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Weltreise eines Bodyguards
Weltreise eines Bodyguards
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eBook429 Seiten6 Stunden

Weltreise eines Bodyguards

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Über dieses E-Book

Auf der Jagd nach einem Autogramm stolpert eine tollpatschige Jobhopperin in eine missglückte Geiselnahme. Eigentlich hatte sie die Toilette gesucht, nun rettet sie Mr. Superstars Leben.
Der eigenwillige Star will sie daraufhin als Bodyguard engagieren. Als sie das überraschende Angebot nach einiger Diskussion annimmt, beginnt eine unglaubliche Reise durch die absurden Seiten der Unterhaltungsindustrie und des Starrummels.
Die Leibwächterin bekommt alle Hände voll zu tun, gerät selbst in Gefahr und eine Punktezählung zur gegenseitigen Lebensrettung entsteht ...

Temporeich, spannend, amüsant, absurd, aber mit viel Herz erzählt der frischgebackene Bodyguard, was um ihren Boss herum alles geschieht.
SpracheDeutsch
HerausgeberTWENTYSIX
Erscheinungsdatum4. Dez. 2017
ISBN9783740738198
Weltreise eines Bodyguards
Autor

Justa L. Goblin

Justa L. Goblin ist eine begabte Hobbyautorin, mit Freude am Schreiben. Die Büroangestellte hatte rein aus Jux angefangen eine Kurzgeschichte aufzuschreiben, die ihr durch den Kopf ging. Mit jeder Seite, jeder unerwarteten Wendung, jeder Wortspielerei ergab sich eine weitere. Die Geschichte wurde länger und länger. Ganz unverhofft hatte sie am Ende die spannend-humoristische "Weltreise eines Bodyguards"-Trilogie geschrieben und konnte immer noch nicht aufhören, ihre Gedanken zu Papier zu bringen. Neue Geschichten mit ganz eigenen Charakteren entstanden. Ihre zweite Buchreihe "Natürlich Kuhtopie!" beginnt Anfang 2021 mit dem Erscheinen des ersten Bandes "Topis Zuflucht". Dabei handelt es sich um eine leicht düstere Utopie, die bei aller Ernsthaftigkeit doch einen gewissen Galgenhumor bereithält. Voraussichtlich Ende 2021/Anfang 2022 wird es dann mit einem weiteren Projekt über- äh, außerirdisch...

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    Buchvorschau

    Weltreise eines Bodyguards - Justa L. Goblin

    Für alle verlorenen Geschwister

    Inhalt

    Deutschland – Die Reise beginnt

    Los Angeles, Kalifornien, USA

    New South Wales, Australien

    Las Vegas, Nevada, USA

    Florida, USA

    New Orleans, Louisiana, USA

    London, Paris, Berlin

    Kanada

    Showdown

    Was es noch zu sagen gibt

    Soundtrack gefällig?

    Songnachweise

    Deutschland – Die Reise beginnt

    Ein Bodyguard mit 1,80m Körpergröße und knapp über 100 kg Körpergewicht – natürlich alles Muskeln – ist auf den ersten Blick weder besonders beeindruckend noch außergewöhnlich. Er versteht es sich im Hintergrund zu halten, da er immer der Gelegenheit und der Veranstaltung angemessen gekleidet ist und seinem Schützling zu Liebe von seinen grünen Haaren Abschied genommen hat. Er fällt eigentlich gar nicht auf.

    Kids, Freunde, Cousins, Noch-Ehefrau et cetera des Auftraggebers haben ihn inzwischen als ständiges Anhängsel akzeptiert. Sämtliche Veranstalter und Portiers der Welt kennen ihn. Er reist mit seinem Boss um den gesamten Globus und beschützt ihn nebenbei. Fast jede Nacht in einem anderen Hotel, einer anderen Stadt, einem anderen Land, auf einem anderen Kontinent. Er kommt echt rum. Und er liebt es!

    Alles in allem nicht ungewöhnlich für einen persönlichen Bodyguard. Naja, wenn der Bodyguard – also ich – nicht eine Frau wäre, die ihren männlichen Schützling, außer aufs Klo, überallhin begleitet. Okay, ich war sogar auf dem Klo schon dabei, aber das hatte seine Gründe und war eine Ausnahme. Reden wir einfach nicht darüber.

    Die Tatsache, dass sich Mr. Superstar einen weiblichen Bodyguard zugelegt hat, sorgt auch so schon für genügend Stoff. Meine ständige Begleitung hat immer wieder zu Kopfschütteln, Anfeindungen, Unterstellungen und den wildesten Spekulationen geführt. Vor allem, da die Leibwächterin keinerlei nachweißbare Qualifikationen für diesen Job mitbringt. Sprachwissenschaft und Kulturgeschichte habe ich studiert, dann – in der Generation Praktikum – doch noch eine Ausbildung drangehängt, weil ich von irgendetwas leben musste. Meine Jobs habe ich häufiger gewechselt als meine Unterwäsche. Okay, nicht wirklich, das wäre zu eklig. Unterwäsche wechselt man gefälligst täglich, wenn der Koffer nicht gerade weg ist. Jobs meist erst nach einer Woche oder ein paar Monaten. Länger waren sie nicht auszuhalten, dann habe ich gekündigt.

