Burnout: So gewinnen Sie neue Lebensfreude und bleiben trotzdem erfolgreich
Von Ben Kubassek
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Buchvorschau
Burnout - Ben Kubassek
1
Kapitel
Burnout – die Erfahrung
Es fing alles damit an, dass mein Herz vor Angst wild schlug, als wir die Umschläge öffneten. Es handelte sich um ein ziemlich großes Projekt, das größte, auf dass ich mich bisher eingelassen hatte: 97 Häuser in einer großen Wohnanlage. Das war etwas ganz anderes als die Häuser mit 16 Wohneinheiten und das runde Dutzend Einfamilienhäuser, das ich davor gebaut hatte. Ich hatte außerdem schon über 50.000 Dollar für Infrastrukturmaßnahmen ausgegeben und das Land gekauft. Heute kamen die ersten Gebote, und ich würde einen ersten Eindruck davon bekommen, wie viel Geld bei diesem Geschäft rausspringen würde.
Aber während der Mitarbeiter der Genehmigungsbehörde, mein Ingenieur und ich in den Beratungsräumen im Rathaus an jenem sonnigen Nachmittag im April des Jahres 1987 einen Umschlag nach dem anderen öffneten, bekam ich plötzlich Angst, mich finanziell zu ruinieren und alles zu verlieren, wofür ich die letzten fünf Jahre hart gearbeitet hatte. Ich hatte häufig 80 Stunden die Woche eingelegt, um mein kleines Elektrogeschäft in eine Unternehmensgruppe umzuwandeln, die sich um Mechanik und Elektrik kümmerte, Grundstücke erschloss, Häuser baute, Küchen und Bäder verkaufte und renovierte. Es war nichts Ungewöhnliches für mich, den ganzen Tag über zu arbeiten und nach dem Abendessen weiterzumachen. Denn dann war meist der Papierkram dran: Ich machte die Verträge, rechnete Kostenvoranschläge durch oder entwarf elektrische Schaltungen für meine Kunden. Ich war selten vor 22 oder 23 Uhr fertig. Darunter litt natürlich meine Ehe. Der Abstand zwischen mir und meiner Frau wuchs. Aber mein Erfolg überstieg – trotz der Magengeschwüre, die ich bekam – meine größten Erwartungen.
Und jetzt im Rathaus zeigte sich, dass die Angebote weit höher ausfielen, als meine Ingenieure zuvor geschätzt hatten: Im Schnitt 30 Prozent. Nun würden sich die Nebenkosten des Grundstücks auf 100.000 Dollar belaufen – weit mehr als ich erwartet hatte. Es hatte mich bereits einen Haufen Geld gekostet, das Projekt in Angriff zu nehmen, und jetzt sah es so aus, als würde es mir nicht nur keinen Gewinn bringen, sondern mich alles kosten, was ich hatte.
Angstschweiß
Normalerweise hätte ich mir überhaupt keine Sorgen gemacht, sondern gesagt: „Na und?" Wenn ich alles verlieren würde, was ich hatte, dann würde ich es in den nächsten Jahren einfach noch mal verdienen. Ich hatte Erfahrung. Und die konnte mir niemand nehmen. Es war immer meine Einstellung gewesen, dass es keine Probleme gibt, sondern nur Herausforderungen und Chancen. Dieses Mal war es jedoch ganz anders. Mein Herz klopfte wie wild und ich wurde von diesen Befürchtungen regelrecht überfallen. Das hatte ich noch nie erlebt. Ich hatte Angst, nicht nur wegen dieses Geschäftes, sondern auch weil ich dieses Gefühl noch nie so erlebt hatte und nicht kannte.
In jener Nacht überschlugen sich meine Gedanken. Ich war weit von meiner üblichen positiven Einstellung entfernt, denn nun sah ich nur noch die möglichen Gefahren aller Geschäfte, in die ich involviert war. Ich badete in Angstschweiß und habe wohl kaum mehr als eine Stunde geschlafen.
Das änderte sich auch am nächsten Tag nicht. Normalerweise stand ich morgens um halb sieben auf und verließ das Haus eine halbe Stunde später. Eine Scheibe Toast und eine Tasse Kaffee musste für die erste Hälfte des langen Arbeitstages reichen. An jenem Morgen graute es mir allerdings vor dem neuen Tag. Ich quälte mich dann aber aus dem Bett und schaffte es gerade mal bis zum Sofa, wo ich zusammenbrach.
