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Käthchen von Heilbronn / Das Käthchen von Heilbronn: Romantische Erzählung / Romantische Erzählung. Teil 1 (Kapitel 1-25)
Käthchen von Heilbronn / Das Käthchen von Heilbronn: Romantische Erzählung / Romantische Erzählung. Teil 1 (Kapitel 1-25)
Käthchen von Heilbronn / Das Käthchen von Heilbronn: Romantische Erzählung / Romantische Erzählung. Teil 1 (Kapitel 1-25)
eBook409 Seiten5 Stunden

Käthchen von Heilbronn / Das Käthchen von Heilbronn: Romantische Erzählung / Romantische Erzählung. Teil 1 (Kapitel 1-25)

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Über dieses E-Book

Liebe, Haß, Intrige, Mord, Entführung und zum Schluß ein Happy End - Frankenburgs Roman läßt kein Spannungselement aus. Das ideale Lesefutter für aufregende Stunden. Dies ist Teil 1 von 8 Teilen (insgesamt über 3.000 Seiten!)
SpracheDeutsch
HerausgeberEmig, Günther
Erscheinungsdatum1. Sept. 2018
ISBN9783921249901
Käthchen von Heilbronn / Das Käthchen von Heilbronn: Romantische Erzählung / Romantische Erzählung. Teil 1 (Kapitel 1-25)

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    Buchvorschau

    Käthchen von Heilbronn / Das Käthchen von Heilbronn - Robert Frankenburg

    Kapitel

    Käthchens Traum

    Es fällt ein Stern herunter 

    Aus seiner funkelnden Höh’! 

    Das ist der Stern der Liebe, 

    Den ich dort fallen seh’.

    Leise, ganz sacht’ – sie schläft!

    Die hellen Sonnenstrahlen huschen aber doch hinüber zu der lieblichen Schläferin und wie Himmelsglanz liegt es nun über dem schönen, sanften Gesicht.

    Sie träumt! Ihre Lippen bewegen sich leise, und es muß ein köstlicher Traum sein, der ihre Seele umschwebt, denn eben lächelt sie so glückselig, als schaue sie in den Himmel hinein.

    Plötzlich zuckt die holde Schläferin heftig zusammen, es hatte eben laut an die Tür geklopft.

    »Käthchen, wo bleibst Du, Kind?« ruft eine tiefe Männerstimme draußen.

    Das junge Mädchen fährt, noch schlaftrunken, empor, es scheint ihr schwer zu werden, sich von dem Traum loszureißen.

    Als sie endlich die braunen Rehaugen öffnete, schloß sie dieselben sekundenlang wieder, geblendet von dem goldenen Sonnenlicht. Dann blinzelte sie leise, strich sich die blonden Locken aus der Stirn und richtete sich nun vollends auf.

    »Ei, ei, hat’s mein Käthchen auch einmal verschlafen?« erklang die tiefe Stimme von draußen wieder. »Hat Heilbronn das wohl je erlebt, daß sein Käthchen bis in den hellen Tag hinein geschlummert?«

    Jetzt war das junge Mädchen vom Lager aufgesprungen.

    »Mein Vater, Ihr sei’s? O, verzeiht mir! Wohl habt Ihr recht, Euer säumig Kind zu schelten! Nur kurze Weil’ geduldet Euch, gleich werd’ ich öffnen.«

    Sie kleidete sich hastig an. Dann ging sie, den Riegel von der Tür des Kämmerleins zu schieben.

    Die hohe, breitschultrige Gestalt Theobald Friedeborns, des Waffenschmiedes von Heilbronn, trat über die Schwelle.

    »Grüß Gott, mein Käthchen, kleine Langschläferin!«

    Er stemmte die Arme in die Seiten und schaute nun voll stolzen Glückes auf sein schönes Kind mit dem noch vom Schlummer geröteten Antlitz mit den feinen Zügen, von goldener Lockenfülle umrahmt; wahrhaftig, es konnte kein schöneres Mädchen geben.

    »Mein Vater, zürnt Ihr mir?«

    »Ich, Kind? Ich, Dir heute zürnen, wo mir das Herz so voll vor Glück und Stolz? Sieh’ doch hinein in den lachenden Sonnenschein – welch’ köstlicher Tag heute, alles freut sich mit Dir, – an Deinem Verlobungstage!«

    Sie zuckte jäh zusammen, die zarte Röte auf den Wangen wich einer tödlichen Blässe und die braunen Reh–Augen blickten entsetzt zu dem Vater auf.

    »Mein Verlobungstag ist heute, sagtet Ihr, mein Vater?« stammelte sie tonlos.