    Die einzige Konstante in meinem Leben seit Verlassen der Schule ist zugleich das Einzige, was mich wenigstens ansatzweise für meinen aktuellen Job qualifiziert. Ich habe fast zehn Jahre lang verschiedene Kampfsportarten studiert und trainiert, kann mich mit und ohne Hilfsmittel meiner Haut ganz gut wehren, mit Schwertern, Äxten, Stöcken und bloßen Händen kämpfen. Verfüge über die Fähigkeiten und Techniken, Messer und Schusswaffen abzuwehren, Angreifer zu entwaffnen und schachmatt zu setzen.

    Genau das habe ich getan, als mir mein Schützling zum ersten Mal begegnete: einem bewaffneten Irren die Pistole weggenommen und ihn auf den Boden gelegt.

    Aber jetzt mal ganz von vorne.

    Hallo erstmal, mein Name tut nichts zur Sache, ich bin Anfang Dreißig, für die meisten Jobs, die mich interessieren könnten, entweder über- oder unterqualifiziert, Dauersingle, kinderlos, Einzelgänger, hochbegabt. Auf vielen Gebieten talentiert, mit einem IQ, dass es der Sau graust, lerne ich extrem schnell und langweile mich noch schneller. Was es schwer macht, mich für ein Talent zu entscheiden, das ich beruflich nutzen möchte. Es ist auch schwer, einem Vorgesetzten nach der Pfeife zu tanzen, den man nach zwei Tagen als Trottel, nicht mal Fachidiot, sondern einfach nur überheblich und dumm einstufen kann. Die meisten Vorgesetzten haben eine gewisse Aversion gegen mich entwickelt, wenn sie mitbekamen, dass ich nach kürzester Zeit komplett selbstständig arbeiten konnte und in der Lage gewesen wäre ihren Job vermutlich besser zu machen als sie selbst. Da bin ich dann immer recht schnell gegangen, wenn die Stimmung zu unangenehm wurde. Es macht mich nervös halb ängstlich, halb aggressiv von der Seite angestarrt zu werden.

    So ähnlich läuft das auch mit meinen Männern. Sie werden mir schnell langweilig, lästig, zu anhänglich oder ich habe einfach die Schnauze voll davon mich dumm stellen zu müssen. Also dauert keine Affäre normal länger als zwei bis drei Monate. Nennen wir es so, da Beziehungen normal länger dauern sollten. In dem Sinne hatte ich noch nie eine Beziehung, die als solche die Bezeichnung verdienen würde. Meist ging es um schnöden Sex oder ein wenig Gesellschaft. Das reicht nach meinem Verständnis allerdings nicht als Grundlage für eine Beziehung. Da gehört mehr dazu.

    Freundschaften klappen besser. Freunde habe ich eine ganze Reihe und auch langjährige Freunde, aber die sehe ich selten, weil ich mich in lustiger Runde eher unwohl fühle. Zwingend blöde Witze machen oder darüber lachen zu müssen, liegt mir nicht. Händeringend zu versuchen, ein Gespräch am Laufen zu halten, damit kein peinliches Schweigen aufkommt, ist ätzend. Ist mir zu anstrengend immer ein Thema zu finden, mit dem alle Anwesenden was anfangen können oder zu doof mich über wunde Babypopos und die neuesten Macken der jeweiligen Partner aufklären zu lassen. Das Wetter ist auch immer ein gutes, unverfängliches Thema. Aber am liebsten überlasse ich anderen das Reden, höre einfach nur zu und denke mir meinen Teil.

    Kurz gesagt: ich hatte nicht viel zu verlieren und wenig, was mich hielt, als mein Schützling mir anbot als sein persönlicher Bodyguard mit ihm um die Welt zu reisen.

    Wie es dazu kam?

    Nun, eigentlich wollte ich nur ein Autogramm. Ein besonderes Autogramm für mich, aber eben nur ein Autogramm. Eines wie sie täglich hundert- und tausendfach von Stars und Promis auf der ganzen Welt geschrieben werden, ohne dass gleich ein Traumjob dabei rausspringt. Es war auch nicht mein erstes Autogramm. Schauspielern, Musikern, Entertainern, Tiertrainern und was sie alle so machen, hatte ich schon eine Unterschrift entlockt. Keiner davon hat mich kaum mehr als eines Blickes gewürdigt, wenn überhaupt. Bis mein Boss auf der Bildfläche erschien.

    Dieser ist in erster Linie Schauspieler, einer der ganz Großen. Er ist auch bekannt für seine früher einmal extrem unfreundliche Art mit Fans umzugehen sowie seine Wutausbrüche. Egal, er ist zusätzlich Regisseur, Produzent, Lebenskünstler, Fotomodell, Musiker und Singer-Songwriter.