Meine Frau wollte wissen, was mit mir los war, aber ich war nicht sicher. Ich konnte ihr nur von meinen Befürchtungen erzählen, die mir die ganze Nacht durch den Kopf gegangen waren.
Als ich schließlich genügend Energie gesammelt hatte, um wieder zur Arbeit zu gehen, schaffte ich es nur bis in mein Büro, schloss die Tür hinter mir ab und begann zu weinen. Ich schaffte an diesem Morgen sehr wenig, und als ich zum Mittagessen nach Hause kam, brach ich erneut zusammen. Es endete damit, dass ich zurück ins Bett kroch (nachdem ich mich gezwungen hatte, etwas zu essen) und ein paar Stunden schlief.
Ausgelaugt
Obwohl mir das damals nicht bewusst war, hatte der Stress vom Vortag mich völlig aus der Bahn geworfen. Meine Hingabe an meine Arbeit und meine vielen Arbeitsstunden hatten mich ausgelaugt. So reichte diese Krise aus, mich in den Abgrund zu stürzen.
Was ich damals nicht sehen konnte, sehe ich heute ganz klar. Wie viele andere war auch ich ein Gefangener der enormen Geschwindigkeit des ausgehenden zwanzigsten Jahrhunderts. Ich war wie eine Maschine, die sich mit Warp-Geschwindigkeit fortbewegte, ohne jemals Pause zu machen – bis sie schließlich zusammenbrach.
Obwohl ich mir verzweifelt wünschte, dass sich die Gefühle der ersten zwei Tage auflösten, konnte ich scheinbar nichts dazu beitragen. Schlimmer noch, sie verließen mich auch nachts nicht, und am nächsten Tag ... und am nächsten ... und am nächsten. Von Mai bis August kämpfte ich gegen Depressionen, Ängste, Verzweiflung und Lethargie. Ich machte nur Dienst nach Vorschrift, und selbst die kleinste Aufgabe kostete mich eine Menge Energie.
Einige Leute, darunter meine Brüder (drei arbeiten in der Firma) und mein Bauleiter wussten, was ich durchmachte; sie halfen mir die Last des Unternehmens zu tragen. Ich versuchte, meine Gefühle vor anderen zu verbergen, und es kostete mich viel Mühe, jeden Tag „Guten Morgen" zu sagen, meine Mitarbeiter aufzumuntern und die Erwartungen zu erfüllen, die man an mich als Geschäftsführer und Teamleiter stellte.
Heute weiß ich, dass es für meine Genesung wichtig war, dass ich jeden Tag zur Arbeit ging, aber damals musste ich der dauernden Versuchung widerstehen, meine Geschäfte schleifen zu lassen.
Auch zu Hause war es nicht leichter. Wenn ich abends nach Hause kam, wollten meine Kinder mit mir spielen, aber nach einem schweren Tag, an dem ich andauernd mit meinen Gefühlen gekämpft hatte, konnte ich kaum etwas anderes tun, als auf dem Sofa zu liegen und mich auszuruhen. Ihr Lärm nervte mich. Sie hatten einfach nur Spaß – wie Kinder nun mal sind -, aber mich irritierte es enorm.
Mir fiel alles schwer. Ich musste mich morgens fast aus dem Bett prügeln. Hindernisse, die ich früher einfach weggebügelt hatte, kamen mir jetzt unüberwindlich vor. Ich fürchtete mich, Entscheidungen zu treffen, wo ich früher nicht gezögert hätte. Die Angebote der Bauunternehmer hatten meinen Burnout ausgelöst, aber sie waren nicht der Grund dafür, dass ich mental in einer Intensivstation gelandet war. Es stellte sich sogar heraus, dass alles viel besser laufen würde, als ich befürchtet hatte – das Geschäft brachte mir am Ende einen satten Gewinn. Die Krise warf jedoch ein Schlaglicht auf tiefer liegende Probleme.
