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Jaalahn: Die Geschichte einer Indianerliebe
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Jaalahn: Die Geschichte einer Indianerliebe
eBook227 Seiten3 Stunden

Jaalahn: Die Geschichte einer Indianerliebe

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Über dieses E-Book

Dies Buch möchte zunächst ein Bild aus dem heutigen Indianerlager in Amerika geben. Sodann möchte es jenen Leuten, die für die Indianer, als einem schmutzigen, faulen, durch Trunk verkommenen Volk nichts übrig haben, zeigen, dass ihre Ansicht, es sei daraus nichts zu machen, eine irrige, auf Unkenntnis der Indianerart beruhende ist. Es möchte ihnen dies eigenartige Volk näher bringen und sie erkennen lassen, dass alle Zivilisationsversuche, zumal solche, die zwangsweise durchgeführt werden, vergeblich sind, wenn nicht Evangelisation vorangegangen ist oder wenigstens mit den Zivilisationsbestrebungen Hand in Hand arbeitet.
Die in der Erzählung berichteten Begebenheiten beruhen fast ausschließlich auf Wahrheit, nur dass, wie man das ja wohl gelegentlich tut, um ein Zeit- und Sittenbild in Erzählungsform zu bieten, von Verschiedenen Erlebtes, Gehörtes, Gesehenes an einen Ort, in eine Zeit und auf einzelne Personen zusammengetragen ist. Erzähler und Verfasser wünschen nicht als identische Personen angesehen zu werden.
Es ist dies ein erster Versuch des Verfassers, eine derartige Erzählung zu schreiben. Der geehrte Leser wolle sie freundlich und milde aufnehmen.

Arizona, Juni 1911

Gustav Harders
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum16. Jan. 2018
ISBN9783746077802
Jaalahn: Die Geschichte einer Indianerliebe

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    Buchvorschau

    Jaalahn - Gustav Harders

    Jaalahn

    Zum Buch

    1. Kapitel

    2. Kapitel

    3. Kapitel

    4. Kapitel

    5. Kapitel

    6. Kapitel

    7. Kapitel

    8. Kapitel

    9. Kapitel

    10. Kapitel

    11. Kapitel

    12. Kapitel

    13. Kapitel

    14. Kapitel

    15. Kapitel

    Schluss

    Impressum

    Zum Buch

    Dies Buch möchte zunächst ein Bild aus dem heutigen Indianerlager in Amerika geben. Sodann möchte es jenen Leuten, die für die Indianer, als einem schmutzigen, faulen, durch Trunk verkommenen Volk nichts übrig haben, zeigen, dass ihre Ansicht, es sei daraus nichts zu machen, eine irrige, auf Unkenntnis der Indianerart beruhende ist. Es möchte ihnen dies eigenartige Volk näher bringen und sie erkennen lassen, dass alle Zivilisationsversuche, zumal solche, die zwangsweise durchgeführt werden, vergeblich sind, wenn nicht Evangelisation vorangegangen ist oder wenigstens mit den Zivilisationsbestrebungen Hand in Hand arbeitet.

    Die in der Erzählung berichteten Begebenheiten beruhen fast ausschließlich auf Wahrheit, nur dass, wie man das ja wohl gelegentlich tut, um ein Zeit- und Sittenbild in Erzählungsform zu bieten, von Verschiedenen Erlebtes, Gehörtes, Gesehenes an einen Ort, in eine Zeit und auf einzelne Personen zusammengetragen ist. Erzähler und Verfasser wünschen nicht als identische Personen angesehen zu werden.

    Es ist dies ein erster Versuch des Verfassers, eine derartige Erzählung zu schreiben. Der geehrte Leser wolle sie freundlich und milde aufnehmen.

    Arizona, Juni 1911

    Gustav Harders

    Gustav Harders wurde 1863 in Kiel geboren. 1889 wanderte er nach Amerika aus und heiratete dort. Er war Pastor und Rektor der lutherischen Kirche und Schule in Milwaukee und diente anschließend bis zu seinem Tod im Jahr 1917 in Indianerreservationen in Arizona als christlicher Missionar.

    1. Kapitel

    „Ein kranker Mann", tönt es hinter mir, und zugleich zupft jemand an meinem Hemdsärmel. Ich drehe mich um. Hinter mir steht ein altes Indianerweib und weist mit dem Zeigefinger der Rechten auf eine der etwa dreißig Hütten, in deren Mitte ich soeben zu den Indianern gepredigt hatte.