    Er sah die Angst in ihren Zügen nicht; zärtlich strich er ihr die Locken aus der Stirn und blickte ihr wehmütig in die Augen.

    »Wie sehr Du doch Deiner unvergeßlichen Mutter gleichest, Kind! Die Leute wundern sich oft darüber, daß der alte Waffenschmied von Heilbronn ein so schönes feines Töchterchen hat! Doch nun beeile Dich, mein Kind, schmücke Dich zu dem frohen Fest; gleich nach der Morgenandacht will ich Dich mit Deinem Vetter Gottfried verloben! Alle Basen und Vettern werden kommen, ganz Heilbronn wird teilnehmen an unserem Glück – o, mein Kind, wenn Du wüßtest, wie froh ich bin.«

    Wieder, wie vorhin entging ihm der Schatten auf ihrem Antlitz. Stürmisch, in überwallender Freude, drückte er sie an seine breite Brust und küßte sie zärtlich.

    »Bleib’ so lieb und so brav, wie Du bist, mein Kind«, sprach der rauhe Mann leise, »dann wird der Himmel auch Deinen Bund mit Gottfried segnen!«

    Er war hinausgegangen. Noch wie vom Traum befangen, schaute sie ihm nach, dann flog ein heftiges Zittern durch ihre Gestalt, ihr Kopf sank schwer herab.

    »Mein Verlobungstag – heute? Ist’s möglich, – ich – ich soll des Vetters Weib werden?«

    In bangem Schrei waren diese Worte ihrem Munde entflohen. Eine Zeitlang starrte sie schmerzversunken vor sich hin, dann aber flog es wie himmlischer Abglanz über ihr Gesicht und sie flüsterte leise:

    »Die heilige Jungfrau wird Käthchen nicht verlassen. Ich hoffe auf sie.«

    Sie richtete sich hastig auf.

    Ein träumerisch weicher Glanz lag auf ihrem Antlitz, während sie sich nun auf des Vaters Geheiß festlich schmückte.

    Als sie dann, angetan mit dem Sonntagsgewande, vor den Spiegel trat, um sich ein Seidenfarbenes Band durchs lockige Haar zu schlingen, erhellte ein Lächeln ihr Gesicht.

    Sie dachte nicht an den Vetter, auch nicht an die Verlobung – ein selig Ahnen durchflutete ihr Herz, daß sich heute etwas Große und Unerwartetes ereignen würde. Als Käthchen kurze Zeit darauf das große Wohngemach betrat, in welchem, außer der ganzen Freundschaft des Waffenschmiedes von Heilbronn, auch noch das Personal des Hauses versammelt war, da hingen aller Blicke staunend an dem schönen Mädchen. Welch’ überirdisch strahlender Glanz lag über ihren Zügen, als sei sie durchglüht von innerer Seligkeit. Eben drängten sich die Verwandten des Hauses an Käthchen heran, um die Braut zu begrüßen, als sich auch schon hinter ihr die stattliche Gestalt ihres Vaters zeigte.

    Neben diesem stand ein hagerer, junger Mann, mit blassen, stillen Zügen – das war Gottfried, Friedeborns Neffe, der heute mit Käthchen verlobt werden sollte.

    Ganz Heilbronn wußte, daß Gottfried dereinst die Waffenschmiede seines Oheims übernehmen werde, und auch das war öffentliches Geheimnis, daß Meister Friedeborn sein Käthchen schon lange für seinen Neffen bestimmt hatte.

    Würdevoll die Versammelten begrüßend, schritt Friedeborn auf den Tisch, inmitten des Zimmers zu, während Gottfried an Käthchens Seite trat, die für seinen herzlichen Gruß nur mit einem Neigen des Hauptes dankte.

    Die Morgenandacht begann.

    So war es von alters her Brauch in diesem Hause gewesen und: »mit Gott fang’ Dein Tagewerk an«, so stand es auch über dem Eingang des Hauses geschrieben

    Nach dem Gebet wies dann der Meister einem jeden ein Tagewerk an und er war allezeit der erste, der drüben, in der Schmiede, den schweren Hammer schwang.

    Als heute Friedeborn, wie sonst, nach dem Morgengesang das Gebet sprach, klang eine tiefe Rührung durch seine Stimme; er flehte den Segen des Himmels auf sein einzig Kind herab, auf den Sonnenstrahl seines Hauses.

    Das schöne, jetzt so seltsam blasse Mädchen vernahm es kaum, daß der Vater nun den Anwesenden mitteilte, daß es sein höchster Wunsch schon seit langem gewesen sei, seinem verwaisten Bruders Sohn sein Käthchen verloben zu können und daß heute dieser Wunsch sich erfülle.

