Heinrich Heines Romanzero nebst Lieblingsballaden von Goethe, Schiller und anderen
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Über dieses E-Book
Diese Ausgabe (mit absichtlichem Schwerpunkt auf Heinrich Heines Werke) will weder Enzyklopädie noch Balladengeschichte vergangener Jahrhunderte und schon gar nicht ein Beitrag zur Balladentheorie sein, sie ist als Lesebuch gedacht, welches anregen und erfreuen soll. (siehe Nachwort des Herausgebers Joerg K. Sommermeyer, S. 395f.)
Heinrich Heine
Christian Johann Heinrich Heine (1797-1856) war einer der bedeutendsten deutschen Dichter, Schriftsteller und Journalisten des 19. Jahrhunderts. Er gilt als »letzter Dichter der Romantik« und sein vielschichtiges Werk verlieh der deutschen Literatur eine zuvor nicht gekannte Leichtigkeit. 1797 als Harry Heine geboren, wechselte er kurz vor der Annahme seines Doktortitels vom jüdischen Glauben zur evangelischen Kirche und nahm den Namen Christian Johann Heinrich an. Bei allem Erfolg, stießen sein neuer Schreibstil und seine liberale Überzeugung auf auch viel Ablehnung. Diese, und die Tatsache, dass er keine Anstellung fand, ließ ihn 1831 nach Paris umsiedeln, das eine zweite Heimat für ihn wurde. Während in Deutschland Teile seines Werks verboten und zensiert wurden, wurde er in Frankreich geschätzt und hatte Zugang zur künstlerischen Elite. 1856 starb er dort nach mehr als 10 Jahren schwerer Krankheit.
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Rezensionen für Heinrich Heines Romanzero nebst Lieblingsballaden von Goethe, Schiller und anderen
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Buchvorschau
Heinrich Heines Romanzero nebst Lieblingsballaden von Goethe, Schiller und anderen - Heinrich Heine
Über dieses Buch
Balladen haben ihre Hypothek, bis zum Verdruss Pflichtlektüre in der Schule zu sein, überlebt. Meisterwerke erweisen sich aber bis heute als unkaputtbar
!
Peter Hacks ließ nur wenige gelten: »Von den hundert Balladen, die die Deutschen besitzen, sind je ein Viertel von Goethe, Schiller und Heine und ist das verbleibende Viertel von sonstigen Dichtern verfasst.« Und seit über fünfzig Jahren wurde und wird sie immer wieder für tot erklärt. Aber Totgesagte leben länger.
Die vorliegende Ausgabe (mit absichtlichem Schwerpunkt auf Heinrich Heines Werke) will weder Enzyklopädie noch Balladengeschichte vergangener Jahrhunderte und schon gar nicht ein Beitrag zur Balladentheorie sein, sie ist vielmehr als Lesebuch gedacht, welches anregen und erfreuen soll. Leser dürfen keineswegs nur alle zwanzig oder dreißig Seiten auf einen packenden Text stoßen, sondern gerade umgekehrt, langweilende oder gar nervende Texte, wenn sich das – über Geschmäcker lässt sich (nicht) streiten – nicht gänzlich vermeiden ließe, sollten bei der Lektüre dieses Buches höchst selten begegnen, äußerstenfalls siebenmal, nicht mehr! (siehe auch das Nachwort von JS, unten, S. → f.)
Die Autoren
Heinrich Heine, Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Clemens Brentano, Adelbert von Chamisso, Joseph von Eichendorff, Ludwig Uhland, Friedrich Rückert, Gustav Schwab, August von Platen, Annette von Droste-Hülshoff, Nikolaus Lenau, Eduard Mörike, Friedrich Hebbel, Ferdinand Freiligrath, Emmanuel Geibel, Theodor Fontane, Gottfried Keller, Conrad Ferdinand Meyer, Detev von Liliencron, Else Lasker-Schüler, Georg Heym, Georg Trakl, Stefan George, Hugo von Hofmannsthal, Börries Freiherr von Münchhausen, Joachim Ringelnatz.