    „Ein kranker Mann, sagt sie noch einmal, „dort, dort!

    Sie packt mich an meinem Gürtel und macht einen Versuch, mich nach der Hütte hinzuziehen. Die Alte ist offenbar Gattin oder Mutter des Kranken, und es reut mich, dass sie mich an dem Krankenbett haben will. Ich gehe mit ihr.

    Als ich in die Nähe der Hütte komme, fällt mir sofort die große Sauberkeit auf, in der die Umgebung gehalten ist. Da liegen keine Knochen, Blechkannen, Hasenfelle, Hühnerfedern, Lumpen und anderer Abfall umher wie meistens in den Indianerhütten, und auch die Hütte selbst macht keinen üblen Eindruck.

    Nicht in ihrer Bauart unterscheidet sie sich von den übrigen: Auch sie ist in Halbkugelform hergestellt. Bei einem Durchmesser von zirka zehn Fuß sind etwa zwölf Fuß lange Strauchschößlinge in den Boden gesteckt; sie sind alle nach der Mitte hin heruntergebogen und dort zusammengebunden. Aber die Leinwand, die darüber gespannt ist, ist sauber und stark; ihre einzelnen Stücke sind geschickt und sorgfältig befestigt; glatt und prall ist die Leinwand über das Strauchwerk gezogen, schier wie das Lederkleid eines Schlagballes besten Fabrikats.

    Mein Dolmetscher Nauogo, der mir gefolgt ist, flüstert mir zu: „Der Mann ist schwindsüchtig, er ist vor einigen Monaten aus G., wo er gearbeitet hat, krank hierher heimgekehrt."

    Damit sind wir an der Hütte herangekommen. Nauogo lüftet das Zelttuch, und wir kriechen durch die drei Fuß hohe Öffnung ins Innere.

    Es ist ein heißer Tag. Ich trage nur ein leichtes seidenes Hemd und ein Paar leinener Beinkleider. Aber in der Hütte brennt ein kräftiges Feuer, neben dem der Kranke, in mehrere wollene Decken gehüllt, auf dem Erdboden ruht.

    Er hat den Kopf in die Rechte gestützt, während er mit der Linken das Feuer schürt. Die Hand, die den Schürstock hält, ist abgemagert, aber wohlgeformt, wie meistens die Indianerhände, die schwere Arbeit nicht zu tun pflegen.

    Wir setzen uns am Feuer nieder. Die Indianer Arizonas, unter denen ich mich hier aufhalte, üben die Sitte des Grüßens nicht, wenn sie jemandem begegnen oder in eines anderen Hütte treten. Man nimmt einfach am Feuer Platz und wartet stumm ein paar Minuten, bevor ein Gespräch begonnen wird. Ich mache es auch so.

    Der Kranke hat uns noch keines Blickes gewürdigt. Er hat den Kopf etwas nach vorn geneigt, und ein breitrandiger Hut, den er trägt, verdeckt uns das Gesicht vollständig.

    Jetzt kommt auch die Alte herein und setzt sich gleich uns ans Feuer.

    „Seine Mutter, flüstert Nauogo, „sie hat nur das eine Kind noch. Die anderen sind schon alle tot. Sie hat schon fast alle ihre Pferde, wohl an hundert, verkauft, um all die Ärzte und Medizinmänner zu bezahlen, bei denen sie Hilfe für ihren Sohn gesucht. Alles umsonst. Sie verstehen kein Englisch, sagt er, als ich ihm ein Zeichen mache, er solle nicht so reden.

    Ich halte es jetzt für gegeben, zu dem Kranken zu sprechen. Weil ich als Geladener in der Hütte bin, brauche ich nicht auf eine Anrede des Hausherrn zu warten, wie es sonst die Sitte erfordert. „Habe gehört, dass du krank bist, mein Freund, darum bin ich zu dir gekommen."

    Er hat nichts darauf zu erwidern.

    „Ich bin kein Arzt, hebe ich wieder an. „Medizin kann ich dir nicht bringen; aber ich kann dir von jemandem erzählen, der mehr vermag als alle Ärzte der Welt und der helfen kann und will, wo kein Arzt und Medizinmann mehr Hilfe weiß. Soll ich einmal von ihm reden?

    Keine Antwort. Keine Bewegung in dem lang hingestreckten Körper; nur die linke Hand schürt müde und lässig das hell lodernde Feuer, das des Schürens nicht bedarf.