    Wie aus einem Traum erwachend, fuhr sie empor, als der Vater jetzt ihre Hand in die des Vetters legte und die beiden feierlich miteinander versprach.

    Zärtlich zog sie der Vater dann an sich, um sie zu segnen, doch als nun der Vetter herantrat, um sie auf die Stirn zu küssen, da wich sie fast entsetzt zurück und hob abwehrend die Hand.

    »Laßt mich, laßt mich!« stammelte sie verstört, während ihr Gesicht sich plötzlich unheimlich veränderte, und ehe die Umstehenden wußten, wie es geschehen, sank Käthchen ohnmächtig zu Boden.

    Eine heillose Verwirrung entstand.

    Finster und bleich hob der Meister sein lebloses Kind empor, um es hinüber nach dem Erker zu tragen, und Gottfried folgte ihm still und traurig mit gesenktem Blick. Friedeborn ließ Käthchen sanft in den Ruhestuhl gleiten und ein seltsam banger Ausdruck lag in seinen Zügen; er grübelte und sann und konnte doch nicht finden, was die seines Kindes so tief–schmerzlich bewegte.

    Schweigend und ängstlich standen die Anwesenden um die Ohnmächtige und aller Blicke ruhten mitleidig auf dem engelsschönen, blassen Gesicht, das vordem noch wie in seligem Glanze gestrahlt.

    Da – ein leises Zucken – Käthchen regte sich und schlug dann die Augen langsam wieder auf.

    Sie schien nicht zu wissen, wo sie war, ihr Blick richtete sich himmelwärts und auf einmal breitete sich wieder jener seltsame, fast überirdische Glanz über ihr Gesicht.

    Die braunen Augen erstrahlten in heller Glückseligkeit, sie lächelte leise und auf einmal breitete sie, wie in heißer Sehnsucht, die Arme aus.

    »Er ist’s – er ist’s«, jubelte sie leise, »zum zweiten Mal zeigest Du mir sein Bild! O, Gebenedeite – er ist’s, der Herrlichste von allen! Siehst Du, wie seine feurig blitzenden Augen wetteifern mit dem Glanze seiner Rüstung? Genauso wie heute zeigtest Du ihn mir in jener Neujahrsnacht! O, wie schön er ist, so ritterlich und stolz!«

    Sie schwieg und schaute strahlenden Auges empor.

    Verwundert blickten die Umstehenden sich an.

    »Sie träumt«, flüsterten sie sich kopfschüttelnd zu.

    Der Meister starrte sprachlos auf sein Kind, das mit offenen Augen dalag; was hatten dessen seltsame Reden zu bedeuten?

    »Käthchen – Kind – was ist Dir?« rief er unruhig. »Raffe Dich auf, sieh’ um Dich, wir alle sind bei Dir!«

    Ihr Blick wandte sich dem Vater zu und wieder flog ein himmlisches Lächeln über ihr Gesicht.

    »Habt Ihr ihn auch gesehen, mein Vater, den schönen Rittersmann? Der Himmel hat ihn mir gezeigt, ich soll ihn sehen, ihm folgen, allüberallhin und ihm dienen in Treue und Gehorsam! O, ich will ja alles, alles tun, wenn ich ihn nur schauen darf, den der Himmel mir schon zweimal gezeigt.«

    Sie sank wieder zurück und schloß die Augen.

    Der Waffenschmied war bleich geworden, das Wesen seiner Tochter war so unheimlich.

    Die Vettern und Basen starrten schweigend auf die seltsame Braut. Totenstille herrschte jetzt in dem Zimmer.

    Da – eben fuhr Käthchen wieder hastig auf.

    »Vater – mein Vater – seht Ihr ihn nicht – dort –dort, mit den vielen Reisigen und Knappen? Er kommt hierher, auf unser Haus zu – er kommt – o, heilige Jungfrau – welch’ ein Glück!«

    Vor Freude bebend, war sie emporgesprungen, ihr strahlender Blick verlor sich in weiter Ferne und sehnsuchtsvoll breitete sie wieder die Arme aus.

    »Käthchen – o Himmel – was ist Dir?« schrie der alte Meister entsetzt, »Kind – hast Du des Geistes Klarheit verloren?«

    Das schöne Mädchen zuckte jäh zusammen, die laute Stimme des Vaters entriß sie ihrem süßen Traume; verwirrt, mit weitgeöffneten Augen, schaute sie sich um, sie erwachte allmählich.

    Da sah sie all’ die neugierigen und verwunderten Blicke auf sich gerichtet, ein glühendes Rot überzog ihr Gesicht und hastig wendete sie es zur Seite.