Der Herausgeber
Joerg K. Sommermeyer (JS), * 14.10.1947 in Brackenheim, Sohn des Physikers Prof. Dr. Kurt Hans Sommermeyer (* 23. März 1906, Schleusingen/Thüringen - † 13. Februar 1969, Freiburg i. Brsg./Bd.-Wrtt). Kindheit in Freiburg. Studierte Jura, Philosophie, Germanistik, Geschichte und Musikwissenschaft. Klassische Gitarre bei Viktor v. Hasselmann und Anton Stingl. Unterrichtete in den späten Sechzigern Gitarre am Kindergärtnerinnen-/Jugendleiterinnenseminar und in den Achtzigern Rechtsanwaltsgehilfinnen in spe an der Max-Weber-Schule in Freiburg. 1976 bis 2004 Rechtsanwalt in Freiburg. Setzte sich für eine Verstärkung des Rechtsschutzes bei Grundrechtseingriffen ein (Unterbringungsrecht, Untersuchungshaft, Durchsuchungsrecht). Zahlreiche Veröffentlichungen in juristischen Fachzeitschriften sowie Artikel in Musikblättern. Gründer und Vorsitzender der Internationalen Gitarristischen Vereinigung, Organisator und Künstlerischer Leiter der Freiburger Gitarren- und Lautentage, Herausgeber und Redakteur der Zeitschrift Nova Giulianiad: Saitenblätter für die Gitarre und Laute. Juror beim Schlesischen Gitarrenherbst in Tychy und Internationalen Gitarrenkongress Freiburg/Basel/Straßburg. Komponierte Songs, schrieb Liedtexte, Arrangements, Instrumentalmusik. 7 CDs, u. a.: Total Overdrive, Those Rocks & Lieders, Nel Cuore Romanzo Rock, Ergo, 7 Celebrities. Prosa: Anton Unbekannt, Pathoaphysischer Antiroman, Tragigroteskenfragment, 2008/2009; Vernimm mein Schreien, 2017/2018. Lieblingsmärchen, 2017/2018. Edition von Werken Josefa Gerhäusers, Franz Trellers, Oskar Panizzas, Fritz von Ostinis, Hugo Balls, Carl Einsteins, Ludwig Rubiners, Franz Kafkas, Heinrich von Kleists, Christian Morgensterns, Robert Müllers, Joseph von Eichendorffs, Adelbert von Chamissos, Georg Büchners, Denis Diderots, Wilhelm Heinrich Wackenroders, E. T. A. Hoffmanns, Rainer Maria Rilkes, Annette von Droste-Hülshoffs, Jeremias Gotthelfs und Marie von Ebner-Eschenbachs. Joerg K. Sommermeyer (JS) lebt in Berlin.
Orlando Syrg, Berlin, 4. Oktober 2018
Inhalt
Über dieses Buch
Die Autoren
Der Herausgeber
Heinrich Heine: Romanzero
Erstes Buch – Historien
Wenn man an dir Verrat geübt [Motto]
Rhampsenit
Der weiße Elefant
Schelm von Bergen
Walküren
Schlachtfeld bei Hastings
Karl I.
Maria Antoinette
Pomare
Alle Liebesgötter jauchzen
Sie tanzt. Wie sie das Leibchen wiegt!
Gestern noch fürs liebe Brot
Besser hat es sich gewendet
Der Apollogott
Das Kloster ist hoch auf Felsen gebaut
Ich bin der Gott der Musika
In der Tracht der Beguinen
Kleines Volk
Zwei Ritter
Das goldne Kalb
König David
König Richard
Der Asra
Himmelsbräute
Pfalzgräfin Jutta
Der Mohrenkönig
Geoffroy Rudèl und Melisande von Tripoli
Der Dichter Firdusi
Goldne Menschen, Silbermenschen!
Hätt er menschlich ordinär
Schach Mahomet hat gut gespeist
Nächtliche Fahrt
Vitzliputzli
Präludium
Auf dem Haupt trug er den Lorbeer
Nach des Kampfes Schreckenstag
Blasser schimmern schon die Sterne
Zweites Buch – Lamentationen
Das Glück ist eine leichte Dirne [Motto]
Waldeinsamkeit
Spanische Atriden
Der Ex-Lebendige
Der Ex-Nachtwächter
Plateniden
Mythologie
In Mathildens Stammbuch
An die Jungen
Der Ungläubige
K.-Jammer
Zum Hausfrieden
Jetzt wohin?