    Na klar, und noch ein Schauspieler, der sich talentfrei an Musik versucht.

    Nein, hier nicht.

    Manche Lieder sollte er besser nicht singen, zugegeben. Das klingt dann eher wie die sprichwörtliche Katze, der man auf den Schwanz tritt. Aber generell hat er eine schöne Singstimme – astreiner Bariton – und nur durch seine Stimme bin ich überhaupt auf ihn aufmerksam geworden. In einem Film war das, in dem er gesungen hatte. Die Stimme traf mich ganz unerwartet, im Abspann habe ich den Namen zu ihr nachgelesen und ihn geyoutubed.

    Eines der ersten Lieder, die ich dabei fand, hat es mir sofort angetan. Das Lied und die Geschichte dazu. Es war eine Konzertaufnahme eines Liedes, das er selbst geschrieben hatte. Vor dem Gesang erzählte er den Hintergrund und die Entstehungsgeschichte. Es ging darum, wie es sich anfühlt in relativ jungen Jahren einen Bruder oder eine Schwester zu verlieren und man das niemals wirklich komplett hinter sich lassen kann.

    Ich habe meinen Bruder mit Anfang zwanzig verloren und kann sagen mein Boss hat verstanden wie es sich anfühlt, auch wenn er es zum Glück nie selbst erleben musste. Umso erstaunlicher, dass er es nur durch Beobachtung anderer und Einfühlungsvermögen nachvollziehen kann.

    Das hat mich so beeindruckt, dass ich den Herren unbedingt zeichnen musste. Eine perfekte Bleistiftzeichnung, auf die ich sehr stolz bin. Die beste Zeichnung seit vielen, vielen Jahren. Die brauchte unbedingt ein Autogramm vom Dargestellten und Inspirator.

    Also ging die Informationssuche los, wo man ihn antreffen könnte, um ein Autogramm zu bekommen. Möglichst ohne gleich um die halbe Welt reisen oder sich als Stalker betätigen zu müssen. Gar nicht so einfach. An so jemanden kommt man kaum heran. Geheimhaltung und Personenschutz, Spontanänderungen und abgeschirmte Sets, hektischer Zeitplan und Jetset rund um die Welt.

    Ich habe über Monate online verfolgt, wo er sich gerade wieder herumtrieb und versucht ein Muster zu erkennen. Irgendwann hatte ich dann Erfolg und musste nur an einem Samstag dreihundert Kilometer weit fahren, um ihn anzutreffen. Reiner Glückstreffer.

    Dieses Treffen hatte ich mir allerdings wesentlich weniger abenteuerlich und aufregend vorgestellt. Ich dachte, ich fahre gemütlich hin, stelle mich brav an, bekomme eine Unterschrift, sage artig danke und fahre wieder gesittet heim.

    Tja, denkste.

    Der Tag ging schon gut los.

    Ich war noch gar nicht richtig wach, als ich schon wieder mit den musikalischen Ambitionen meines Nachbarn gefoltert wurde. Generell ist Orgelmusik ja was Schönes, aber nicht auf einer verstimmten Elektroorgel, mit immer denselben Fehlern, in immer denselben Stücken, in einer Lautstärke, dass man seine eigenen Gedanken nicht mehr hören kann und zu den unmöglichsten Uhrzeiten. Auch Sonn- und Feiertags, grundsätzlich zur Mittagsruhe und unter der Woche, die halbe Nacht lang. Wohlgemerkt, meine Wohnung lag im Souterrain und besagter Nachbar wohnte im ersten Stock. Das Erdgeschoss stand leer, wodurch ein perfekter Resonanzkörper für die Schallverstärkung von oben nach unten vorhanden war. Da es sich bei dem Nachbarn um den Lebensgefährten des Vermietersöhnchens handelte, standen die Chancen schlecht etwas an dem Zustand zu ändern.

    Meine pauschale Lösung für dieses Problem lautete: Anlage aufdrehen, Gegenmucke. Also stand ich Samstagfrüh gegen neun mit Meat Loafs „Bat out of Hell" in brüllender Lautstärke im Badezimmer beim Zähneputzen und hörte die Türklingel nicht. Die Folge war eine tobende Vermieterin, die mir eine halbe Stunde später an der Haustür auflauerte, als ich gerade auf dem Weg zum Auto war.

    Meine damalige Vermieterin kennt ebenso wie ihr Schwiegersohn keine unpassenden Uhrzeiten. So klingelte sie mich generell gerne mal Sonntagmorgens um acht oder unter der Woche, kurz bevor mein Wecker um sechs läutete, aus dem Bett. Von dem Recht eines Mieters, auch mal in Ruhe gelassen zu werden, hatte die Dame noch nie etwas gehört. Genauso wenig davon, dass ein Vermieter nicht einfach einen Schlüssel für eine vermietete Wohnung zurückbehalten darf. Ein ausgewechseltes Türschloss an der Wohnungstür sah sie als Kündigungsgrund an, was ihr der Mieterbund allerdings ausreden konnte. Lag wohl daran, wie sie draufgekommen war, dass ihr Schlüssel nicht mehr funktionierte und das rechtlich ganz und gar nicht einwandfrei gewesen war.