    Keiner wagte es, zu ihr heranzutreten.

    Es lag etwas so Hoheitsvolles, wie himmlische Verklärung, über ihre zarte Erscheinung ausgegossen.

    »Käthchen!«

    »Laßt mich, mein Vater«, fuhr sie erbleichend auf, denn ihr Blick hatte eben den Vetter, ihren Verlobten, gestreift, »ich – ich bin so müde – ich bedarf der Ruhe –.«

    Hastig, sich fast überstürzend, hatte sie die Worte hervorgestoßen und dann schritt sie langsam dem Ausgang zu.

    Niemand hielt sie zurück.

    Als sich die Tür hinter ihr geschlossen, richtete Meister Friedeborn sich auf.

    Eine geheime Angst lag in seinen Zügen.

    »Käthchen scheint krank zu sein, die heutige Aufregung ist zu groß für sie gewesen! Habt Dank, Ihr Vettern und Basen, für Eure Teilnahme – an Käthchens Hochzeitstag sehen wir uns alle wieder.« –

    Das Haus war leer und still geworden.

    In der Schmiede war heut’ Feiertag.

    Der Meister schritt gedankenvoll in seinem Zimmer auf und nieder; zum ersten Mal verstand er sein Kind nicht.

    Und Käthchen?

    Wie im Traume ging sie heut’ umher.

    Und als es ihr in dem großen, alten Hause zu eng wurde, da flüchtete sie sich hinaus in den Garten, wo der Flieder gar so herrlich duftete und die Nachtigall sang.

    Sinnend schaute sie in den goldenen Sonnenschein hinein.

    Ein seliges Lächeln lag um ihren Mund, ihre Augen erstrahlten, als sie fast unbewußt flüsterte:

    »Er kommt, ich werd’ ihn schauen!«

    Erschrocken blieb sie jetzt stehen.

    Vor ihr, im Laubengange, stand Vetter Gottfried.

    »Käthchen«, rief er erfreut, »endlich find’ ich Dich hier. Ich hab’ Dich überall gesucht, ich möchte so gern mit Dir reden! Liebes Käthchen«, fuhr er schweratmend fort, »ich bin heute gar so traurig, ich möchte doch gern wissen, ob ich Dir recht bin, ob Du mich lieb hast, ob nicht nur der Wille Deines Vaters uns verbindet! Sag’ mir das, Käthchen, offen und frei, ich bitt’ Dich drum.«

    Mit großen, ernsten Augen sah sie zu ihm auf, sie war sehr bleich geworden.

    »Gewiß, Vetter Gottfried, ich hab’ Dich gern«, sagte sie leise, »so gern, als wenn Du mein Bruder wärest.«

    »Und doch erschrakst Du so, Käthchen, als der Vater uns versprach?«

    »Verzeih’ mir, Gottfried, ich hab’ Dich nicht kränken wollen! O nein, mir wurde nur mit einem Male so eigentümlich bang’ ums Herz, ich weiß es selbst nicht, warum, und da verlor ich die Besinnung!«

    »Du sprachst von einem schönen, vornehmen Ritter; Käthchen, bin ich Dir zu gering?« stieß Gottfried schmerzlich hervor.« Ich weiß wohl, daß Du schön bist, so schön, daß mich alle um Dich beneiden, doch dafür hab’ ich Dich von Herzen lieb, Käthchen, und will alles daransetzen, Dich glücklich zu machen!«

    Sie schaute an ihm vorüber nach dem blühenden Holunderstrauch.

    »Habe Geduld mit mir, Gottfried«, bat sie leise mit zuckendem Munde, »ich muß mich erst darein finden, Dein Weib zu werden! Es ist ja des Vaters sehnlichster Wunsch, uns beide zu verbinden, wir werden schon noch glücklich miteinander werden, meinst Du nicht auch?«

    »Käthchen, sag’ mir nur ein Mal, daß Du mich lieb hast?«

    Wie leidenschaftlich seine Stimme klang, wie flehend sein Blick den ihren suchte.

    Ein Zittern flog durch die schlanke Mädchengestalt.

    Erschrocken schauten die braunen Reh–Augen zu ihm auf, dann wandte sie sich plötzlich von ihm und floh in den Laubengang hinein.

    »Sie liebt mich nicht«, murmelte er düster, »ich bin ihr zu gering, sie dünkt sich zu fein, eines Waffenschmiedes Frau zu werden – und ich – o Gott – ich bin ihr doch so herzlich gut!«

    Gesenkten Hauptes ging er nach dem Hause zurück.

