Der letzte Tag: Phantastische Geschichten
Von Thomas A. Ruhk
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Über dieses E-Book
Die Helden der zwölf Geschichten dieser Phantastik-Sammlung sind so vielfältig wie die Herausforderungen, denen sie sich stellen müssen.
Da wären zum Beispiel zwei Wissenschaftler, die in einem Bunker aus todesähnlichem Schlaf aufgeweckt werden oder die tapfere Frau, die in ihrem Haus einem fürchterlichen Feind entgegentreten muss. Welche unheimlichen Wesen attackieren die Gruppe amerikanischer Soldaten während einer Übung? Kann der mächtige Blackfoot den üblen Tiermörder Smith zur Strecke bringen? In Walker 7 soll ein Erkundungsteam herausfinden, warum die Versorgung ausgefallen ist, und wird mit einem System konfrontiert, das nur Zerstörung kennt.
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Buchvorschau
Der letzte Tag - Thomas A. Ruhk
2016
Walker 7
Das Signal hallte durch die engen Verbindungsgänge mit durchdringender Lautstärke. Tukon lehnte sich gegen die Wand und packte eine der Haltestangen, die überall angebracht waren und das Bild seiner Heimatlaufsäule prägten.
Manchmal, wenn das Signal von der nahenden Schrittbewegung kündete, löste er ganz bewusst die Hände von den Sicherheitsstangen und versuchte, den starken Andruck ohne Hilfe auszutarieren.
Nicht immer gelang es ihm. Die besten Chancen dafür gab es in den Ebenen oberhalb des Kniegelenks, aber die Schichtführer hatten Tukon aufgrund seiner starken Physis in den unteren Bereichen eingeteilt, dort, wo die Bewegung der Heimatlaufsäule am heftigsten zu spüren war.
Als das merkwürdige Gefühl im Magen einsetzte, fing Tukon an zu zählen. Er kam bis fünfundvierzig, dann setzte Walker 7 seinen gewaltigen Fuß auf die diamanthart geschmolzene Oberfläche der Turom-Ebene. Die Stoßdämpfer pfiffen, als sie das Gewicht des Walkers abfingen, aber die Erschütterungen drangen nicht bis ins Innere der Laufsäule vor. Die Absorber verrichteten ihren Dienst seit vielen Generationen. Dumpfes Grollen war der einzige Nachweis, dass die fast zweihundert Radiusmeter messende Fußplatte mit ihrer Masse auf die Oberfläche dessen prallte, was einmal bewohnbarer Boden gewesen war.
Ein weiteres Signal ertönte. In 64 Minuten würde Laufsäule 3 zu ihrem nächsten Schritt ansetzen. 64 Minuten, die den Lebensrhythmus der Menschen in Walker 7 seit den Tagen der Alten bestimmten. Zeit genug für Tukon, die Versammlungsplattform im Kniegelenk zu erreichen.
Der junge Brinaaner ließ die Stange los und lief über einige frei schwingende Stege, die sich in Form einer hohen, weitläufigen Wendeltreppe bis zur nächsten Ebene zogen. Die Ältesten erzählten den Kindern schon von klein auf, warum die einzelnen Etagen von Laufsäule 3 nicht mit festen Treppen miteinander verbunden waren. Jeder Bewohner der Säule lernte mit diesen Erzählungen die Grundlagen seiner späteren Arbeit kennen.
Man konnte die grauen Außenwände von der Treppe aus gut sehen. In alle Richtungen betrug die Entfernung etwa 50 Meter. Tukon liebte es, auf den uralten Plastikstufen stehen zu bleiben und das Gefühl für Distanz zu genießen. Seine Heimat maß im Kniegelenk sogar noch mehr, aber nur auf den Treppen gab es freie Sicht bis zu den Wänden.
Er hatte genügend Zeit bis zum nächsten Schritt der Laufsäule, denn die Lehren der Ausbilder hatten ihm die wichtigste Regel für sein Leben ins Gehirn eingebrannt: Unablässig zählte er die verstreichenden Sekunden, um niemals im falschen Moment auf den schwingenden Treppen zu stehen. Es war ein antrainierter Automatismus, der in den Kindern der Brinaaner seinen Anfang nahm und selbst auf dem Sterbebett noch fortgeführt wurde. Die Geschichte von Koon, dem Ersten Techniker, wurde immer wieder bemüht. Im Moment seines Todes hatte Säule 3 zum Schritt angesetzt, und Koon hatte sich statt eines letzten Wortes an eine Haltestange geklammert.
