Indian Vision: spiritueller Roman
Von Wolf E. Matzker
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Über dieses E-Book
Wolf E. Matzker
Wolf E. Matzker, geb. 1951, zivilisationskritischer Autor und naturverbundener Künstler (spirituelle Wildlife-Art), erforscht und lebt eine freie, kreative Spiritualität. Die Entfaltung der menschlichen Seele und Sensibilität, die Wertschätzung und Achtung der wilden Natur sind ihm ein zentrales Anliegen.
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Buchvorschau
Indian Vision - Wolf E. Matzker
Quest
Vorwort:
Menschen haben Visionen, große Visionen. Seit den Urzeiten. Alle großen Persönlichkeiten hatten ihre Vision, ob es nun eine vom eigenen Bewusstsein unabhängige Erscheinung war oder nicht, ob mehr oder weniger Trance. Es war ihr großer Traum vom Leben, von ihrer Lebensaufgabe, von ihrer Bestimmung, die sie als heilig empfunden hatten. Dafür gaben sie alles. Dafür gaben sie am Ende ihr Leben. Aber wichtiger war und ist natürlich der Aspekt, dass die Visionen realisiert werden wollen. Sie sollen konkrete Wirklichkeit werden.
Die Visionen haben die Menschen vorangebracht, nicht die vielen Behinderungen, die Ablehnungen, die Verfolgungen und die Vernichtungsversuche der reaktionären Menschen.
Immer wollten sie die großen Träume schlecht machen und die großen Visionäre umbringen. Dafür gibt es im Laufe der Geschichte leider sehr viele Beispiele. Erst eine befreite Menschheit wird ihr Verhalten in der Hinsicht ändern. Noch ist das nicht der Fall.
01. Die Vision von: „Peace, Love and Understanding."
Stella hatte einen Brief aus Santa Fe erhalten. Was hatte sie mit Santa Fe zu tun? Warum erhielt sie einen Brief aus dem fernen Santa Fe? Es war ein Brief von den Verwaltungsbehörden dort.
Sie überflog den Brief, weil sie schnell feststellen wollte, dass es sich um einen Irrtum handelte, denn es konnte sich für sie nur um einen Irrtum handeln. Aber es war keiner. Es ging um ihren Vater, der ihr ein kleines Anwesen vererbt haben sollte. Wie das?, fragte sie sich. Vielleicht ist es doch ein Irrtum.
Von ihrem Vater hatte sie seit Jahrzehnten nichts gehört. Ihre Mutter hatte ihn immer nur den „Spinner" genannt. Ach, der Spinner! Oder sie nannte ihn den Hippie, den Verrückten, den Illusionisten, den Kiffer, den Träumer. Seit Jahrzehnten hatten sie keinen Kontakt gehabt. Und jetzt meldete sich Santa Fe. Offensichtlich hatten sie Forschungen angestellt und sie, Stella, ausfindig gemacht, um ihr von dem Erbe Mitteilung zu geben.
Das interessiert mich aber nicht, dachte Stella. Ich werde ihnen schreiben und ihnen mitteilen, dass ich an dem Erbe kein Interesse habe. Sollen sie es irgendeinem guten Zweck zuführen. Ist mir egal. Mich belastet und belästigt das nur. Mich interessieren auch nicht mein Vater und seine Spinnereien. Alles nur „Wolkenspinnereien", meinte ihre Mutter immer wieder. Ihre Mutter war eine realistische Managerin eines kleinen Unternehmens.
Nichtsahnend hatte sie den Briefkasten geöffnet und den Brief aus dem weit entfernten New Mexico gefunden. Plötzlich erreicht einen ein Brief – und der ganze Tag verläuft anders als geplant. Hat eine andere Färbung, eine andere Stimmung. Alles ist anders. Die Wörter Santa Fe und New Mexico wecken irgendwelche Vorstellungen einer ganz anderen Landschaft, einer ganz anderen Atmosphäre. Plötzlich spielt eine andere Musik im Kopf und man muss ihr zuhören, ob man es nun will oder nicht. Plötzlich war sie mit ihrer vergessenen, verdrängten Vergangenheit konfrontiert worden. Plötzlich war eine Tür in eine andere Welt geöffnet worden. Stella wusste nicht, was das sollte und sie wusste nicht, wohin das führen würde.
„Du kannst ja einfach mal hinfahren," meinte ihre Freundin Sybille.