    2. Kapitel

    Der fremde Ritter

    Seit ich ihn gesehen, 

    Glaub ich blind zu sein; 

    Wo ich hin nur blicke, 

    Seh' ich ihn allein; 

    Wie im wachen Traume 

    Schwebt sein Bild mir vor, 

    Taucht aus tiefstem Dunkel 

    Heller nur empor.

    »Holla, macht auf, wo ist der Waffenschmiede–Meister? He, was steht Ihr da und gafft mich an, denkt Ihr vielleicht, der Herr Pfalzgraf, unser Feind, wartet so lange, bis es in Euren Köpfen zu tagen beginnt? Zum Teufel noch einmal, rührt Euch und rufet mir den Meister!«

    Der vornehme Ritter in seinem eisernen Panzer beugte tief den Kopf, als er in die Schmiedewerkstatt eintrat, damit sein wallender Reiherbusch nicht an die Tür stoße.

    Die beiden Gesellen. die müßig in der Werkstatt umhergelungert, hatten sich eilig aus dem Staube gemacht vor dem grimmigen Ritter.

    Kopfschüttelnd blickte der stattliche Mann nach jener Stelle hinüber, an welcher heute nicht, wie sonst, die Feuerlohe lustig emporschlug und klirrend stieß er mit seinem blinkenden Schwert den Boden.

    »Meine Treu, ich glaub’ gar, hier wird heut’ gefeiert? Ist nicht ein Werktag heute? Heda, wie lange laßt Ihr mich noch warten? Denkt Ihr vielleicht, ich habe auch soviel Zeit zum Faulenzen wie Ihr?«

    Des Ritters finsterer Blick richtete sich jetzt auf die Tür, die soeben geöffnet wurde und in der Meister Friedeborns ehrwürdige Gestalt erschien.

    Als er den fremden, vornehmen Ritter gewahrte, neigte er sein greises Haupt tief in ehrerbietigem Gruß.

    »Seid mir willkommen, edler Herr, womit kann ich Euch dienen? Ich bin der Meister!«

    Wohlgefällig ruhten die Augen des Ritters auf der würdigen Gestalt.

    »Ah, also Ihr seid Meister Friedeborn, der Waffenschmied von Heilbronn? So, so, freut mich, Euch zu sehen! Doch sagt mir erst, Meister, feiert Ihr heut’ in Heilbronn einen Festtag?«

    Lächelnd schaute der Meister ihn an.

    »Nein, edler Herr, nur ich und mein Haus haben heute Rasttag, wir feiern die Verlobung meiner einzigen Tochter!«

    »Ah so, das also ist der Grund! Doch saget mir, Meister, würdet Ihr mir trotzdem einen Gefallen erweisen? Seht her, an meiner Rüstung hier ist etwas nicht in Ordnung! Ich zieh’ mit meinen Reisigen gen Straßburg, um dort dem Pfalzgraf kampfbereit entgegenzutreten, der jüngst erst drohte, Eure Wälle niederzureißen. Wilder Grimm und trotziger Kampfesmut schwellten mir die Brust – und sprengten mir die Schienen an der Rüstung! So helfet mir, Meister, den Panzer in Ordnung zu bringen! Es ist ja nicht viel, nehmt Eisen und Draht und heftet das Ding an der Brust mir wieder zusammen!«

    »Von Herzen gern, edler Herr und da wir weder Blasebalg noch Feuer dazu brauchen, wird die Sach’ bald in Ordnung sein! Doch tretet indessen bei mir ein, Herr Ritter, und rastet ein wenig, wenn Ihr fürlieb nehmen wollt.«

    Der Ritter nickte lächelnd Gewährung und folgte ihm dann hinüber in die Prunkstube des Hauses, wo der Meister ihm freundlich einen Sessel anbot.

    »Fürwahr, edler Herr, wenn Eure Brust schon das Eisen sprenget, dann werdet Ihr wohl schwerlich den Pfalzgraf an unsere Wälle kommen lassen«, sprach der Alte mit leuchtendem Blick. »Wenn alle Herren Ritter so wären wie Ihr, dann würde wohl kein Feind mehr das Land betreten!«

    Der Ritter lächelte still und betrachtete nun aufmerksam die alten Familienbilder an der Wand, während der Meister hinausging, um sein Handwerkszeug zu holen.

    Als er die Haustür durchschritt, sah er draußen vor der Tür einen Troß Reisige und Knappen in voller Rüstung; schnell winkte er einen der Knappen zu sich heran.

