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Sterne über Auschwitz
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eBook390 Seiten6 Stunden

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Über dieses E-Book

Sarah liebt Lena und Lena liebt Sarah - und das so sehr, dass sie leidet. Sie liebt sie obwohl sie in einer Zeit des Hasses leben und diese Liebe verpönt ist, obwohl sie Jüdin ist und Sarah Nationalsozialistin und obwohl Sarah Lena immer schlimmer behandelt. Nachdem sich ihre Lebenswege trennen, treffen sie in Auschwitz aufeinander. Lena als Häftling und Sarah als Oberbefehlshaberin. Obwohl sie sich immer noch lieben, beginnt Sarah ein brutales und gnadenloses Machtspiel mit Lena zu treiben, dass sie selbst fast nicht mehr stoppen kann und Lena an den Rand des Todes treibt. Jahre später, sehen sie sich vor Gericht wieder.
SpracheDeutsch
HerausgeberTWENTYSIX
Erscheinungsdatum25. Juli 2018
ISBN9783740748500
Sterne über Auschwitz
Autor

Anna Wolf

Das ist die erste Geschichte, der Autorin Anna Wolf, die sie veröffentlicht. Wenn sie nicht schreibt, dann liest sie. Gegenwärtig studiert sie Kommunikationswissenschaften. Sie liebt ihre Familie, ihren Hund und ihre Bücher. Und Wasser. Sie liebt Wasser.