„Dazu habe ich wenig Lust. Was soll mich da schon erwarten? Nach dem Schreiben scheint das Anwesen nicht viel Wert zu sein. Ich werde ihnen schreiben, dass sie es verkaufen sollen."
„Warum so voreilig? Wer weiß, was dort verborgen ist. Vielleicht ein Geheimnis deines Vaters."
„Ja, vielleicht. Vielleicht aber auch nur jede Menge Vergangenheitsmüll. Alte Schallplatten, alte Bücher, alte Fotos. Man kennt das. Man will das alles nicht haben."
„Du. Du willst es jetzt, heute nicht haben. Das muss aber nicht so bleiben. Das könnte sich ändern, wenn du etwas entdeckst, das dir etwas bedeutet. Sage einmal, was weißt du eigentlich von deinem Vater?," wollte Sybille wissen.
„Nicht viel. Meine Mutter hatte mir erzählt, dass er damals nach Nepal gegangen war. Später in die USA. Auf der Suche nach einer besseren Welt, auf der Suche nach einer Alternative. Zu Anfang, als ich ganz klein war, hatte er mir noch Ansichtskarten geschickt. Später habe ich dann nichts mehr gehört. Wollte ich auch nicht. Meine Mutter erst recht nicht, weil sie einen neuen Mann hatte. Einen Rechtsanwalt, den ich dann auch viel mehr als meinen „Vater empfunden hatte. Die alte Geschichte aus den sechziger Jahren war bei uns erledigt.
„Eine Art Tabu?"
„Kann man so sagen. Eine Art Tabu."
„Rede nicht von den wilden Zeiten. Wenn man sich in der Gesellschaft eingerichtet hat, kann man nicht mehr von wilden Zeiten reden. Sie werden dann verdrängt. Gegenüber den vernünftigen Ansprüchen kann man dann nicht mehr das Illegale rechtfertigen, ob es nun LSD oder eine Sexparty oder ein indischer Guru gewesen sein mag. Und die Weltrevolution in der Nachfolge von Che Guevara schon gar nicht."
„Du scheinst dich ja auszukennen. Mich hat das nie so intensiv interessiert. Meine Mutter hatte ja einen Strich gezogen. Das frühere Leben abgelegt. Das hat mich sicher beeinflusst."
„Dann ist jetzt vielleicht der Zeitpunkt gekommen, das zu ändern, meinte Sybille. „Die Welt deines Vaters zu erforschen. Auf jeden Fall würde ich hinfahren, mir das ansehen. Dann kannst du dich immer noch dagegen entscheiden, falls es wirklich nur alter Vergangenheitsmüll sein sollte. Mein Gefühl sagt mir allerdings etwas anderes. Da steckt etwas dahinter. Viel mehr, als du ahnst.
„Ach, ja, Sybille deutet wieder die Botschaften."
„Sicher. Es ist eine Botschaft für dich. Das sagt mir mein Instinkt. Ich rieche das von New Mexico bis hierher."
„Na, toll. Was für eine Nase du hast."
„Du solltest nicht so abweisend sein. Öffne dich dem. Fahre hin und schaue selbst. Man muss immer selbst nachschauen. Von hier kannst du das nicht. Du muss sehen, wie es dort aussieht. Die Landschaft riechen. Den Ort deines Vaters spüren. Kennst du eigentlich die psychedelische Musik?"
„Nein. Was ist das?"
„Das ist die Musik der damaligen Zeit, um ca. 1967. Man muss sie hören, dann kann man den Geist spüren. Ich werde dir mal ein paar Stücke vorspielen," meinte Sybille. Sagt dir der Begriff underground etwas?"
„Nein, abgesehen von der allgemeinen Bedeutung," sagte Stella.
„Dann werde ich dir das einmal erklären. Aber beginnen wir mit der Musik, weil er vor allem die Musik war, welche die Bewegung ausgemacht hat."
Aus den Aufzeichnungen von Stellas Vater
Wir wollten eine andere Welt. Wir wollten eine ganz andere Welt nach dem Wahnsinn des Weltkrieges. Die kapitalistische Gesellschaft würde immer nur zu Unterdrückung und zu Krieg führen. Vietnam hat es gezeigt.
Vietnam war für uns ein Synonym für eine brutale, idiotische Politik. Es war für uns in jeder Hinsicht geisteskrank. Wir lehnten eine geisteskranke und eine brutale Politik und Gesellschaft völlig ab. Dafür wollten wir eine ganz andere Welt, die friedlich war, die von Verständnis geprägt war – und in der die „Liebe gelebt wurde. „All you need is love!