Seine Familie hatte dem Leichnam die Finger brechen müssen, um ihn von der Stange zu lösen, und erst dann hatte man ihn dem Verwertungsautomaten übergeben können.
Tukon genoss noch einen Moment das Gefühl für Weite und setzte dann seinen Weg im Kniegelenk fort. Die Schichtführer bereiteten dort seit Wochen den Großen Transfer vor, und er fragte sich, ob die Wahl diesmal auf ihn fallen würde. Es war an der Zeit für ihn, einer Partnerin zugeteilt zu werden. Er war alt genug und ertappte sich dabei, heimlich auf die von körperlicher Arbeit geformten Frauen zu starren. Vor allem Sela, die in seinem Alter war, lenkte ihn von der Arbeit ab. Sie war irgendwie plötzlich zur Frau gereift. Wenn er mit ihr in einer Schicht arbeitete, musste er sich zusammenreißen, um nicht das Zählen zu vergessen.
Die Sekunden waren wichtig. Er durfte das niemals außer Acht lassen.
Die Frage war, ob seine Partnerin von einer der anderen Laufsäulen in die seine kommen würde oder ob er selbst seine Heimstätte verlassen musste. Sela durfte er nach den Regeln seines Volkes nicht erwählen. Aufgrund seines Standes war es normalerweise an ihm, eine Partnerin aus einer anderen Säule zu empfangen – er war schließlich einmal Plattentechniker gewesen.
Es war diese eine Ressource, die im Walker nicht künstlich reproduziert werden konnte: Menschliches Leben war nach der verheerenden Katastrophe wieder auf natürliche Fortpflanzung angewiesen. Für die Bewohner von Säule 3 bedeutete ein neues Mitglied zwei helfende Hände mehr. Schon von klein auf wurden die Kinder zu Technikern ausgebildet und verrichteten einfache Arbeiten.
Die Stärksten unter ihnen kamen dann kurz vor dem Beginn der Pubertät in der Fußplatte zum Einsatz. Der Verschleiß setzte dem Material stark zu, und es brauchte kräftige Hände, um Schäden zu flicken und die Absorber in Gang zu halten.
Nach der Pubertät waren die Brinaaner zu groß, um durch die engen Kanäle der Fußplatte zu kriechen. Ein Heranwachsender, der mit dieser gefährlichen Aufgabe betraut wurde, erntete Ruhm und Ansehen – wenn er es überlebte.
Tukon hatte durchgehalten. Er dachte nicht gern an diese Zeit zurück, denn er hatte gesehen, was passierte, wenn man von den sich bewegenden Federteilen zermalmt wurde. Es blieb nichts übrig, was an einen Menschen hätte erinnern können.
Das Innere der Fußplatte war der schrecklichste Ort, den ein Walker-Techniker kannte. Die vielen Jugendlichen, die im Lauf der Jahre hier gestorben waren, konnten nie mehr geborgen werden. Erst da hatte Tukon begriffen, warum die Älteren stets behaupteten, Walker 7 würde auf „Blut laufen".
Es gab nur eine Sache, die noch schrecklicher war als das Fußinnere. Tukon schauderte bei dem Gedanken daran.
Er erreichte die Versammlungsplattform und ging sofort in Richtung einer Stange. Er zählte drei, zwei, eins und registrierte zufrieden das pünktliche Ertönen des Signales. Ohne Hast ging er an einen freien Platz und hielt sich mit einem Arm fest.
Sein Blick fiel auf ein junges Paar. Der Mann hielt sich fest und umklammerte seine Lebensgefährtin an der Taille. Die beiden schienen sehr vertraut, und Tukon spürte, dass sich Neid in ihm regte.
