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Finoula und der Stein der Macht
Finoula und der Stein der Macht
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eBook479 Seiten6 Stunden

Finoula und der Stein der Macht

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Über dieses E-Book

Überarbeitete Fassung von Finoula aus dem Jahr 2015

Die beiden Schwestern Finoula und Filomena haben bei einem schweren Autounfall ihre Eltern verloren. Während die lebensfrohe Filomena mit dem Verlust gut zurechtkommt, kann es ihre ältere Schwester, die mit magischen Fähigkeiten geboren wurde, einfach nicht verarbeiten. Sie fühlt sich nicht nur schuldig, sondern auch alleine, bis sie eines Tages auf Niall trifft, der sie magisch anzieht.
Bei ihrem Versuch, sich vor ihm unsichtbar zu machen, steckt sie bereits in einem zauberhaften Abenteuer. Und in diesem lernt sie nicht nur ihre Zauberkräfte richtig einzusetzen, sondern sie beginnt zu begreifen, was ihr Schicksal ist.

Textauszug:

Es ist ein wunderschöner Tag am Meer und ich entdecke eine Frau in einem weißen, mitschwingenden Kleid. Ihre dunklen, langen Haare, die ihr bis zu ihren Hüften reichen, trägt sie offen und diese bewegen sich mit dem Wind. Sie läuft mit leichtem, schwebendem Schritt an den Dünen entlang und ein in Leder gebundenes Buch schwebt an ihrer rechten Seite hinterher.
Die beachtlichen Nadelbäume mit ihren dunklen Stämmen wollen gen Himmel gar nicht enden und die Luft riecht salzig.
In kleinen Schritten läuft sie zum Wasser, wo die gigantischen Meereswellen vom Meer direkt auf die Wellenbrecher zu rollen, um mit einem ohrenbetäubenden Lärm etwas gezügelt auf den Strand zu brausen. Das Klatschen der Wellen an das Ufer und das Schreien der Möwen faszinieren mich, dass ich eine Art Heimweh nach diesem Ort bekomme, den ich aber nicht kenne.
Die Frau setzt sich in den Sand und lässt das Buch auf ihren Schoß schweben. Sacht hält sie ihre zierliche Hand über das braune Buch mit der Aufschrift: Erinnerungen und das Schloss öffnet sich wie von Geisterhand.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum11. Okt. 2019
ISBN9783743986992
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    Buchvorschau

    Finoula und der Stein der Macht - Tabea Welsh

    Kapitel 1

    „Fantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt."

    Albert Einstein

    Jetzt mal ehrlich, ich bin ein absolut normales Mädel und habe bisher noch nicht allzu viel von der großen, weiten Welt gesehen. Denn bis vor Kurzem habe ich in einem Nobelinternat in der Schweiz die Schulbank gedrückt und war dort nicht wirklich beliebt. Nur meiner kleinen Schwester erging es besser als mir, denn sie durfte bei unseren Eltern im Süden von Deutschland verbringen.

    „Deine Schwester lernt eben leichter als du. Deshalb haben wir dich in einem ausgezeichneten Internat untergebracht, damit man hier das Beste aus dir macht", bekam ich oft von meinem Vater gesagt, wenn er wegen mir zum Direktor musste. Als ob ich so was von begriffsstutzig bin.

    Aber ich fühlte mich dort einfach unwohl, weil die anderen Mitschüler nur Spaß an ihren Partys hatten und mir das viel zu blöd war. Zwar bin ich nix Besonderes, aber ich will lieber für mich alleine sein. Ich denke, dass es für alle besser so ist. Denn wie oft sind mir Sachen passiert, die ich mir nicht erklären konnte.

    Einmal hatte mich mein Chemielehrer mit einer Formel völlig fertiggemacht, dass ich mir dachte, wenn sein Lehrerpult brennt, dann beschäftigt er sich zur Abwechslung nicht mit mir. Und siehe da, es passierte. Das war einfach nur toll, obwohl ich im gleichen Augenblick etwas erschrak. Konnte ich mit meinen Gedanken Dinge bewegen und ändern?

    Schließlich probierte ich es heimlich nach meinem Schulschluss im Internatszimmer aus. Und so unglaublich es auch klingen mag, ich konnte mit meinen Gedanken Gegenstände verrücken und schweben lassen. Bloß an das echte Zaubern und seine Bedeutung dachte ich nie, denn so etwas gibt es ja nur im Märchen und nicht im wahren Leben. Da läuft es oft anders, als man denkt!

    Genauso war es bei mir.

    Ich verlor kurz vor meiner Abiturprüfung meine Eltern bei einem schweren Unfall.

    Seitdem wohnen wir mit Tante Sofie in einem kleinen Dorf, das nicht viele Einwohner hat. Es ist aber nicht so, dass wir im Tal der Ahnungslosen leben. Nein! Man kommt in kürzester Zeit mit der S-Bahn in die nächst gelegene Stadt. Und in dieser Kleinstadt mache ich gerade eine Ausbildung in einem Bücherladen, der sich direkt auf der Einkaufsmeile befindet. Hier gibt mir nämlich meine Freundin Jasmin, die gleich neben uns wohnt, eine Chance in ihrem Laden.

    Immerhin stand ich nach dem Unfall völlig unter Schock, sodass ich von der Welt da draußen nichts mehr wissen wollte. Ich hatte mich in meinem Zimmer eingekapselt und vor mich hingestarrt, in der Hoffnung, dass alles nur ein böser Traum ist. Nur das brachte mir meine Eltern auch nicht zurück. Egal wie viel ich weinte, schrie oder nach dem Warum fragte.

