Elfen sollst du helfen
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Über dieses E-Book
Harald J. Krueger
Harald J. Krueger wurde 1950 in Berlin geboren. Er wuchs in Hamburg auf. Viele Jahre arbeitete er als Manager in Unternehmen der Lebensmittelbranche. Mit 50 Jahren begann er, was er schon immer wollte, spannende Romane mit einem geheimnisvollen Hauch Übersinnlichem zu schreiben.
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Buchvorschau
Elfen sollst du helfen - Harald J. Krueger
24
1
Am frühen Freitagabend nach Ostern riss lautes Klopfen Holger Köhler aus ›Rock Around The Clock‹. Die flotte Rock ´n` Roll Melodie pfiff er oft. Diesmal, weil er sich auf ein Wochenende ohne Menschenkontakte und Termine freute. Das Pochen klang hölzern. Jemand musste den schmiedeeisernen Klöppel an die Haustür gehämmert haben, statt den Klingelknopf zu drücken. Wobei das Schellen in den zehn Jahren, seit er in dem Einfamilienhaus in Horst, Schleswig-Holstein, wohnte, äußerst selten ertönte. Den zweiundsechzigjährigen Junggesellen besuchte nie einer. Neugier überwand die Überraschung. Er schaute aus dem Küchenfenster. Eine einzelne Person im langen Kapuzenumhang stand im Halbdunkel vor der Tür. Eine Frau!? Ist das etwa Monika Liedtke? Sie schmachteten sich seit Monaten an. Bislang trauten sie sich nicht, über das Blicketauschen und freundliche Grüßen hinauszugehen. Holger hoffte, dass sie, wie er, ledig war. Sollte sie den Mut für den ersten Schritt aufgebracht haben? Der Gedanke beschämte ihn. Als Kerl und besonders als Schornsteinfegermeister müsste er angstfreier sein als sie. Aber mit den Menschen hatte er das nicht so. Auf dem Weg zur Haustür strich er sich das graue Resthaar aus der Stirn und ertastete, ob der Reißverschluss der Hose geschlossen war.
Vor ihm stand nicht die ungefähr gleichaltrige Monika Liedtke. Das Licht der Laterne am Eingang beleuchtete ein junges Gesicht. Weißblondes Haar umrahmte das anmutige Antlitz. Das feine Haar war wie gebügelt glatt und reichte weit über die Schultern. Die ungeschminkten Augen glänzten blau. Die roséfarbenen Lippen betonten die helle Haut. Hinter ihr verbarg Nebel die Sicht zur Straße. Die Erscheinung verschlug Holger die Sprache. Wobei er bei Monika Liedtke auch nichts zu sagen gewusst hätte.
Mit singsangartiger Stimme stellte sich die Überirdischschöne vor:
»Guten Abend Holger.
Ich bin eine Elfe.
Lässt du mich rein,
ist das Glück dein.«
Er zuckte mit den Schultern und schüttelte den Kopf. Einerseits fühlte er sich überrumpelt, aber andererseits durch dieses zarte Wesen nicht gefährdet. Er gab ihr den Weg frei. Sie betrat den Flur und folgte ihm ins Wohnzimmer, dabei zog sie die Kapuze zurück. Beim Setzen auf den angebotenen Sessel legte sie den weichen Umhang auf die Rückenlehne. Ein wadenlanges Kleid umhüllte ihre schlanke Figur. Der seidenartige Stoff schillerte silbrig.