    »Sage mir, wie heißt Dein Herr?«

    »Kennt Ihr ihn nicht, Meister Friedeborn? Ihr kennt ihn nicht, den Grafen Wetter vom Strahl?«

    »Der? O Himmel, er ist’s, der durch seine Tapferkeit und seinen Mut bekannte Ritter? Welch eine Ehre widerfährt meinem Hause, der Graf vom Strahl unter meinem Dache?«

    Freudestrahlend kehrte der Meister zu dem Ritter zurück, und nachdem er einen Schemel voll Handwerkszeug vor ihm niedergesetzt, eilte er abermals zur Tür.

    »Heda Käthchen, Kind, wo steckst Du? Bring schnell Wein herbei und einen Imbiß – hörst Du? Beeile Dich!«

    Nun ging der Meister ans Werk und fügte kunstgerecht mit Nadel und Pfriemen die losgetrennten Schienen zwischen Brust und Schulter wieder zusammen, während der stattliche Ritter gar leutselig mit ihm plauderte.

    Gar oft ruhte des Meisters Blick in verstohlener Bewunderung auf dem Grafen; ihm dünkte, daß er noch niemals einen schöneren Mann gesehen hatte als diesen.

    Wie edel und stolz waren die festen Züge des Gesichtes; sein feurig blitzend Augenpaar verriet Kühnheit, Mut und dabei doch auch eine eiserne Strenge, ihr zornig Blitzen allein mußte schon vernichtend wirken.

    Unter dem Helme hervor quoll das dichte Haar in langen, dunklen Locken, dazu die kraftvolle und doch geschmeidige Gestalt in prangender Jugendfrische fürwahr – Graf Wetter vom Strahl war ein schöner Mann!

    Die Arbeit war noch nicht ganz vollendet – da tat sich plötzlich die Tür auf und Käthchen, eine silberne Platte, besetzt mit einem Imbiß, mit Gläsern und mit Wein auf dem Arm tragend, trat herein.

    Überrascht blickte der Ritter auf das selten schöne Mädchen, und ein leiser Ruf der Verwunderung entfuhr seinem Munde.

    Da hob Käthchen die braunen Augen zu dem Grafen auf.

    Im ersten Augenblick starrte sie ihn an, als sei sie plötzlich gelähmt.

    Geisterhafte Blässe überzog ihr Gesicht – sie wankte und gleich darauf fiel das ganze Geschirr, das sie trug, mit lautem Gepolter zu Boden.

    Wie in seliger Verzückung und anbetender Bewunderung, die Arme halb gegen ihn erhoben, sank sie aus ihre Knie vor ihm nieder.

    »Er ist’s – er ist’s«, jubelte sie zwischen Lachen und Weinen, »o heilige Jungfrau, ich danke Dir, daß Du ihn endlich von Angesicht mir zeigest!«

    Die braunen Augen so schüchtern und doch strahlend vor Glück auf ihn gerichtet, blieb sie zu seinen Füßen liegen. Sprachlos starrte der Ritter auf die Kniende nieder; ihr wunderlich Wesen war ihm unverständlich.

    Meister Friedeborn faßte sich zuerst.

    » Mädchen, bist Du toll – was fällt Dir ein? Wie kannst Du so ungeziemend Dich betragen? Was soll Dein sonderlich Gebaren? Bist Du von Sinnen?«

    Mit zorniger Gebärde hatte er sie emporziehen wollen, da sprang sie auch schon mit flammendrotem Gesicht vom Boden auf und warf sich, leidenschaftlich erregt, an des Greises Brust.

    »Vergebt mir, mein Vater – ich bin so erschrocken, so verwirrt, ich – ich weiß nicht, was ich tun soll! Er ist’s, mein Vater – er ist’s – ich faß’ es kaum!«

    Unter Tränen lächelnd, schaute sie unverwandt auf den schönen Rittersmann, als könne sie an ihm sich kaum sattsehen.

    »Wer ist dies Mädchen?« fragte der Graf freundlich.

    »Meine einzige Tochter, edler Herr, deren Verlobung wir heute feiern!«

    »Ah, Eure Tochter? Nennt man sie nicht das Käthchen von Heilbronn? Fürwahr, ich hört’ schon ihre Schönheit rühmen, man hat mir nicht zuviel erzählt!«

    Erglühend wandte Käthchen sich ab, raffte mit zitternder Hand die Scherben vom Boden auf und eilte hinaus, indessen der Meister die Arbeit an der Rüstung vollendete. Er war sichtlich befangen, seine sonst so feste Hand bebte und tief aufatmend, rief er jetzt:

    »So, Herr Ritter, jetzt bin ich fertig. nun könnet Ihr getrost den Pfalzgrafen treffen, nun seid Ihr gefeit gegen jegliches Feindgeschoß! Wollte Gott, Herr Graf, daß Ihr siegtet; wir könnten den Frieden recht wohl im Land gebrauchen; das Gewerke liegt überall danieder und das Volk seufzet unter dem Hader und Streit.«

    Der Graf reichte ihm freundlich die Hand.