    Im Buchladen geht es mir aber prima. Ich liebe nämlich Bücher über alles und die Kinder- und Jugendabteilung mit ihren fantasievollen und magischen Bänden mag ich am meisten. Allerdings ist meine Schwester Filomena da völlig anders als ich.

    Neben dem Pauken für das Abitur übt sie sich weiterhin im Theaterspielen und hat sogar in einem Kinofilm mitgewirkt. Und jetzt steht sie vor ihrer ersten bedeutungsvollen Premiere, worüber wir uns beide freuen. Obwohl es mich zugleich mit Angst erfüllt. Denn ständig löchert sie mich, dass ich mit ihr ein paar Tage nach Berlin fahren soll. Dort will sie mir alles zeigen, bevor ihr bedeutungsvoller Abend kommt. Doch das bedeutet für mich puren Stress, da ich ungern verreise und Menschenansammlungen lieber meide. Bloß kann meine Schwester schrecklich ausdauernd sein, wenn sie ihren Kopf durchsetzen will.

    „Hi, Noula, wann kommst du denn nach Hause? Ich wollte mit dir über den gemeinsamen Trip nach Berlin plaudern."

    „Oh, kannst du mir nicht mal im Geschäft meine Ruhe lassen?", und eine Kundin, die mir ihre Bücher an die Kasse bringt, grinst mich an.

    „Nein, höre ich sie am anderen Ende der Leitung beteuern und ich muss geräuschvoll schmunzeln. „Immerhin will ich ja, dass du mich begleitest. Oder?

    „Du weißt aber schon, dass du lästig bist, oder?", spiele ich ihr Spiel mit.

    „Mm, na und?"

    „Okay, ich bin um acht daheim, dann können wir reden. Ich habe zurzeit Kundschaft."

    „Geht klar und ich koche uns was. Bis Später dann. Hab dich lieb, Noula."

    „Ich dich auch."

    Damit legt sie auf.

    „Meine kleine Schwester", gebe ich der Kundin zu verstehen.

    „Es ist schön, wenn die Familie zusammenhält."

    Dabei nehme ich die Wehmütigkeit in ihrer Stimme wahr. Vermutlich hat sie ja kein gesundes Verhältnis zu ihren Geschwistern, was mir für sie echt leidtut. Aber ich will es nicht wirklich wissen, da ich dann immer helfen will, und das läuft nie reibungslos ab.

    „Ja, ich bin ebenso glücklich darüber, dass wir zwei uns gut verstehen und hoffe für mich, dass es so bleibt", antworte ich ihr gedankenverloren und ich klopfe kurz dreimal auf Holz, damit es mir Glück bringt.

    „Wo finde ich denn Bücher über Esoterik?"

    „Suchen Sie ein bestimmtes Werk?"

    „Ja, ich will mich über Edelsteine informieren", lächelt sie mich mit ihren braunen Augen an.

    „Sie finden die Bücher im ersten Stock, im Gang drei. Wenn Sie möchten …, ich luge fix zu Jasmin, die mir zunickt, „dann kann ich Ihnen das gerne zeigen?

    „Das wäre lieb."

    Gemeinsam steigen wir eine Etage nach oben und ich gebe ihr die verschiedenen Bücher über das Thema.

    „Sie glauben, das hilft?" Verunsichert schaut sie mich an.

    „Immerhin ist vieles bereits bewiesen. Probieren Sie es aus! Nebenwirkungen sind ausgeschlossen, antworte ich ihr und lache sie aufmunternd an. „Und wenn Sie mögen, dann sagen Sie mir einfach Bescheid, ob es geklappt hat.

    „Das mache ich gewiss, ganz lieben Dank. Soll ich gleich bei Ihnen bezahlen oder bei Ihrer Kollegin unten?"

    „Ich komme freilich wieder mit runter."

    Zusammen laufen wir zur Kasse.

    Nachdem ich Feierabend habe, fahre ich nach Hause, da Jasmin noch im Laden mit der Buchhaltung beschäftigt ist. Außerdem macht es mir nichts aus, alleine mit der S-Bahn heimzufahren. Ich nutze gerne die Zeit für einen zehnminütigen Spaziergang, weil ich, nach dem Tag in der Buchhandlung, meinen Kopf damit freibekomme.

    Sobald ich dann in der Bahn sitze, hole ich ein gutes Buch heraus und entspanne. Das ist auch der Grund, weshalb ich das Ausbildungsangebot im Buchladen angenommen habe. Es ist für mich der ideale Ort, um mein Hobby, das Lesen, zu frönen. Bloß nörgelt Filomena ständig an mir rum. Sie meint nämlich, wenn ich nur Augen für die Bücher habe, werde ich nie den einen richtigen Mann für mich finden. Aber ich lasse mich niemals zu einem Kommentar verleiten. Was nicht heißen soll, dass ich Jungs nicht attraktiv finde. Doch ich habe gelernt, dass es nicht gut ist, dem anderen Geschlecht zu trauen oder es an mich herankommen zu lassen. Es brachte mir bisher nur Unglück, weil ich für die männlichen Wesen nur eine vermögende Partie abgebe.

    Als ich zuhause ankomme, empfängt mich das kleine cremefarbene Haus mit seinem typischen Ostseeflair auf zwei Etagen. Und weil meine Mutter damals keine künstlichen Mauern um das Grundstück haben wollte, pflanzte sie Nadelbäume, damit sie diese an ihre geliebten Dünen am Meer erinnerten. Allein durch das Einbringen von Farnen, Gräsern und verschiedenen Stauden ist ihr Ort zu einem Ruhepol geworden. Außerdem sind die Bäume mittlerweile drei Meter hoch und kein Nachbar stört sich daran, da hinter uns der Wald beginnt. Was uns und unserer Magie zugutekommt. Denn niemand sieht es, wenn einige Sachen durch die Gegend schweben. Auf die erschrockenen Gesichter können wir gut und gerne verzichten. Zumal nicht nur ich magische Fähigkeiten habe, sondern meine kleine Schwester Filomena auch.