Der Schrittvorgang ging vorüber (vierundvierzig, fünfundvierzig), ohne dass Tukon einen bewussten Gedanken daran verschwendete. Sein Blick heftete sich an das geschmeidige, weißblond leuchtende Haar der beiden Walker-Brinaaner, denen vorherbestimmt war, ein ebenso weißhaariges Kind zu zeugen.
Alle Bewohner von Laufsäule 3 waren Albinos. Als Walker 7 vor Äonen fertiggestellt wurde und der Erste Techniker Koon an Bord ging, waren die zwei Sonnen Brinaans zum Feind der Menschen geworden.
Nichts war fürchterlicher als das Doppelmuttergestirn des Brinaan-Systems. Nichts war tödlicher als die Hitze und das Licht dieser zwei Sonnen. Nichts fürchtete ein Walker-Techniker mehr als einen plötzlichen Riss in der Außenhülle seiner Säule.
Die Sonne der Heimatwelt, von der die Brinaaner einst gekommen waren, wurde in den Legenden als Lebensspender bezeichnet. Sie hatte Pflanzen wachsen lassen und nicht verbrannt, wie es die tödlichen Geschwister von Brinaan vor langer Zeit getan hatten.
Tukon dachte bekümmert daran, dass die Siedler, die von der Ursprungswelt gekommen waren, den Untergang selbst eingeläutet hatten. Brinaans Atmosphäre war ähnlich der Mutterwelt gewesen, hatte sich aber deutlich anfälliger gegen den sofort einsetzenden Raubbau gezeigt.
Es gab einige wenige Videodateien mit kurzen Szenen, in denen Bäume sich im Wind wiegten und Wellen von Wasser sanft an einem hellen Strand die Füße der filmenden Person umspülten.
Jeder Bewohner von Laufsäule 3 bekam diese Videosequenzen im Lauf seines Lebens zu sehen. Tukon hatte sie kurz nach dem Ende seiner Zeit als Plattentechniker staunend betrachtet. In seiner Erinnerung war vor allem die Hautfarbe des Menschen haften geblieben, der die Kamera auf seine Füße gerichtet hatte, um das heranrauschende Wasser zu zeigen.
Einen so kräftigen Braunton hatte Tukon weder vor noch nach der Aufnahme jemals wieder gesehen. Er stellte sich immer vor, wie es sein mochte, mit einem derartigen Schutzschild ausgerüstet zu sein. Er wünschte sich, er hätte eine ebensolche Haut.
Wenn Tukon sich umsah, erblickte er ausschließlich Albinos. In der Schule der Laufsäule hatte er gelernt, dass die Farbe aus seinem Volk gewichen war, weil es seit vielen Generationen seinen Dienst in Walker 7 verrichtete. Nur der genetische Austausch mit den Arbeitern aus den anderen 3 Laufsäulen verhinderte eine weitere Degeneration.
Dieser Austausch wurde „Großer Transfer" genannt, und genau darauf hoffte Tukon.
Er atmete tief durch und wartete auf das Eintreffen der Ältesten. Es hieß, dass die Erste Technikerin Kajara in Kürze ihr vierzigstes Lebensjahr erreichen würde. Schon seit langer Zeit war kein Bewohner von Säule 3 so alt geworden.
„Tukon?", hörte er seinen Namen.
Er wandte den Kopf und erblickte Sela. Sie schlenderte lächelnd auf ihn zu. Der enge, mit Leuchtstreifen durchzogene Technikeranzug betonte ihre muskulöse Statur, aber er zwang sich dazu, in ihr Gesicht zu sehen. Sie wusste, welche Wirkung sie auf ihn ausübte. Sela spielte mit ihren Reizen, aber es war ein Spiel, bei dem es keinen Sieger und keine Trophäe gab.
Tukon versuchte sich an einem nichtssagenden Gesichtsausdruck und wartete auf sie. Die junge Brinaanerin rückte näher und sah ihm in die Augen.
„Was glaubst du, werden wir tun?", fragte sie.
Er schüttelte irritiert den Kopf. „Ich verstehe nicht, was du meinst."
„Na, wegen der Unterversorgung natürlich. Seit ein paar Phasen kommt kein Trinkwasser mehr durch die Leitungen des Walkers. Es geht das Gerücht über Rationierungen um. Hast du die letzte Zeit geschlafen und alles verpasst?"
