNUNG

    GEWISSHEIT

    DAS DUNKLE GEHEIMNIS

    DIE DUNKLE GEFAHR

    DIE SEELEN DER WELT

    TOTENTANZ

    DIE NEBEL DES KRIEGES

    1.

    G

    EDANKEN EINES

    T

    ODGEWEIHTEN

    Das Schlachtfeld am Talos

    Aran fühlte seinen Körper nicht mehr, den Gestank der Schlacht nahm er jedoch wahr. Gedanken an seine Mutter und Angus Eisenbart erschienen und vergingen in seiner Gedankenwelt. Er konnte den Blick des Gefallenen neben ihm nicht mehr ertragen, der ihn mit seinem starren, toten Blick ansah, als wollte er ihm von seinen Leiden klagen. Doch was Aran auch versuchte, sein Körper wollte nicht gehorchen, und so musste er weiterhin die stummen Fragen des Toten vernehmen.

    Sieh mich nicht so an. Du hast es gut. Dein Weg ist hier zu Ende, dachte Aran und nach einer Weile spürte er die Regentropfen, die ihm in die Augen fielen. Er blinzelte. Dem Toten machte es nichts mehr aus.

    Weißt du, Selbstbeweihräucherung, Niederträchtigkeit und Missgunst hausen in allen Schichten einer Bevölkerung. Doch keine dieser Eigenschaften führt zu solchen Exzessen wie die des absoluten Machtwillens. Dann schrecken Menschen nicht einmal vor Kriegen und Meucheltaten zurück. Macht zu haben und Herrscher über ein Land zu sein, Untertanen zu beschützen und die Zukunft eines Reiches zu gestalten, sind keine Privilegien eines wohlerzogenen Hochwohlgeboren mehr. Wer kann, nimmt sie sich und benutzt sie als Werkzeuge für die eigenen niederen Bedürfnisse. Für jemanden reinen Herzens aber sind sie eine Bürde. Eine, die mit scharfen Klingen Herz und Seele zerreißt. Wunden verursacht, die sich entzünden und ihr Gift verspritzen, bis man nicht mehr der ist, der man einmal war. Vollends verzweifeln lassen wird es einen, wenn man an den Gräbern derer steht, die wegen der eigenen Entscheidungen und Taten den höchsten Preis zahlten.

    Das ist der Grund, weshalb ich diese Macht ablehne, denn ich kenne die Konsequenzen. Menschen suchen immer wieder Wege in ihre Niederungen, um sich wie Wildsäue in ihnen zu suhlen, obwohl sie es verabscheuen. Das ist wohl ihre Natur.

    Ich wollte immer nur dort Verantwortung übernehmen, wo ich der Lenker sein konnte. Draußen auf See gelang mir das. Wind und Wellen sind berechenbar. Menschen hingegen sind es nicht.

    Und dann gibt es da noch etwas, das viele Namen trägt. Manche nennen es Schicksal. Es ist launisch, geht seine eigenen Wege und schert sich nicht um Wohlbefinden. Vielleicht hat es dafür seine guten Gründe. Ich werde es wohl nie erfahren, denn ich folge dir nun in den Tod. Nehmt euch meiner Seele an, ihr Ahnen, und gewährt mir Zugang zu den ewigen Festtafeln. An eurer Seite will ich all das Leid dieser Welt vergessen.

    Der starke Regen über dem Schlachtfeld ließ den Talos aus seinen Ufern treten und spülte das Gewimmer und Flehen so manch blutender Körper hinfort. Und mit ihnen ihre Wünsche und Gedanken.

    2.

    K

    EIN

    F

    UNKE

    H

    OFFNUNG

    Elf Vollmonde nach der Schlacht am Talos,

    Fürstliche Residenz von Dun Edin

    Bilder entsprangen dem tiefen Schwarz und Erinnerungen hafteten an ihnen. Von Gesichtern, bleich und blutüberströmt. Von Schreien des Schmerzes, von Leid und Trauer. Momentaufnahmen, die so schnell wieder verschwanden, wie sie auftauchten. Kari schreckte hoch, musste tief einatmen.

    »Nur ein Albtraum«, flüsterte sie und schlug sich mit den Handballen an die Schläfe, als könnte sie sie so verbannen. Doch auch ihre Tränen erinnerten sie daran.