    Jetzt endet in diesem Jahr der Herbst, und die Pflanzen bringen ihre letzte Blütenpracht zur Geltung. Die Luft und die Vögel geben ihr Übriges dazu, sodass ich eigenartigerweise ein Gefühl des Friedens und eines Erwachens in mir trage. Es ist geradezu ein Empfinden, wie wenn der Winter sich zurückzieht und der Frühling mit all seinen Vorboten an die Haustür klopft. Nur dass wir es bereits November haben und der kommende Schnee allmählich die Natur mit seiner friedlich glitzernden Schneedecke zudeckt.

    Ich liebe die Natur mit ihrem Rhythmus und genieße die Zeit, die ich draußen an der frischen Luft verweilen kann. Immerhin zaubern mir die kleinen Dinge im Alltag oft ein breites Lächeln auf mein Gesicht. Doch jetzt freue ich mich darauf, den Abend mit meiner Schwester zu verbringen. Schließlich hatten wir in der letzten Zeit wenig zusammen gemacht, da sie ja ihren Film in Berlin abgedreht hatte.

    Während ich zur Diele reinkomme, ziehe ich mir meine Jacke samt Schuhe aus und höre bereits die leise, warme Musik im Hintergrund erklingen.

    „Bin wieder da, Kleines", rufe ich zur Küche rein, die im Erdgeschoss neben den Eingang liegt.

    „Klasse, dann können wir sofort Essen."

    „Sag mal, ist Tante Sofie nicht hier? Ich dachte, sie schläft heute zuhause."

    „Sie hat auf Anrufbeantworter gesprochen, dass sie erst morgen Abend zurückkommt. Sie hat in ihrer Werbeagentur noch ein wichtiges Meeting. Soll uns doch nur recht sein, denn dann habe ich dich für mich alleine."

    Rasch wasche ich mir die Hände, ziehe meine Joggingsachen an und laufe zu ihr in die Küche.

    „Brauchst du noch Hilfe?"

    „Nein, denn ich bin auch schon groß."

    Ihr Lachen erfüllt den kompletten Raum wie die Glocken in der Kirche, während sie das Essen anrichtet. Es gibt Spaghetti Bolognese, die wir beide gerne essen und nachdem Filomena die Teller bestückt hat, drückt sie mir diese in die Hand.

    „Ich muss nur noch den Saft aufmachen und du kannst die Kerzen anzünden! Danach können wir zum gemütlichen Teil übergehen", befiehlt sie mir und gießt jeden von uns ein Glas Apfelsaftschorle ein.

    Mit einer Handbewegung von mir entflammen die Kerzen auf dem Esstisch und den Fensterbänken. Schließlich setzen wir beide uns hin und stoßen auf uns an.

    „Sag mal im Ernst, kommst du mir zuliebe mit zu meiner Filmpremiere? Bitte, bitte!" Mit ausgestreckter Hand greift sie über den Esstisch und nimmt meine Hand in die ihre. Dabei sieht sie mich bittend und bettelnd an.

    „Du weißt aber schon, dass ich keinen Bock auf die Presse habe. Ich finde deine Schauspielerei schön, aber ich glaube nicht, dass ich selbst wieder soweit bin, in die breite Öffentlichkeit zu treten." Ich schaue in ihr junges Gesicht, was mich erwartungsvoll ansieht, und betrachte ihre offenen blonden Haare, die genauso wellig sind wie meine, nur dass sie ihres mittellang trägt. Ihre hellblauen Augen unterstreichen ihre Offenheit und Neugier, was mir deutlich zeigt, dass sie für das Leben da draußen bereit ist.

    Wie kann ich ihr dann ihre Bitte abschlagen? Wir hatten immerhin in den letzten Monaten viel erlebt. Erst starben unsere Eltern und dann sollten wir noch ins Heim. Zum Glück stand Tante Sofie vor der Tür und bot sich an, bis zu meiner Volljährigkeit für uns beide da zu sein. Und in fast zwei Monaten bin ich endlich achtzehn. Obwohl, wenn ich ganz ehrlich bin, es dauert mir immer noch zu lange. Andererseits habe ich mich bereits an Tante Sofie gewöhnt. Ich will mir gar nicht ausmalen, wie das ist, wenn sie auszieht und wir uns alleine überlassen sind.

    „Was schaust du so nachdenklich? Glaubst du, ich zerre dich über den roten Teppich?" Filomena beobachtet mich, wie ich meine linke Augenbraue fragend nach oben ziehe. Daraufhin lacht sie erst einmal los, worauf ich natürlich mit einstimme.

    Sie hat mir nie Vorwürfe wegen den Unfall gemacht, obwohl ich daran beteiligt war. Dafür bin ich ihr unendlich dankbar, auch wenn ich weiß, dass sie unsere Mutter mehr als vermisst. Es reicht schon, dass ich nicht darüber hinwegkomme.

    „Weißt du, Noula …"

    Das ist mein Spitzname, weil sie als Kleinkind mit der Aussprache des Namens Probleme hatte. Und ich nenne sie dafür immer Filo, weil sie extrem quirlig ist.