„Nein, sagte er. „Ich war in Segment 13 über dem Fußgelenk. Es gab einen Strukturbruch bei den Dämpferzylindern.
Sela nickte verstehend.
„Hier sind alle in heller Aufregung, Tukon, erklärte sie. „Es ist noch nie passiert, dass die Versorgung im Walker unterbrochen wurde.
Tukon schürzte die Lippen. „Hat die Erste Technikerin Kontakt mit dem Kommandanten aufgenommen?"
„Davon weiß ich nichts, entgegnete Sela. „Die Ältesten halten sich bedeckt. Ich glaube, man wird uns jetzt aber etwas sagen.
Tukon sah sich aufmerksam um. Erst jetzt fiel ihm auf, dass einige mit angespannten Gesichtern an ihren Haltestangen verharrten. Er war so beschäftigt mit seinen Gedanken über weibliche Körper gewesen, dass ihm das entgangen war.
„Ich dachte, es würde um den Großen Transfer gehen, sagte er bekümmert. „Ich hatte gehofft … nun, egal. Es ist egal.
Sela wirkte bestürzt und blinzelte hastig. Es wäre Tukon fast entgangen, aber da sie immer noch dicht bei ihm stand, bemerkte er es.
„Habe ich etwas Falsches gesagt?", fragte er, aber bevor sie ihm antworten konnte, betrat die Erste Technikerin die Plattform.
Kajara war eine beeindruckende Erscheinung, trotz oder gerade wegen ihres Alters. Tukon studierte jedes Mal, wenn er sie sah, die kleinen Falten in ihrem Gesicht. Die Älteste war noch hagerer als die meisten anderen Frauen von Säule 3. Ihr zu einem strengen Zopf gebundenes Haar war beinahe so dick wie ihre Oberschenkel, die in der engen, neongrünen Kombination des Ersten Technikers steckten. Der Anzug leuchtete im schwachen Licht, das in der Säule vorherrschte, und zog die Blicke aller Brinaaner auf sich.
Kajara postierte sich in der Mitte der Plattform und verschränkte die Arme hinter dem Rücken. Ihre Schlüsselbeine und die Nackenmuskulatur traten hervor, ließen die Älteste eckig und unnahbar wirken.
„Einige von euch haben es vielleicht schon als Gerücht gehört, begann Kajara. „Es ist wahr: Seit vier Phasen bleiben alle Versorgungslieferungen aus. Es betrifft nicht nur das Trinkwasser, sondern auch Lebensmittel und Medikamente. Die Transporteinheit ist auf halber Höhe im Schacht stecken geblieben – wir können derzeit nichts in den Wiederverwertungskreislauf einspeisen. Wir haben versucht, mit dem Walker-Kommandanten Kontakt aufzunehmen. Es kommt keine Verbindung zustande.
Unter den Technikern brandete Gemurmel auf. Sela und Tukon sahen sich erschrocken an.
„Die Ältesten haben eine Entscheidung getroffen, fuhr Kajara fort. „Wir werden ein Erkundungsteam aussenden. Es bleibt uns keine andere Wahl. Wir müssen wissen, was da oben vor sich geht.
Nach einem Moment der Stille fragte jemand: „Wer soll gehen?"
„Wir schicken unsere stärksten Leute. Eine Gruppe von vier Technikern wird sich in den Transferbereich begeben und versuchen, über den Versorgungsschacht nach oben zu gelangen."
Tukon dachte fieberhaft nach. Die vier Laufsäulen waren durch die Transferplatte miteinander verbunden, ein langgezogenes Röhren- und Strebensystem, auf dem der Hauptkörper des Walkers ruhte. Der „Große Transfer" war die einzige Reise, die ein Techniker jemals unternahm, und nur die wenigsten sprachen darüber.
Es hieß, dort oben gab es eine Stelle, von der aus man einen Blick auf die geschmolzene Planetenoberfläche werfen konnte.
Tukon schauderte bei dem Gedanken. Die Techniker blieben unter sich. So war es schon immer gewesen. Niemand störte sie, niemand behelligte sie. Sie verrichteten einfach nur ihre Arbeit und wurden dafür über die Versorgungskanäle mit allen lebensnotwendigen Rohstoffen bedacht.