Altes Lied
Solidität
Alte Rose
Autodafé
Lazarus
Weltlauf
Rückschau
Auferstehung
Sterbende
Lumpentum
Erinnerung
Unvollkommenheit
Fromme Warnung
Der Abgekühlte
Salomo
Verlorene Wünsche
Gedächtnisfeier
Wiedersehen
Frau Sorge
An die Engel
Im Oktober 1849
Böses Geträume
Sie erlischt
Vermächtnis
Enfant Perdu
Drittes Buch – Hebräische Melodien
O lass nicht ohne Lebensgenuss [Motto]
Prinzessin Sabbat
Jehuda Ben Halevy
Lechzend klebe mir die Zunge
Bei den Wassern Babels saßen
Nach der Schlacht bei Arabella
Meine Frau ist nicht zufrieden
Disputation
Anmerkungen
Rhampsenit
Schlachtfeld bei Hastings (Sépulture du roi Harold)
Erinnerung
Jehuda Ben Halevy
Nachwort Heinrich Heines zum Romanzero
Lieblingsballaden
Johann Wolfgang von Goethe
Der Sänger
Erlkönig
Der Fischer
Der König in Thule
Ritter Kurts Brautfahrt
Der Schatzgräber
Der Zauberlehrling
Die Braut von Korinth
Der Gott und die Bajadere
Der Totentanz
Friedrich Schiller
Das verschleierte Bild zu Sais
Pegasus im Joche
Die Teilung der Erde
Der Gang nach dem Eisenhammer
Der Handschuh
Der Ring des Polykrates
Der Taucher
Die Kraniche des Ibykus
Ritter Toggenburg
Der Kampf mit dem Drachen
Die Bürgschaft
Das Lied von der Glocke
Die Rache der Musen
Die Kindsmörderin
Die Götter Griechenlands
Hero und Leander
Kassandra
Der Graf von Habsburg
Der Alpenjäger
Clemens Brentano
Auf dem Rhein – Ein Fischer saß im Kahne
Lore Lay – Zu Bacharach am Rheine
Adelbert von Chamisso
Die Sonne bringt es an den Tag
Die Giftmischerin
Das Riesenspielzeug
Die versunkene Burg
Der Bettler und sein Hund
Joseph von Eichendorff
Der armen Schönheit Lebenslauf
Waldgespräch
Der irre Spielmann
Der stille Grund
Ludwig Uhland
Das Schloss am Meere
Die Rache
Des Sängers Fluch
Schwäbische Kunde
Das Glück von Edenhall
Friedrich Rückert
Chidher
Gustav Schwab
Der Reiter und der Bodensee
August von Platen
Das Grab im Busento
Annette von Droste-Hülshoff
Der Schlosself
Der Knabe im Moor
Die Vergeltung
Heinrich Heine
Die Grenadiere
Belsazar
Die schlesischen Weber
Nikolaus Lenau
Die drei Indianer
Eduard Mörike
Der Feuerreiter
Die schlimme Gret und der Königssohn
Friedrich Hebbel
Der Heideknabe
Ferdinand Freiligrath
Im Irrenhause
Die Trompete von Gravelotte
Emmanuel Geibel
Krokodilromanze
Theodor Fontane
Archibald Douglas
Die zwei Raben
Das Trauerspiel von Afghanistan
Gorm Grymme
Die Brück' am Tay
John Maynard
Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland
Gottfried Keller
Der Narr des Grafen von Zimmern
Conrad Ferdinand Meyer
Die Füße im Feuer
Detev von Liliencron
Wer weiß wo
Trutz, blanke Hans
Der Blitzzug
Das Kind mit dem Gravensteiner
Pidder Lüng
Die Falschmünzer
Else Lasker-Schüler
Ballade – Aus den sauerländischen Bergen
Joseph wird verkauft
Georg Heym
Nachtgesang
Dionysos
Ophelia
Robespierre
Pilatus
Die Tote im Wasser
Das Fieberspital
Der Gott der Stadt
Der Krieg
Die Stadt
Georg Trakl
Ballade – Ein schwüler Garten stand die Nacht
Die tote Kirche
Die junge Magd
Romanze zur Nacht
Stefan George
Das Lied
Hugo von Hofmannsthal
Ballade vom kranken Kind
Ballade des äußeren Lebens
Börries Freiherr von Münchhausen
Die Wunderwirkung der Latinität
Joachim Ringelnatz
Herrn Steins Reise nach München
Nachwort des Herausgebers Joerg K. Sommermeyer
Für
H. K. S.,
wo immer sie jetzt sein mögen,
in Liebe, Verehrung und Dankbarkeit
Heinrich Heine
(1797–1856)
Romanzero
Entstanden 1846-1851; Erstdruck bei Hoffmann und Campe, Hamburg 1851.