    Folglich durfte ich mich erstmal eine gefühlte Ewigkeit mit meiner Vermieterin rumstreiten, bevor ich endlich ins Auto steigen und losfahren konnte. Es war schon fast zehn, um zwei sollte die Veranstaltung sein und ich wollte mir ja einen guten Platz sichern. Also schnell jetzt.

    Auf dem Weg zur Autobahn war bereits der erste Unfall passiert, Kreisverkehr komplett gesperrt, Umleitung über sämtliche Dörfer, hinter Traktoren her, durch enge kurvige Straßen. Auf der Autobahn herrschte natürlich Stau und die Abfahrt zu meinem Star war wegen Bauarbeiten gesperrt. Das Navi hängte sich selbstverständlich auf, sobald das Ortsschild hinter mir lag. Eine ausführliche Stadtrundfahrt und drei Baustellen später kam ich etwa zwei Stunden nach der offiziell angekündigten Autogrammstunde an meinem Zielort an. Scheiße!

    Alles war schon vorbei, die Sicherheitsabsperrungen wurden abgebaut und ich fand sogar einen Parkplatz direkt vor dem Kongresszentrum. Freie Parkplätze in einer Stadt, an einem Veranstaltungsort sprechen Bände.

    Naja, so hab ich wenigstens keine Probleme rein zu kommen und mir ein Klo zu suchen, dachte ich. Hat auch was für sich. Nicht stundenlang die Beine in den Bauch stehen und rumgeschoben werden. Was soll‘s, der kommt schon mal wieder nach Deutschland. Nächstes Mal dann eben. Jetzt erstmal das Klo suchen. Dringend!

    Der Haupteingang war mit arbeitenden Menschen verstopft, die Absperrungen, Tische, Lautsprecherboxen und weiß der Himmel was sonst noch durch die Gegend schleppten.

    Hoppla, da steht ja doch noch einer in Security-Jacke. Mist, wie komm ich da jetzt vorbei?

    Mein Blick fiel auf eine recht blumig gekleidete Dame, die mit einem geleerten Putzeimer und einem Wischmopp in den Händen an mir vorbeilief. Und vorbei am Haupteingang, rechts um das Gebäude bog. Reinigungskräfte kennen immer die besten Seiteneingänge und alle Schleichwege im und um das Gebäude. Nichts wie hinterher.

    Wenigstens ein Plan an diesem Tag ging auf und kurz darauf stand ich in einem leicht runtergekommenen Flur, der wohl nicht unbedingt für den Publikumsverkehr gedacht war. Der Anstrich war ursprünglich vermutlich weiß gewesen, jetzt war er irgendwas zwischen grau und gelbbeige mit schwarzen Fahrern. Kisten, kaputte Möbelstücke und vertrocknete Pflanzen ergänzten das Ambiente. Abgerundet von einem Geruch nach modrigem Keller und nassem Hund fehlte nur noch der gruselige Hausmeister, um das Szenario perfekt für einen Highschool-Pseudo-Horrorfilm zu machen.

    Egal.

    Klo!

    Wo ist das verdammte Klo?

    Weit und breit kein entsprechendes Schild in Sicht, die Reinigungskraft hatte ihre Verfolgerin nicht bemerkt und war hinter einer der vielen Türen verschwunden. Keine Ahnung, wo die Gänge hinführten, niemand da, den man fragen konnte. Lange Gänge, viele Abzweigungen, das reinste Labyrinth. Und natürlich, hinter der nächsten Ecke: flackernde Neonröhren.

    Ach komm schon, jetzt wird’s aber zum Klischee! Gleich muss ein Vampir oder sowas aus seinem Versteck springen.

    Über diesen Gedanken grinsend marschierte ich willkürlich los, um die nächste Ecke und noch eine und zwei weitere, ohne eine Tür oder ein Schild mit einem Männchen oder einem Frauchen darauf zu entdecken. Langsam wurde es mehr als nur unangenehm.

    Verzweiflung! Überdruck! Verdammt!

    Selbst der Gedanke, einfach eine der zahlreichen toten Pflanzen mit etwas natürlichem Flüssigdünger zu versehen, erschien gar nicht mehr so abwegig. Ich liebäugelte gerade mit einem großen Blumentopf, dessen Bewohner schon vor Jahren das Zeitliche gesegnet haben musste, als meine Ohren den Gedankengang übertönten.

    Sind das Stimmen?

    Ja! Da ist jemand!

    Jemand, der mir sagen kann, wo das nächste Örtchen ist.

    Ich ging wieder los, beschleunigte meine Schritte Richtung Stimmen, kurvte um die letzte Ecke und blieb wie erstarrt stehen. Ein Wunder, dass meine Blase diese Vollbremsung und den Schreck mitgemacht hat, ohne sich spontan Erleichterung zu verschaffen. Ich hatte immer gedacht, ich würde mir vor Angst in die Hose machen, wenn mir plötzlich jemand eine Pistole ins Gesicht hielte. Erstaunlicherweise wurde genau dadurch das silbrige Gefühl im Schritt vorübergehend unwichtig. Mein Fokus hatte sich ganz spontan verlagert.