    „Ich stelle mir das gerade bildlich vor, wie ich dich über den roten Teppich schleife und der Presse folgendes erkläre …, holt sie mich aus meinen Gedanken zurück. Sie steht auf und postiert sich in Interviewstellung. „Vorsicht bissige Schwester mit magischen Fähigkeiten, wer ihr zu nahe kommt, wird durch eine Feuerfontäne gegrillt! Dabei schüttet sie sich vor lauter Lachen aus, was mich lächeln lässt. „Glaub mir, das hatte ich nicht vor. Schließlich macht sie eine erwartungsvolle Pause, ehe sie weiter plaudert. „Im Ernst, Noula, ich habe mit unserem Produktionsleiter gesprochen und du wirst über einen Notausgang eingeschleust. Was sagst du jetzt dazu?

    „Hm, dann erzähl mir mal, auf was ich mich da einlasse, wenn ich dich begleite und ob ich mit dir Schritt halten kann!"

    „Also, wenn du meinst, dass du zum alten Eisen gehörst, hast du dich total verrechnet. Ich weiß ohnehin nicht, warum du immer noch Single bist."

    „Hallo?, gebe ich empört zurück. „Nur weil ich in deiner Gegenwart kein männliches Wesen vorzeige, heißt das noch lange nicht, dass es so ist.

    „Mal ehrlich, Noula, ich weiß, wovon ich rede. Wenn du mit einem Mann was hättest, dann wüsste ich es. Immerhin sind wir miteinander verbunden, oder? Andächtig tippt sie sich mit ihrem rechten Zeigefinger an ihre Schläfe. „Schon vergessen?, neckt sie mich. „Aber darum geht es nicht. Du hast eine supertolle Figur und um dein kastanienbraunes Haar, welches gerne mal stark rot leuchtet, als ob du in Flammen stehst, beneidet dich jede Frau. Und dann deine großen, walnussbraunen Augen, die schlechthin der Hingucker sind. Hm, na ja … Sie legt ihren Kopf schief, ehe sie weiterspricht. „Abgesehen von deiner leicht unebenen Nase und dem kleinen, abstehenden linken Ohr, das vorwitzig zum Vorschein kommt, bist du nicht nur für mich perfekt.

    Ihr Grinsen wird immer breiter und ihr Blick belustigter, sodass ich mir ein Lachen schwer unterdrücken kann. So leicht mache ich es dir aber nicht, geht es mir durch meinen Kopf. Da sieht sie mich triumphierend an, als ob sie noch nicht alle ihre Karten ausgespielt hat.

    „Wir sind ausgesprochen nette und gut aussehende Schwestern, nur dass du deine Freizeit entweder mit mir oder mit den Büchern verbringst. Ich möchte halt, dass du genauso glücklich bist wie ich! Denn auch du lebst wie ich nur einmal." Daraufhin steht Filomena auf und läuft um den Tisch herum, damit sie mich in ihre Arme nehmen kann.

    „Okay, klingt irgendwie einleuchtend, Kleines. Aber das mit den Büchern, das ist mein Hobby und Ausgleich zugleich, wie eine Sucht eben. Verständnissuchend schaue ich sie an und streiche ihr eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht. „Zu viele Menschen machen mir nun mal Angst und erdrücken mich. Außerdem bekommt die Presse nie genug von uns. Jetzt ist endlich Ruhe eingekehrt und durch deinen Abend fühle ich mich wie auf dem Präsentierteller. Ich will einfach nur für mich leben! Außer für dich möchte ich für niemanden sonst eine Verantwortung übernehmen müssen. Du siehst ja, was sonst passieren kann. Ich bringe nur Unglück.

    „Mensch, Noula! Ich check echt nicht, warum du dir immer wieder deinen Kopf zermarterst, nur weil du glaubst, dass du an dem Unfall Schuld bist. Du solltest mit der Vergangenheit endlich abschließen, denn du kannst es nicht ändern! Du musst nach vorn schauen, nicht zurück! Versuch gegen deine Angst anzukämpfen! Verstecken ist nicht die Lösung." Einfühlsam schaut sie mir direkt in mein Gesicht, ehe sie zu ihrem Stuhl läuft.

    Plötzlich merke ich, wie eine leichte Windböe um uns herumwirbelt und das Windspiel im Fenster sanft erklingt. Entschuldigend sehe ich sie an.

    „Ich sollte mich besser unter Kontrolle haben. Aber sobald meine Gefühle in einer Sackgasse stecken, werde ich panisch und es geht schon wieder los. Tut mir leid."

    „Das verstehe ich doch. Nur wenn du von den Schuldgefühlen nicht loskommst, wirst du nie die Sache abschließen und deine Gefühle unter Kontrolle bringen können."

    Eine Pause tritt ein, damit ich mich sammeln kann. Dafür bin ich ihr dankbar.

    „Aber jetzt zu dem Abend!, und ihre blauen Augen bohren sich lachend in die meinen, wobei ich fühle, wie sehr ich sie lieb habe. „Meinen besagten Abend!, betont sie nochmals, als sie mich schmunzelnd anblickt.

    Schnell drücke ich meine aufkommende Angst weg, damit sie sich nicht um mich sorgt. Vermutlich sollte ich einfach nur alles auf mich zukommen lassen und nicht andauernd so viel grübeln.

    „Ich bin mächtig stolz auf dich und deinem Filmprojekt. Also, dann schieß mal los!" Schnell gebe ich Filomena einen leichten Handkuss, der eine klitzekleine Lilie entstehen lässt.

    Sobald sie die Blüte aufgefangen hat, lässt sie diese in einer Nebelwolke verschwinden. Dann rutscht sie etwas von Tisch ab, damit sie beim Erzählen bloß nichts vergießt, wobei ihre Hände das Gesagte unterstreichen.