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    Buchvorschau

    Sterne über Auschwitz - Anna Wolf

    Sterne über Auschwitz

    Titelseite

    Epilog

    Eine neue Heimat

    Im Hause der Mayers

    Die andere Sarah

    Schultage

    Die Dichterin

    Erste Probleme

    Lenas Haut

    Der Kuss

    Die Lichtung

    Eliteschule

    Getto Warschau 1

    Mein Lenchen

    Das Wiedersehen 1

    Onkel Simons Nummer

    Das Wiedersehen 2

    Baracke Nummer 8

    Tante Lydias Freilassung

    Adeline wird zur Kapo

    Erste Gespräche

    Sterne über Ausschwitz 1

    Festlichkeiten der Nazis

    Das Sahnetörtchen

    Mein Tribut

    Tessa tanzt

    Das Kind in deinen Händen

    Du sollst nicht stehlen

    Sybilles Lied

    Aufstand der Frauenbaracke 8

    Ein Stapel Wahrheit

    Das Erntefest 1

    Die Nacht

    Lieben, Hassen, Hoffen, Zagen

    Die Hinrichtung

    Der Zusammenbruch

    Fluchtvorbereitung

    Annas Tod

    Die Flucht

    Ein Bündel Liebe

    Die Nachbarin

    Sarahs Prozess

    Sterne über Auschwitz 2

    Impressum

    Epilog

    Das Licht schimmert durch die Rollos ins Zimmer und lässt den kalten Raum sehr warm erscheinen. Um mich herum stehen meine Enkelkinder Tessa, Simon, Jonathan, Sybille- Zara und die kleine Alice. Sie sind mein ganzer Stolz. Tessa und Simon sind Zwillinge und achtzehn, Sybille- Zara und Jonathan, auch Zwillinge, sind sechzehn. Alice ist zehn. Mein wunderbarer Sohn Matthias- Simon und seine schöne Frau Tiziana sind ebenfalls bei mir. Er sitzt neben mir auf der Bettkannte, hält hilflos meine Hand. Sie ist von Runzeln überzogen und hat Altersflecken. Er weint stumme Tränen, die sich ihren Weg über sein wunderschönes Gesicht bahnen. Ganz hinten in der Ecke sehe ich plötzlich Sarah. Endlich. Ein liebevolles Lächeln umspielt ihren schönen Mund. Ihre blonden Haare sind von einem warmen Licht umgeben. Sie geht zu Matthias- Simon und streicht ihm über den Kopf, gibt ihm einen weichen Kuss und anschließend auch meinen Enkelkindern. Sarah macht dies mit einer unvergleichlichen und beispiellosen Liebe. Es ist eine Liebe, die nicht weltlich ist. Sybille- Zara, schaut perplex in Sarahs Richtung. Kann sie sie etwa sehen? Sarah sieht mich an und ich spüre, wie sie mich umarmen und bei sich haben möchte. „Mein kleines Lenchen. Mein Panther, flüstert sie in ihrer tiefen, rauen und etwas heißeren Stimme, die mir nach all den Jahren fernbleiben, erst bewusstmacht, wie sehr sie mir gefehlt hat. „Verzeihst du mir? fragt sie mich und die Frage kommt aus ihrer tiefsten Seele. Ich fühle, wie sich ein tiefer und sanfter Frieden in mir ausbreitet und obwohl mich die ganze Welt, inklusive mir selbst als verrückt oder gar verstört bezeichnen würde, nicke ich und es fühlt sich richtig und gut, über allen weltlichen Ketten erhaben an. „Ja, Sarah. Ich nicke. „Das tue ich. Sie wirkt erlöst. Eine unendliche Dankbarkeit und das Gefühl von tiefster Liebe umhüllt mich. Ich habe sowas noch nie empfunden und bemerke, dass mein Sohn und Sybille- Zara das Schauspiel betrachten. Beide ringen mit der Fassung. Er versteht nicht, was ich sage und meint, dass ich halluziniere. Vielleicht halluziniere ich auch wirklich, aber dann ist es mir egal. Meine Kleine hingegen, scheint Sarah regelrecht zu sehen, denn sie steht wie angewurzelt da und betrachtet ihr älteres Spiegelbild. Dann streckt Sarah ihre Hand nach mir aus: „komm mein kleines Lenchen, wir gehen nachhause. Ich stehe auf und lege meine Hand in die ihre. Ich schaue Sarah lange an, dann meine Hand. Sie ist glatt und weich wie früher. Dann schaue ich zu meiner anderen Hand, sie ist noch runzelig und ich lege auch diese in Sarahs andere Hand. Dabei sehe ich wie die Runzeln und die Altersflecken verschwinden. So langsam wird mir erst bewusst, dass ich gerade gestorben bin. Ich habe Psychologie studiert um mein Leben zu verstehen und Literatur, um Sarah zu verstehen. Aber die Situation in der ich gerade bin, die kann ich nicht begreifen. Sie entzieht sich jeder Logik und dennoch genieße ich meine neu gewonnene Leichtigkeit. Kurz drehe ich mich zu meiner Familie um und empfinde ihnen gegenüber Liebe und Dankbarkeit, aber auch das Bedürfnis endlich angekommen zu sein. Endlich einen Schlussstrich ziehen zu können. Sarah und ich schauen uns kurz an, wir geben uns dem Augenblick hin und küssen uns. Meine Enkelin weiß nicht wie sie darauf reagieren soll. Sie lächelt und weint zeitgleich. Endlich bin ich bei Sarah und endlich steht nichts mehr zwischen uns. Es gibt keine Rollen, keine Machtverhältnisse, keine Kämpfe, keine Spiele, kein Leiden mehr. Dann drehe ich mich noch kurz um und küsse meinen Sohn auf die Wange. Er weint immer fester und Tiziana muss ihn festhalten, weil er anfängt zu zittern. Sybille- Zara ist das Ebenbild ihrer Oma Sarah. Sie besitzt die Gabe „uns zu sehen. Es fällt mir schwer so zu gehen, aber ich muss und möchte das auch. Wie aus dem Nichts taucht die gesamte Familie Mayer auf. Michael und Thomas, der kleine Jonathan, den ich so innig mag und Anton und Elsa. Onkel Simon, Tante Lydia, Mama und Papa und meine Großeltern. Meine Tessas, Lisa, Ady, Esme und Anna. Und Sybille. Sie lächelt mich schüchtern an. Es sind die Menschen, die ich vergessen wollte, weil ich sie nur mit Leid in Verbindung bringen konnte und die Menschen, die mein Leben maßgeblich mitbestimmt haben. Und einige gehören zu jenen Menschen, die ich über alles liebe. Ganz hinten in der Ecke sehe ich die kleine Laura, die uns schüchtern mustert. Sie wird von Thomas liebevoll gehalten. Onkel Simon hat immer noch seine weichen Augen und steht mit einem kleinen Jungen dort. Schützend legt er seine Hand auf die Schulter des Kindes, welches nach Sarah greift und als ich das Lämmchen sehe, weiß ich sofort wer es ist. Bruno. Bruno ist jetzt doppelt da. Auf meinem Sterbebett und in Brunos Hand. Trauer und Freude, Liebe und Schmerz fließen ineinander, meine Gefühle sind ein Cocktail und lasse mich bei meinen Eltern fallen. Meine Mutter drückt mich an sich und vergräbt ihr Gesicht in meinen Haaren. Diese Geste sagt alles. Dann gehe ich zu Sybille und umarme sie so fest ich kann. Zum Schluss gehe ich nochmals zurück, zu meiner Enkelin und gebe ihr nochmals einen Kuss auf die Stirn. Sie sieht mich mit ihrem analytischen Blau an und ich stelle fest, dass in diesen analytischen und durchdringenden Augen viel Verletzlichkeit und Geborgenheit liegt. Sie und meine anderen Enkel sind wahre Diamanten. Omastolz. Ich winke ihr noch einmal zu, meiner wunderschönen Enkelin, die mich sehen kann und die nie was von ihrer Gabe erzählt hat und gehe mit all den Menschen, die mir so viel bedeuten und vor allem: mit Sarah nach Hause.

    Als Heinz den Hörer abhebt, kann er es nicht glauben. Sein Kindheitsalptraum ist am anderen Ende der Leitung. „Wie geht es dir? fragt Matthias- Simon. „Gut danke, selber? „Auch… Könnten wir uns mal treffen? Ich glaube, ich muss mich für einige Dinge bei dir entschuldigen! Es ist still am anderen Ende der Leitung und Matthias sieht nicht, wie Heinz unter Tränen nickt. „Gerne. Matthias weiß nicht, dass er einem tiefschüchternen Menschen und sich selbst gerade grundlegend das Leben verändert hat. Als er einige Wochen später, Heinz die volle Wahrheit über sich und seiner Familie erzählt, spürt er, dass er endlich abgeschlossen hat. Bis zu ihrem Tod, verbindet die beiden Männer eine tiefe Freundschaft.