    Da stand ich, stocksteif und ohne Plan, was ich tun sollte. Zum Glück ging es meinem Gegenüber genauso. Der Herr im mittleren Alter, der mit einer Waffe auf meine Nase zielte, war genauso überrascht über diese Begegnung. Wenige Schritte hinter ihm standen drei weitere Menschen, die er offenbar gerade bedroht hatte, nach deren Mienen zu schließen. Die drei standen dicht beisammen, zwei Männer vor einem Dritten.

    Im selben Moment, in dem ich die Lage erfasste, fing sich allerdings auch der Waffenbesitzer wieder: „Wer bist du? Wo kommst du jetzt her? Stell dich da rüber." Er fuchtelte mit der Waffe in Richtung seiner drei Opfer, um mir die Richtung anzuzeigen, in die ich gehen sollte. Zielte dann wieder auf mich und machte einen Schritt zurück.

    Ich stand immer noch stocksteif, mit offenem Mund da und überlegte fieberhaft. So ein Szenario hatte ich schon mal trainiert.

    Oh Mann, wie war das noch mal? Angreifer ablenken, aus dem Konzept bringen, zusehen, dass niemand in der Schusslinie steht, sich selbst aus der Schusslinie bringen und dann schnell zuschlagen. Mit einer Hand von unten die Pistole greifen und in Richtung des Gesichts des Angreifers drücken. Gleichzeitig mit der anderen Hand auf den Arm schlagen, der die Waffe hält.

    Wenn man schnell genug ist und ausreichend Kraft reinlegt, bricht man ihm so den Finger, der am Abzug ist und gleichzeitig die Nase, wenn die Pistole mitsamt meiner darum geschlossenen Hand – also meiner Faust – in seinem Gesicht landet.

    Oh Mann! Scheiße! Krieg ich das wirklich hin? Das waren immer nur Übungssituationen mit Trainern, die mitgespielt haben. Aber jetzt in echt? Scheiße!

    Ablenken! Aus dem Konzept bringen! Wie stell ich das an?

    „Bist du taub oder nur blöd?", herrschte er mich an, als ich mich nicht rührte.

    „Wissen Sie, wo hier ein Klo ist?", erwiderte ich.

    „Was?"

    „Das nächste Klo. Wissen Sie, wo das ist? Ich pinkel hier gleich auf den Flur!", fuhr ich fort und ging einen Schritt näher an ihn heran. Jetzt stand ich nah genug für das Manöver.

    Er starrte mich an, der Mund klappte auf, Fassungslosigkeit stand ihm in den Augen und er ließ die Waffe leicht sinken. Der Blick fragte eindeutig nach meinem Geisteszustand. Nun, nach dem hab ich mich auch schon des Öfteren gefragt. Und gerade wieder.

    Jetzt oder nie! Nur Feiglinge leben ewig und ich mach mir sonst wirklich noch in die Hose! Ich legte alle Kraft und mein ganzes Gewicht in den Schlag.

    Rechte Hand steil aufwärts, mit der Schulter nachdrücken, linke Hand mit Handkantenschlag auf seinen Unterarm dreschen, kurz hinter dem Handgelenk.

    Man hörte den Finger am Abzug brechen und Sekundenbruchteile später schoss Blut aus seiner Nase. Ein Schuss löste sich und es rieselte Dreck von der Decke. Das Adrenalin kochte so hoch, dass ich den Knall zwar registrierte, aber nicht darauf reagierte. Ich trat ihm in die Eier, er sackte zusammen und ich zog meine rechte Hand samt Inhalt zurück. Nun hatte ich die Pistole verkehrt herum in der Hand und er lag vor mir auf dem Boden.

    Wir starrten uns an. Er perplex und schmerzverzerrt, ich ebenso überrascht. Unglaublich, dass das geklappt hat und alle noch leben!

    Er überwand seinen Schreck eine halbe Sekunde schneller als ich und wollte aufstehen. Bevor ich reagieren konnte, stürzten zwei seiner ursprünglichen Geiseln auf ihn zu und fixierten ihn am Boden. Ach ja, die waren ja auch noch da.

    Jetzt erst sah ich den Security-Schriftzug auf den Jacken der beiden, die sich auf den Angreifer gestürzt hatten. Der dritte Mann stand noch am selben Platz wie zuvor, einige Meter entfernt und beobachtete mich. Seine Aufmerksamkeit hing eine Zeit lang an der Pistole in meiner Hand. Mehr interessiert als erschrocken wanderte sein Blick von der Waffe zum Angreifer auf dem Boden und den beiden Sicherheitsleuten, die auf ihm saßen. Dann zurück zur Waffe in meiner Hand und aufwärts zu meinen Augen.

