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Das Zittern der Glückspilze: Roman
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Das Zittern der Glückspilze: Roman
eBook376 Seiten4 Stunden

Das Zittern der Glückspilze: Roman

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Über dieses E-Book

Im Jahre 2004 explodierte auf dem Flughafen von Málaga eine Bombe. Alle glaubten, die baskische Terrorgruppe ETA stecke dahinter. Die wahren Hintergründe enthüllt dieser Roman.
Verrat, Verfolgung, Entführung und Erpressung bringen selbst Glückspilze zum Zittern. Wo sie sich im magischen Andalusien auch verstecken, die ETA, die Polizei und die Unterwelt bleiben ihnen unerbittlich auf den Fersen.
Achtung: Hochspannung!
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum9. Jan. 2013
ISBN9783848235186
Das Zittern der Glückspilze: Roman
Autor

Harald J. Krueger

Harald J. Krueger wurde 1950 in Berlin geboren. Er wuchs in Hamburg auf. Viele Jahre arbeitete er als Manager in Unternehmen der Lebensmittelbranche. Mit 50 Jahren begann er, was er schon immer wollte, spannende Romane mit einem geheimnisvollen Hauch Übersinnlichem zu schreiben.

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    Buchvorschau

    Das Zittern der Glückspilze - Harald J. Krueger

    Impressum

    1

    Brigitte Martens ertastete mit dem Zeigefinger den Auslöser. Im Fadenkreuz des Suchers tänzelte Achim Martens Hinterkopf. Seine blonden Haare kräuselten sich auf dem Kragen seines dunkelblauen Blazers. Schade, dass er sich nicht vor der Abreise die Haare hatte schneiden lassen. Brigitte hatte ihn extra darum gebeten. Doch selbst nach fast dreißig Ehejahren gehorchte Achim selten. Hoffte er etwa, in Marbella billiger als in Hamburg frisiert zu werden? Wieso spekuliert einer, der gerade ein Vermögen aufs Konto überwiesen bekommen hat, darauf, ein paar Euro beim Friseur zu sparen? War sich Achim überhaupt bewusst, dass sie nun zu den Millionären zählten? An sich ja schon vorher, aber da versperrten noch die täglichen Pflichten den Blick auf ihre finanzielle Lage.

    Achim drehte sich zu ihr um, streckte den Daumen der rechten Faust nach oben. Seine blauen Augen strahlten. Brigitte bedauerte, den Abzug nicht schon vorher gedrückt zu haben. Hastig presste sie den Finger auf die Taste. Im Sucher blinkten die Buchstaben Rec. Das leise Summen der Videokamera wurde durch das allgemeine Gebrabbel am Gepäckband im Flughafen von Málaga übertönt. Es ging hier auffällig lauter zu als in Hamburg. Achim verbeugte sich vor dem Laufband und richtete sich mit ihren beiden Reisetaschen in den Händen wieder auf. Brigitte seufzte erleichtert. Das Fliegen ängstigte sie jedes Mal wieder. Wenn sie den Flug wider Erwarten überlebte, befürchtete sie, dass ihr Gepäck verloren gegangen war. Wenn es dennoch ankam, erwartete sie beim Auspacken, dass Nagellack und Shampoo ausgelaufen waren. Achim drehte sich um und schritt wie immer grinsend auf Brigitte zu. Nach drei Schritten krümmte er sich und schwankte. Er schien die prallen Taschen kaum noch tragen zu können. Dann setzte er die linke ab, wischte sich über die Stirn und wuchtete die kastanienbraune Ledertasche erst beim dritten Versuch wieder hoch. Taumelnd näherte er sich. Brigitte zoomte zur Nahaufnahme ihrer Edeltaschen und schaltete die Kamera aus. Dass Achim sich seine Späßchen sogar beim Urlaubsvideo nicht verkneifen konnte, hätte sie sich denken können. Besonders, wenn sie etwas wichtiger nahm als er. Und das Urlaubsvideo bedeutete ihr durchaus viel. Die Schwiegereltern ihrer Tochter hatten sie mit ihrem so beeindruckt, dass Achim ihr Neid unterstellte. Aber was nahm der jungenhafte Vierundfünfzigjährige schon ernst? Spontan fiel Brigitte nur seine Firma ein. Doch die hatte er gerade verkauft. Was würde er jetzt bloß machen? Brigitte versuchte, mit froher Urlaubslaune ihre Sorge zu verdrängen. Zum ersten Mal verreisten sie sechs Wochen gemeinsam. Seit Gründung seiner Firma vor fünfzehn Jahren waren sie nie länger als einige Tage zusammen weggefahren. Die letzten zehn Jahre hatte Brigitte immer nur mit Daniela, ihrer Tochter, den Urlaub verbracht. Doch Daniela hatte vor einem halben Jahr geheiratet. All die Jahre war Achim so beschäftigt, dass ihn zwei- bis dreiwöchige Unterbrechungen mehr gequält als erholt hätten. Als Arbeitgeber musste er auch keinen Urlaub nehmen. Er hatte sich nie beklagt sondern seine Erfolge genossen. Doch was kam jetzt?