    Teil 1

    Eine neue Heimat

    Als sich der Zug in Bewegung setzt, ist es sicher schon 9.00 Uhr abends, und ich sitze auf meinen Sitz auf einem kleinen Polster, damit ich mich nicht verkühle. Ich schaue aus dem Fenster und ober Flensburg ist der Himmel so sternenklar wie ich ihn selten gesehen habe. Auch an diesem Tag strahlen die Sterne und ich meine, dass sie zu mir sprechen. Sie laden mich ein sie zu besuchen. Mama hat mir erzählt, dass zu Papas Namenstag die Sternschnuppennacht ist. Er hat irgendwann im August Namenstag, weil er Lorenz heißt, weil seine Mama, Oma Hilde, die Sterne auch so mag wie ich, gesagt hat, dass an diesem Tag die Sternschnuppennacht ist. Ich finde das toll, es gefällt mir, wenn ich mir überlege, dass mein Papa nach den Sternschnuppen benannt wurde. Während sich in meinem Kopf eine neue Welt auftut in der ich die alleinige Heldin bin, die Königin, Prinzessin, Kaiserin, Märtyrerin und Wächterin mehrere Planeten gleichzeitig, durchblättern meine Eltern müde die Zeitungen, die sie dann gegen ihre Bücher austauschen. „Goethes Faust, auf Mutters Seite und Shakespeares „Hamlet auf Papas Seite in der Originalausgabe. Mein Vater ist Historiker und er mag Tiere. Meine Mutter Schneiderin. Ich nehme die Zeitung in die Hand und lese das Jahr 1915. Darunter ist ein großes Bild von einer Frau die sehr schön aber vielleicht ein bisschen zu streng angezogen ist. Braun in Braun in Braun. Die Frau ist Lydia Marianne König. Einzige weibliche Staranwältin in Deutschland. Selbstbewusst und stark. Intelligent und schön. Und meine Tante. Als ich die Zeitung weglege, lege ich mich etwas hin. Bald sind wir bei Onkel Simon und Tante Lydia in München und bis dahin will ich ausgeschlafen haben. „Papa, kannst du mir eine Gute- Nacht Geschichte erzählen? frage ich und mein Vater beginnt. Er hat ein Talent Geschichten zu erzählen wie niemand sonst. Ich werde Eins mit der Umgebung und der Situation und kann mich richtig hineinfühlen. Während er mir von Drachen und Prinzessinnen erzählt, wobei bei ihm, die Prinzessinnen immer die Bösen und die Drachen die Guten sind, schaue ich wehmütig aus dem Fenster und bald verschlafe ich es auch schon. Trotz aller Vorfreude auf München, fehlen mir meine Freunde in Flensburg jetzt schon. Nach München ziehen wir des Geldes wegen hat meine Mama gesagt. Dort verdienen wir mehr und können bei Onkel Simon und Tante Lydia wohnen. Onkel Simon hat eine Schneiderei. Sie ist klein, dunkel und eher bescheiden eingerichtet aber er führt sie mit einer unvergleichlichen Liebe. In dieser Schneiderei wird meine Mutter nun auch arbeiten. In der Schneiderei riecht es immer nach Stoff. Der Geruch ist schwer zu beschreiben, es ist der typische Geruch von Kleidung und wenn die Sonne durch die Fenster scheint, kann man die feinen Staubpartikel in der Luft tanzen sehen – und von denen gibt es in einer Schneiderei viele. Onkel Simon habe ich mit einem hellbraunen Anzug und Krawatte in Erinnerung. Beim genaueren Hinsehen merkt man, dass dieser Anzug immer wieder umgenäht und zusammengeflickt wurde. Er hat ein kantiges Gesicht, eine winzige Nase und die großen, braunen und freundlichen Augen eines alten Hofhundes. Sein Blick ist treu und ehrlich und hat etwas Verträumtes an sich, dass ich laut Mama, von ihm geerbt habe. Ich liebe Onkel Simon sehr. Und Tante Lydia auch. Tante Lydia hat große schöne hellbraune Augen und volles dunkles Haar. Leider haben sie keine Kinder, sonst hätte ich Cousinen. Als wir am nächsten Morgen in unsere Straße fahren, in der das Haus steht in das wir einziehen werden, kann ich mich vor Freude nicht mehr halten. Denn unsere Straße ist die „Sternenstraße. Die Sterne. Schon wieder. Mein Zimmer im Dachgeschoss, ist klein, aber voller Papier und Schreibmaterialien. Ich kann also so viel malen wie ich möchte und habe zudem ein kleines Fenster von wo aus ich ins Fenster meines Gegenübers sehen kann. Dort lebt ein Mädchen. Es heißt Sarah.

