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Wille gegen Wille: Indianerroman
Wille gegen Wille: Indianerroman
Wille gegen Wille: Indianerroman
eBook253 Seiten3 Stunden

Wille gegen Wille: Indianerroman

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Über dieses E-Book

Eine Herzensgeschichte aus den Indianerhütten Arizonas.

Gustav Harders wurde 1863 in Kiel geboren. 1889 wanderte er nach Amerika aus und heiratete dort. Er war Pastor und Rektor der lutherischen Kirche und Schule in Milwaukee und diente anschließend bis zu seinem Tod im Jahr 1917 in Indianerreservationen in Arizona als christlicher Missionar.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum16. Feb. 2018
ISBN9783746043821
Wille gegen Wille: Indianerroman

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    Buchvorschau

    Wille gegen Wille - Gustav Harders

    Wille gegen Wille

    Zum Buch

    Der Indianer Dohaschtida

    Van Augustus Sims, der Schulsuperintendent

    Ein Zeitungsausschnitt

    Die verlassene Missionsstation

    Sitten der Väter

    Eine Klapperschlange und ein Straßenrenner

    Zwei Fehlschläge

    Das Indianermädchen Najodikahi

    Feuer

    Ein Tag auf dem Schulanwesen

    Unter den Minenarbeitern des „Wilden Westens"

    Ein Selbstmord in der Spielhölle

    Ruinen im Wüstensand

    Ein erwachendes Gewissen

    Er schießt

    Des weißen Mannes Kind und seine Mutter

    Wille wider Wille

    Ein Brief

    Die Macht des Wortes

    Gnade über Gnade

    Hundertfältige Frucht

    Impressum

    Zum Buch

    Eine Herzensgeschichte aus den Indianerhütten Arizonas.

    Gustav Harders wurde 1863 in Kiel geboren. 1889 wanderte er nach Amerika aus und heiratete dort. Er war Pastor und Rektor der lutherischen Kirche und Schule in Milwaukee und diente anschließend bis zu seinem Tod im Jahr 1917 in Indianerreservationen in Arizona als christlicher Missionar.

    Der Indianer Dohaschtida

    Ich saß bei weit geöffneten Fenstern und Türen in meinem geräumigen Wohnzimmer. Es war an einem Sonntagnachmittag. Die Haupttür des Zimmers führte über eine breite Veranda direkt ins Freie hinaus. Draußen brannte Arizonas Julisonne. Es war drückend heiß auch zwischen den dicken Steinwänden des Hauses, aber doch erträglicher als draußen in der Sonnenglut und etwas kühler als unter den schattenspendenden hohen Bäumen, deren sich eine große Anzahl auf dem ausgedehnten Eigentum der Regierungsschule der Indianerreservation befanden.

    Blickte ich zur Tür hinaus, konnte ich sehen, wie die Hitze aus dem weichen, weißen Sand aufstieg, den die Sonne schon viele Wochen Tag für Tag mit ihren Strahlen durchglüht hatte.

    Es war so recht eine Stunde zum Träumen und Nichtstun. Ich lehnte mich in meinem bequemen Schaukelstuhl zurück, schloss die Augen und sah den Mann ganz deutlich vor mir, mit dem sich seit Schluss der heutigen Morgenandacht meine Gedanken beständig beschäftigt hatten.

    Das war eine auffallende Erscheinung. Er war einer von der alten Art, wie man ihrer heute nur noch Wenige zu sehen bekommt. Er war der Erste, der mir seit meiner Ankunft in Arizona begegnet war. In seiner hohen, kraftstrotzenden, geschmeidigen Gestalt entsprach er so ungefähr dem Bild, das ich aus meinen Knabenjahren her von einem Indianer hatte. Freilich trug er elegante Schuhe, sorgfältig gebügelte Hosen, ein Faltenhemd, Stehkragen, Krawatte und tadellos geschnittenen Rock; aber das alles saß und hing ihm am Leib in einer Weise, die den Eindruck machte, dass es dem Träger dieser Kleidungsstücke im höchsten Grad gleichgültig sei, ob er die dieselben am Leib habe oder nicht. Er würde ebenso gern ohne sie gehen und doch genau denselben imponierenden Eindruck machen wie mit ihnen.