Erstes Buch – Historien
Wenn man an dir Verrat geübt,
Sei du um so treuer;
Und ist deine Seele zu Tode betrübt,
So greife zur Leier.
Die Saiten klingen! Ein Heldenlied,
Voll Flammen und Gluten!
Da schmilzt der Zorn, und dein Gemüt
Wird süß verbluten.
Rhampsenit
Als der König Rhampsenit
Eintrat in die goldne Halle
Seiner Tochter, lachte diese,
Lachten ihre Zofen alle.
Auch die Schwarzen, die Eunuchen,
Stimmten lachend ein, es lachten
Selbst die Mumien, selbst die Sphinxe,
Dass sie schier zu bersten dachten.
Die Prinzessin sprach: »Ich glaubte
Schon, den Schatzdieb zu erfassen,
Der hat aber einen toten
Arm in meiner Hand gelassen.
Jetzt begreif ich, wie der Schatzdieb
Dringt in deine Schatzhauskammern,
Und die Schätze dir entwendet,
Trotz den Schlössern, Riegeln, Klammern.
Einen Zauberschlüssel hat er,
Der erschließet allerorten
Jede Türe, widerstehen
Können nicht die stärksten Pforten.
Ich bin keine starke Pforte,
Und ich hab nicht widerstanden,
Schätzehütend diese Nacht
Kam ein Schätzlein mir abhanden.«
So sprach lachend die Prinzessin,
Und sie tänzelt im Gemache,
Und die Zofen und Eunuchen
Hoben wieder ihre Lache.
An demselben Tag ganz Memphis
Lachte, selbst die Krokodile
Reckten lachend ihre Häupter
Aus dem schlammig gelben Nile,
Als sie Trommelschlag vernahmen
Und sie hörten an dem Ufer
Folgendes Reskript verlesen
Von dem Kanzeleiausrufer:
»Rhampsenit, von Gottes Gnaden
König zu und in Ägypten,
Wir entbieten Gruß und Freundschaft
Unsern Vielgetreun und Liebden.
In der Nacht vom dritten zu dem
Vierten Junius des Jahres
Dreizehnhundertvierundzwanzig
Vor Christi Geburt, da war es,
Dass ein Dieb aus unserm Schatzhaus
Eine Menge von Juwelen
Uns entwendet; es gelang ihm,
Uns auch später zu bestehlen.
Zur Ermittelung des Täters
Ließen schlafen wir die Tochter
Bei den Schätzen – doch auch jene
Zu bestehlen schlau vermocht er.
Um zu steuern solchem Diebstahl
Und zu gleicher Zeit dem Diebe
Unsre Sympathie zu zeigen,
Unsre Ehrfurcht, unsre Liebe,
Wollen wir ihm zur Gemahlin
Unsre einz'ge Tochter geben
Und ihn auch als Thronnachfolger
In den Fürstenstand erheben.
Sintemal uns die Adresse
Unsres Eidams noch zur Stunde
Unbekannt, soll dies Reskript ihm
Bringen Unsrer Gnade Kunde.
So geschehn den dritten Jänner
Dreizehnhundertzwanzigsechs
Vor Christi Geburt. – Signieret
Von Uns: Rhampsenitus Rex.«
Rhampsenit hat Wort gehalten,
Nahm den Dieb zum Schwiegersohne,
Und nach seinem Tode erbte
Auch der Dieb Ägyptens Krone.