Er seufzte, als er die Logik hinter der Entscheidung des Rates erkannte. Sie mussten ein Team schicken, denn das Ausbleiben von Nahrung und Trinkwasser würde ihr aller Leben kosten.
‚Wen werden sie schicken?’, dachte Tukon.
Er beachtete seine Umwelt erst wieder, als Sela ihn unsanft in die Seite stieß. Er sah sich erstaunt den Blicken seiner Leute ausgesetzt.
„Tukon? Hast du mich nicht gehört?", fragte die Erste Technikerin gerade.
„Äh, nein, murmelte er verlegen. „Verzeihung.
„Wir haben beschlossen, dass du das Team anführen wirst. Du hast dich in der Fußplatte bewährt. Du wirst erneut mit gefährlichen Situationen umgehen können."
Tukon schnappte nach Luft.
„Ich hatte gehofft…", begann er, schwieg dann aber.
Kajara kam auf ihn zu.
„Ich weiß, dass du an der Reihe für den „Großen Transfer gewesen wärst
, sagte sie. „Das bedeutet jedem von uns sehr viel. Es ist das Lebensziel eines jeden Walker-Technikers. Die Belohnung für die Mühen, die wir auf uns nehmen. Unsere Lage verlangt jedoch nach Aufklärung, das verstehst du doch?"
Tukon atmete ruhig ein und aus und legte die Arme hinter dem Rücken zusammen.
„Natürlich, Erste Technikerin, antwortete er. „Ich habe nur nicht mit dieser Ehre gerechnet. Ich werde das Team erfolgreich hoch- und wieder runterbringen.
Zaghafter Beifall brandete auf.
„Gut gesprochen, Tukon", sagte Kajara leise.
Sie war inzwischen auf Armlänge an ihn herangekommen. Ihre Worte waren für die anderen Brinaaner nicht mehr zu hören.
„Ich weiß nicht, was euch erwarten wird, erklärte sie. „Unsere Kommunikation mit dem Kommandanten ist immer schon sehr eingeschränkt gewesen.
„Wie darf ich das verstehen?", fragte Tukon.
„Es hat noch nie direkte Gespräche gegeben. Unsere einzige Verbindung nach oben sind die Versorgungseinheiten. So lange die funktioniert haben, hat es nie Grund für uns gegeben, etwas daran zu ändern. Bis jetzt."
Tukon nickte langsam. „Wer gehört zum Team?"
Kajara verschränkte die Arme vor dem hageren Brustkorb. „Brolf ist der beste Mann, wenn es um elektronische Komponenten geht. Seine Gefährtin Anuura kann immer noch in engste Spalten steigen und dort arbeiten. Die Fähigkeiten der beiden werden wichtig sein."
Tukon überlegte ein paar Sekunden. „Du möchtest nicht, dass wir direkt nach oben gehen?"
„Nein. Kajara schüttelte den Kopf. „Wir möchten, dass ihr versucht, euch zu einer der anderen Laufsäulen durchzuarbeiten. Vielleicht haben die Techniker von Säule 2 eine Lösung für das Problem parat. Mit ihnen hätten wir sowieso den „Großen Transfer
vollzogen."
Tukon nickte und versuchte, seine Bestürzung zu verbergen.
„Wer ist der letzte Techniker unseres Teams?", lenkte er mit einer Frage von sich ab.
Statt einer Antwort wandte sich Kajara an Sela.
„Bist du bereit für diese Mission? Wirst du Tukon begleiten?"
Sela hob die Augenbrauen.
„Ja, murmelte sie. „Aber warum ich? Ich arbeite gut, doch es gibt bessere.
„Ich weiß, sagte Kajara und lächelte schwach. „Ich halte es dennoch für richtig, wenn du zur Gruppe gehörst. Du hast lange in der medizinischen Abteilung gearbeitet. Das wird sich auszahlen.
Tukon stand neben den beiden Frauen und wusste nicht, ob er sich über diese Entwicklung freuen sollte. Auf der einen Seite begrüßte er es, weil sie dadurch zum ersten Mal, seit sie sich kannten, zusammen an einer Sache arbeiteten. Andererseits wusste er, dass ihn Selas Anwesenheit von der Mission ablenken konnte.