    Wer mochte er sein? Wo kam er her? Er hatte den Saal vor Schluss der Andachtsübungen verlassen, wie er erst nach dem Beginn der derselben gekommen war, und hatte mir so keine Gelegenheit gegeben, mit ihm zu reden.

    Wie er eingetreten war, sich nach einem ihm zusagenden Sitz umgeschaut und sich niedergesetzt hatte! Nicht wie einer, dem das ganze Versammlungslokal. nein, wie einer, dem die ganze Welt gehörte.

    Dazu war es ganz gegen die Schulregeln dieser Regierungsschule, dass außer den Angestellten und den 300 Kindern jemand ungeladen an den Sonntagsandachten teilnahm.

    Ohne Zweifel kannte der Mann diese Regeln, er kümmerte sich aber nicht um sie, für seine Person existierten sie nicht.

    Nicht einmal die Eltern der Kinder durften das Schuleigentum betreten. Besuchten sie ihre Kinder, so setzten sie sich jenseits des hohen Drahtgitters. Da machten sie ein Feuer an, kochten und brieten und reichten ihren Lieblingen durch die weiten Maschen des Drahtgeflechts, was sie für sie bereitet und ihnen mitgebracht hatten.

    Mir gab es jedes Mal einen Stich durchs Herz, wenn ich das sah. Mein Freund, der Superintendent dieser Schule, bei dem ich als Gast verweilte, meinte aber, es könne nicht anders sein, es müsse so gehalten werden; die Alten wären zu unsauber, sie hätten zu viele Läuse. Ließe man die Kinder in die Hände ihrer Eltern kommen, so hätte man einen beständigen, nie endenden Kampf mit dem Ungeziefer.

    Er mochte von seinem Gesichtspunkt aus recht haben. Er sollte die Kinder sauber und rein halten, er sollte zivilisierte Menschen aus ihnen machen. Die Herren Inspektoren, die auf ihren Rundreisen jeden Tag und jede Stunde sich einstellen konnten und immer unangemeldet eintrafen, wollten alles in bester Ordnung vorfinden. Sonst gab es Berichte nach Washington und unangenehme Rüffel von dorther.

    Und doch, die Sache hatte noch eine andere Seite. Die Kinder sollten erzogen werden. Ihr Vertrauen, wie das ihrer Eltern, musste zu solcher Arbeit gewonnen werden. Solche Praxis aber, wie sie hier geübt wurde, konnte kein Vertrauen wecken, mehrte im Gegenteil beständig den Hass und die Abneigung der Indianer gegen die weißen Leute. Kein Wunder, dass die Regierungsangestellten klagten, alle ihre Arbeit sei umsonst, die Alten zerstörten systematisch, was den Kindern in jahrelangen Bemühungen beigebracht worden sei. Sobald die Kinder aus der Schule entlassen seien, wo sie gekleidet, beköstigt und beherbergt worden waren und ganz nach Weise zivilisierter Menschen hatten leben müssen, nähmen sie sofort die Lebensweise des „Wilden" wieder auf und seien genauso wie die Alten.

    Mich wollte dünken, jemand, der sich dazu hergab, unter den Indianern und für die Indianer zu arbeiten, müsse auch bereit sein, die Arbeit mit in den Kauf zu nehmen, die Schmutz und Ungeziefer bereiteten. Ich sagte das auch meinem Freund; aber der lachte nur dazu.

    Doch zu dem Indianer zurück!