Er regierte wie die andern,
Schützte Handel und Talente;
Wenig, heißt es, ward gestohlen
Unter seinem Regimente.
Der weiße Elefant
Der König von Siam, Mahawasant,
Beherrscht das halbe Indienland,
Zwölf Kön'ge, der große Mogul sogar,
Sind seinem Zepter tributar.
Alljährlich mit Trommeln, Posaunen und Fahnen
Ziehen nach Siam die Zinskarawanen;
Viel tausend Kamele, hochberuckte,
Schleppen die kostbarsten Landesprodukte.
Sieht er die schwerbepackten Kamele,
So schmunzelt heimlich des Königs Seele;
Öffentlich freilich pflegt er zu jammern,
Es fehle an Raum in seinen Schatzkammern.
Doch diese Schatzkammern sind so weit,
So groß und voller Herrlichkeit;
Hier überflügelt der Wirklichkeit Pracht
Die Märchen von Tausendundeine Nacht.
»Die Burg des Indra« heißt die Halle,
Wo aufgestellt die Götter alle,
Bildsäulen von Gold, fein ziselieret,
Mit Edelsteinen inkrustieret.
Sind an der Zahl wohl dreißigtausend,
Figuren abenteuerlich grausend,
Mischlinge von Menschen- und Tiergeschöpfen,
Mit vielen Händen und vielen Köpfen.
Im »Purpursaale« sieht man verwundert
Korallenbäume dreizehnhundert,
Wie Palmen groß, seltsamer Gestalt,
Geschnörkelt die Äste, ein roter Wald.
Das Estrich ist vom reinsten Kristalle
Und widerspiegelt die Bäume alle.
Fasanen vom buntesten Glanzgefieder
Gehn gravitätisch dort auf und nieder.
Der Lieblingsaffe des Mahawasant
Trägt an dem Hals ein seidenes Band,
Dran hängt der Schlüssel, welcher erschleußt
Die Halle, die man den Schlafsaal heißt.
Die Edelsteine vom höchsten Wert,
Die liegen wie Erbsen hier auf der Erd'
Hochaufgeschüttet; man findet dabei
Diamanten so groß wie ein Hühnerei.
Auf grauen, mit Perlen gefüllten Säcken
Pflegt hier der König sich hinzustrecken;
Der Affe legt sich zum Monarchen,
Und beide schlafen ein und schnarchen.
Das Kostbarste aber von allen Schätzen
Des Königs, sein Glück, sein Seelenergötzen,
Die Lust und der Stolz von Mahawasant,
Das ist sein weißer Elefant.
Als Wohnung für diesen erhabenen Gast
Ließ bauen der König den schönsten Palast;
Es wird das Dach, mit Goldblech beschlagen,
Von lotosknäufigen Säulen getragen.
Am Tore stehen dreihundert Trabanten
Als Ehrenwache des Elefanten,
Und kniend, mit gekrümmtem Rucken,
Bedienen ihn hundert schwarze Eunucken.
Man bringt auf einer güldnen Schüssel
Die leckersten Bissen für seinen Rüssel;
Er schlürft aus silbernen Eimern den Wein,
Gewürzt mit den süßesten Spezerein.
Man salbt ihn mir Ambra und Rosenessenzen,
Man schmückt sein Haupt mit Blumenkränzen;
Als Fußdecke dienen dem edlen Tier
Die kostbarsten Schals aus Kaschimir.
Das glücklichste Leben ist ihm beschieden,
Doch niemand auf Erden ist zufrieden.
Das edle Tier, man weiß nicht wie,
Versinkt in tiefe Melancholie.
Der weiße Melancholikus
Steht traurig mitten im Überfluss.
Man will ihn ermuntern, man will ihn erheitern,
Jedoch die klügsten Versuche scheitern.
Vergebens kommen mit Springen und Singen
Die Bajaderen; vergebens erklingen
Die Zinken und Pauken der Musikanten,
Doch nichts erlustigt den Elefanten.
Da täglich sich der Zustand verschlimmert,
Wird Mahawasantes Herz bekümmert;
Er lässt vor seines Thrones Stufen
Den klügsten Astrologen rufen.