    Am Mittwoch in der vergangenen Woche war Übergabetag an den Käufer. Heute am Sonntag begann ihre Urlaubsreise. Brigitte hatte in fürsorglicher Voraussicht, wenn auch mit eigennützigen Absichten, einen Golflehrgang in Marbella gebucht. So hoffte sie, Achim zu beschäftigen und insgeheim zu Danielas Schwiegereltern aufzuschließen. Überholen lag nicht mehr drin, die golften angeblich schon immer. Achim fand das Projekt reizvoll, interessierte sich aber nicht für die Details, wie Ort, Hotel und Schulung. Nur den Mietwagen buchte er selbst. Und den wollten sie jetzt übernehmen. Brigitte verstaute die Kamera in ihrer Handtasche und wollte Achim ihre Reisetasche abnehmen.

    »Ach, lass man. So bin ich besser ausbalanciert.«

    Im Strom der Ankömmlinge trieben sie voller Vorfreude zum Ausgang.

    2

    Am gleichen Sonntagnachmittag in dem Gewerbegebiet beim Flughafen Málaga wartete Felipe vor dem Eingangstor der Lackiererei Don Pintor. Ungeduldig trommelte er mit beiden Daumen auf dem lederbezogenen Lenkrad seines Geländewagens. Der Takt harmonierte weder zu den wummernden Bässen seiner überdimensionierten Musikanlage noch zu dem tiefen Blubbern des V8-Motors. Es intonierte vielmehr seine Anspannung. Leider beschleunigte es nicht das rumpelnde Hochrollen des Metalltores. Sobald Felipe von seinem Hochsitz in die Halle blicken konnte, gab er Gas. Das anschwellende Röhren des Sechslitermotors wurde von einem schrillen Metallkreischen begleitet. Er war zu früh losgerast. Die verchromte Dachreling kratzte an der Unterkante des Rolltors. Vor Wut traktierte Felipe mit der flachen Hand das Steuer, lenkte nach links in die Halle, hielt vor der Bürotür und stieg aus. Die scharfkantigen Riefen auf dem Dachgepäckträger entdeckte er sofort. Sanft strich er mit den Fingern über die ramponierte Strebe, als ob er sich bei seinem Lieblingsspielzeug entschuldigen wollte. Der Hummer war sein ganzer Stolz. In Andalusien besaß seines Wissens nur er diese zivile Version des amerikanischen Militärfahrzeugs, das in den beiden Irakkriegen zum Einsatz gekommen war. Die extreme Länge und Breite ließen den viertürigen Wagen trotz der hohen Bodenfreiheit flach erscheinen. Die ungewöhnlichen Dimensionen erzeugten einen Hinguckeffekt, der nicht zum üblichen Tarndrang der Krieger passte. Obendrein war Felipes Hummer auch noch zitronengelb lackiert. Spötter mutmaßten, dass sich die Post für anspruchsvolle Zustellaufträge aufrüstete. Wer Felipe kannte, verkniff sich diesen lebensgefährlichen Kommentar.