Er bat die Erste Technikerin zur Seite.
„Ich bin unsicher, ob es eine gute Idee ist, Sela mitzunehmen."
Die Älteste studierte prüfend seinen Gesichtsausdruck. Ihr Gesicht wirkte hart.
„Sie wird mitgehen, erklärte sie mit Nachdruck. „Sie wird ihren Beitrag leisten.
Tukon nickte ergeben. Es gab an der Entscheidung der Ersten Technikerin nichts zu rütteln.
„Wann sollen wir aufbrechen?"
„Sofort, antwortete Kajara. „Ihr rüstet euch für die Aufgabe und macht euch auf den Weg. Brolf und Anuura sind schon mit den Vorbereitungen beschäftigt. Wenn ihr bereit seid, treffen wir uns in der Halle der Ältesten.
Ohne seine Antwort abzuwarten, stapfte Kajara davon. Tukon winkte Sela heran. Sie hatte von dem Zwiegespräch nichts mitbekommen.
„Lass uns die Ausrüstung zusammenstellen", bestimmte er und setzte sich in Bewegung.
Sie folgte ihm ohne Zögern.
„Tukon? Hast du eine Ahnung, was uns erwartet?"
„Nein. Kajara konnte mir auch nichts sagen. Sie weiß nicht, was oben vor sich geht. Wir rüsten uns mit schwerem Gerät und Feinwerkzeugen aus. Außerdem brauchen wir Gepäck und Verpflegung."
„Wie lange denkst du, werden wir unterwegs sein?"
Tukon schürzte die Lippen. Er berechnete den Nahrungsbedarf und ihre Transportkapazität.
„Sechs Phasen. Das sollte reichen. Wir rationieren von Anfang an, dadurch können wir vielleicht noch eine oder zwei Phasen herausschinden."
Er steuerte die Wohneinheit von Brolf und Anuura an, um die Ausrüstung abzustimmen. Die Doppelräume waren den Paaren vorbehalten, Kinder, Jugendliche und die jungen Erwachsenen schliefen in Gemeinschaftsunterkünften. Tukon hatte sich gewünscht, endlich in eine solche Wohneinheit ziehen zu können. Er stellte es sich großartig vor, mit nur einer weiteren Person einen Raum zu teilen.
Es war, wie es die Erste Technikerin gesagt hatte: Die höchste Belohnung eines jeden Säulenbewohners.
Die Tür der Wohneinheit glitt auseinander, und die Besucher blickten in das schmale Gesicht von Anuura, der erfahrensten Spaltensteigerin von Säule 3. Sie war sogar noch schlanker als Kajara. Ihr Haupteinsatzgebiet befand sich direkt über der Fußplatte. Die sich bewegenden Teile verlangten nach extrem dünnen Arbeitern, und Anuura war die älteste Überlebende unter ihnen.
Sie machte ein ernstes Gesicht. Tukon erhaschte einen Blick in die Wohneinheit, in der sich ein großes Bett und eine Nische für die Nahrungszubereitung befanden. Brolf saß dort und packte Verpflegung ein. Eine Tür führte in eine kleine Seitenkabine, wo die sanitären Anlagen installiert waren. Von so viel privatem Raum träumte jeder junge Säulentechniker.
„Wir müssen die Ausrüstung besprechen", sagte Tukon nach einer kurzen Begrüßung.
Anuura nickte und winkte Brolf heran. Er war deutlich wuchtiger als seine Partnerin und hatte eine große Narbe auf der Wange.
Tukon ging mit den beiden die Bestandteile ihres Gepäckes durch. Sie mussten auf jede denkbare Schwierigkeit reagieren können, gleichzeitig aber mobil bleiben.
„Um zum Hüftgelenk zu kommen, erklärte Tukon, „müssen wir schon durch den Versorgungsschacht. Es gibt keinen direkten Zugang von unseren Bereichen.
„Hast du von Kajara einen Plan von den oberen Segmenten bekommen?", wollte Brolf wissen.
„Nein. Ich