    „Wir fahren gemeinsam mit dem Zug einen Tag vorher nach Berlin. Am nächsten Tag wartet dort ein Team im Kosmetikbereich auf uns, damit wir sozusagen „herzeigbar gemacht werden. Und Achtung! Die wunderschönen Kleider für den Abend, die wir dann tragen liegen dort für uns bereit. Was sagst du, echt toll was?

    Ihre Begeisterung ist total ansteckend. Wie kleine Kinder lachen und quietschen wir. Dabei erheben wir uns und drehen uns wie bei einem Walzer vor Freude im Kreis, bis ich wieder auf den Boden der Wirklichkeit ankomme.

    „Du hast hoffentlich nicht vergessen, dass ich keine tief ausgeschnittene Kleidung tragen kann. Also nehme ich mal an, dass du für mich ein hochgeschlossenes Kleid ausgesucht hast."

    „Tja, große Schwester, ich sage dann mal: Lass dich überraschen!" Schließlich macht sie eine ausholende Armbewegung und schaut mich lächelnd an.

    Ich öffne meine Arme, schließe die Augen und wir beide drehen uns Hand in Hand um uns selbst, als es klitzekleine weiße Blüten auf uns hernieder regnet.

    Ein Glück, dass wir versteckt und abgeschieden leben, geht es mir durch den Kopf.

    Du bist unmöglich! Kommt es prompt von meiner Schwester zurück.

    „Okay, was soll‘s, bis zu deiner Premiere haben wir noch etwas Zeit", gebe ich nach, notfalls nehme ich eben passende Kleidung von mir mit.

    Wir verweilen noch den gesamten Abend damit, dass mir meine Schwester alles Erdenkliche von der bevorstehenden Party erzählt, sodass ich jetzt genauso aufgekratzt bin wie sie. Nur warum, das begreife selbst ich nicht.

    Endlich ist es soweit und wir fahren mit dem Zug nach Berlin, was uns mit Umsteigen zehn Stunden Fahrtzeit einbringt. Größtenteils schlagen wir uns die Zeit mit Dösen und Zeitung lesen tot. Anschließend bringt uns ein Taxi in ein Nobelhotel, wo am darauffolgenden Abend die glanzvolle Party steigen soll.

    Wir sitzen noch im Taxi, als ich meine Nervosität spüre, die nicht nachlassen will. Während Filomena den Fahrer bezahlt, setze ich mir den Hut auf und ziehe ihn mir ins Gesicht. Zu guter Letzt schiebe ich mir die verdunkelte Sonnenbrille auf die Nase.

    „Noula, willst du jetzt echt so ins Hotel rein? Die denken doch mit Sicherheit, dass ein Überfall bevorsteht", und sie bricht in ein Gelächter aus.

    „Wie bitte? Was hast du nur. Rasch schaue ich an mir herunter. „Ich habe Jeans und einen weiten Pulli an. Die Haare samt Hut habe ich schön ins Gesicht gezogen, und den Rest siehst du ja selbst. Immerhin war das meine Bedingung, nicht aufzufallen. Schon vergessen, Kleines? Ich setze mich mit verschränkten Armen aufrecht hin und luge ihr kampfbereit entgegen.

    „Schon gut, schon gut. Dann lass uns mal durchstarten, bevor ich es mir anders überlege und dich hier sitzen lasse!" Sie macht ihre Autotür auf und steigt wie ein Model aus, sodass ihre blonden Haare im kalten Wind wirbeln. Dann nimmt jede von uns ihren Handgepäckkoffer und wir steigen die Marmortreppe zum Hoteleingang rauf.

    Als ich eintrete, komme ich mir etwas verloren vor, da alles auf mich distanziert, aber glamourös wirkt. Ich frage mich ernsthaft, wie sich die Leute in dem Hotel wohlfühlen können. Ich beobachte, wie das beschäftigte Personal eifrig an uns vorbei huscht und ein hochgewachsener, magerer Hotelpage eilt uns zur Hilfe. Er nimmt uns die Koffer ab und begleitet uns zum Empfang. Die Empfangshalle besteht aus Marmor und überall hängen Spiegel an den Wänden. Auch entdecke ich mehrere Glasfahrstühle, die sich bewegen und eine großzügige Treppe führt in die anderen Etagen.

    Nachdem wir an der noblen Rezeption eingecheckt haben, bringt uns der Mann in den zehnten Stock. Die Suite besteht aus einem geräumigen Zimmer, welches in warmen roten Tönen gehalten ist und einen bombastischen Ausblick über Berlin freigibt. Doch die bodenlangen Fenster, die über die gesamte Front des Wohnbereichs verlaufen, lassen leider meine Höhenangst nicht schwinden. Obwohl ich bei vorsichtiger Betrachtung mir selbst eingestehen muss, dass durch dieses Panoramafenster die Großstadt mit dem Fernsehturm besonders traumhaft zur Geltung kommt. Erst recht bei dem leichten Schneefall, der die Lichter unter mir wie Diamanten funkeln lässt.

    Es liegen Kuscheldecken auf der Couch, eine Bar erstreckt sich über eine Wand, sowie einen Schreibtisch. Vom Wohnbereich aus grenzen zwei Schlafzimmer an, die wiederum ein eigenes Bad besitzen und elegant eingerichtet sind.

    „Schau dir mal die Sessel an! Die sind mit echtem Leder bezogen, und hier die Betten. Die sind so ausladend, dass eine ganze Familie darin Platz hat. Toll was? Und der Fernseher erst. Als ob man im Kinosaal sitzt. Echt heiß, was?" Filomena ist total begeistert, wie ein Kleinkind, das ein neues Spielzeug bekommen hat. Augenblicklich läuft sie durch die Räumlichkeiten, während sie alles flüchtig berührt und ausprobiert.