    Ihr Nachthemd klebte an ihrem Körper. Schweißtropfen hinterließen eine salzige Note auf ihren Lippen. Kari griff nach einem Tuch und trocknete ihr Gesicht ab. Ihr Blick fiel auf das Kleid, das sie sich am Vorabend zurechtgelegt hatte. Dieses Grüne, das in Arans Augen ein Leuchten entfachte, wenn sie es trug.

    Sie hasste es. Es erinnerte sie nur daran, dass die Zeit des Abschieds gekommen war und sie vergrub das Gesicht in ihren Händen. Wie konntest du nur so versagen? Dieser Gedanke schmerzte wie die Narbe am Schlüsselbein. Schlimmer noch waren die seelischen Qualen. Sie vermisste Aran.

    Salzig riechender Herbstwind fegte wieder über See und Land. Krönte die Wellen mit mächtigen Schaumkronen und heulte um die Dächer der Fürstenresidenz. Spielte mit den Booten im Hafen. Und mit Karis Haarsträhnen. Sie tänzelten vor ihren Augen. Als wollte der Wind ihr die Sicht verwehren, weil sie nachdenklich nach Osten sah. Dorthin, wo weit hinter dem Horizont Ancoria lag. Denn was hielt sie noch hier? Sie hatte ihr Schicksal herausgefordert. Und hatte alles verloren.

    Kari lehnte sich an die Balustrade und ließ ihren Blick ein letztes Mal vom Balkon des Thronsaals über Dun Edin und den Hafen schweifen. Ihre persönlichen Truhen wurden gerade abgeholt und auf die Kutsche verladen, die am Eingang des Fürstenhofes wartete. Albträume wegen ihrer Mutter hatte sie seit der Schlacht keine mehr gehabt. Nur dieser einmalige Fetzen Erinnerung von vor ein paar Wochen, der sich hartnäckig in ihren Gedanken hielt. Wie sie durch dunkle Gänge lief, von Kindergeschrei verfolgt, das ihr in den Ohren schrillte, und wie sie einen dunklen Drachen anrempelte, dessen Brauen feurig glühten, als er erbost auf sie niedersah. Doch diesem Traum konnte sie keinen Sinn geben. Inständig hoffte sie, dass die Seele ihrer Mutter den Weg in die Anderswelt gefunden hatte.

    Kayla, ihre wölfische Seelenschwester, schwieg beharrlich seit Arans Verschwinden. Als Kari vor einem Monat nach Filistin geritten war, hatte niemand ihr sagen können, wo sie Rufus Rudel finden würde. Die Wölfe hatten sich tief in die Wälder zurückgezogen und die sonst so selbstsicheren Waldländer mit Furcht in den Augen zurückgelassen. Das hatten sie noch nie getan. Zum Schwarzen See war Kari geritten in der Hoffnung, Ursus zu finden. Vergeblich. Und als sie sich, um Einsicht bittend, ins Wasser des Orakels hatte fallen lassen, war sie nur nass geworden. Keinen Funken Hoffnung schien die Westmark nach dem Tod Arans in der Schlacht behalten zu haben.

    Kari betastete ihre Schulter und verzog das Gesicht. Manchmal stach der Schmerz noch zu, obwohl der Bruch des Schlüsselbeins gut verheilt war. Es waren wohl die Konsequenzen des Wundbrands, der beinahe ihr Leben gefordert hätte. Und diese Pein würde sie den Rest ihres Lebens verfolgen, befürchtete sie. Der Bruch am linken Unterarm hingegen war gut verheilt und blieb mehr oder weniger schmerzfrei.

    »Bist du bereit?«

    Kari drehte sich um. »Olon!« Sie lächelte gekünstelt. »Ja, das bin ich. Wie geht es dem Fürsten?«

    Olon kam auf seinen Gehstock gestützt ein paar Schritte näher und senkte seinen Kopf. »Unverändert. Wenn er überhaupt etwas sagt, fragt er nach Aran.«

    Kari senkte ihr Kinn und presste die Lippen zusammen. »Ja, wir vermissen ihn alle. Er hat also noch immer nicht verstanden, dass Aran nicht mehr da ist?«