    »Ja. Ihr habt recht, Meister, der Friede tut uns allen not! Habt Dank für Eure Müh’!«

    Dabei ließ er still ein Goldstück in die Schale auf dem Tisch gleiten.

    Der Meister hatte es nicht bemerkt, er blickte sorgenvoll vor sich hin.

    Da trat Käthchen zum zweiten Mal mit einem Imbiß herein und setzte diesen schweigend vor den Ritter auf den Tisch.

    Wieder ruhten die Augen des Grafen sinnend auf ihrem lieblichen, blassen Gesicht, aus dem die braunen Augen voll stiller Seligkeit auf ihn schauten.

    »Wollet Ihr nicht von dem Imbiß nehmen, edler Herr? » bat der Meister.

    »Ich dank’ Euch, Friedeborn; ich darf nicht länger rasten, ich muß fort! Der Weg ist noch weit, den wir heut’ vorhaben, doch einen guten Trunk, nein, wahrhaftig den verschmäh’ ich nie!«

    Er hatte den Becher gefüllt und hob ihn empor.

    »Auf das Wohl Eures ganzen Hauses, Meister!«

    »Wohl bekomm’s, edler Herr!«

    Während der Graf trank, begegnete sein Blick dem des Mädchens, sie erbebte und flammende Röte bedeckte ihr Gesicht, während sie, wie in heißer Angst, die Hände auf die stürmisch wogende Brust drückte.

    Der Ritter reichte den halbgeleerten Becher dem Meister, der ihn mit tiefer Verneigung in Empfang nahm.

    »Ich leere ihn auf ein glückliches Gelingen Eures Streites gegen den Pfalzgrafen, edler Herr, und auf einen baldigen Frieden!«

    »Das walte Gott, Meister!« sagte der Graf tiefernst.

    »Lebt wohl und sollte mein Weg mich wieder einmal durch Heilbronn führen, so tret’ ich abermals, so Ihr’s erlaubt, in Euer gastlich Haus.«

    Während Friedeborn sich erfreut verneigte, schritt der Graf auf das zitternde Mädchen zu.

    Er beugte sich zu ihr, die ihm nur bis zur Schulter reichte, hinab und blickte ihr tief in die Augen.

    »Leb’ wohl, schön’ Käthchen von Heilbronn, Gott schütze Dich«, sprach er leise und ehe sie wußte, wie es geschehen, hatte er sie sanft auf die Stirn geküßt.

    Ein erstickter Schrei entrang sich ihrem Munde –da hatte er sich auch schon der Tür zugewendet.

    »Herr Ritter. Ihr wollt fort, mein Gott–«

    Wie in sinnloser Angst hatte sie diese Worte hervorgestoßen und stützesuchend umkrampfte sie dabei die Lehne des Stuhles. Sie zitterte wie Espenlaub.

    »Käthchen, bist Du von Sinnen?« rief Friedeborn entsetzt.

    Noch einen letzten Blick warf der Graf dem schönes Mädchen zu, dann ging er sporenklirrend hinaus.

    Draußen scharrte sein Streitroß ungeduldig den Boden, sein Troß erwartete den Führer.

    Wie entgeistert starrte Käthchen ihm nach.

    Sie beachtete es nicht, daß der Vater sie zornig am Arme rüttelte, hörte auch nicht, was er zu ihr sprach –mit einem verzweifelten Schrei richtete sie sich endlich empor und floh hinauf nach ihrem stillen Kämmerlein.

    Dort riegelte sie die Tür hinter sich zu, sie wußte kaum, was sie tat und wankte mit verstörten Zügen dem Fenster zu, um ihn noch einmal zu sehen.

    Geblendet von dem Glanze der Rüstungen beschattete sie die Augen mit der Hand.

    Dort drüben sah sie ihn, wie er soeben die Führer zu sich berief, um den Zug zu ordnen.

    Wie stolz und herrisch er jetzt sprach!

    Wie aller Augen nur an seinem Munde hingen und wie hurtig die Männer flogen, seine Befehle zu erfüllen.

    In verzehrendem Schmerz hingen ihre Augen an der edlen Erscheinung.

    Nicht ein Mal sah er heraus zu ihr, ahnte nicht, welch’ leidenschaftliche Gefühle für ihn ihr Herz bewegten.

    So stolz, so schön und auch so ernst hatte der Himmel ihr ihn schon zweimal gezeigt und ihr Herz war ihm entgegengeflogen, bevor sie ihn gesehen.

    Und nun ging er von ihr, sie sah ihn wohl nie wieder?!