Das war unser Motto.
Die „Liebe", von der in Sonntagspredigten immer die Rede war, sollte jeden Tag gelebt werden. Konkret und ohne irgendwelche Schranken und Behinderungen. Das hatte es zuvor niemals in der Welt gegeben. Immer war von den Mächtigen alles beherrscht und reguliert worden. Die Machthaber aller Zeiten haben sich selbst nie an Regeln gehalten. Die Regeln, Gesetze und Gebote, ob spirituell oder staatlich, waren nur für die unterdrückte Masse da. Mit den Regeln wollten sie immer die einfachen Leute unterdrücken und rücksichtslos ausbeuten. Das war immer so. Auch heute.
Das schöne Gerede von der „Liebe" war für den Sonntag. Es war kultureller Schein. Propaganda und Opium fürs Volk. Mehr nicht. Es sollte nicht wirklich gelebt werden, weil es das System der Mächtigen zu Fall gebracht hätte.
Alle Gefühle sollten ausgedrückt werden dürfen. Wir haben daran geglaubt, dass das einfach und sinnvoll ist. Wir wollten uns nicht mehr unterdrücken lassen, sondern einfach nur leben. Einfach so in den schönen Tag hinein. Es war klar, dass uns alle Angepassten, alle Mitläufer und Jasager hassten. Die langen Haare, die Kleidung, die Musik, die freie Liebe. Sie hassten all das. Sie machten es lächerlich. Sie schüttelten ihre Betonköpfe. Für sie waren wir unzivilisiert und wie Wilde. Wer angepasst ist und in der Kolonne mitmarschiert, der hasst immer das Wilde. Es erinnert ihn an das, was er verloren hat, was man ihm weggenommen hat. Es erinnert ihn daran, dass er ein Eunuch im Soldatenheer des Kaisers ist, ein erbärmlicher Eunuch. Es erinnert ihn daran, dass er ein kastrierter Funktionsmensch ist, nur das Rädchen in der großen Maschine, an deren Schrauben der Boss dreht, wie er es will.
Das war uns klar. Wir haben das Falsche des Systems durchschaut. Wir hatten den Durchblick. Auch dafür hassten sie uns.
Wer unterdrückt ist, kann keine wirkliche Liebe in sich haben und schon gar nicht leben. Im Gegenteil, er hasst die wilden Leute, er hasst alles, das frei und unabhängig ist, er hasst sich selbst und das Körperliche, und am Ende hasst er den freien Geist und auch Jesus Christus. Das ist die Wahrheit. Wer unterdrückt ist, kennt nur die angepasste Form der Liebe, die aber weder ekstatisch noch spirituell ist.
Wir wollten Ekstase und absolute Freiheit.
*
„Ich werde dir ein wenig Musik vorspielen. Über die Musik kannst du leicht den Geist des Underground erfassen."
„Underground heißt für mich nur Untergrund," meinte Stella.
„Es ist aber viel mehr als nur ein bisschen sozialer Untergrund, den es zu allen Zeiten gegeben hat und geben wird. Die ersten Christen lebten in Rom im Untergrund, in den Katakomben. Aber sie wollten nicht nur eine spirituelle, ernsthafte Alternative zu dem römischen Zirkus der spirituellen Vielfalt, sondern sie wollten eine gänzlich andere Welt."
„Meinst du, dass die Hippies mehr wollten als nur ein bisschen easy living, mehr als nur freien Sex und freien Drogenkonsum?"
„In deiner Frage spiegelt sich genau die Haltung der Durchschnittsbürger wider. Für sie war es nur das, weil sie die tiefere Dimension nicht erfasst hatten. Auch nicht erfassen konnten. Höre dir mal diese Gruppe an. Diese Platte hat den Titel: ONE NATION UNDERGROUND und ist von der Gruppe PEARLS BEFORE SWINE. Die Musik wird wohl hauptsächlich in die Sparte Folk-Rock eingeordnet, aber ich denke, es ist auch psychedelischer Rock, wenigstens teilweise. Wie auch immer, zwei Lieder sind besonders bemerkenswert. Einmal dieses: Another Time."
Where have you been to?
Where did you go?
Did you follow the Summer out
When the Winter pushed its face in the snow?
Or have you come by again
To die again?
Try again another time
Did you follow the Crystal Swan?
Did you see yourself
Deep inside the Velvet Pond?
Or have you come by again
To die again?