»Sterngucker, ich lass dir das Haupt abschlagen«,
Herrscht er ihn an, »kannst du mir nicht sagen,
Was meinem Elefanten fehle,
Warum so verdüstert seine Seele?«
Doch jener wirft sich dreimal zur Erde,
Und endlich spricht er mit ernster Gebärde:
»O König, ich will dir die Wahrheit verkünden,
Du kannst dann handeln nach Gutbefinden.
Es lebt im Norden ein schönes Weib
Von hohem Wuchs und weißem Leib,
Dein Elefant ist herrlich, unleugbar,
Doch ist er nicht mit ihr vergleichbar.
Mit ihr verglichen, erscheint er nur
Ein weißes Mäuschen. Es mahnt die Statur
An Bimha, die Riesin, im >Ramayana<,
Und an der Epheser große Diana.
Wie sich die Gliedermassen wölben
Zum schönsten Bau! Es tragen dieselben
Anmutig und stolz zwei hohe Pilaster
Von blendend weißem Alabaster.
Das ist Gott Amors kolossale
Domkirche, der Liebe Kathedrale;
Als Lampe brennt im Tabernakel
Ein Herz, das ohne Falsch und Makel.
Die Dichter jagen vergebens nach Bildern,
Um ihre weiße Haut zu schildern;
Selbst Gautier ist dessen nicht kapabel –
O diese Weiße ist implacable!
Des Himalaja Gipfelschnee
Erscheint aschgrau in ihrer Näh';
Die Lilie die ihre Hand erfasst,
Vergilbt durch Eifersucht oder Kontrast.
Gräfin Bianka ist der Name
Von dieser großen weißen Dame;
Sie wohnt zu Paris im Frankenland,
Und diese liebt der Elefant.
Durch wunderbare Wahlverwandtschaft
Im Traume machte er ihre Bekanntschaft,
Und träumend in sein Herze stahl
Sich dieses hohe Ideal.
Sehnsucht verzehrt ihn seit jener Stund',
Und er, der vormals so froh und gesund,
Er ist ein vierfüßiger Werther geworden,
Und träumt von einer Lotte im Norden.
Geheimnisvolle Sympathie!
Er sah sie nie und denkt an sie.
Er trampelt oft im Mondschein umher
Und seufzet: >Wenn ich ein Vöglein wär!<
In Siam ist nur der Leib, die Gedanken
Sind bei Bianka im Lande der Franken;
Doch diese Trennung von Leib und Seele
Schwächt sehr den Magen, vertrocknet die Kehle.
Die leckersten Braten widern ihn an,
Er liebt nur Dampfnudeln und Ossian;
Er hüstelt schon, er magert ab,
Die Sehnsucht schaufelt sein frühes Grab.
Willst du ihn retten, erhalten sein Leben,
Der Säugetierwelt ihn wiedergeben,
O König, so schicke den hohen Kranken
Direkt nach Paris, der Hauptstadt der Franken.
Wenn ihn alldort in der Wirklichkeit
Der Anblick der schönen Frau erfreut,
Die seiner Träume Urbild gewesen,
Dann wird er von seinem Trübsinn genesen.
Wo seiner Schönen Augen strahlen,
Da schwinden seiner Seele Qualen;
Ihr Lächeln verscheucht die letzten Schatten,
Die hier sich eingenistet hatten;
Und ihre Stimme, wie 'n Zauberlied,
Löst sie den Zwiespalt in seinem Gemüt;
Froh hebt er wieder die Lappen der Ohren,
Er fühlt sich verjüngt, wie neugeboren.
Es lebt sich so lieblich, es lebt sich so süß
Am Seinestrand, in der Stadt Paris!
Wie wird sich dorten zivilisieren
Dein Elefant und amüsieren!
Vor allem aber, o König, lasse
Ihm reichlich füllen die Reisekasse,
Und gib ihm einen Kreditbrief mit
Auf Rothschild frères in der Rue Lafitte.
Ja, einen Kreditbrief von einer Million
Dukaten etwa; – der Herr Baron
Von Rothschild sagt von ihm alsdann:
>Der Elefant ist ein braver Mann!<«
So sprach der Astrolog, und wieder
Warf er sich dreimal zur Erde nieder.
Der König entließ ihn mit reichen Geschenken,
Und streckte sich aus, um nachzudenken.