    Erst jetzt, als er mir in die Augen sah, erkannte ich Geisel Nummer drei. Da stand er, der Zweck meiner kleinen Reise, der Grund meines Hierseins, der Held meiner schmutzigen Tr…, ääähhh… der Traum meiner schlaflosen Nächte!

    Ach du Schande! Was jetzt? Ansprechen? In Ruhe lassen? Gleich nach dem Autogramm fragen? Ich versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Sein erster Eindruck von mir musste gerettet werden. Meine Stimmbänder spannten sich, die Lunge holte tief Luft und ich hörte mich fragen: „Do you happen to know the nearest bathroom?"

    Was auch sonst? Frag ihn doch einfach nach dem Klo…

    Keine Ahnung, ob es mein fieser deutscher Akzent oder die Frage an sich war, die ihn amüsierte. Jedenfalls fing er an zu kichern wie ein kleines Mädchen, öffnete die Tür zu seiner Linken, trat einen Schritt zurück und zeigte mit dem Finger hinein. Seine Garderobe, wie es schien. „The door on the left."

    Ich drückte ihm im Vorbeigehen die Waffe in die Hand und flitzte quer durch den kleinen Raum, zur linken Tür am anderen Ende. Kaum hatte ich die Tür hinter mir verschlossen, um mich der Erleichterung hinzugeben, hörte ich ihn schallend lachen.

    Irgendwie peinlich. Aber egal. Lachen ist gesund und mein Autogramm bekomme ich jetzt bestimmt.

    Um mindestens einen Liter leichter – wenn es reicht – wollte ich aufstehen und mich anziehen. Leider sahen meine Knie das etwas anders. Die hatten sich entschieden zu Gummi zu werden. Meine Hände waren auch keine große Hilfe. Statt mir behilflich zu sein, mich am Waschbecken hochzuziehen oder an der Duschwanne hochzudrücken, wollten sie lieber zittern wie blöde. Mein Magen sagte mir ebenso, dass mein Weg nicht nach oben führen würde, sondern lieber runter auf die Knie, um meinen Kopf über die Schüssel zu hängen. Da war wohl der Schock der Vater der Planänderung.

    So saß ich zitternd, mit runter gelassener Hose auf dem Boden und kotzte Galle. Gegessen hatte ich an dem Tag noch nichts.

    Der kalte Schweiß lief mir in die Augen, als ich es irgendwann später schaffte wieder aufzustehen. Beim Blick in den Spiegel sah mir ein leichenblasses Schreckgespenst entgegen. Der Teint wirkte durch die leicht ausgewaschenen grünen Haare darüber noch etwas ungesünder. Die Augen waren halb rot, halb schwarz gerändert. Augen und Wangen waren nass. Geheult hatte ich also auch noch, ohne es zu merken. Na bravo!

    Ich sah aus wie das Ding aus dem Sumpf. Oder wie ein schlecht gemachter Zombie. Womit wir wieder bei Highschool-Pseudo-Horrorfilmen wären.

    Ein paar Hände voll kaltem Wasser ins Gesicht und gründlich Mund ausspülen halfen ein wenig. Ein paar Schlucke trinken und ich konnte wieder stehen, ohne mich am Waschbecken festklammern zu müssen. Dieses kleine Badezimmer wirkte plötzlich so einladend. Ich wollte für immer hier bleiben, nie wieder rausgehen, keinen sehen lassen, wie heftig mir diese kleine Begegnung mit meinem potentiellen Ende zugesetzt hatte.

    Leider war die Zeit, die man schicklicherweise in einem fremden Badezimmer verbringen durfte, längst überschritten und es klopfte leise an der Tür: „Are you allright?"

    Nein, ich bin nicht in Ordnung. Ich seh aus wie der Tod auf Latschen und stinke genauso. Sieh zu, dass du Land gewinnst! Ich bleib jetzt hier wohnen und komm nie wieder raus!

    Laut sagte ich: „Yes, give me a minute."

    Hilft ja nichts, ich kann nicht für immer hier drin bleiben.

    Es erstaunt mich immer wieder, wie schnell ich in andere Sprachen finde, wenn ich in diesen angesprochen werde. Ob der Gute jetzt Deutsch oder Englisch spricht, ist mir wurscht. Ich verstehe ihn und kann recht gut antworten. Ob er meine Antworten, durch meinen Akzent und ein paar sprachliche Unsicherheiten versteht, ist sein Problem. Der fragt schon nach, wenn nötig.

    Ich machte mir nicht weiter die Mühe zwischen den Sprachen hin und her zu überlegen. Englisch ist schließlich grundlegend auch nur eine germanische Sprache, also konnte ich das ebenso wahrnehmen und wiedergeben. Es wäre zu kompliziert ständig die Sprachen zu wechseln.

    Es klopfte leise an der Tür: „Bist du okay?"

    Nein, ich bin nicht in Ordnung. Ich seh aus wie der Tod auf Latschen und stinke genauso. Sieh zu, dass du Land gewinnst! Ich bleib jetzt hier wohnen und komm nie wieder raus!