    Der Zwanzigjährige riss sich von seinem verschrammten Baby los und schaute sich in der Halle um. Vorne links befand sich das abgeteilte Büro mit einem staubblinden Fenster zur Halle. Hinten quer verschlossen drei breite Schiebetüren die Lackierkammern. Rechts davor lechzten ausgeweidete Fahrzeuge mit stumpf geschliffener Oberfläche nach frischer Farbe. Heute am Sonntagnachmittag arbeitete hier keiner. Deshalb funzelten auch nur drei Neonröhren hoch oben an der Decke. Die graue Staubschicht, die alles bedeckte, sah man trotzdem. Es roch auch noch wie in der vorigen Woche nach Lack und Lösungsmittel. Nur der durchdringende Lärm der Schleifmaschinen und das Dröhnen der Absauganlage waren verstummt.

    Felipe betrat das Büro. Es war dunkler als er es erinnerte. Wahrscheinlich weil es in der Halle heute so schummrig war. Don Pintor, der graue Schattenmann, war deshalb kaum zu erkennen. Er saß am hinteren der beiden aneinander geschobenen Schreibtische mit dem Rücken zur Wand. Viel mehr passte auch nicht in das Kabuff. Felipe trat an den Tisch und grüßte:

    »Alles klar?«

    »Wäre es dir lieber, wenn nicht?«, fragte der doppelt so alte.

    »Also, wo ist er?«, drängte Felipe. Sein Plan erlaubte keine Verzögerungen.

    »Erst die Kohle.«

    Felipe zog einen länglichen Briefumschlag aus seinem bauschigen Blouson und reichte ihn herüber. Die knochigen Graufinger blätterten rasch durch die Geldscheine. Dann steckte er das Kuvert in die Innentasche seines Jacketts. Dabei verschoben sich seine Gesichtsfalten vom Mund zu den Augen.

    »Unter dem Schreibtisch vor dir.«

    Felipe bückte sich. Dort stand ein kaffeebrauner Hartschalenkoffer, der kleinste aus den üblichen, ineinander stapelbaren 3er-Sets. So harmlos aussehend hatte er es sich nicht vorgestellt. Andererseits hatte Don Pintor es letzte Woche genauso beschrieben. Felipe traute sich nicht, den Koffer hervorzuholen. Unsicher flatterte sein Blick zu dem Grauen. Der nickte ihm auffordernd zu. Um sich zu überwinden, holte Felipe tief Luft, hielt den Atem an und griff zu. Nichts passierte. Der Koffer wog nur etwas schwerer in der feuchten Hand, als es die Größe vermuten ließ. Felipe schleppte den Koffer zur Tür. Er wollte ihn möglichst schnell wieder loswerden. Don Pintor rief:

    »Warte! Da fehlt noch was.«

    Felipe erstarrte. Was hatte der Staubige vor?

    Der fragte: »Wie willst du sie zünden?«

    Das hatte Felipe vor Aufregung glatt vergessen. Scham ließ ihn schwitzen. Um die Situation zu retten, erklärte er:

    »Ich wollte die Höllenmaschine erst mal einladen.«

    »Das Handy und den Zettel kannst du sicher auch noch tragen.« Don Pintor schob ihm ein altmodisches Handy über den Tisch und reichte ihm ein Pappkärtchen:

    »Das Handy ist nicht registriert. Das Guthaben reicht noch für einige kurze Anrufe. Ruf die erste Nummer an, um die Verbindung aufzubauen. Die zweite Nummer ist der Auslöser.«

    Felipe steckte das Gerät mit der Stummelantenne in die Jacke und den Schnipsel in die Gesäßtasche seiner Jeans. Beklommen trug er den Koffer zum Hummer. Er wendete den Wagen in der Halle und wartete, bis sich das Tor öffnete. Diesmal trommelte er nur mit dem rechten Daumen auf dem Lenkrad. Links las er seine Armbanduhr ab. Die knappe Zeit und die explosive Ladung steigerten sein nervöses Gehämmer.