    Ich rede weiter. Nauogo übersetzt Satz für Satz in die Sprache des Kranken. „Der, von dem ich dir eben sagte, hat mich zu dir geschickt. Ich bin sein Diener. Er hat mich geheißen, wo Kranke, Elende, Sünder, Mühselige, Sterbende, Gefangene, Verlassene sind, da soll ich hingehen und ihnen von ihm erzählen. Soll ich dir einmal seinen Namen nennen? Soll ich dir sagen, wer er ist und wie und wo du ihn finden kannst?"

    Wieder keine Antwort. Ich aber fahre fort und erzähle ihm von Jesu Christo, dem Sohne Gottes, der in diese Welt kam, zu suchen und selig zu machen, was verloren war, der sich einen Arzt heißt und der da sagt: Die Starken bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken, die Schwachen.

    Es ist, als wenn ich zu einem Stein redete. Der Mensch spricht nicht, er rührt sich nicht. Auch das Schüren im Feuer hat er eingestellt.

    Nauogo wird schon ungeduldig. Er sagt: „Wir wollen gehen. Er will nichts von dir wissen. Er spricht nicht."

    Aber ich mache noch einen Versuch. Ich sagte: „Wir können zu dem großen Helfer reden. Er hat versprochen, bevor er diese Welt wieder verließ: Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen. – Wir sind unser vier. Du, deine Mutter, Nauogo und ich. Wollen wir einmal mit ihm reden?"

    Meine Erwartung, er würde nun eine abweisende Bemerkung oder wenigstens ein abwehrendes Zeichen machen, erwies sich als irrig. Er gab keinen Laut von sich, noch kam irgendwelche Bewegung in dem noch immer in derselben Lage hingestreckten Körper.

    „Wenn man mit Jesu redet, so nennt man das Beten. Jesus ist der Sohn des lebendigen Gottes. Du weißt nicht, wie man zu ihm betet. Mich hat man das gelehrt, und darum will ich jetzt für dich zu ihm beten. Ich weiß, es ist ihm recht, wenn ich das tue, und er hört es gern." Und dann betete ich.

    Ich hatte das Amen gesprochen. Als dann immer noch kein Leben in den Kranken kam, war es mit Nauogos Geduld zu Ende. Er sprang auf und sagte: „Ich gehe", und er wandte sich zum Ausgang.

    Ich erhob mich auch; und während ich das tat, legte ich meine Hand auf die Schulter des Kranken, und ohne mir weiter etwas dabei zu denken, sagte ich in seiner Sprache die Abschiedsworte: „Jaalahn schick – e – i!" Das ist: Leb wohl, auf Wiedersehen, mein Freund.

    Da, mit einem Ruck, so kurz und hart, dass der Hut herunter glitt, flog der Kopf des Kranken in die Höhe. Ein Wort in seiner Muttersprache aus des Fremdlings Mund hatte ihn aus seiner Zurückhaltung herausgerissen.

    Ich erschrak und fuhr zusammen, weniger infolge dessen, was geschehen, als ob des Anblicks, der sich mir so ganz unerwartet bot. Weder im Leben noch auf Bildern hatte ich je ein so schönes, edles Antlitz gesehen. Wie feinster brauner Seidensammet erschien die dunkle, rot durchglühte Haut. Der Mund, ein wenig geöffnet, zeigte die schönsten weißen Zähne. Leise bebten die Flügel der stolzen, leicht gebogenen Nase. Und – die Augen! In ihrer schwarzen Tiefe brennt ein Feuer, ein Feuer, man weiß nicht, ob es aus dem Himmel oder aus der Hölle stammt. Und die Augen, sie richten sich auf mich. Sie suchen die meinen. Sie lassen mir keine Zeit, darüber zu sinnen, was das für ein Feuer sei, das da in ihnen brennt; aber sie lassen es mich fühlen. Es ist mir, als wollten ihre Strahlen sich in mein Innerstes bohren, als lechzten sie danach, mir meine Seele auszuschlürfen.

    Mein Denken verwirrt sich, meine Geistesruhe verlässt mich.

    Aber nur momentan. Sofort mir klar: Hier gilt es einen Kampf. In diesem Kampf unterliegen, heißt, alles verlieren.

    Auge wider Auge. Blick wider Blick. Und von dem brennenden Verlangen erfüllt, Liebe und Vertrauen dieses schönen Menschenkindes zu gewinnen und ihm die ganze Liebe, deren das eigene Herz fähig ist, zu schenken, senke ich meiner Augen Blicke in die seinen.