Inzwischen hatte sich der Hausherr gefasst: »Habe ich das richtig verstanden, Sie, ach wir duzen uns ja, du bist eine Elfe?«
Sie nickte lächelnd: »Wir benötigen deine Hilfe.«
»Wir? Wie viele Elfen gibt es denn?«
Sie schmunzelte: »Das wissen wir nicht so genau. Zahlen benutzen wir nicht so wie die Menschen.«
Holger starrte sie an und schwieg. Wie soll das gehen, ohne Zahlen? Kopfschüttelnd fragte er: »Wofür brauchen Elfen Hilfe?« Sie seufzte: »Die Goblins machen uns das Leben schwer.«
»Wer sind die Goblins?«
»Böse Fleischfresser. Die zerstören alles. Wir müssen ständig weiterziehen.«
»Warum wehrt ihr euch nicht?«
Sie schüttelte den Kopf: »Das können Elfen nicht. Um Goblins abzuwehren, muss man kämpfen. Zum Kämpfen muss man böse sein können. Elfen können nur gut sein.«
»Du hältst mich also für böse genug, die Goblins zu vertreiben?«
»Menschen können beides, gut und böse sein.«
Holger blies die Backen auf: »Es reicht! Ich lasse mich nicht veräppeln. Wenn wir nicht bei mir im Haus wären, würde ich annehmen, du versuchst, mich für ‚Die versteckte Kamera‘ reinzulegen. Ich weiß nicht, was du dir sonst von diesem albernen Auftritt versprichst. Ich spiele jedenfalls nicht mit. Hau jetzt bitte ab!«
»Warum weigerst du dich? Wir brauchen wirklich deine Hilfe!«
»Weil es in Wirklichkeit keine Elfen und Goblins gibt.«
»In der Menschenwelt gibt es die tatsächlich nicht, in meiner, der Urwelt, jedoch durchaus und andere ebenso.«
»Dann sollen die euch helfen. Dort ist die Tür!« Er sprang auf und wies zum Ausgang.
Sie legte sich den Umhang auf die Schultern, stelle sich vor Holger und schaute zu ihm auf. Ihre Augen blitzten.
»Vergiss nie! Elfen
sollst du helfen!
Kommen Elfen in Bedrängnis,
droht Menschen Verhängnis.«
Mit wehendem Cape verließ sie das Haus. Nebel verschluckte sie. Er lauschte noch ein Weilchen. Doch kein Geräusch verriet, wie sie verschwand.
Zurück im Wohnzimmer wollte er die Schachpartie weiterspielen, die er am Abend zuvor gegen 23 Uhr unterbrochen hatte. So spät fühlte er sich gegenüber dem nimmermüden Schachcomputer unterlegen. Früher hatte er sich mit dem Gegner immer vorher verabreden müssen. Jetzt stand er allzeit auf Knopfdruck bereit. Allerdings zog der Plastikkasten nie dumme Züge und erkannte stets Holgers Fehler. Glück reichte nicht mehr zum Siegen. Dafür blieben ihm Menschenkontakte erspart. An sich hatte er sich auf die Fortsetzung gefreut. Doch die Elfe schwirrte ihm zu flatterig durch den Kopf. So wie die Frau aussah und sich benahm, scheint sie nicht aus meiner Welt zu sein.
Holger trat auf die Terrasse und atmete tief durch. Die kühle Luft erfrischte ihn. Der Nebel hatte sich aufgelöst. Zurück im Haus sagte er sich mit allem Nachdruck. Elfen gibt es nur in Märchen und albernen Romanen. Punkt aus! Das reichte allerdings nicht, die Schachpartie mit Erfolgsaussicht wieder aufzunehmen.
Später beim Einschlafen drängte Monika Liedtkes Antlitz die umherspukende Elfe aus seinem Kopf. Demnächst sollte ich vielleicht doch mal ein Gespräch mit der reizenden Nachbarin wagen.
Am Samstag dachte er nur noch selten an den Besuch der Elfe. Trotzdem verlor er abends die unterbrochene Partie. Eine neue riskierte er nicht.
Sonntags erledigte Holger wie immer mit flotter Rockmusik Verwaltungsarbeiten und aktualisierte den Arbeitsplan für die kommenden Wochen. Dabei prüfte er, wann er bei Monika Liedtke kehren musste. Es blieben ihm sechs Monate. Falls sich vorher eine günstige Gelegenheit ergeben sollte, wollte er sie ansprechen.
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