    3

    In der Ankunftshalle des Flughafengebäudes wunderten sich Achim und Brigitte über die vielen Abholer. Sie standen dicht gedrängt im offenen Halbkreis vor dem Durchgang. Vielfach warteten ganze Familien. Taxifahrer streckten den Ankömmlingen Namensschilder entgegen. Kinder tobten. Das Sicherheitspersonal bemühte sich, ruhig zu bleiben. Achim konzentrierte sich auf die Schilder und entdeckte in der dritten Reihe, was er suchte. Ein zierlicher Mann im grauen Anzug hielt einen Stab mit einer schwarzen Tafel. Auf der glänzte oben in goldenen Buchstaben: ‚Luxury Car Hire‘. Darunter etwas kleiner: ‚VIP - Service‘. Auf der unteren Hälfte stand mit weißer Kreide in Druckbuchstaben geschrieben: ‚Don Achim Martens‘. Jetzt hatte auch Brigitte das Schild entdeckt. Begeistert rief sie:

    »Das müssen wir unbedingt filmen.«

    Achim lachte: »Soll ich die Direktion bitten, dafür die Halle zu räumen?«

    Der Abholer stellte sich ihnen als Pedro vor. Er geleitete sie in die angrenzende Cafeteria und bestellte drei Café con leche. Die feinen Gesichtszüge Pedros erinnerten Achim an einen persischen Teppichhändler in Hamburg, einen Stammkunden, dem er Autos verkauft hatte. Das war noch in seiner BMW-Zeit.

    Bevor der Kaffee serviert wurde, erledigten sie die Formalitäten. Brigitte wunderte sich, dass es ohne Computer möglich war. Bislang kannte sie die Prozedur nur mit uniformiertem Personal, das sich so auf die Bedienung des Computerterminals konzentrierte, dass sie als Kundin befürchtete, die Zeremonie zu stören.

    Während sie den schaumigen Kaffee tranken, überlegte sich Brigitte, wie sie möglichst fehlerfrei und höflich auf Spanisch ihre Bitte um Drehgenehmigung formulieren sollte. Auf die Gelegenheit, wieder Spanisch zu sprechen, hatte sie sich schon gefreut. Es lag dreißig Jahre zurück, dass sie Französisch und Spanisch am Gymnasium unterrichtet hatte. Heute fiel ihr die Konjugation der unregelmäßigen Verben genauso schwer wie ihren Schülern damals. Pedro verstand zunächst, dass er sie beide filmen sollte. Nach ihrem zweiten Anlauf willigte er sofort ein und bat:

    »Mir wäre es freilich lieber, nicht neben Ihrem Mann zu stehen. Neben der Heldenfigur wirke ich wie sein kleiner Mohr. Aber Ihre Schönheit würde mich adeln. Das wäre eine attraktive Werbung für meine Firma!«

    So filmte Achim, wie Brigitte suchend durch die Halle wanderte. Dann schwenkte er über die Wartenden und zoomte das Schild ihres Abholers so nah heran, dass die Schrift entzifferbar wurde. Schließlich postierte er Brigitte links neben den Schildträger. Beide strahlten in die Kamera, als ob sie sich für die blendende Rolle in einem Zahnpastereklamefilm bewarben. Plötzlich verengten sich Brigittes blaue Augen zu strengen Schlitzen. Aus dem rechten Mundwinkel zischte sie jemand etwas zu, den Achim nicht im Sucher sah. Er vergrößerte deshalb den Bildausschnitt. Jetzt erkannte er eine korpulente Zigeunerin, die Brigitte mit der linken Hand etwas silbrig Glänzendes anbot und die rechte Hand bettelnd hinhielt. Sie wandte sich gerade von Brigitte ab. Achim verfolgte sie im Sucher. Die Schwarzmähnige stapfte davon, zerrte an ihrer Halskette, fingerte ein Kreuz aus dem Blusenausschnitt, drehte es auf den Kopf und stülpte die Lippen, als ob sie es bespucken wollte. Dabei schaute sie Brigitte an. Die blonde Hauptdarstellerin hatte ihr strahlendes Lächeln wieder gefunden und die Nebenszene nicht bemerkt. Achim schaltete die Kamera aus und gesellte sich zu Brigitte und Pedro.