    »Ich fürchte, nein. Der Eolas sagt, dass Fürst Angus’ Geist sich in der Welt zwischen den Lebenden und der Schattenwelt befindet. Bald wird er den Pfad der Toten betreten.«

    Kari ließ den Kopf hängen. Anaria, die Einzige in der Thronfolge, war noch zu jung, um zu regieren. Der Fürstenrat würde ihr entweder einen Regenten zur Seite stellen müssen oder sie verheiraten. Gegen ihren Willen, wenn es erforderlich war. Und Kari konnte sich nicht ausmalen, welche von beiden Möglichkeiten schlimmer war. Das Geschacher um den Fürstenthron Duns hatte schon begonnen, denn einige Fürsten des Nordens hatten ihre Sprösslinge zur Heirat angeboten. Botschafter der Nordländer leckten jedem den Stiefel, der Stimmrecht hatte und ihrem Kandidaten gegen etwas Gold oder in Aussicht gestellte Privilegien gewogen war.

    »Es schmerzt immer noch sehr, dass wir Arans Körper nach der Schlacht nicht gefunden haben.« Kari biss die Zähne fest zusammen und erlaubte sich keine traurigen Gedanken. Zum Abschied wollte sie nicht weinen.

    »Sein Körper wurde vom Talos weggeschwemmt. Wie so viele nach der Schlacht, als der große Regen kam. Und der Fluss trug ihn hinaus. Dorthin, wo er sich immer am wohlsten gefühlt hatte. Auf See.« Olon schluckte und räusperte sich.

    »Ja, so wird es wohl gewesen sein.«

    Die beiden verließen den Balkon und gingen in den Garten.

    Der Kutscher trat an sie heran. »Meine Herrin, es ist alles verladen. Der Kapitän sendet Botschaft, dass sie zum Auslaufen bereit sind.«

    »Ich komme«, sagte Kari. Sie drehte sich zu Olon, zwang sich, ihn anzulächeln und streichelte seine Wange. »Es war mir eine Ehre, mein Freund, mein Bruder. Wenn das Schicksal es fordert, werde ich wieder an deiner Seite kämpfen.«

    Olon erwiderte das Lächeln. »Wann immer das Schicksal ruft, Schwester, werde ich da sein«, schwor er, legte seinen Arm zum Abschied um ihre Schulter und drückte sie fest an sich.

    »Pass gut auf Anaria auf. Sie ist noch so jung«, bat Kari.

    »Das werde ich.«

    Sie lösten ihre Umarmung, Kari ging zur Kutsche und stieg ein. Der Kutscher pfiff den Pferden zu und das Gespann setzte sich in Bewegung.

    Kari spähte aus dem Fenster. Olon ließ den Kopf hängen und vergrub das Gesicht in den Händen.

    Sie zog den Vorhang am Fenster zu, ließ nur einen kleinen Spalt offen. Sie wollte nicht, dass man ihre Tränen sah.

    Die Kutsche bog in die Straße ein, die zum Hafen hinunterführte. Auf beiden Seiten hatten sich ein paar Veteranen der letzten Schlacht eingefunden, die traurig der Kutsche nachsahen. Kinder stampften ihre Füße vor einem Stoffladen in den Matsch. Ein langhaariger Mann mit einer Narbe im Gesicht, der dort gerade Leinentücher zusammenfaltete, vertrieb sie, damit sie die Waren nicht mit Dreck beschmutzten. Schmerz krallte sich in Karis Schulter. Sie biss die Zähne zusammen. Ein Bild erschien einen Herzschlag lang vor ihrem inneren Auge.

    »Kutscher, halt.«

    »Meine Herrin?«

    »Ich sagte: Halt.«

    Das Gespann kam abrupt zum Stehen.

    Die weiße Krone? Warum erscheint mir dieses Zeichen?

    Kari öffnete den Vorhang einen Spalt breit und beobachtete das Geschehen auf der anderen Straßenseite. Dieser Händler. Sie wühlte in ihrem Gedankenwirrwarr. Diesen Kerl hatte sie schon einmal gesehen. Nur fiel ihr nicht ein, wo es gewesen sein könnte. Der Mann mit der Narbe im Gesicht blickte zur Kutsche. Sein Haar fiel zottelig auf seine Schultern.