Er dachte hin, er dachte her;
Das Denken wird den Königen schwer.
Sein Affe sich zu ihm niedersetzt,
Und beide schlafen ein zuletzt.
Was er beschlossen, das kann ich erzählen
Erst später; die indischen Mall'posten fehlen.
Die letzte, welche uns zugekommen,
Die hat den Weg über Suez genommen.
Schelm von Bergen
Im Schloss zu Düsseldorf am Rhein
Wird Mummenschanz gehalten;
Da flimmern die Kerzen, da rauscht die Musik,
Da tanzen die bunten Gestalten.
Da tanzt die schöne Herzogin,
Sie lacht laut auf beständig;
Ihr Tänzer ist ein schlanker Fant,
Gar höfisch und behändig.
Er trägt eine Maske von schwarzem Samt,
Daraus gar freudig blicket
Ein Auge, wie ein blanker Dolch,
Halb aus der Scheide gezücket.
Es jubelt die Fastnachtsgeckenschar,
Wenn jene vorüberwalzen.
Der Drickes und die Marizzebill
Grüßen mit Schnarren und Schnalzen.
Und die Trompeten schmettern drein,
Der närrische Brummbass brummet,
Bis endlich der Tanz ein Ende nimmt
Und die Musik verstummet.
»Durchlauchtigste Frau, gebt Urlaub mir,
Ich muss nach Hause gehen –«
Die Herzogin lacht: »Ich lass dich nicht fort,
Bevor ich dein Antlitz gesehen.«
»Durchlauchtigste Frau, gebt Urlaub mir,
Mein Anblick bringt Schrecken und Grauen –«
Die Herzogin lacht: »Ich fürchte mich nicht,
Ich will dein Antlitz schauen.«
»Durchlauchtigste Frau, gebt Urlaub mir,
Der Nacht und dem Tode gehör ich –«
Die Herzogin lacht: »Ich lasse dich nicht,
Dein Antlitz zu schauen begehr ich.«
Wohl sträubt sich der Mann mit finsterm Wort,
Das Weib nicht zähmen kunnt er;
Sie riss zuletzt ihm mit Gewalt
Die Maske vom Antlitz herunter.
»Das ist der Scharfrichter von Bergen!« so schreit
Entsetzt die Menge im Saale
Und weichet scheusam – die Herzogin
Stürzt fort zu ihrem Gemahle.
Der Herzog ist klug, er tilgte die Schmach
Der Gattin auf der Stelle.
Er zog sein blankes Schwert und sprach:
»Knie vor mir nieder, Geselle!
Mit diesem Schwertschlag mach ich dich
Jetzt ehrlich und ritterzünftig,
Und weil du ein Schelm, so nenne dich
Herr Schelm von Bergen künftig.«
So ward der Henker ein Edelmann
Und Ahnherr der Schelme von Bergen.
Ein stolzes Geschlecht! es blühte am Rhein.
Jetzt schläft es in steinernen Särgen.
Walküren
Unten Schlacht. Doch oben schossen
Durch die Luft auf Wolkenrossen
Drei Walküren, und es klang
Schilderklirrend ihr Gesang:
»Fürsten hadern, Völker streiten,
Jeder will die Macht erbeuten;
Herrschaft ist das höchste Gut,
Höchste Tugend ist der Mut.
Heisa! vor dem Tod beschützen
Keine stolzen Eisenmützen,
Und das Heldenblut zerrinnt
Und der schlechtre Mann gewinnt.
Lorbeerkränze, Siegesbogen!
Morgen kommt er eingezogen,
Der den Bessern überwand
Und gewonnen Leut' und Land.
Bürgermeister und Senator
Holen ein den Triumphator,
Tragen ihm die Schlüssel vor,
Und der Zug geht durch das Tor.
Hei! da böllert's von den Wällen,
Zinken und Trompeten gellen,
Glockenklang erfüllt die Luft,
Und der Pöbel >Vivat!< ruft.
Lächelnd stehen auf Balkonen
Schöne Fraun, und Blumenkronen
Werfen sie dem Sieger zu.