Try again another time
When you set to shape the world
Was the shape the shape of You?
Or did you cast enchanting glances
Thru the Eye that all men use?
Or have you come by again
To die again?
Try again another time
Did you find that the Universe
Doesn't care at all?
Did you find that if you don't care
This whole wrong world will fall?
Or have you come by again
To die again?
Try again another time
Did you ever capture
All those jewels in the sky?
Did you find that the world outside
Is all inside your mind?
Or have you come by again
To die again
Try again another time
(Auf dem Plattencover ist der Text in dieser Form abgedruckt.)
„Durchaus, ein schönes Lied," meinte Stella.
„Es geht um eine andere Weltsicht. Es geht darum, das Leben besser und richtiger, tiefer und poetischer zu erfassen. Es richtet sich indirekt gegen die amerikanische, oberflächliche, materialistische Lebensweise."
„Also sollen wir dem Crystal Swan folgen, ja? Um dann irgendwann die „jewels in the sky zu sehen?
„Genau. Du sollst eine andere Lebenseinstellung entwickeln, weil die materialistische oberflächlich ist. Nehmen wir das zweite Lied. Ein weiteres typisches Thema: DROP OUT! Aussteigen, aus dem System fallen, nicht mehr mitmachen, mitlaufen, mitmarschieren in der Kolonne."
Drop out
Drop out with me
And just live your life
Behind your eyes
Your own skies
Your own tomorrows
Just be yourself
And no one can step
Inside your mind
From behind
If you just walk out
They made the rules
And they laid it
On us all
Don't you fall
'Cause then they own you
They're using you
to kill all the echoes still
Around
From the sound
Of calenders crumbling
They made the bomb
Would they drop it
On us all?
Great and small?
But must we follow?
Drop out with me
The refrain:
Don't you worry girl
Don't you worry
The whole world's
in too big a hurry
„Also, das ultimative Aussteigerlied aus dem Jahre 1967."
„Ja., sagte Sybille. „Die Gründe und die Motive sind zeitlos. Sie haben für alle Zeiten Gültigkeit, in denen ein System mehr oder weniger diktatorisch alles bestimmt. Die Bombe steht für die Atombombe, für die absolute Zerstörung. Damals hatten viele begriffen, dass das westliche, materialistische System kein System der Freiheit ist, sondern Anpassung und Unterwerfung fordert.
„Interessant."
„Ja, sie hatten das voll durchschaut. Hinter die Maske geblickt. Sich nicht blenden und verführen lassen. Sie wollten sich selbst leben. „Just live your life. Man kann es als simples Motto abtun. Es wurde auch von den meisten nur abgetan. Angepasste Menschen können nur mit Abwehr reagieren, denn dieses Motto kann ihr bisheriges Leben auf den Kopf stellen.
„Langsam verstehe ich, worum es geht. Um eine wirklich Alternative. Nicht nur um eine kleine individuelle Variation beim Marschieren im Mainstream, sondern um eine gänzlich neue Sichtweise."
„Siehst du. Darum ging es deinem Vater. Eine ganz neue Sichtweise des Lebens finden."
„Das Bibelzitat auf dem Cover der LP ist mir nicht ganz klar.
„Give not that which is Holy unto the dogs; neither cast ye your PEARLS BEFORE SWINE, lest they trample them under their feet, and turn ye on, and rend ye." Math. 7,6.
Verstehst Du das?"
„Suchen wir mal die deutsche Übersetzung:
Gebt das Heilige nicht den Hunden und werft eure Perlen nicht den Schweinen vor, denn sie könnten sie mit ihren Füßen zertreten und sich umwenden und euch zerreißen.
Das ist ein Appell aus der Bergpredigt von Jesus. Das Heilige soll nicht entweiht werden."
„Ja, gut, aber was sagt uns das?", fragte Stella.
„Das Heilige ist das gottgefällige Leben. Das Leben, das wirklich und wahrhaftig von Gottes Geist erfüllt ist, das sich nicht an den falschen Propheten ausrichtet, gegen die sich Jesus wendet."
„Und wer sind die falschen Propheten?"
„All die Vertreter des Leistungsprinzips, der Gewinnmaximierung, der Konsumkultur, der Anpassung, der Unterordnung. Sänger und Poeten wie der Tom Rapp, der frontman der Gruppe, wenden sich gegen die Mächtigen, die Herrschenden. In dem Lied UNCLE JOHN schreit er ja geradezu seine Ablehnung hinaus. Es ist die