    Wie ein Geistesblitz schlug es ihr ein. Natürlich. Damals, im Ort an der Midfurt. Dieser Kerl war in der Schenke gewesen und hatte Aran, Olon und sie die ganze Zeit beobachtet. Er war am folgenden Tag nicht dabei gewesen, als die drei Raufbolde sie im Stall überfallen hatten. Aber irgendetwas sagte ihr, dass er damit zu tun hatte. Auf die eine oder andere Weise.

    Der Kerl warf der Kutsche einen Blick zu, spuckte auf den Boden und verschwand langsam im Innern des Stoffladens. Nicht, ohne sich ein weiteres Mal umzudrehen. Als wüsste er, dass Kari ihn beobachtete.

    Schmerz stach wieder in ihre alte Schulterverletzung. Bernsteinaugen blitzten auf. Nur den Bruchteil eines Herzschlages. Kari erschrak.

    »Kayla?«, flüsterte sie. Keine Antwort.

    »Herrin?«, meldete sich der Kutscher. »Sollen wir weiterfahren?«

    »Nein.«

    Tu, was getan werden muss, Seelenschwester. Du hast es versprochen.

    »Kayla, wo bist du?«

    Wir sehen uns wieder. Bald. Großartiges passiert. Hab Geduld.

    Kari hörte eine Eule buhen. Blitzschnell zog sie den Vorhang weg. Das gefiederte Tier saß auf dem Vordach des Stoffhändlers - der gleiche Vogel wie damals im Tal ohne Wiederkehr. Derselbe aus ihren Träumen. Sie dachte einen Augenblick nach, öffnete die schmale Tür der Kutsche und stieg aus.

    3.

    D

    IE

    A

    NKÜNDIGUNG

    Norn, Hauptstadt Evoria

    Fürstlicher Palast, zur gleichen Zeit

    Schwer beladene stahlgraue Herbstwolken fegten über Evoria hinweg, hielten ihre Fracht aber in ihren Bäuchen. Weit außerhalb der Stadt klopft en fi ngerlange Tropfen auf den Boden und sammelten sich zu Pfützen. Den ersten nach dem langen und trockenen Sommer.

    Die eigenen Kornvorräte waren aufgebraucht. Lieferungen aus Arturias kamen nur spärlich. Dort machte man die ausbleibenden Kornlieferungen Duns dafür verantwortlich. Das bestärkte Fürstin Minula, weiterhin an ihren Plänen für Norn festzuhalten. Die Lösung lag vor ihrer Tür. Und sie brauchte nur einen nützlichen Dummkopf, der es für sie einnehmen und ihr zu Füßen legen würde.

    »Und du wirst ihn heiraten.« Minula deutete mit dem Zeigefinger auf ihre Tochter Minara und diese wusste, dass ihre Mutter es ernst meinte.

    »Nein. Das werde ich nicht. Diesen Bastard eines fetten Hundes und einer stinkenden Ziege werde ich niemals in mein Bett lassen.« Minara verschränkte die Arme vor der Brust.

    »Das war mein letztes Wort, Minara. Wir brauchen die Bergvölker des Nordens. Die letzte Schlacht am Talos hat die Kampfkraft der südlichen Bergstämme dezimiert. Sollte Dun ein Heer aufstellen, könnten sie ungehindert bis vor meinen Thron marschieren. Nichts könnte sie aufhalten.«

    »Du hättest auf mich hören sollen. Der Einmarsch nach Dun war Irrsinn. Von Anfang an. Wo war die Verstärkung, die dein verhüllter Berater dir versprochen hatte? Wo ist er nun, nachdem wir die Schlacht verloren haben? Siehst du ihn? Ist er etwa hier?« Sie packte einen Stuhl an der Rückenlehne, zog ihn vom Kartentisch weg und warf ihn um. »Oder vielleicht hier?« Sie wischte Schriften und Kartenrollen vom Tisch, die zu Boden purzelten.

    »Höre auf. Wir haben die Schlacht nicht verloren. Wir haben uns nur …« Minula ächzte, verzog das Gesicht und krümmte sich zusammen.