    Der Mann war meiner Rede mit Aufmerksamkeit gefolgt. Dabei konnte ich mich aber des Eindrucks nicht erwehren, dass er das nicht tat, um zu hören und zu lernen, sondern um zu kritisieren und zu spionieren. Wiederholt hatte ein abweisendes oder ein spöttisches Lächeln um seine Lippen gespielt. Seine Augen schienen bald wütend zu protestieren, bald höhnisch zu fragen und dann wieder ruhig, kalt, überlegen abzuweisen. Ein paar Mal freilich hatte ich auch das Gefühl, als spiegelten sie ein im Inneren des Mannes sich regendes Interesse wider. Dann wurde der Blick warm, aber nur momentan; ein Willensakt des Besitzers der Augen brachte den Blick zu seiner kalten Ruhe zurück und ließ ihn teilnahmslos und tot erscheinen.

    In meinte, ein Geräusch zu hören, schrak zusammen, schlug meine Augen auf, da – vor mir, regungslos, wie ein Bild, stand im Rahmen der Haustür, der, an den ich dachte.

    Sofort erhob ich mich und wollte meinen Mund auftun, als der Indianer mir zuvorkam und eben die Frage, die ich an ihn richten wollte, an mich richtete.

    „Was willst du?", herrschte er mich an.

    „Danach wollte ich dich fragen, denn du kommst zu mir und nicht ich zu dir."

    „Was willst du?", fragte er noch einmal, ohne zu beachten, was ich gesagt hatte. Ich fühlte, er sprach in verhaltenem Groll.

    „Nicht so, mein Freund! Nicht du hast zu fragen, sondern ich, und ich frage dich jetzt – dabei trat ich ihm einen Schritt näher –, „was willst du?

    „Wenn du mir nicht sagst, was du willst", begehrte er auf, und seine Augen blitzten, „so will ich es dir sagen. Ich weiß, was du willst. Nehmen willst du. Du willst nehmen. Du willst nehmen, wie ihr Bleichgesichter alle nichts anderes wollt oder wisst und gewusst habt, seit ihr in unser Land gekommen seid. Aber du bist schlimmer als sie alle. Du willst uns auch das Letzte nehmen, was wir haben, das Einzige, das dieses Leben noch lebenswert macht, die einzige Lebensfreude, die wir haben. Ich rede nicht ganz richtig, ich sollte mich anders ausdrücken. So ist’s: Das Einzige willst du uns nehmen, was uns hilft, das zu ertragen, was ihr uns vom Leben noch übriggelassen habt."

    Er hielt einen Moment inne und gab mir Gelegenheit, einzuwerfen: „Wovon redest du?"

    „Du fragst noch, und du weißt doch, wovon ich rede. Unseren Hass willst du uns nehmen, der uns Kraft zum Leben gibt. O, wie ich hasse, euch hasse, ihr stolzen Bleichgesichter! Und wie wohl das tut, zu hassen! Er knirschte mit den Zähnen und schüttelte sich. „O, so wohl! Und wieder schüttelte er sich.

    Ich wollte etwas erwidern. Er ließ mich nicht zu Wort kommen.

    „Mehr noch, fuhr er fort, „mehr noch! Den Becher willst du uns nehmen, den Becher, den wir an den Mund setzen und leeren und wieder füllen und wieder leeren, bis uns die Sinne vergehen und wir nichts mehr wissen von dem, was wahr und wirklich ist, und alles vergessen, all unseren Jammer und alle unsere Qual.

    Man meinte, während er redete, man könne es ihm ansehen, welchen Genuss ihm das Saufen bereitete und wie das Verlangen nach dem Becher schier in ihm wütete.

    „Ja, fuhr er fort, „den Becher willst du uns nehmen. Er krallte die Finger zusammen, als wolle er ihn halten. „Der Becher ist der Trost unseres Lebens. Und auch die Würfel willst du uns aus der Hand reißen, die Würfel und die Karten. Sie helfen uns, die Zeit zu töten, die keinen Wert mehr für uns hat, seit ihr angefangen habt, euch um unsere Dinge zu kümmern. Du willst sie uns nehmen! Er sah mich sehr böse an. „Und nicht einmal die einzige Lust willst du uns lassen, die Lust der Nächte, dass wir heute dieses, morgen jenes Weib in unseren Armen haben. Das alles willst du uns nehmen, du, du Bleichgesicht du!