Selbstmord
Besonders schlimm war es unterwegs zum Büro und von dort wieder nach Hause oder wenn ich zu irgendeinem Projekt fahren musste – ich war mit meinen Gedanken allein und manchmal dachte ich sogar daran, alledem ein Ende zu setzen. Meine größte Befürchtung war, dass ich niemals wieder gesund werden würde. Mir war natürlich klar, dass mein geschäftlicher Erfolg – von dem ich mir eigentlich erhofft hatte, dass er mich glücklich machen würde – mich in diese miserable Lage gebracht hatte. Das Leben hatte seine Bedeutung verloren. Allein unterwegs auf der Straße kam mir öfter der Gedanke, mein Auto einfach gegen den nächsten Baum zu setzen.
Am meisten sehnte ich mich jedoch nach jemandem, der mir erklären konnte, was mit mir los war, aber anscheinend konnte niemand das. Wohlmeinende Freunde sagten mir, ich solle mir weniger Stress machen und meine Unternehmen verkaufen. Manche Leute hielten mich dazu an, nicht so negativ und deprimiert zu sein, wobei ihnen allerdings nicht klar war, dass ich meine Gefühle kaum unter Kontrolle hatte. Sogar mein Arzt verschrieb mir anfangs Medikamente, die Nerven beruhigen und einen erholsamen Schlaf ermöglichen sollen.
Mir kam niemals in den Sinn, dass es sich vielleicht um einen Burnout handelte. Wenn ich schon davon gehört hatte, wusste ich nicht, worüber die Leute redeten, bis mir mein Arzt im September sagte, dass ich an mentalem, körperlichem und spirituellem Burnout litt. Er empfahl mir, in Florida Ferien zu machen und nicht zurückzukommen, bis es mir besser ging. Die zweieinhalb Wochen dort haben mir geholfen, mich zu entspannen und meine Arbeit zu vergessen.
Noch wichtiger aber war die Tatsache, dass die letzten paar Monate meines Burnout mich veranlassten, Bilanz zu ziehen. Ich musste mein Leben grundlegend ändern, dass war sonnenklar, und die Erkenntnisse, die ich auch mithilfe anderer Leute erlangte, halfen mir, nicht nur meinen Erschöpfungszustand zu überwinden, sondern auch dafür zu sorgen, dass es nie wieder so weit kommen musste. Ich erkannte, wie man sein Leben ins Gleichgewicht bringt, mit Stress umgeht und Ziele verwirklicht, ohne dass es zu einem Burnout kommt.
Im Oktober 1987 hatte ich meine dunklen Tage hinter mir, aber mein Burnout war keinesfalls beendet. Zu meiner eigenen Überraschung begann ich schon bald, mich mit anderen Menschen zu treffen, die es mit ähnlichen Symptomen zu tun hatten, unter denen ich gelitten hatte. Als ich erst einmal das Problem erkannt hatte, war ich erstaunt, wie viele Leute darunter litten. Anfangs war ich noch ziemlich verzweifelt gewesen, weil ich scheinbar als einziger mit einem Burnout konfrontiert war, aber schon bald wurde mir bewusst, dass auch andere es in verschiedensten Abstufungen mit diesem Problem zu tun hatten.
Heute treffe ich mich regelmäßig mit Menschen, die mittendrin stecken oder auf dem besten Wege dorthin sind. Sie brauchen das häufig nicht einmal zu erwähnen, denn ich sehe es an ihrem Verhalten. Sie müssen sich jedes Lächeln abringen, pressen die Lippen aufeinander und ihre Augen liegen tief. Sie sind nervös, können sich nicht entspannen und sehen nicht mehr so gepflegt aus, wie man es von ihnen gewohnt war. Das sind alles Zeichen, die darauf hinweisen, dass jemand sich auf einen Burnout zubewegt. Wer es am eigenen Leib erfahren hat, erkennt die Zeichen auf Anhieb.