    Minara sah ihre Mutter mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Was ist los mit dir?«

    Minula stapfte gekrümmt die drei Stufen zu ihrem Thron hoch und ließ sich auf ihn fallen. »Die Wunde. Sie hat sich wieder entzündet und will einfach nicht heilen.«

    »Ich rufe einen Heilkundigen.«

    »Nein. Bleibe hier.« Sie atmete schwer. »Höre mir zu. Falls ich dies nicht überlebe, musst du dafür sorgen, dass unsere Blutlinie aufrechterhalten wird. Und dazu brauchst du nun einmal einen Mann. Auch wenn Torf Bergfas eher einem Tier gleichkommt, sein Volk aus den nördlichen Bergen ist der einzige Stamm in ganz Norn, der noch eine schlagkräftige Armee aufstellen kann. Aber sie werden es nur tun, wenn sie einen Nutzen daraus ziehen. Wenn du ihn heiratest und ihn so zum Fürsten neben dir machst, haben sie ein Interesse daran, Norn zu beschützen und die Niederungen Duns für uns einzunehmen. Und nur dann.«

    »Aus welchem Grund sollte Dun uns angreifen? Und falls doch, könnten wir dem anders begegnen, Mutter. Beende den Grenzstreit mit Eburos und gib ihnen dieses nutzlose Stück Land jenseits des Binnensees. Im Gegenzug sollen sie Truppen für unsere Südgrenze stellen. Ihre schwer gepanzerte Reiterei ist allen im Reich überlegen. Und rufe deinen Bruder Istvan zu Hilfe. Er und seine astagischen Reiterhorden würden übersetzen und uns zu Hilfe kommen.«

    »Nein, auf keinen Fall«, wehrte sie entschieden ab. »Er ist wie die Saat des Bösen. Er würde uns nur hintergehen, um unser Land einzunehmen. Und dem Fürsten von Eburos vertraue ich ebenso wenig. Wir brauchen die fruchtbaren Äcker der Tiefen Lande Duns. Das Korn würde uns unabhängig von den Lieferungen aus Arturias machen. Deshalb wirst du Torf heiraten.«

    »Nein, das werde ich nicht.«

    »Zu spät. Ich habe gestern einen Sendboten zu den nördlichen Stämmen geschickt. Die Hochzeit wird am Tag der Mond- und Sonnengleiche stattfinden. Bei den Göttern, es wird ein großer Tag für Norn werden.« Sie presste ihre Hand auf den Bauch und kniff die Augen zusammen.

    »Wenn du sowieso schon alles geplant hast, warum lässt du mich dann noch hier antanzen?«

    »Damit du lernst, wie man unser Land führen muss, du einfältiges Huhn.«

    Minara ging, verfluchte den Tag und knallte die Tür des Thronsaals hinter sich zu.

    »Und ich werde wissen, es zu verhindern.«

    4.

    D

    ER

    D

    UFT

    DES

    P

    FEIFENKRAUTS

    Dun Edin

    »Meine Herrin? Wir müssen weiter«, drängelte der Kutscher.

    »Wartet hier, es dauert nicht lange.«

    Kari überquerte die Straße, vermied es, in die Pfützen zu treten, blieb vor dem Eingang zum Stoffladen stehen und lugte hinein. Die Eule auf dem Vordach breitete ihre Schwingen aus und flatterte davon.

    Im Innern war es düster, nur in der hinteren Ecke erhellten ein paar Kerzen den Raum. Der Kerl mit der Gesichtsnarbe zog Stoffe aus einem Regal und ließ sie auf einen Tisch fallen. Staub verteilte sich im Raum und schimmerte im Kerzenlicht. Kari betrat den Laden. Ein mulmiges Gefühl in ihrer Magengegend deutete Gefahr an. Das Narbengesicht blickte sie einen Augenblick lang an und zog dann wieder Stoffrollen aus dem Regal. Als spielte es keine Rolle, ob er ein paar Stater verdienen könnte.

    »Eine interessante Auswahl bietet Ihr hier an«, meinte Kari, ohne die Ware begutachtet zu haben. Der Kerl gab keine Antwort. Sie trat näher und erhaschte rechts und links einen Blick auf die Stoffe, die auf Tischen auslagen. Wenn hier überhaupt etwas verkauft wurde, dann wohl nur an arme Menschen. Kari bemerkte strohfarbene Tuche, die wohl einmal heller gewesen waren, was man an den Falten im Stoff bemerkte, die noch einen Hauch ihrer ursprünglichen Farbe behalten hatten. Staubfäden und Spinnweben überzogen die Rollen und den Kehrbesen, der an der Wand lehnte. Ein schwaches Glühen zog ihre Aufmerksamkeit in eine schummrige Ecke. Eine dunkle Gestalt mit rundem Gesicht zog an einer großen Pfeife. Als das Glühen des Krauts nachließ, verlor sich das Gesicht wieder in der Dunkelheit.