    „Wenn es dir nichts ausmacht, werde ich mich etwas hinlegen. Wir haben zwölf Stunden Reise hinter uns, wenn man die Fahrt zum Bahnhof und das Einchecken im Hotel mit berücksichtigt." Schnurstracks marschiere ich zum Bett und lasse mich darauf plumpsen. Immerhin habe ich die letzten drei Nächte zuvor kaum ein Auge zugemacht.

    „Also, wenn Tante Sofie hier wäre, dann fiele sie mit mir in Ohnmacht, weil es so geil ist. Außerdem könnten wir gar nicht schlafen, weil wir Berlin unsicher machen würden."

    „Dann würde ich mal sagen: Pech gehabt, denn du hast mit mir vorliebzunehmen. Träum süß weiter, wie es wäre und so!" Damit falle ich, mit dem Traumfänger und einem kleinen Beutel mit drei Schutzedelsteinen in mein Bett.

    Ich schlafe ungelogen für eine Stunde, ohne Albträume ein, was ich dankend annehme. Denn nachdem unsere Eltern verstorben waren, hatte ich die erste Zeit ständig Angstträume. Und wenn ich diese fürchterlichen Träume hatte, zog es mich gewaltig runter, sodass ich dann einige Tage brauchte, um mich davon zu erholen. Nun halten sie sich endlich von mir fern.

    Gott sei Dank!

    Jetzt machen wir, nach meinem sogenannten Mittagsschlaf, Berlin unsicher und bummeln die Ladenstraßen ab, wobei wir das KaDeWe bestaunen. Danach laufen wir zum Alex und fahren zur Aussichtsplattform des Fernsehturms hoch. Allerdings nehmen wir die vielen Stufen nach unten zu Fuß.

    „Bin ich froh, dass du den Aufstieg nicht über die Treppe gewählt hast." Schelmisch schaue ich Filomena an.

    „Jammere nicht, wir wollen noch zum Abschluss in eine Szenekneipe!"

    „Was willst du? Schockiert bleibe ich stehen und halte mich an ihrem Arm fest. „Das ist nicht dein Ernst? Schon spüre ich eine Panikattacke in meinen Körper rauf rollen und ich beginne zu schwitzen. Das Herz fängt prompt zu rasen an und der Kreislauf sackt in den Keller.

    „He, beruhig dich! Erschrocken sieht sie mich an und nimmt mich zur Seite. „Setz dich hin, Kopf zwischen die Knie und atme!

    Was ich dann auch mache. Denn seit dem Autounfall habe ich Platzangst, die regelrecht in Panikattacken ausartet. Genau deshalb meide ich Menschenansammlungen, die mir die Luft zum Durchatmen nehmen.

    „Lass es uns doch mal ausprobieren, womöglich bekommst du es ja hin. Bitte!", fleht mich Filomena ängstlich an, als sie meine Schultern streichelt.

    „Ich weiß, dass es dir viel bedeutet, kommt es stoßweise aus mir. „Aber ich mag wirklich nicht. Können wir es uns nicht im Hotel gemütlich machen? Dort ist es nicht eng und voller lauter Menschen.

    „Ich wollte dir nur zeigen, wo ich oft nach Drehschluss gewesen bin", höre ich ihren enttäuschten Einwand.

    Jetzt tut sie mir echt leid. Also, versuche ich, mich zusammenzureißen.

    „Okay, aber wenn ich merke, dass es nicht mehr klappt, dann nehmen wir ein Taxi zurück ins Hotel. Versprochen?"

    „Einverstanden!" Mit einem Ruck zieht sie mich zu sich hoch und wir laufen die Treppen zum Ausgang runter.

    An der frischen Luft angekommen merke ich, dass es etwas kälter geworden ist und dass es stärker schneit als vorhin bei unserer Ankunft am Alexanderplatz. Trotzdem empfinde ich den Spaziergang sehr angenehm, als ich durch die imposanten Baumalleen spaziere, auch wenn die kalte Luft allmählich in meine Glieder kriecht. Da kann ich nur hoffen, dass wir nach dem langen Fußmarsch bald im Warmen ankommen.

    „Vermutlich sind ja ein paar Leute von mir bereits da." Voller Vorfreude öffnet sie die Kneipentür.

    Na toll, ohne mich vorzuwarnen, schleppst du mich hierher und ich habe mich noch nicht mal hübsch gemacht. Danke, Filomena, schießt es mir durch den Kopf.

    „Schwesterherz, du siehst wie immer reizend aus, vor allem in Jeans und Pulli. Vertrau mir. Solange du dein charmantes Lächeln zeigst, passt alles."

    Ihr Gesichtsausdruck zeigt mir ihre Ehrlichkeit, aber auch ihre Belustigung.

    „Sei kein Spielverderber, lass uns reingehen!"

    „Hm, also ich atme mal tief durch und dann bekomme ich es hin." Ich nehme sie bei der Hand und gemeinsam laufen wir rein.

    Die Kneipe, die ich mit Filomena betrete, sieht hell und urig aus. Um die Bar hat man Tische mit kleinen Sitzgruppen angeordnet und alles ist in den Farben blau-weiß gehalten.

    Komisch, aber ich habe mir immer einen Ausschank schmuddelig und dunkel vorgestellt.

    Filomena zerrt mich schnurstracks an einen Tisch, an dem bereits zwei Mädels sitzen und wir hocken uns zu ihnen.

    „Das ist meine große Schwester Finoula und das sind Anja und Diana. Die beiden spielen ebenfalls im Film mit."

    „Hi", sagt die eine, die Diana heißt, mittelbraunes kurzes Haar hat und mit ihrer Brille mich an eine Lehrerin erinnert.