    „Habe ich das gesagt?", fragte ich mit großer Ruhe.

    „Nein, gesagt hast du das nicht. Aber das ist eben deine Tücke. Du kommst nicht frei heraus mit dem, was du willst. Umgarnen, umstricken willst du uns, damit du uns nachher umso sicherer hast."

    „Du tust mir unrecht mit dem, was du sagst."

    Er lachte hell auf. „Unrecht? Ich dir? Nein, du mir. Ich will lügen, stehlen, hassen, morden, saufen, spielen. Ich will das. Dafür lebe ich. Ich will das nicht hergeben. Verstehst du? Ich will nicht. Du sagst, du willst mir das nicht nehmen? Wenn du das nicht willst, warum sprichst du denn so, wie du heute Morgen geredet hast?"

    „Ich habe mit keinem Wort von dem allen geredet!", warf ich ein.

    „Nein, das hast du nicht. Aber von dem Jesus hast du geredet. Und wie hast du von ihm geredet! O, ich habe es wohl gemerkt, wenn man dir zuhört, wenn man dir glaubt, was du von dem Jesus sagst, dann gibt man das alles hin. Man muss, und ich werde das nicht tun." Dann schwieg er.

    „Mein lieber Freund!", hub ich an.

    „Nenne mich nicht Freund. Ich gab dir kein Recht, mich so zu nennen, ich bin nicht dein Freund, sondern dein Feind."

    „Nun denn: mein lieber Feind."

    „So etwas gibt es nicht."

    „Doch! Für dich vielleicht nicht, aber für mich. Und das Liebhaben liegt auf meiner Seite, nicht auf deiner. Du kannst mir weder verbieten noch wehren, dich für einen lieben Feind zu halten."

    Weil er hierauf nichts erwiderte, fuhr ich fort: „Es ist etwas Wahres in dem, was du vorher gesagt hast. Wer Jesum kennen lernt, gibt all die Dinge auf, die du vorher genannt hast. Aber ich sagte euch nicht zu dem Zweck von Jesu, um euch die Dinge zu nehmen. Die gebt ihr eines Tages aus freiem Willen her, indem ihr Jesum bitten werdet, sie von euch zu nehmen. Ich sage euch von Jesu, um euch etwas zu geben. Ihr sollt nehmen. Ich will nicht nehmen, ich will geben. Ich sollt nehmen, nehmen lernen, was Gott euch gegeben hat, euch, wie allen Menschen: das ewige Leben und die Vergebung aller eurer Sünden."

    „Davon sollst du schweigen, fuhr er auf, „ich will das nicht hören, und schweigst du nicht, er zog wie zufällig seinen Revolver aus der hinteren Hosentasche und begann damit zu spielen, „und schweigst du nicht, so hast du in mir einen Feind, so bitter, wie du noch keinen gehabt hast."

    „Kannst du schießen?", fragte ich mit erzwungener Ruhe und deutete auf die Schusswaffe in seiner Hand.

    „Ich verfehle nie mein Ziel!", erwiderte er und sah mich scharf an.

    „Siehst du die kleine Blechkanne dort drüben im Sand liegen?", fragte ich und wies zur offenen Tür hinaus.

    „Ja."

    „Schieß und triff sie."

    Der Indianer drehte sich ein wenig auf die Seite, hob den Arm, zielte, schoss und traf.

    „Ich kann auch schießen!", sagte ich, nahm ihm flugs die Waffe aus der Hand, was er ruhig geschehen ließ, und schoss die drei Kugeln, die noch in dem automatischen Revolver saßen, direkt vor seinen Füßen in den Fußboden.