Dieser grüßt mit stolzer Ruh'.«
Schlachtfeld bei Hastings
Der Abt von Waltham seufzte tief,
Als er die Kunde vernommen,
Dass König Harold elendiglich
Bei Hastings umgekommen.
Zwei Mönche, Asgod und Ailrik genannt,
Die schickt' er aus als Boten,
Sie sollten suchen die Leiche Harolds
Bei Hastings unter den Toten.
Die Mönche gingen traurig fort
Und kehrten traurig zurücke:
»Hochwürdiger Vater, die Welt ist uns gram,
Wir sind verlassen vom Glücke.
Gefallen ist der bessre Mann,
Es siegte der Bankert, der schlechte,
Gewappnete Diebe verteilen das Land
Und machen den Freiling zum Knechte.
Der lausigste Lump aus der Normandie
Wird Lord auf der Insel der Briten;
Ich sah einen Schneider aus Bayeux, er kam
Mit goldnen Sporen geritten.
Weh dem, der jetzt ein Sachse ist!
Ihr Sachsenheilige droben
Im Himmelreich, nehmt euch in acht,
Ihr seid der Schmach nicht enthoben.
Jetzt wissen wir, was bedeutet hat
Der große Komet, der heuer
Blutrot am nächtlichen Himmel ritt
Auf einem Besen von Feuer.
Bei Hastings in Erfüllung ging
Des Unsterns böses Zeichen,
Wir waren auf dem Schlachtfeld dort
Und suchten unter den Leichen.
Wir suchten hin, wir suchten her,
Bis alle Hoffnung verschwunden –
Den Leichnam des toten Königs Harold,
Wir haben ihn nicht gefunden.«
Asgod und Ailrik sprachen also;
Der Abt rang jammernd die Hände,
Versank in tiefe Nachdenklichkeit
Und sprach mit Seufzen am Ende:
»Zu Grendelfield am Bardenstein,
Just in des Waldes Mitte,
Da wohnet Edith Schwanenhals
In einer dürft'gen Hütte.
Man hieß sie Edith Schwanenhals,
Weil wie der Hals der Schwäne
Ihr Nacken war; der König Harold,
Er liebte die junge Schöne.
Er hat sie geliebt, geküsst und geherzt,
Und endlich verlassen, vergessen.
Die Zeit verfließt; wohl sechzehn Jahr'
Verflossen unterdessen.
Begebt euch, Brüder, zu diesem Weib
Und lasst sie mit euch gehen
Zurück nach Hastings, der Blick des Weibs
Wird dort den König erspähen.
Nach Waltham-Abtei hierher alsdann
Sollt ihr die Leiche bringen,
Damit wir christlich bestatten den Leib
Und für die Seele singen.«
Um Mitternacht gelangten schon
Die Boten zur Hütte im Walde:
»Erwache, Edith Schwanenhals,
Und folge uns alsbalde.
Der Herzog der Normannen hat
Den Sieg davongetragen,
Und auf dem Feld bei Hastings liegt
Der König Harold erschlagen.
Komm mit nach Hastings, wir suchen dort
Den Leichnam unter den Toten,
Und bringen ihn nach Waltham-Abtei,
Wie uns der Abt geboten.«
Kein Wort sprach Edith Schwanenhals,
Sie schürzte sich geschwinde
Und folgte den Mönchen; ihr greisendes Haar,
Das flatterte wild im Winde.
Es folgte barfuß das arme Weib
Durch Sümpfe und Baumgestrüppe.
Bei Tagesanbruch gewahrten sie schon
Zu Hastings die kreidige Klippe.
Der Nebel, der das Schlachtfeld bedeckt
Als wie ein weißes Leilich,
Zerfloss allmählich; es flatterten auf
Die Dohlen und krächzten abscheulich.
Viel tausend Leichen lagen dort
Erbärmlich auf blutiger Erde,
Nackt ausgeplündert, verstümmelt, zerfleischt,
Daneben die Äser der Pferde.
Es wadete Edith Schwanenhals
Im Blute mit nackten Füßen;
Wie Pfeile aus ihrem stieren Aug'
Die forschenden Blicke schießen.
Sie suchte hin, sie suchte her,
Oft musste sie mühsam verscheuchen
Die fraßbegierige Rabenschar;
Die Mönche