    Im Haus gegenüber wohnt die Familie Mayer. Herr Anton Mayer und seine Frau Elsa Svensson Mayer sind äußerst strenge und distanzierte Personen. Immer höflich aber kühl. Frau Svensson Mayer, die immer mit ihrem Mädchennamen angesprochen werden möchte, ist eine der schönsten Frauen die ich je kennen gelernt habe, ebenso wie Herr Doktor Mayer was nicht zuletzt an ihrem gepflegten und reichen Aussehen liegt. Allerdings ist besonders bei Frau Svensson Mayer mehr als nur die Kleidung schön. Sie und ihre Kinder sehen aus wie aus Stein gemeißelt. Fast unwirklich schön. Sie haben keine Makel und schauen perfekt aus. Die Mayer haben vier Kinder: Michael, Sarah, Thomas und Jonathan. Michael ist das Ebenbild seiner Mutter. Blonde Haare, blaue Augen, kühler Blick. Er ist der Mädchenschwarm, den sie immer verliebt und anhimmelnd hinterher sehen. Der kleine Jonathan hingegen ist ein schwächliches Kind. Er ist auch das einzige nicht-blonde Kind in der Familie und hat einen warmen freundlichen Blick, fast wie Onkel Simon. Jonathan ist oft bei Onkel Simon und Tante Lydia in der Schneiderei und hilft wo er nur kann. Während er Onkel Simon beim Schneidern hilft, und dabei natürlich immer die Nähmaschine benutzen will, arbeitet Tante Lydia am selben Tisch an ihre Fälle. Jonathan und Onkel Simon sind ein Herz und eine Seele und den Mayers ist es nur recht, wenn Jonathan bei Onkel Simon ist, denn dieser kümmert sich immer gut um den Kleinen. Thomas hingegen ist, ähnlich wie Michael, blond, hat aber so hellbraune Augen, dass man sich fragt ob jemand sie mit Wasserfarben eingepinselt hat. Um diesem schönen, wässrigen, Hellbraun liegt ein kastanienbrauner Ring. Das sieht einfach umwerfend aus. Sarah ähnelt ihrer Mutter nicht so sehr wie die anderen Kinder. Sie ist zwar blond wie ihre Mutter aber ihr Gesicht ist markanter und kühler als das der anderen und ihre großen Augen sind von einem dunklen analytischem Blau. Diese Augen sind nicht so strahlend hell wie die Augen von Michael und Thomas. Aber Sarahs Augen sprengen jede Vorstellung von schön. Das Blau ihrer Augen ist nicht beschreibbar. Es schaut aus wie der Nachthimmel und zeitgleich wie der Ozean. Es ist ein tiefes Blau, ohne Zweifel und man droht, sich darin zu verlieren. Diese Augen sind die Augen einer Jägerin, keiner Lady. Wenn sie erstmal auf jemanden gerichtet sind, ist man gezwungen sie anzuschauen – alleine schon, weil man nicht glauben kann, dass solche dunkelblaue Augen existieren. Diese Augen, sind die Augen, die mich in den Wahnsinn treiben werden. Mein ganzes Leben lang. Sarah ist das Mädchen von Gegenüber, dem ich von meinem Zimmer zu ihrem hinüber Lächeln kann. Sie reißt mich vom Hocker. Ich weiß es selbst nicht. Es ist nicht erklärbar. Man sieht einen Menschen an, diese eine Sekunde, dieser eine Augenaufschlag und dieser eine Blick und weiß: „das ist er". So in etwa fühle ich, wenn ich Sarah sehe, denn je weniger Erklärungen man hat für die Liebe zu einer Person, desto stärker und wahrer ist sie. Sarah hat aber weitaus mehr zu bieten als ihre Augen. Sie strahlt eine starke Anziehungskraft aus und zugleich, fühlt man, dass sie introvertiert ist. All diese Dinge machen sie so mystisch und interessant, dass sie beinahe das allgegenwärtige Thema in unserem Haus ist und jede kleinste Information über diese besondere Nachbarin sauge ich in mir auf, und verinnerliche sie, als würde mein Leben davon abhängen. Allerdings meide ich es immer bei ihr vorbeizugehen. Ich bin so verwirrt von Alldem, dass ich es vorziehe alleine zu bleiben. Obwohl ihr Zimmer dunkel wie eine Besenkammer ist, wird es mit ihr darin zum Elysium. Und dann treffe ich sie plötzlich nach ein paar Tagen in der Bäckerei.

    Das Wetter ist sehr mild und ich genieße die frische Brise, die meine Nase kitzelt. „Onkel Simon kann ich hier draußen warten? frage ich ihn, weil ich die Sonne auf mein Gesicht scheinen lassen möchte und er nickt lächelnd und streichelt mir kurz über die Wange. „Ich komme gleich, sagt er und geht. Und da sehe ich sie. Verschreckt will ich mich wegdrehen, aber sie hat mich schon gesehen. Sie ist so wunderschön, dass es mir die Luft raubt. Wie wird sie wohl klingen? Ich glaube, wie ein Engel. Sarah kommt auf mich zu und ich schaue unwillkürlich zu Boden. Als ich wieder hochsehe, schaue ich in ihre gewaltigen Augen. Es scheint ein Sturm in ihnen zu fegen. Und sie legt ihren Kopf schief und lächelt: „Hallo Kleines, ich bin Sarah, sagt sie. „Ich bin Lena, erwidere ich prompt, aber ich bemerke, dass meine Stimme abfällt. >Gott, das ist alles so peinlich denke ich mir<. „Du bist also die Neue hier?, fragt sie und schaut mich mit einem bohrenden Blick an. Ich nicke und schaffe es nicht meinen Blick von diesen Augen zu wenden. Dann ruft mich Onkel Simon. „Bis bald, flüstere ich etwas hilflos und muss mich von ihrem Antlitz losreißen. Nein, diese Stimme ist keine Engelsstimme, schießt es mir durch den Kopf als ich mit Onkel Simon nachhause gehe. Das ist die Stimme einer Frau, der die Welt gehört. Seit diesem Tag, lächle ich ihr immer von meinem Fenster am Dachboden aus zu. Sie erwidert es und wendet sich dann ab und ich frage mich, warum sie nicht öfters her lächelt, warum sie einfach gleichgültig wegsieht. Es ist so komisch, ich fühle, dasselbe, dass ich vor einem Jahr bei Leon aus unserer alten Klasse gefühlt habe, nur viel intensiver. Und ich weiß: sie fühlt es auch.