    »Was können wir für Euch tun, edle Herrin?«, krächzte es aus der Ecke. Der Stimme nach musste es sich um eine alte Pfeifenraucherin handeln.

    »Ich wollte mich nur mal umsehen«, gab Kari zur Antwort. Sie spürte einen leichten Luftzug, der von hinten durch ihr Haar wehte. Als sie über die Schulter schielte, erkannte sie einen Schatten hinter der Eingangstür. Der vordere Ladenbereich verdunkelte sich. Ein Riegel schabte über Holz. Der Rückzugsweg war einstweilen versperrt. Und dann vernahm sie ein Geräusch, das ihre inneren Alarmglocken klingeln ließ. Sie sah wieder in die Ecke, in der das Gesicht der alten Dame aufleuchtete, als sie an der Pfeife sog.

    »Es ist sehr selten, dass wir Leute Eures Standes bedienen, Schätzchen. Ich frage mich, was Ihr wirklich hier sucht?«

    Das Narbengesicht nahm einen Kerzenständer, zündete die Kerzen an und stellte ihn neben die alte Frau. Jetzt konnte Kari das Gesicht der Frau deutlich sehen und erkannte sie. Auch sie war damals in der Taverne an der Midfurt gewesen.

    »Vor einigen Monden sah ich, wie Ihr mich und meine Begleiter in Duntallar beobachtet habt. Tags darauf wurden wir überfallen. Ob Ihr wohl etwas damit zu tun hattet?«

    Die alte Dame lachte krähenhaft und hustete. »Das Tiefland Duns ist ein gefährliches Pflaster, Schätzchen. Und vieles, was scheint, ist nicht, was es ist.« Dabei hob sie einen Finger.

    Ein weiches Knarzen hinter ihr lenkte Kari einen Augenblick ab. Blitzschnell ergriff sie den Besen, drehte sich in vollem Schwung um und schlug mit der zweckentfremdeten Waffe zu. Der Mann hinter ihr jaulte auf, als der Besenstiel ihn am Handgelenk traf und ihm sein Messer aus der Hand schlug.

    »Die hat mir die Knochen gebrochen«, ächzte er und ging auf die Knie, sein Handgelenk mit der anderen Hand haltend.

    »Da schau her«, freute sich Kari. »Der Dritte im Bunde. Auch ihn sah ich in der Schenke.«

    Das alte Weib krächzte wieder ein Lachen hervor. »Wie ich sehe, habt Ihr Euch von Euren Verletzungen erholt. Dann war meine Fürsorge ja nicht umsonst.«

    Der Duft des Pfeifenkrauts ließ ein Bild in Karis Kopf entstehen. Das war es. Daher haftete die Alte so markant in ihren Gedanken. Sie war Kari auch nach Duntallar begegnet. In einem letzten Moment der Klarheit, bevor Kari ohnmächtig geworden war. Sie war es gewesen, die ihr den Speer in der Schlacht am Talos an die Brust gehalten hatte, ehe sie das Bewusstsein verloren hatte. Aber da war noch mehr. Bilder und Erinnerungen drängten aus ihrem tiefen Inneren in ihre Gedanken. Heiße Eisen, der Geruch verbrannten Fleischs, Schulterschmerzen, Fieber, würzig riechende Salben, kalte Umschläge und bitterer Tee. Umsorgende Worte und immer wieder dieses Gesicht. Ihr Gesicht. Kari fasste sich an die Schulter. »Wer seid Ihr?«

    »Nur welche, denen daran liegt, dass Ihr Dun nicht verlasst.«

    Kari zeigte mit dem Kinn auf das Narbengesicht. »Wäre mir er da nicht aufgefallen, würde ich schon auf dem Schiff sein, das mich nach Ancoria bringt.«

    »Nein. Das Schiff hätte den Hafen ohne Euch verlassen, wenn überhaupt.« Die alte Frau grinste

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