    „Hallo, ich bin Anja", begrüßt mich die andere. Sie ist hochgewachsen, schlank und im selben Alter wie meine Schwester. Ihr fast schwarzes Haar umrahmt ihr hübsches Gesicht.

    Wir bestellen beim Kellner etwas zu trinken und fangen eine Unterhaltung über den morgigen Abend an, als sich erneut die Tür öffnet und alle drei ihr Gespräch unterbrechen. Ich drehe mich natürlich ebenfalls um, weil ich wissen will, was die Diskussion stoppt.

    Dort steht in Jeans, Pulli und Steppweste gekleidet ein etwa ein Meter neunzig großer Mann. Sein Körper sieht durchtrainiert aus und das Gesicht ist leicht gebräunt. Er hat kantige Gesichtszüge mit einem Grübchen am Kinn und schwarze, halblange Haare. Als mich seine graublauen Augen interessiert anschauen, richte ich den Blick auf meine Schwester. Dennoch präge ich mir noch die gerade Nase und den kräftigen, schmunzelnden Mund ein. Immerhin ist er eine dominante Erscheinung mit dem Dreitagebart, was mich etwas einschüchtert. Deshalb konzentriere ich mich wieder auf Filomena, damit er mich nicht wahrnimmt.

    Doch als habe er meine Gedanken gelesen, läuft er zielstrebig auf uns zu, nimmt sich einen Stuhl vom Nachbartisch, nur um sich neben mich zu setzen. Als er mir dann seine Hand entgegen streckt und mir direkt in meine Augen sieht, bin ich gezwungen, diese anzunehmen.

    „Mein Name ist Niall Kristiansen, lächelt er mich dabei verschmitzt an. „Du bist demnach Filomena ihre Schwester. Richtig?, und ein gewinnendes Lächeln trifft mich.

    Ich schaue ihn an und erwidere höfflich seinen Handschlag.

    „Ja, das stimmt", antworte ich ihm zaghaft, denn auf die elektrische Aufladung bei der Berührung unserer Hände bin ich nicht vorbereitet. Es kriecht an mir hoch, wie wenn viele Brausepulverblasen auf einmal zerplatzten. Ich versuche, das elektrisierende Gefühl zu ignorieren und mich dem zu entziehen, aber es klappt nicht. Da bemerke ich, dass er immer noch meine Hand festhält und mich genau beobachtet. Also ziehe ich kräftig an dieser, jedoch ohne großen Erfolg. Stattdessen schaut er mich mit seinen fast dunkelblauen Augen an, als wüsste er etwas, was mir noch verborgen bleibt. Zumal sich ein Lächeln wachsam auf seinem Gesicht ausbreitet, das selbst seine Augen erreicht. Es ist himmlisch, aber genauso geheimnisvoll, als er seine strahlenden Zähne entblößt.

    Mit einem Schlag wird es mir bei dem Anblick schwindlig.

    „Du kannst meine Hand ruhig loslassen!", bringe ich, um Fassung ringend heraus.

    Überrascht, aber zögerlich lässt er diese los und ich muss mir die kribbelnde Stelle reiben. Bloß sieht er mir immer noch herausfordernd in meine Augen.

    „Danke", kann ich dann nur sagen und verschränke eilig meine Hände ineinander, um im Anschluss auf den Boden zu starren. Zu mehr kommt es zum Glück nicht, da die Kneipentür abermals aufgeht und jede Menge Leute eintreten.

    Es stellt sich rasch heraus, dass die meisten vom Filmset sind und ebenfalls in unserem Hotel die nächsten drei Nächte wohnen werden, bevor jeder seinen eigenen, beruflichen Weg weiterverfolgt. Erstaunt schaue ich Filomena an.

    Was war das denn eben?

    „So, Niall, jetzt stelle ich euch erst mal richtig vor, schreitet sie ein. „Das ist meine Schwester Finoula und …, an mich gerichtet, „das ist Niall. Mit ihm, Jonas und Eric habe ich die Hauptrolle gespielt. Die Zwei lernst du auch noch kennen. Suchend hält sie nach den beiden Ausschau und als sie diese endlich entdeckt, winkt sie ihnen zu. „Bin gleich wieder da, sagt sie zu mir und weg ist sie.

    „Welch ein hübscher Name. Du bist also die große Schwester, von der ich schon viel gehört habe", meint er gedämpft zu mir.

    „Ich habe bisher noch kein bisschen über dich gehört, daher kann es umgekehrt wohl nicht der Fall sein." Doch kaum habe ich es ausgesprochen, gibt mir Filomena, die plötzlich neben mir steht, einen Rippenstoß.

    „Das sind Eric und Jonas."

    Beide geben mir ihre Hände.

    „Und das ist meine Schwester Finoula."

    Die zwei Jungs quetschten sich ebenfalls an unseren Tisch und den kompletten Abend folgt nun ein Gespräch dem anderen, sodass es mir langsam unwohl wird. Ich habe das Gefühl, als ob ich gleich ersticke. Der Raum wird immer voller und lärmender, sodass ich mich nach der frischen Luft und den Wind auf der Haut sehne. Als ich diese Sehnsucht in mir fühle, bemerke ich, dass mein Gesicht langsam von einer leichten Windbrise berührt wird und mich beruhigt. In dem Moment holt mich ganz unverhofft eine warme Hand, die sich in meinen Arm einzubrennen scheint, aus der inneren Ruhe heraus.

    „Komm, wir gehen etwas an die frische Luft!" Niall sieht mich an und ich willige mit einem Nicken ein.

    Schnell schaue ich mich nach Filomena um und als er meinen suchenden Blick bemerkt, sagt er:

    „Sie ist kurz mit Eric dort vorn an der Bar."