    Lena

    In meinem Zimmer ist es fast immer dunkel und feucht. Kalt ist es sowieso. Die alten Flohmarktmöbel sind dunkelbraun und nahe am Fenster wandelt sich ihre Farbe in ein leichtes Schwarz. Es muss vom Ruß aus den Nachbarshäusern kommen und dringt tief in die Holzschichten ein. Das Schwarz ist manchmal gar nicht mehr rauszukriegen. Wenn man nicht sofort dagegen ankämpft, säubert, putzt und schützt, dann unterwandet es die die feinen Holzschichten, langsam aber stetig, bis es schließlich Eins mit dem Holz wird- für ewig. Es schleicht sich dann etwas ein, das nicht mehr wegzubringen ist. Es gelangt zum Keim und verändert ihn von Grund auf. Es kommt von außen und man ist machtlos. Es kommt von Innen und man kapituliert - es sei denn, man sorgt vor. Im Winter ist es im Dachboden eiskalt und nur dank meines starken Immunsystems, bin ich fast nie krank. Wenn ich aus dem Fenster schaue, kann ich in Onkel Simons Dachboden sehen. Er ist seit Kurzem ebenfalls zu einem Zimmer umfunktioniert geworden, weil hier scheinbar seine Schwester mit Mann und Tochter einziehen soll. Das Fenster aus dem ich raussehen kann, ist ein Erkfenster und ich kann mich hineinsetzen. Das mache ich immer im Winter. Ich sitze dort und trinke meine Tasse Tee. Von so einem Fenster aus kann man die Sterne wunderbar betrachten und bin jedes Mal gefesselt. Ich denke an Oma Zara, die so weit weg wohnt und die ich leider nur so selten sehen darf und verschlafe es regelmäßig. Ständig wache ich am nächsten Morgen am Erkfenster angelehnt auf. Onkel Simon ist mein Nachbar und unser Ein und Alles und es gefällt mir gar nicht, dass jetzt seine Nichte bei ihm einziehen soll. Immer wieder unterdrücke ich das Gefühl der starken Eifersucht, welches in mir hochkeimt. Onkel Simon und Tante Lydia, seine Frau, gehören zu uns und das seit immer. Wir kennen sie seit Jahren. Wir pflegen sie seit Jahren, wenn es ihnen nicht gut geht. Wir sind für sie da. Sie gehören uns und keiner Nichte. Meine kleine Lampe flackert wieder auf und reißt mich aus meinen Gedanken. Sie hat ein sehr schlechtes Licht, aber sie ist mir seit ich denken kann treu. Ich liebe mein Zimmer. Trotz aller Macken, trotz der Kälte im Winter, trotz der Feuchtigkeit und der Dunkelheit, würde ich es niemals umtauschen. Es ist Zuhause, es ist Sicherheit und es ist Liebe. Wann immer ich hier bin, kann ich getrost alles vergessen, kann mich an meinen kleinen Tisch neben dem Bett setzen und schreiben. Michael meint, dass ich wahrscheinlich die einzige Frau in seiner Umgebung bin die Tagebuch schreibt, und er findet das ziemlich kindisch und gedankenlos. Aber es ist mein einziges Ventil, meine einzige Möglichkeit ich zu sein, meine Gedanken, Gefühle auszuleben, zu offenbaren und zu sichern. Ich habe schon zehn Tagebücher voll. Es sind wunderschöne, dicke, gebundene Bücher. Allesamt von Oma Zara. Meine Geschichten und Gedichte schreib ich in kleine karierte Schulheftchen. Ich existiere um zu Schreiben und schreibe um zu sein. Natürlich ist es mein größter Wunsch, Schriftstellerin zu werden, aber meine Eltern haben andere Pläne. Medizin. Mir graut es davor und all diesen Frust, lasse ich wieder in meinen Tagebüchern aus. Meine Tagebücher sind mein Leben und trotz meiner schweren Beziehung zu meiner Familie, respektieren sie alle meinen Wunsch, sie nicht zu lesen, also kann ich mir selbst freien Lauf lassen. Es fasziniert mich neue Figuren zu erschaffen und ihnen Leben einzuhauchen. Ich lasse sie gewähren und irgendwann, lösche ich ihr Sein aus. Ich schreibe nur ein Wort, wie zum Beispiel, „Tod und nehme ihnen das Leben, das ich ihnen eingehaucht hatte. Manchmal frage ich mich verschlagen, ob nicht jede geschriebene Geschichte eine neue Welt eröffnet, über die ich herrsche ohne es zu wissen. Vielleicht ist diese Welt ja auch nur die lächerliche Ausgeburt eines talentlosen C-Autors? Oder einer talentlosen C- Autorin? Während ich wieder auf dem Fenstersims sitze und über die Macht sinniere die ich über meine Figuren habe, macht Jonathan die Tür auf. Jonathan ist der Jüngste von uns. Er ist mein kleines, sensibles Schätzchen und für mich wie mein Kind. Er kuschelt sich an mich und ich muss immer Geschichten für ihn schreiben, die von Drachen handeln, von starken Prinzen (die zufälligerweise immer Jonathan heißen) und von Abenteuer und Magie. Anschließend lesen Thomas oder ich ihm die Geschichten vor und spinnen noch einiges dazu. Manchmal sitzen wir den ganzen Abend bei ihm im Bett und erschaffen uns unsere eigene Welt, in der Jonathan der Held seiner Träume ist. Heute aber wirkt er ziemlich aufgeregt. „Sarah. Das Mädchen ist da!. Er zieht mich mit seiner kleinen Hand und ich stehe auf. Schließlich will ich ja wissen, wer mir Onkel Simon nimmt und ich bin innerlich bereit sie zu vernichten. Vorsichtig luge ich aus der Tür raus, denn ich will nicht entdeckt werden. Die Leute haben immer die schlechte Angewohnheit sich an andere dranzuhängen und man hat einfach keine Ruhe mehr. Ich sehe das Mädchen, aber nur von der Rückseite. Sie hat schwarzes Haar. Es ist nicht schön. Es ist sogar recht fransig und sie wirkt klein und langweilig und rundlich. >Die kann es nicht mit mir aufnehmen. < Zufrieden nicke ich und lächle für mich. Und doch: ich will wissen wie sie von vorne aussieht. Sie scheint ziemlich schüchtern zu sein, ruhig und gerade steht sie zwischen zwei erwachsenen Personen, die ihre Eltern sein müssen. Aber da ist etwas, das mich an sie bindet und das ich mir nicht erklären kann. „Komm, sage ich zu Jonathan und ziehe ihn hinein. Ich muss mich von diesem Gefühl ablenken. „Ich erzähle dir meine neue Geschichte, die ich geschrieben habe. Fröhlich läuft er voraus ins Wohnzimmer und ich folge ihm langsam. >Was ist das, was mich so an dieses Mädchen denken lässt? Ich kann es mir nicht erklären, denn schlussendlich ist sie meine neue Nachbarin und ist nicht gerade bezaubernd schön<. „Also, beginne ich und hole aus der alten Schublade neben unserem Sofa eines meiner älteren Tagebücher hervor. Ich habe die Geschichte heimlich umgeschrieben. Zwischen den Zeilen kann man so viel sagen. „Das ist die Geschichte vom Drachen Astra, der anders war, als die anderen Drachen und die des kleinen Jonathans der anders war, als die anderen Kinder. Sie haben sich nämlich angefreundet. Willst du die Geschichte hören? frage ich mit gespielter Neugierde und schmunzle für mich. „Jaa! ruft er begeistert und ich weiß, dass sich das jedes Mal wiederholt. Es gehört zu den schönsten Stunden in meinem Leben. „Das klingt ja toll, ich dachte immer Drachen seien böse? „Nein, Schatz nicht alle. Dieser nicht. „Oh... Jonathans Augen glitzern auf und schauen mich voller Neugierde an. Wie schnell kann man Kinderaugen nur zum Leuchten bringen.