    4

    Zur gleichen Zeit erreichte Felipe mit seinem gelben Hummer den Parkplatz des Flughafens Málaga. Er fuhr nicht in das mehrstöckige Parkhaus sondern auf das Gelände des alten Parkplatzes daneben. Einfache Betonkonstruktionen überdachten die Parkreihen als Sonnenschutz. Die Plätze waren für lokale Autovermieter reserviert. Als erstes überzeugte er sich, dass der metallicrote Mercedes CLS noch dort parkte, wo er ihn letzte Woche entdeckt hatte. Ein Glück, das nagelneue Coupé stand noch da. Jetzt suchte Felipe einen möglichst nahe gelegenen Platz für seinen Hummer. Allzu weit wollte er den Koffer nicht schleppen. Also pirschte er durch die Reihen und hoffte auf einen Wegfahrer. Am Sonntagnachmittag bewegte sich hier allerdings gar nichts. Mit jedem Blick auf die Armbanduhr, steigerte sich seine Nervosität. Die Zeit verrann und er kutschierte immer noch den Koffer umher.

    Währenddessen hatte Pedro Brigitte und Achim vom Flughafengebäude zu diesem alten Parkplatz geführt. Er schob auf einem Gepäckwagen ihre Reisetaschen. Die milde Aprilnachmittagswärme Andalusiens umschmeichelte die Ausgekühlten. Selig schauten sich Brigitte und Achim in die Augen. Genau nach diesem Klima hatten sie sich gesehnt.

    Schon von weitem entdeckte Achim den silbernen Porsche 911 mit dem schwarzen Cabriodach. Pedro öffnete Achim die Fahrertür und ließ ihn einsteigen. Genüsslich sog Achim den Lederduft in die Nase. Zärtlich strich er über das Lenkrad und die Armaturen. Seine Verzückung erinnerte Brigitte an die Augen ihrer Tochter bei den Bescherungen, als sie noch an den Weihnachtsmann glaubte. Flink zückte Brigitte die Videokamera und filmte. Pedro erläuterte Achim auf Englisch die kleinen Geheimnisse des Carreras: Wie entriegelt man die Kofferraumhaube, wie versenkt man das Dach und wo wird Benzin eingefüllt. Dann wurden die Reisetaschen in das Gepäckfach gepresst. Jetzt sah Brigitte ein, dass tatsächlich nicht mehr reingepasst hätte. Pedro verabschiedete sich und nahm den Gepäckwagen mit.

    5

    Felipe passierte zum dritten Mal mit seinem knallgelben Hummer den CLS, das viertürige Designwunder von Mercedes. Entnervt stoppte er, setzte einige Meter zurück und stieg aus.

    Brigitte filmte gerade, wie Achim für eine kurze Probefahrt eine Ehrenrunde auf dem Parkplatz drehte. Sie verfolgte ihn mit einem Kameraschwenk, bis der Sportwagen wieder bei ihr hielt. Übermütig rief Achim:

    »Hey Baby, hast du Lust auf eine Spritztour?«

    Brigitte schmunzelte und stieg ein. Achim spurtete zur Ausfahrt. Dort wartete ein gelber Hummer, um sich in den fließenden Verkehrsstrom einzuordnen.