    Laut sagte ich: „Ja, gib mir noch eine Minute."

    Hilft ja nichts, ich kann nicht für immer hier drin bleiben.

    Deutlich mehr als eine Minute später atmete ich noch einmal tief durch und verließ meinen Ort der Ruhe. Die Garderobe, die ich zuvor im Laufschritt durchquert hatte, wirkte jetzt deutlich kleiner. Rechts von mir standen ein zierlicher Schminktisch und eine Kleiderstange auf Rollen, links ein plüschiges Sofa. Darauf saß er.

    Die Beine lässig überschlagen, die Hände auf dem Schoß ineinandergelegt, sah er mich an. Ein abschätzender Blick von oben bis unten und wieder zurück. Mit einem schiefen Grinsen meinte er schließlich: „Du siehst aus wie ein kranker Goblin."

    Ach echt? Na, vielen Dank auch.

    Nur weil ich ein bisschen grün um die Nase bin? Und an den Haaren. Und am Kapuzenzipper. Und an den Neonsneakers.

    Okay, ich bin wirklich ziemlich grün heute. Bis auf die Jeans. Jeans sehen doof aus in grün.

    Trotzdem. Depp!

    Als hätte er meine Gedanken gelesen, fing er wieder an zu kichern: „Ich kann manchmal ein ziemlicher Arsch sein."

    Die Körperhaltung veränderte sich, die Miene wurde nachdenklich und er bot mir per Geste einen Platz auf seinem Sofa an: „Bist du sehr mutig oder nur lebensmüde?"

    Ich antwortete nicht. Setzte mich neben ihn und versuchte, meine immer noch zitternden Hände ruhig zu halten.

    „Das war völlig irre. Das ist dir klar, oder?"

    Wieder gab ich keine Antwort. Sah ihm nur ernst in die Augen.

    Er fing langsam an zu nicken, jegliches Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden: „Es ist dir klar."

    Von der Tür zum Flur kam ein Räuspern. Ein junger Uniformierter stand da, nervös von einem Fuß auf den anderen tretend und forderte uns auf mit ihm zu kommen. Die beiden Sicherheitsleute hätten ihre Aussagen bereits gemacht, der offenbar verwirrte Herr mit der Waffe säße im Streifenwagen und nun müssten noch die letzten beiden Beteiligten befragt werden. Also Mr. Superstar und der kranke Goblin.

    War ich tatsächlich so lange im Bad? Ich sah auf die Uhr über der Tür. Meine Augenbrauen gingen von alleine nach oben und der Mund blieb mir offen. Oha, da war ich aber lange außer Gefecht.

    Wieder beantwortete er meine Gedanken: „Du warst ziemlich lange da drin. Ich wollte dir schon einen Suchtrupp hinterherschicken, falls du zu weit rausgeschwommen bist."

    Ha, ha, sehr witzig. Den blöden Spruch kannte ich ja noch gar nicht. Außerdem sagt man das nur bei Badewannen. Da drin gibt’s nur ’ne Dusche. Ich sah ihn eher sparsam an, bevor ich mich herumdrehte und dem Polizisten folgte. Hinter mir gluckste es erheitert, als ich hoch erhobenen Hauptes den Raum verließ.

    Das Verhör war recht peinlich und brachte mich in leichte Erklärungsnot. Was hatte ich in einem abgesperrten Bereich zu suchen? Warum hatte ich mich durch einen Personaleingang ins Gebäude geschlichen? Wie kam ich an die Stelle der Geiselnahme? Welcher Teufel hatte mich geritten einen Mann, der mich mit einer Schusswaffe bedrohte, nach dem Weg zur Toilette zu fragen? Meine umfassende und zugegeben recht einfallslose Antwort auf all diese Fragen lautete: „Ich musste mal ganz nötig."

    Es blieb mir nicht erspart meine 300 Kilometer lange Odyssee von Anfang bis Ende zu schildern. Den Blumenkübel, mit dem ich geliebäugelt hatte, ließ ich allerdings aus.

    Der Grund für meine Anreise machte mich in den Augen der Beamten nicht gerade vertrauenswürdiger. Meine kurzen grünen Haare mit schwarzen Strähnen und deutlichem braunen Ansatz, sowie der Dropkick Murphys Kapuzenzipper mit Blutspritzern am rechten Ärmel sorgten zusätzlich für wenig Wohlwollen bei dem alternden Bürohengst, der das Verhör führte. Er fuchtelte mir wiederholt mit einer kleinen Taschenlampe vor den Augen herum, um meine Pupillenreaktion zu testen.

    Nein, ich nehme weder Medikamente noch Drogen, du Hampel!

    Am liebsten hätte der mich gleich weggesperrt . Ob in eine Zelle mit Gittern oder eine mit weichen Wänden und einer Hab-mich-lieb-Jacke, schien dabei egal zu sein. Zu seiner maßlosen Enttäuschung fand er allerdings beim besten Willen keinen Grund, mich festzuhalten.