    „Es begab sich zu einer Zeit in einem fernen Land, als Menschen und Drachen noch Feinde waren. Da ward ein kleiner Junge, mit braunen Haaren und braunen Augen- „Wie ich! „geboren, der auf den Namen Jonathan hörte. „Ich heiße auch Jonathan! „Er war der Sohn einer bürgerlichen Familie und ein sehr nettes Kind. Zur gleichen Zeit kam ein Drache zur Welt. Es heißt, dass Drachen genau 1487 Jahre alt werden und das alle 1000 Jahre einer geboren wird. Dieses Jahr war es wieder so weit uns sie kamen beide am selben Tag zur Welt, was bei den Drachen und bei den Menschen für große Aufregung sorgte, denn sowas, war noch nie passiert. Alle Drachen waren orange oder Grün mit gelben Augen. Dieser jedoch nicht. Er war anders. Der Drache hörte auf den Namen „Astra und war dunkelbau- violett. Seine Augen aber, waren schwarz mit kleinen Glitzern in sich und man sagte, dass die schönsten Sterne dieser Welt in seinen Augen wohnten. „Oh…. „Jonathan war ein fröhlicher Junge und war in Jana verliebt. Jonathan kichert. „Er wollte ihr einen Wunsch erfüllen und sie erzählte ihm von den wunderschönen Augen der Astra >Ich möchte sie so gerne sehen<, sagte Jana dann immer und Jonathan beschloss ihr den Wunsch zu erfüllen."