    Der Indianer rührte sich nicht von der Stelle. Kein Zucken, kein Zurückziehen auch nur eines seiner Füße konnte ich wahrnehmen.

    Mit alter Ruhe fragte er, als ich ihm seine Waffe zurückgab: „Warum hast du die Löcher in den guten Fußboden geschossen?"

    „Das will ich dir sagen, entgegnete ich, indem ich ihm scharf in die Augen blickte, „diese Löcher sollen mir eine stete Erinnerung daran sein, dass hier an dieser Stelle einmal ein Indianer gestanden hat, der da meinte, ich fürchte mich vor seinem Revolver, der sich einbildete, er könne mich glauben machen, dass er es je wagen oder nur daran denken würde, seine Waffe wider mich zu erheben.

    Er sah mich von oben bis unten an, drehte sich langsam um und schickte sich an, das Zimmer zu verlassen.

    „Du solltest mir deinen Namen nennen, bevor du gehst. Mein Name wird dir durch deine Leute bekannt sein. Ich heiße David Brown!", sagte ich.

    Der Indianer antwortete nicht, sondern schritt durch die Tür, ging über die Veranda und stieg langsam die beiden Steinstufen hinab ins Freie.

    „Ich sollte doch den Namen meines Feindes kennen!, rief ich ihm nach. „Wie heißt du? Willst du mir nicht sagen, wie dein Name lautet?, bat ich noch einmal, ihm bis auf die Türschwelle folgend.

    Weiterschreitend drehte er seinen Kopf auf die Seite und rief mir über die Schulter hinweg zu: „Dohaschtida."

    „Dohaschtida, ich hoffe dich wiederzusehen!", rief ich ihm nach.

    Er gab keine Antwort und schritt hoch erhobenen Hauptes zu seinem Pferd, das er sofort bestieg und in gestrecktem Galopp davonjagte.

    Ich sah ihm nach, solange meine Augen ihm folgen konnten. Dann trat ich in mein Zimmer zurück und warf mich erschöpft in meinen Stuhl. Die kurze Unterredung hatte mich angegriffen. Wie sehr, das merkte ich jetzt erst. Mir trat der Schweiß auf die Stirn, und ich fühlte ein Beben in meinen Gliedern. Hätte Dohaschtida mich jetzt gesehen, er würde höhnisch aufgelacht und mich gefragt haben: „Du keine Angst?"

    Hatte ich wirklich keine Furcht gehabt? Nein, Furcht war es nicht gewesen, nur der Gedanke hatte mich gepackt, dass mein Leben in Gefahr stehe.

    Jetzt, bei ruhiger Überlegung, verwarf ich auch diesen als töricht und lächerlich. Dohaschtida war weder betrunken noch irrsinnig; er war wohl erbittert, erregt, erfüllt von Hass, aber doch nicht in einem solchen Zustand, in dem ein Mensch am Menschen zum Mörder wird.

    Dazu die ganze Persönlichkeit dieses Indianers. Obwohl voll Leidenschaft, würde dieser Mann doch nie etwas tun, das nicht das Resultat eines wohl überlegten, klar bewussten, scharf kontrollierten Wollens oder Nichtwollens wäre.

    Ich hätte mir die drei Schüsse in den Fußboden sparen können. Ein völliges Ignorieren der Waffe in des Mannes Hand von meiner Seite hätte dieselbe, wenn nicht vielleicht eine bessere Wirkung gehabt.

    Ich fragte mich: Wie hätte Dohaschtida gehandelt, wenn er an meiner Stelle gewesen wäre? So, wie ich handelte? Nein! Er hatte mich auf die Probe gestellt, und ich hatte dieselbe in seinen Augen ohne Zweifel nicht bestanden. Daher der verächtliche Blick, mit dem er mich von oben bis unten angesehen hatte. Er hielt mich wahrscheinlich für einen Furchtsamen, trotz all dem, was ich gesagt hatte.

    Ich konnte diesen Gedanken nicht ertragen. Es war mir nicht einerlei, was Dohaschtida von mir dachte.