    6

    Zehn Minuten später fand Felipe auf dem Riesenparkplatz vor dem Kinocenter kurz vor Málaga sofort einen Parkplatz für seine Monsterkarre. Zügig schritt er zur Kasse und kaufte sich eine Eintrittskarte für einen blutigen Film, den er sich letzte Woche bereits angesehen hatte. Felipe schlug die Richtung zu den Kinosälen ein. Am Nebenausgang verließ er jedoch das Gebäude und ging zum Taxenstand. Bevor er einstieg, schaute er, ob er den Fahrer kannte. Das Pfannkuchengesicht mit Knollennase und Kraushaar war ihm fremd. Felipe setzte sich neben den Fahrer:

    »Zum Flughafen!«

    Während der Fahrt wechselten die beiden kein Wort. Als sie ankamen, brach der Chauffeur das Schweigen:

    »Ohne Gepäck wollen Sie wahrscheinlich jemanden abholen. Dann lasse ich Sie auf der Ankunftsebene heraus.«

    »Klar Mann.«

    In der Ankunftshalle starrte Felipe so lange auf die hohe Anzeigetafel, bis sich sein Nacken versteifte. Schließlich fand er den Flug, der ihn interessierte. Eine Verspätung, wie bei einigen anderen Ankünften, wurde nicht angezeigt. Ihm blieben noch zehn Minuten. Gemächlich begab er sich zum Aufzug, mit dem er sich zur Aussichtsterrasse befördern ließ. Hier draußen drängten sich einige Familien mit Kindern am Geländer. Die Flugzeuge lärmten ohrenbetäubend. Manche Lautsprecherdurchsagen, die die Starts und Landungen ankündigten, wurden von den Turbinen übertönt. Felipe schlenderte umher und konzentrierte sich auf die Ansagen.

    Endlich, drei Minuten früher als erwartet, plärrte eine Frauenstimme aus den Lautsprechern:

    »Als nächstes landet die Boeing 707 der Swiss Air aus Basel kommend.«

    Im gleichen Moment entdeckte Felipe bereits einen Silberrumpf mit dem weißen Kreuz auf rotem Grund am Heck. Das Flugzeug schwebte im Sinkflug heran. Noch vor dem Bodenkontakt zog sich Felipe in das Treppenhaus zurück. Dort hielt sich gerade kein Mensch auf. Der Lärm von draußen säuselte hier nur noch. Felipe tippte die Telefonnummer der Sicherheitszentrale des Flughafens in Don Pintors Mobiltelefon. Sobald sich jemand meldete, quiekte er mit Mickymaus-Stimme:

    »Freiheit für das Baskenland. In fünfzehn Minuten sprengen wir den Flughafen. Falls Sie noch jemanden retten wollen, fangen Sie mit der Räumung beim alten Parkplatz neben dem Parkhaus an. Freiheit für das Baskenland!«

    Felipe schaltete das Handy sofort wieder aus, steckte es in die Jackentasche und schaute auf die Uhr. Um 16:44 wollte er es noch einmal benutzen. Mit dem Mittelfinger ertastete er Don Pintors Kärtchen in der Hosentasche. Dann trabte er die Treppe hinunter zur Abflugetage und verließ das Gebäude. Draußen wurde gerade ein Taxi entladen. Genau darauf hatte Felipe gehofft. Er wartete neben dem weißen Viertürer, bis der Fahrer sein Geld eingesteckt hatte. Dann öffnete er die Beifahrertür, um einzusteigen. Der Fahrer schüttelte bedauernd den Kopf:

    »Ich darf hier keinen Fahrgast übernehmen. Eine Etage tiefer warten genügend Taxen.«

    »Nun stell dich doch nicht so an. Ich habe es eilig.«

    »Ich darf nicht und will auch nicht meine Lizenz riskieren.«

    Felipe wäre jetzt normalerweise grob geworden. Doch heute wollte er vor allen Dingen nicht auffallen. Wütend eilte er zurück zum Treppenhaus, hetzte die Treppe hinunter und trat eine Etage tiefer aus dem Ausgang. Gleich links warteten bereits drei Paare auf Taxen. Um Gedrängel zu vermeiden, waren stabile Eisenbarrieren so aufgestellt, dass immer nur eine Taxe nach der anderen bestiegen werden konnte. Felipe reckte sich, um die Anzahl der leeren Taxen zählen zu können. Für ihn blieb keine übrig. Verbittert schnaufte er. Nervös trampelte er von einem Fuß auf den anderen. Sollte sein grandioser Plan jetzt daran scheitern, dass sonntags nicht genügend Taxen im Einsatz waren?