    Plötzlich bemerke ich, wie Jonathan glücklich eingeschlafen ist und selig vor sich hinlächelt. Er drückt seinen kleinen Kopf an mich und seine zerzausten und nassen Haare sind so struppig wie die von Jonathan aus dem Buch. Natürlich. Ich streiche darüber und gebe ihm ein Küsschen. Dann schließe ich das Heft und räume es zurück. Jonathan trage ich ins Bett. Er hätte gar nicht in mein Zimmer kommen dürfen, weil er leider sehr schwach ist. Wir wissen nicht was er hat, obwohl beide Eltern von uns Ärzte sind. Meine Mutter hat eine starke Vermutung, aber mein Vater lässt es nicht zu. „Frauen müssten eigentlich kochen und nicht Vermutungen aufstellen, sagt er genervt, weil er es nicht ertragen kann, dass meine Mutter besser ist als er. Sie kommt aus einer schwerreichen schwedischen Familie, die sehr viel Wert daraufgelegt hat, dass sie eine exzellente Ausbildung erhält und nun ist sie weitaus professioneller als Vater, darf ihr Wissen aber nicht anwenden. Jedes Mal, wenn sie mit Vater streitet, wirft sie ihm denselben Satz an den Kopf: „Ich hätte wirklich jeden haben können, ich bin eine Schönheit und klug und eine Ärztin und Psychiaterin obendrein und habe einen Volltrottel wie dich geheiratet. Dann geht es weiter: „Schau dir die Szpielbergs an, die sind beide glücklich, warum können wir das nicht sein?" Thomas und Jonathan verstecken sich dann immer in Thomas‘ Bett, wenn’s ganz schlimm wird, finde ich sie später in meinem wieder. Michael hält zu Vater und ich zu Mutter. Damit enden bei uns die meisten Sonntage. Aber nach außen hin sind wir die perfekteste Familie ganz Münchens. Es ist sehr belastend, wenn ein solcher Machtkampf in der eigenen Familie stattfindet, aber eigentlich, will meine Mutter ja nur als gleichwertig angesehen werden. Ich denke, dass mein Vater ziemlich eifert und dass er sich deshalb so unmöglich benimmt. Denn wenn seine Freunde kommen, darf meine Mutter nur kochen und sonst gar nichts. Sie geht dann immer zum Telefon und wählt Omas Nummer, erzählt ihr alles und wundert sich später, warum Oma Vater so hasst.

    Ich gehe ins Zimmer hinauf um meine Hausaufgaben zu erledigen und blicke aus dem Fenster. Inzwischen ist es schon später Nachmittag geworden und die Sonne versinkt im Rot. Unwillkürlich blicke ich in zwei große, runde, karamellfarbene Augen. Es sind die schönsten Augen, die ich je gesehen habe. Und es werden auch immer die Schönsten bleiben. Das Mädchen lächelt her und mich überkommt es vollkommen. Mich trifft ein richtiger Schlag. Die ganze Ordnung und Kontrolle löst sich in mir auf und ich muss erstmal nach Fassung ringen. Peinlich berührt wende ich den Blick ab. Und ich bemerke, dass sie dasselbe macht. Sie sieht jünger aus als ich und es muss das Mädchen sein, dass nun bei Onkel Simon wohnt. Die Anziehung ist jetzt viel stärker als davor. Ihr Gesicht ist sehr unscheinbar, viel unscheinbarer als meines. Ich weiß, dass ich schön bin, um es gleich klarzustellen. Hierrüber diskutiere ich gar nicht, aber ich will mehr als schön sein. Mein Vater hingegen interessiert sich nicht für mehr als für mein Aussehen. Es interessiert ihn nicht, dass ich die Welt bereisen will, dass ich fremde Kulturen kennenlernen möchte und Freunde von überall haben will. Bei ihm gibt es nur die nordische Kultur. Es gibt aber so viel zu entdecken. Ich will nach Brasilien, nach Chile, nach Australien und ich will nach Italien, Spanien, Portugal. Aber leider kann ich nur mit meiner Oma und Opa darüber reden. Oma Zara und Opa Björn sind für mich neben Jonathan und Thomas, die wichtigsten Personen in meinem Leben und wir telefonieren fast täglich. Oma versteht mich wie kein anderer Mensch. Wir haben sogar am selben Tag Geburtstag und wir sehen uns zum Verwechseln ähnlich. Oma weiß so viel von der Welt, weil sie viel reist. Sie arbeitet aber auch sehr hart dafür. Oma Zara und Opa Björn Svensson haben eine Fabrik, in der sie Papier herstellen. Sie haben nämlich viel Waldgebiet. Oma Zara ist eigentlich von Nordschweden und Opa von Småland, aber als sie sich kennen gelernt haben, sind sie nördlich von Stockholm gezogen, um nahe der Hauptstadt zu sein. Als sie mit meiner Mama die Elsa heißt, mal wieder nach Deutschland ihrem wichtigsten Abnehmerland gereist sind, hat Mama Vater kennen gelernt und sich verliebt. Oma konnte es nicht verhindern. Das Geschäft meiner Großeltern blüht immer mehr mit Deutschland. Sie sagen, dass die Deutschen viel Papier brauchen und noch mehr Schreibwahren. Bleistifte, Füller usw. Meine Großeltern sind nur mehr am Schuften. Die schönsten Stücke Papier, binden sie dann immer zu einem dicken Buch und schenken es mir. Sie sind die Menschen, die mir die Liebe zum Menschen und zum Schreiben gelehrt haben und dafür danke ich ihnen.