    Es litt mich nicht in meinem Stuhl, in meinem Zimmer, unter meinem Dach; ich musste ins Freie, musste Raum, musste Luft haben.

    Ich ging hinaus, ließ mir von einem der Schuljungen ein Pferd satteln und ritt in die Berge. Ich hatte kein bestimmtes Ziel, ließ mein Pferd gehen, wohin es wollte, und merkte kaum, dass das Tier höher und höher zu einem der hinter dem Schulanwesen gelegenen Plateau mit mir hinaufkletterte.

    Meine Gedanken waren mit Dohaschtida beschäftigt und ich rief mir jedes seiner Worte, sein Mienenspiel, jede seiner Bewegungen ins Gedächtnis zurück. Ich wäre so gern zur Klarheit darüber gekommen, was ihn eigentlich zu mir getrieben, was er von mir dachte, was er mir mit seinem letzten Blick hatte sagen wollen.

    Plötzlich schrak mein Pferd zusammen. Ich auch. Ein greller, weit sich hinziehender Blitzstrahl zuckte über den Horizont.

    Ich schaute umher. Wir waren oben auf dem Plateau angekommen. Die Sonne war verschwunden, der ganze Himmel war mit grauen Wolken bedeckt. Ich hörte das Sausen eines nahenden Windes. Ein Sturm, wie ich noch keinen erlebt, fegte über das Plateau und nahm meinen Hut auf Nimmerwiedersehen mit sich. Mein Pferd stand still und drehte sich mit dem Rücken gegen den Wind.

    Zwei oder drei Minuten dauerte der Sturm. Dann war es still, und ein wolkenbruchartiger Regen setzte ein, begleitet von Donner und Blitz.

    Wie doch zuweilen die äußere Umgebung, in der man sich befindet oder in die man plötzlich hineinversetzt wird, eine umgestaltende Wirkung auf unser Denken und Empfinden ausübt! Mir wurde in diesem Augenblick klar, dass ich mich mit meinen Gedanken über Dohaschtida im Dunklen befunden hatte. Es kam wie eine plötzliche Erleuchtung über mich. Dohaschtida hatte mich gar nicht mit Verachtung oder Unwillen angeblickt. Es war etwas wie Enttäuschung oder Betrübnis gewesen, was in seinem Blick gestanden hatte. Es hatte ihn verletzt, er hatte nicht erwartet, dass ich so über ihn dächte, wie ich mich ihm gegenüber ausgelassen hatte. Er hatte gehofft, dass ich ihn trotz alledem, was er gesagt und getan hatte, seiner Mordgedanken fähig gehalten hätte.

    Dohaschtida, du willst nicht?

    Dohaschtida, du willst doch!

    In strömendem Regen, unter Donner und Blitzen, trat ich den Heimweg an. Als ich auf dem Schulanwesen anlangte, schien aber seit geraumer Zeit bereits wieder die Sonne, und diese hatte, unterstützt von einem leichten Wind, meine völlig durchnässten Kleider vollständig an meinem Leib wieder getrocknet.

    Van Augustus Sims, der Schulsuperintendent

    Am Abend dieses Tages saß ich mit dem Superintendenten der Indianerschule, meinem Freund Van Augustus Sims, auf der Veranda seines Hauses. Ich war seit etlichen Tagen sein Gast, hatte bis zu diesem Tag die Absicht gehabt, noch etwa eine Woche zu bleiben, wurde aber beständig von meinem Freund gedrängt, nicht nur noch länger zu bleiben, sondern ihm die letzten Monate meiner Erholungszeit, die ich im Westen Nordamerikas zubrachte, zu schenken.

    Während ich mich in San Franzisko aufhielt, hatte ich einen Brief von Van Augustus erhalten. Er musste irgendwo von meinem zeitweiligen Aufenthalt in Kalifornien gehört haben. Seit unserer Knabenzeit her wechselten er

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