    Irgendwann durfte ich schließlich gehen, nachdem ich die Geschichte zum dritten Mal erzählt und hundert Mal versichert hatte, dass ich keiner radikalen Gruppierung angehörte, keinen Anschlag geplant hätte und auch kein Stalker wäre. Naja, kein richtiger zumindest.

    Mit der Anweisung mich zur Verfügung und von Mr. Superstar fernzuhalten, hatte mich die Freiheit wieder. Nach einem sehr langen Tag, der völlig für die Katz war und mich noch fast mein sinnloses Leben gekostet hätte, machte ich mich auf den Weg zum Auto. Inzwischen war es dunkel geworden und ich kannte mich in der Gegend nicht aus. Ergo dauerte es eine Weile bis ich meinen fahrbaren Untersatz wiederfand.

    Der Anblick war jedoch nicht übermäßig erfreulich. Mein Süßer sah mir etwas schief entgegen, als ich auf ihn zukam. Der Grund dafür war ein platter Reifen.

    Der perfekte Abschluss für einen solchen Tag. Zwar bin ich durchaus in der Lage einen Reifen zu wechseln, habe immer ein Ersatzrad und das nötige Werkzeug im Kofferraum, hatte aber absolut keinen Nerv mehr dafür. Diese Panne war eine Schlappe zu viel für heute. Es ging nichts mehr. Den ganzen Tag nichts gegessen, sechs Stunden im Auto gehockt, für nichts! Bedroht worden, keine Gelegenheit zum Rauchen gehabt, in Hörweite meines Stars gekotzt, kein Autogramm bekommen, fast verhaftet worden.

    Ich setzte mich neben mein Auto auf die Straße, lehnte mich an den kaputten Reifen und fing an mir eine Zigarette zu drehen, während meine Augen überliefen. Meine Hände zitterten schon wieder, das Drehen wurde zur Krümelparty und das Ergebnis sah nach etwas anderem als einer Zigarette aus. Egal, Hauptsache man kann es rauchen. Sobald ich mein Feuerzeug finde. Da ist es.

    Ich drückte auf den Elektrozünder.

    Und drückte nochmal drauf.

    Und drückte nochmal.

    Und es kam keine Flamme.

    Ich ließ das Feuerzeug sinken und lehnte den Kopf gegen den Kotflügel. Ich geb‘s auf. Darf ich jetzt bitte sterben?

    Rechts über mir kicherte es und vor meiner Nase erschien eine Flamme. Schnell die Kippe anzünden, tief einatmen.

    Mein Feuergeber setzte sich neben mich, lehnte sich ebenfalls mit dem Rücken ans Auto, zündete sich selbst eine an und ließ mich erstmal in Ruhe.

    Schön, wenn jemand die Stille genießen kann, ohne gleich losquatschen zu müssen. Noch schöner, wenn es jemand ist, von dem man unbedingt ein Autogramm möchte.

    Durch das Nikotin wurde mir schwindelig, alles drehte sich. Neben mir rührte sich die Gestalt im Designeranzug: „Nicht dein Tag heute." Das war eine Feststellung, keine Frage.

    Mein Kopf schüttelte sich quasi von alleine. Eigentlich rollte er nur müde von einer Seite zur anderen. Zum Schütteln fehlte mir die Energie.

    „Ich hab dir die Luft rausgelassen", sagte er mit einem schelmischen Grinsen.

    „Was?"

    „Aus dem Reifen. Ich hab dir die Luft rausgelassen. So kannst du nicht abhauen, bevor ich mit dir reden konnte."

    „Wie bitte?"

    „Musst du morgen arbeiten?", fragte er ungerührt.

    „Nein." Aktuell mal ein Job mit geregelten Arbeitszeiten und ohne Bereitschaftsdienst. Juhu!

    „Gehen wir was essen? Ich hab Hunger", fuhr er im Plauderton fort.

    Was für ein kaltschnäuziger Spinner. Unfassbar! Dann pass ich mich eben seiner Art an. Mal sehen, wie ihm das gefällt.

    „Krieg ich ein Autogramm? Ich muss dann langsam los. Reifenwechseln dauert ein wenig und ich fahr noch ein paar Stunden."

    Er sah mich irritiert an. Ha, Treffer!

    Leider hielt das nur eine Sekunde vor. Schon kam das schelmische Grinsen zurück: „Wie viele Ersatzreifen hast du? Ich kann auch noch aus den anderen die Luft rauslassen."

    Jetzt platzte mir der Kragen: „Was willst du? Woher wusstest du, welches Auto meins ist? Die Bullen sagen, ich soll mich von dir fernhalten."

    Er zog eine Schnute, überlegte kurz: „Reden. Die Karre passt zu dir. Vergiss was die sagen."

    Ich starrte ihn an. Meine Karre passt zu mir? Ein runtergekommener uralter VW-Bus, in Olivgrün, mit Rostflecken, nur drei Radkappen, halb überlackierter Heckklappe, die farblich nicht zum Rest passt, verschlissenen Sitzen, einem Riss quer über der gesamten Windschutzscheibe, nur

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