    Micha und ich sind beide sehr sportlich und lieben das Laufen. Jeden Sonntag laufen wir gemeinsam nach der Kirche zur Lichtung und setzen uns dort nieder. Wir reden über Gott und die Welt und trotzdem fehlt etwas. Mir fehlt bei diesen Gesprächen die Wahrhaftigkeit. Meine Eltern sind wahnsinnig stolz auf mich. Ich schreibe nur erstklassige Noten, muss aber sagen, dass mir das Lernen und die Logik sehr leichtfallen. Mein Vater sagt zu seinen Freunden immer stolz: „Sie könnte fast als Sohn durchgehen", das ist dann der Schlüsselsatz für den anschließenden Streit. Mein Verhältnis zu Micha ist freundschaftlich, auch wenn er versucht mir gegenüber sehr autoritär aufzutreten, kann er mir nicht das Wasser reichen, weil er ganz einfach dumm ist. Michael ist wie mein Vater, ich wie Mama. Thomas ist unser kleiner Mittelspieler. Er ist ein sehr neutraler Mensch und der fairste von uns. Meistens versucht er die Situationen logisch abzuwägen und dann zu lösen, während Micha, Jonathan und ich im Streit unserer Eltern unseren Gefühlen unterliegen.

    Als ich am nächsten Tag runtergehe um beim Bäcker Brot zu kaufen, steht sie plötzlich vor mir und unsere Blicke treffen sich wieder. Eine tiefe Unruhe überfährt mich abermals und ich weiß nicht wie reagieren. Sie schaut zu Boden. Also lege ich meinen Kopf schließlich schief und lächle. „Hallo Kleines, ich bin Sarah. Und du? Ich versuche selbstsicher zu wirken, überlegen, stark, aber ich schwitze Blut und Wasser. Das Mädchen schaut mich mit ihren wunderschönen, unschuldigen Augen an und sagt fast unhörbar: „Ich bin Lena. Lena. Was für ein schöner Name. Ich lasse ihn auf meiner Zunge zergehen und spiele mit den Buchstaben. L E N A. „Du bist also die Neue hier? entfährt es mir. Ich will alles von ihr wissen. Eine richtige Begierde nach diesem Mädchen überfällt mich und am liebsten würde ich sie gar nicht mehr gehen lassen. Sie hingegen nickt nur schüchtern, wird dann gerufen und sagt wieder fast unhörbar: „Bis bald. Meine anfänglichen Unsicherheiten sind überwunden und ich verspüre das starke Gefühl bei ihr sein zu wollen. Jede Sekunde mit ihr zu verbringen. Sie für mich zu haben und sie nicht zu teilen. Sie zu besitzen, mit Haut, Haar und Seele. Und zugleich frage ich mich ob ich nun vollkommen verrückt geworden bin. Seither schaue ich immer in ihr Fenster und lächle kurz zu ihr rüber, dann wende ich mich bewusst ab, weil ich spüre, dass sie sich von mir auch angezogen fühlt. Ich will, dass sie sich Gedanken um mich macht und dass sie mich sucht. Wenn ich ehrlich sein will, will ich, dass sie sich verrückt wegen mir macht. Ich will, dass sie besessen von mir wird und dass ich sie soweit bringe, dass sie ohne mir nicht kann. Wenn ich es bisher bei jedem geschafft habe, dann auch bei so einem, süßen kleinen Ding. Aber dafür muss ich erstmal mit ihr in ein echtes Gespräch kommen und unverhofft hilft mir die Medizin aus.

    Im Hause der Mayers

    Herr Doktor Mayer ist ein bekannter Arzt und Frau Svensson Mayer eine bekannte Ärztin; damit ist sie eine der wenigen Ärztinnen zu dieser Zeit und alleine dafür, sagt Tante Lydia, habe sie größte Ehre und Respekt verdient. Schon gleich nach unserer Ankunft, bläut Tante Lydia mir ein, Respekt vor den beiden zu haben. „Es sind unsere Ärzte Lena, und sie arbeiten sehr, sehr hart, damit es uns gut geht, fügt Onkel Simon immer entschuldigend hinzu. „Aber ich mag sie nicht! Sie schauen mich immer so böse an, entgegne ich stur und senke dabei den Kopf. Ich mag die beiden Eisklötze wirklich nicht und ich habe sogar Angst sie anzuschauen. Onkel Simon versucht aber immer die Menschen in einem guten Licht zu sehen und nimmt sie daher alle diplomatisch in Schutz. „Aber weißt du Lenchen, wenn es dir nicht gut geht, dann werden sie dir helfen und das tun sie gerne." Und ihre Hilfe brauche ich wirklich. Leider? Zum Glück? Ich weiß es nicht. Als ich im zweiten Schulmonat nachhause komme, befällt mich starkes Fieber. Die ganze

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