    Da öffnen sich die Augen noch weiter, und das Feuerbrennen und Strahlenschießen wird heftiger, lebhafter, wie unerwarteter Widerstand das wirkt. Die Augen fangen an zu reden, ich weiß nicht, was; es ist mir zurzeit auch ganz gleichgültig; nur heißer, glühender wird mein Verlangen, die Seele dieses Menschen zu gewinnen, für mich, für den, in dessen Dienst ich stehe, Jesum von Nazareth, der Juden König.

    Obwohl mir nicht klar ist, was die beiden schwarzen Augen da reden, ist mir’s doch, als ob jedes ihrer unausgesprochenen Worte dazu beitrüge, in meinem Herzen die Liebesglut zu meinem Gegner stärker, lichter zu entfachen. Sie wollen töten, vernichten, die Augen; aber sie beleben, erwecken, nähren. Anstatt des Gegners Kräfte zu schwächen und lahmzulegen, stärken sie dieselben von Sekunde zu Sekunde.

    So konnte es nicht anders enden, als wie es geschah. Nachdem wir uns wohl zwei Minuten angeschaut und mit den Blicken gerungen, ergab sich der Indianer. Langsam senkten sich Blick und Haupt, und der Kranke lag wieder vor mir, wie er gelegen, als ich die kleine Hütte betrat. Da legte ich ihm noch einmal die Hand auf die Schulter und sagte, ihm die Rechte über das verglimmende Lagerfeuer hinstreckend; „Jaalahn schick – e – i!"

    Er nahm die Hand, drückte sie leise, schaute aber nicht auf und sagte auch kein Wort. Ich erwartete aber kein solches, jetzt noch nicht; aber davon war ich in meinem Herzen überzeugt: Wenn ich wiederkäme, würde er mit mir reden.

    Ich reichte noch der Alten die Hand, und dann kroch ich zur Hütte hinaus. Momentan durchzuckte mich der Gedanke, mich noch einmal umzuschauen, um zu sehen, ob der Kranke mir vielleicht nachblicke. Ich gab das aber sofort wieder auf, ja, ich schämte mich dessen. Wie durfte ich denken, dass dieser Mann, der den Fremdling anfangs keines Blickes gewürdigt hatte, sich dazu herablassen würde, dem Gegner, vor dessen Augen sein Blick sich gesenkt, mit den seinen zu folgen! Nie hätten diese Augen so etwas fertig gebracht.

    Tief aufatmend stand ich wieder im Freien. Ich hatte ein Gefühl, als sei eine Kraft von mir ausgegangen, und langsam folgte ich Nauogo, der schon bei unseren Pferden angelangt war, die wir etwa zweihundert Fuß von der Hütte des Kranken an einen Moskitestrauch angebunden hatten.

    Ich war, nachdem ich mich zu Nauogo gesellt, gerade damit beschäftigt, mein Sattelzeug zu ordnen, und hatte eben den Bauchriemen angezogen, als ich, aufblickend, eiligen Schrittes eine junge Indianerin sich uns nähern sah.

    Sie schien Angst zu haben, wir möchten ihr davonreiten, bevor sie uns erreicht, und machte Zeichen mit beiden Händen, die uns sagten, dass wir warten sollten, sie wolle etwas von uns.

    Es war eine anmutige Erscheinung, die da auf uns zu kam. Sie war mittelgroß und schlank gewachsen; ihre Bewegungen waren von natürlicher, angeborener Eleganz, die sonderlich dadurch zur Geltung kam, dass das Mädchen einen steinigen, unebenen Weg gehen musste.

    Der weite, faltige Rock, den sie trug, war purpurrot, am Saum mit mehreren breiten weißen und blauen Streifen geziert. Die lose Bluse mit den weiten Ärmeln, die leicht darüber fiel, war von lichtblauer Farbe, und über den Rücken hing ihr bis auf den Boden herab ein mehr zum Schmuck als zu sonst etwas dienender satt goldgelber Mantel, wie ihn die Indianerinnen zu tragen pflegen.

    Viele Perlenschnüre von Glas und allerlei Münzen hingen ihr um den Hals und an den Armgelenken und glitzerten im Sonnenschein gerade, wie die pechschwarzen Haare zu sprühen schienen, die in dicken, dichten Strähnen tief auf den goldgelben Mantel herab fielen.

    Diesen kunstlos aus ein paar Kalikostreifen zusammengenähten Mantel blies ein frischer Wind in die Luft, während das Mädchen in stetig zunehmender Eile uns näher und näher kam.