Wie ein Burnout ausgelöst wird
Ich möchte noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass ich meinen eigenen Weg zum Burnout genommen habe. Ich wuchs in der behüteten Gemeinschaft der Community Farm der Brethren auf (eine den Hutterern ähnliche christliche Gemeinschaft, die von meinem Großvater, dem verstorbenen Julius Kubassek, 1940 gegründet wurde) und beendete meine formale Ausbildung dort als 14-Jähriger. Etwa zwei Jahre später war ich zum Schuster der Gemeinschaft geworden und außerdem für die Hühner verantwortlich. Als 16-Jähriger begann die Elektrizität mich zu faszinieren, und ich setzte mir das Ziel, eine Konzession als Elektriker zu erwerben, allerdings ohne dafür in die Lehre zu gehen. Nach einem Fernstudium und Praktikum – bei dem ich einen Dollar täglich verdiente – erhielt ich als 21 – Jähriger schließlich meine Lizenz. Ich verließ die Community Farm am 1. Januar 1980 mit 2000 Dollar in der Tasche und dem Ehrgeiz, in der Welt dort draußen ein außerordentlich erfolgreicher Geschäftsmann zu werden.
Ich war völlig unerfahren und wusste nicht, was Misserfolg ist, als ich mit meinem Bruder Dave ein Unternehmen gründete. Unsere Dienstleistungen lagen im Bereich der Klempnerei und der elektrischen Anlagen. Als recht ehrgeiziger Mensch verschlang ich jedes Buch, das davon handelte, wie man sich Ziele richtig setzt und erfolgreich wird, über Geld und das Geschäftsleben. Und nach sechs Jahren hatte ich alle Ziele erreicht, die ich in meinem Leben erreichen wollte: eine schöne Frau, eine wunderbare Familie und das Haus meiner Träume auf einer Freizeitfarm. Ich fuhr einen Luxuswagen, mir gehörten drei Unternehmen mit einem Wert von über einer Million Dollar. Wie konnte ich, oder wie könnte jemand das ohne einen Burnout in so kurzer Zeit erreichen?
Das liegt daran, dass es viele unterschiedliche Wege zum Burnout gibt. Geschäftsleute, Manager, arbeitende Mütter, Studenten, Beamte und Arbeiter können ihm erliegen, und jeder hat einen ganz eigenen Weg. Die letzten Jahre habe ich einige meiner Angestellten in die Ferien geschickt, als sie erste Anzeichen für einen möglichen Burnout zeigten. Ich habe Dutzende anderer Menschen beraten, die mir zufällig begegnet sind oder die mich kontaktiert haben: Buchhalter, Berater, Klempner, Bauern und Pastoren.
Während einer psychiatrischen Sitzung im London Psychiatric Hospital redete ich stundenlang mit einem Patienten. Ich lief durch die Flure und schaute in die toten Augen der Patienten und wünschte mir, ich könnte jedem Einzelnen von ihnen helfen, dem tödlichen Griff der Depression zu entrinnen.
All diese Leute waren einst eine Stütze der Gesellschaft, zum Beispiel als Arzt, Geschäftsmann, Lehrer und in fast jedem anderen Beruf, den man sich denken kann. Und jetzt waren sie hier, lahm gelegt durch das gleiche, brillante Gehirn, das einst ihre Leistungen ermöglicht hatte.
2
Kapitel
Zu sehr engagiert – oder aus dem Gleichgewicht geraten?
Burnout, von Psychologen auch „die Geißel unseres Zeitalters genannt, ist ein Wort, dass man immer häufiger hört. Das ist nicht erstaunlich, denn die enorme Geschwindigkeit am Ende des letzten und am Anfang des neuen Jahrhunderts führt dazu, dass immer mehr Leute – und in allen Lebensbereichen – „ausbrennen
. John Naisbitt schreibt in seinem Buch Megatrends:
„Technologie und menschliches Potenzial, das sind die beiden größten Herausforderungen, vor denen die Menschheit heute steht. Die wichtige Lektion, die wir alle aus den Prinzipien des High Tech/High Touch lernen müssen, ist eine moderne Version des uralten griechischen Ideals, nämlich das der Balance, der Ausgeglichenheit, des Gleichgewichts ... Wir müssen lernen, ein Leben im Gleichgewicht zwischen den materiellen Wundern der Technologie und den spirituellen Anforderungen der Natur zu führen."
Der Schlüssel zu unserem Wohlbefinden liegt in der Integration und einem Gleichgewicht zwischen den vier grundlegenden Lebensbereichen, dem spirituellen, mentalen, körperlichen und gesellschaftlichen Leben. Man kann sich unterschiedliche Bilder von diesem Konzept des Gleichgewichts machen. Ich persönlich liebe das der Justitia, der Göttin, die die Waagschalen der