    Draußen angekommen kann ich meine Gedanken wieder ordnen, obwohl ich mich nicht verstehe. Wieso bin ich ohne Weiteres mit einem fremden, männlichen Wesen auf die Straße gegangen? Das ist absolut nicht meine Art, auch wenn wir uns nicht berühren.

    „Geht es dir etwas besser?", besorgt schaut er mir ins Gesicht.

    „Denke schon, es war ein langer Tag für mich." Ich schüttle lächelnd den Kopf, weil ich bisher immer dachte, wenn ich mal mit einem Jungen im Dunkeln stehe, müsste ich um mich selbst Angst haben. Die Erfahrung vor einem halben Jahr hatte mich einiges gelehrt. Er hatte mich damals nur ausgenutzt und ich war dumm genug gewesen und habe es mit Liebe verwechselt.

    „Was ist so lustig?"

    „Nichts", gebe ich hoffentlich überzeugend von mir.

    „Bist du dir da sicher, meine schöne Saidkona?" Er hebt mit seiner linken Hand mein Kinn zu sich an und betrachtet geheimnisvoll meine Augen.

    Mir ist es in dem Moment, als verliere ich den Boden unter den Füßen, weil seine Augen unergründlich wie das Meer sind.

    „Ich bin mir absolut sicher! Was heißt eigentlich Saidkona?" Sicherheitshalber rücke ich ein Stück von ihm ab, denn so vertraulich will ich nicht mit ihm beisammen stehen.

    „Hm, das bedeutet in meiner Sprache so viel wie Zauberin."

    Daraufhin lässt mich sein Lächeln etwas mutiger werden.

    „Wieso Zauberin?"

    „Weil ich, seit ich dich erblickt habe, von dir verzaubert bin."

    Mich verunsichert sein ehrlicher Blick bis ich lospruste.

    „Ja klar, mir scheint, das ist deine Masche bei den Mädels. Bei mir kannst du dir so was schenken."

    Schockiert stiert er mich an.

    „Wenn du meinst. Wollen wir wieder reingehen?", und er zeigt mit seiner Hand einladend zur Tür.

    „Nein, danke, ich werde mir jetzt ein Taxi nehmen und ins Hotel fahren." Zum Glück ist gleich auf der anderen Straßenseite ein Taxistand. Schließlich bin ich ein Angsthase, wenn ich mutterseelenallein im Dunkeln und vor allem noch in einer fremden Gegend unterwegs bin.

    „Okay, lass uns deiner Schwester schnell Bescheid geben und dann fahren wir gemeinsam ins Hotel."

    Ich ziehe meine linke Augenbraue fragend nach oben.

    „Keine Sorge, ich werde anständig sein", betont er ernsthaft.

    „Na gut, aber reingehen brauchen wir nicht noch mal, das geht schon klar", sage ich und schicke meiner Schwester per Telepathie die Information, wo sie mich findet und wie ich ins Hotel komme.

    Spar dir deinen Kommentar, was Niall betrifft! Höre ich sie lachen.

    Im Hotel angekommen, fahren Niall und ich mit dem Fahrstuhl in unser Stockwerk, weil er auf dem gleichen Flur wohnt wie wir.

    „Also, dann wünsche ich dir eine gute Nacht." Dabei verbeugt er sich wie ein Gentleman, dass ich lächeln muss.

    „Ja, das wünsche ich dir auch."

    Nach der Verabschiedung laufen wir beide entgegengesetzt in unsere Zimmer und nach einer langen und heißen Dusche setze ich mich auf das Bett. Kurz schüttle ich mein Kissen auf, lege den Beutel mit den drei Heilsteinen darunter und schaue den Traumfänger über mir an, den ich mit einer Stecknadel an der Wand befestigt habe. Abermals bitte ich um einen Albtraum freien Schlaf.

    „Komm, wir laufen gleich nach unten und lassen uns verwöhnen!" Keine Antwort abwartend, zieht mich Filomena nach dem Frühstück, das wir auf dem Zimmer eingenommen haben, aus der Tür zum Lift und von dort in den Kosmetikbereich.

    „Ah, Sie sind Filomena und Finoula Walz, richtig?", fragt uns die Kosmetikerin beim Eintreten.

    Prompt komme ich mir wie ein hässliches Entlein vor, da ich in legerer, sportlicher Kleidung aufgetaucht bin und nicht so schick wie die anderen Kundinnen in diesem Raum. Trotzdem nicke ich der Frau brav zu.

    „Wir haben Sie bereits erwartet. Herzlich willkommen! Ich bin Tina und das ist Sandra, wir beide werden heute für Sie zuständig sein. Also lassen Sie uns beginnen, wir haben viel vor und die Zeit rennt. Sie lächelt uns an und klatscht tatkräftig in ihre Hände. „Zuerst ziehen Sie sich bitte dort …, sie zeigt mit der Hand zu einer Kabine, „komplett aus. Nehmen Sie die Bademäntel und die Pantoffeln mit. Wenn Sie fertig sind, kommen Sie zu uns! Bis gleich." Eilig wendet sie sich ihrem Tresen zu.

    „Na, dann mal sehen, was du mir hier eingebrockt hast", gebe ich skeptisch von mir.

    „Du wirst schon sehen. Nach solch einem kompletten Programm fühlst du dich wie neu geboren. Vertrau mir."

    „Klar doch, wenn ich dir nicht vertrauen kann, dann weiß ich auch nicht, wie es um unsere Welt bestellt ist", grinse ich sie an, als wir uns in eine Kabine zwängen und Spaß haben.

    „Ich glaube, das Team denkt jetzt schon: Was sind denn das für

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