    Ganz außer Atem hielt sie bei uns an und trat dicht an mich heran.

    Es dauerte eine geraume Zeit, bis sie reden konnte. Man sah es, das Mädchen befand sich in einem Zustand hochgradiger Erregung.

    Sie legte ihre Hände ineinander, wie einer, der beten will. Mit feucht schimmernden Augen blickte sie zu mir auf und sagte in fließendem Englisch, wie man es selten von einem Indianermädchen zu hören bekommt: „Wirst du ihn gesund machen?"

    Sie sagte das wie ein Mensch, dem es um seiner Seele Seligkeit bange ist. Die Qualen eines zu Tode geängstigten Herzens sprachen aus dem Ton, in dem sie redete, und wie war es so klangvoll, so weich, so berückend süß, dieses Organ! Wie aus dem Herzen kommend und tief dem Hörer zu Herzen dringend die Worte!

    Wirst du ihn gesund machen? Es war Fragen und Bitten zugleich. Flehentliches Bitten und besorgtes Fragen, sonderlich als das Mädchen diese Worte wiederholte, dieweil ich nicht gleich antwortete; dazu legte sie beschwörend ihre beiden Hände in meine Rechte, die bereits den Zügel des Pferdes hielt.

    „Ich kann keinen Menschen gesund machen; das kann nur Gott!", sagte ich ruhig und langsam.

    „Den kenne ich nicht!", entgegnete sie schroff.

    „Ich will dir von ihm sagen, erwiderte ich, „wie ich eben dem Kranken von ihm gesagt habe, denn dass sie von diesem redete, war mir gewiss.

    Sie schien wenig auf diese meine Worte zu achten, denn kaum hatte ich ausgeredet, da setzte sie ein, und die Worte sprudelten nur so von ihren Lippen: „Unsere Medizinmänner können ihm nicht helfen. Sie taugen nichts, sine sind alle Betrüger und Lügner. Die Ärzte in G. können auch nicht helfen, und der Regierungsarzt versteht nichts. Aber er darf nicht sterben. Er darf nicht!"

    Sie stampfte mit dem Fuß auf den Erdboden. „Nein, er darf nicht sterben; ich will’s nicht, ich erlaube es nicht! Er muss leben! Hörst du, blauäugiger Mann?! Er muss, er muss! Er soll leben für mich! Und wenn du ihn nicht gesund machst, wehe dir! Was willst du sonst hier? Dann magst du wieder hingehen, woher du gekommen. Wir wollen dich nicht, wir können dich nicht gebrauchen, wenn du uns nicht unsere Kranken gesund machen willst!"

    Der Ton, in dem sie redete, war immer heftiger, drohender, fordernder geworden. Aber plötzlich schlug er um. Er wurde wieder weich und süß, schier noch weicher, als er klang, da sie ihre erste Frage an mich richtete. „Aber wenn du ihm hilfst, Blauauge, liebes Blauauge, danken will ich dir, danken mein Leben lang, und alles tun, was du willst. Ich habe noch nie einem weißen Mann gedankt, noch nie!"

    Sie sprach wieder erregt und heftig, und das Funkensprühen ihrer schwarzen Augen setzte wieder ein. „Der weiße Mann hat mich in seine Schule genommen, sieben lange Jahre hat er mir alles gegeben, was nötig zum Leben und Lernen war. Kleider, Schuh, Essen, Trinken, Bücher, alles, alles hat er mir gegeben und mich gar vieles lernen lassen. Oft hat man uns gesagt in der großen Schule, wie so dankbar wir dem weißen Mann sein müssten. Dankbar?"

    Sie lachte auf. „Dankbar? Wofür? Dafür, dass er uns, wie einem Hund, ein paar Brocken hinwirft, wo eigentlich alles uns gehört, was er sein eigen zu nennen sich erdreistet? Dankbar sein dem, der uns etwas gibt, was wir gar nicht haben wollen, nachdem er uns alles, was wir hatten und liebten, genommen: unser Land, unsere Freiheit, unsern Willen, unser Glück? Ihm dankbar sein? Aber dir, Blauauge, will ich danken. Du sollst der erste weiße Mann sein, dem Dallediene Juvildelle ein Achächäe (ich danke dir) murmelt. Was sage ich? Murmeln?"

    Sie war näher an mich herangetreten, und – alles um sich her, selbst indianischen Brauch und Frauensitte vergessend – legte sie ihre Hände auf meine Schultern

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