    Ein angsterstickter Schrei entstieg ihrer Brust.

    »O Himmel, das ertrag’ ich nicht; ihn schauen, ist mein Leben, ist mein Glück! Herr des Himmels, die Angst und der Schmerz bringen mich noch von Sinnen, o halte ihn doch hier zurück!«

    Sie hatte das Fenster aufgerissen und beugte sich hinaus.

    Eben bestieg der Graf sein Pferd, ein Knappe hielt ihm den Steigbügel.

    Wie herrlich saß er zu Roß!

    Seine dunklen Locken wehten im Winde jetzt scharten sich die Edelleute um ihn und nun brachen sie auf.

    Ein gebietender Wink seiner Hand – und die Fanfaren schmetterten – der Zug setzte sich langsam in Bewegung.

    Käthchen schrie laut auf.

    Sie beugte sich weit hinaus und breitete ihm angstvoll die Arme nach, als könne und müsse sie ihn zurückhalten.

    Doch er sah sie nicht.

    Sein Blick schweifte über die Volksmenge dahin, die dem glänzenden Troß ein Stück das Geleite gab.

    »O, Herr Ritter, bleibet, geht nicht fort von hier!« schrie sie angstvoll hinab.

    Doch er hörte es nicht; hilf Himmel, wie sollte sie sich ihm bemerkbar machen?

    Immer weiter beugte sie sich hinab, immer weiter und tiefer; o Gott, kam denn keiner, die Unglückliche auf die Gefahr aufmerksam zu machen, die ihr drohte?

    »Herr Ritter. höret mich an! Käthchen von Heilbronn ist Euch treu ergeben, der Himmel hat es so bestimmt, daß ich Euch folgen soll, allüberallhin und Euch schirmen in jeglicher Gefahr, gleich einem Schutzengel Euren Schritten folgen! Und Ihr – ziehet dahin – ohne Euch mir noch einmal zuzuwenden. Ihr denket vielleicht gar nicht mehr an mich, o Gott, das ertrag’ ich nicht! Herr Ritter, Herr Ritter, – habt Erbarmen. Nur noch einen Abschiedsblick vergönnt mir, Ihr zerreißet mir das Herz, wenn Ihr so von mir gehet. – Er hört mich nicht, immer weiter ziehet der Troß, – weiter – fort, ohne mich,– Herr Ritter –«

    Ein gellender Schrei durchzitterte die Luft.

    Das unglückliche Mädchen war plötzlich vornüber gestürzt, herab vom ersten Stockwerk auf die Straße, mitten hinein in das dichte Volksgewühl! Ein vielstimmiger Aufschrei folgte, Käthchen von Heilbronn lag starr und leblos, gleich einer Leiche, am Boden.

    Doch die heiteren Klänge der Trompeten übertönten das Klagegeschrei der entsetzten Menge.

    Der Ritter zog ahnungslos von dannen.

    Wehklagend neigte sich Meister Friedeborn über sein verunglücktes Kind.

    3. Kapitel

    Der Schwur der Rache

    Weshalb verbittert Ihr Euch durch Mißgunst und Zwietracht das Leben? 

    Hat die Welt nicht Raum genug für Euch alle?

    »Frau Mutter, Ihr schweigt zürnet Ihr mir?«

    »O nein. mein Sohn, nur Trauer beschleicht mein Herz, mir bangt darum, daß der Vater Dein Bitten rauh zurückweisen wird!«

    »O, Frau Mutter, Ihr seid ja der gute Engel des Hauses, wenn Ihr ein bittend Wort für Euren Sohn beim Vater einlegt –«

    »Hoffe nicht zuviel, Ottokar, in manchen Dingen ist der Vater unzugänglich und streng! Komm, setz’ Dich her zu mir, mein Sohn, und erzähle mir, wie Du sie kennenlerntest.«

    Gräfin Hildegard von Schroffenstein ließ sich auf einen Stuhl nieder, während der junge Graf auf einem Tabouret, ihr zur Seite, Platz nahm.

    Die Gräfin war eine imponierende, hohe Gestalt und ihre blassen, feinen Gesichtszüge trugen den Ausdruck gewinnender Freundlichkeit und großer Herzensgüte.

    Ihre blauen Augen waren jetzt sinnend und sorgenvoll auf ihren Sohn gerichtet, dessen blühendes Antlitz ihr zugewendet war.

    »Ich soll Euch von ihr erzählen, meine Mutter?« begann Graf Ottokar leise und bewegt. »O, hätt’ ich doch Engelszungen, Euch meine Maria zu schildern; die Worte sind mir zu armselig, ihre Schönheit, ihre Sanftmut und

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