    7

    Mit der Maschine aus Basel traf auch Isabel ein. Sie flutete im Pulk der Touristen durch die polierten Flughafengänge, stellte sich jedoch nicht mit den anderen an das Gepäckband, sondern strebte mit ihrem Rollköfferchen direkt zum Ausgang. Isabel freute sich, bald wieder zuhause zu sein. Sie hatte zwar nur drei Tage die Schmuckmesse in Basel besucht, dennoch schlief sie am liebsten im eigenen Bett. Das war ihr vor zwei Jahren zum Ende ihrer einjährigen Weltreise bewusst geworden. Isabel fühlte sich noch berauscht von den Messeeinkäufen für ihr Juweliergeschäft in Marbella. Ihr erster eigener Laden war erst vor zehn Tagen eröffnet worden. Sie wollte auf der Fahrt mit ihrem Mercedes CLS Coupé vom Flughafen zu ihrem Penthaus in Marbella am Laden vorbeifahren, nicht aussteigen, nur schauen. Das prickelte noch so schön.

    8

    Felipe flehte um ein Taxi. Stattdessen trabte eine Gruppe Polizisten im Laufschritt herbei. Die Stiefel trampelten laut. Felipes Herz flatterte. Jemand brüllte Kommandos. Die Gruppe teilte sich. Ein Teil besetzte den Ausgang des Flughafengebäudes wenige Meter entfernt von Felipe. Der andere Teil blockierte den Zugang des Parkhauses. In diesem Augenblick rauschte eine Taxe heran. Felipe riss die Beifahrertür auf und ließ sich in den Sitz plumpsen:

    »Zum Kinocenter!«

    Sein pochendes Herz beruhigte sich. Der Schweiß kühlte. Auf der Autobahn kamen ihnen viele Mannschaftswagen der Polizei mit Blaulicht entgegen. Felipe spürte ein Kribbeln am Rückgrat. Seine Drohung schien ernst genommen zu werden. Das Gefühl von Macht durchströmte ihn und lockerte die Anspannung.

    9

    Vor Isabel watschelte gemütlich eine kinderreiche Familie zum Ausgang. Plötzlich blieben sie stehen. Isabel versuchte, rechts an ihnen vorbei zu gehen. Da bemerkte sie den Stau, der sich beim Ausgang gebildet hatte. Isabel wollte gerade zum Seitenausgang gehen, da sah sie, dass sich auch dort die Menschen drängten. Die Halle füllte sich. Dabei waren inzwischen keine weiteren Flugzeuge gelandet. Sämtliche Anflüge waren bereits umgeleitet worden. Auch die Zufahrtsstraße war gesperrt. Dennoch füllte sich die Halle immer mehr. Nur die, die drinnen dicht bei den Fenstern warteten, konnten die Hektik draußen beobachten.

    10

    Um 16:40 stieg Felipe vor dem Kinocenter aus der Taxe. Er schlenderte zum Kinosaal 17. Schon bei Nummer 14 erkannte er, dass die Tür für Nummer 17 bereits geschlossen war. Eine Kartenabreißerin wartete auf Nachzügler. Felipe blieb stehen. Seine Uhr zeigte 16:44 an. Tiefer atmend fingerte er Don Pintors Nummernzettel aus der Hose und tippte die erste Zahlenfolge in das klobige Mobiltelefon. Dabei drehte er sich etwas zur Seite, weil er sich vor der jungen Schminkeule für das altmodische Gerät schämte. Der Koffer meldete sich nur mit einem Knackgeräusch. Felipe wartete ein paar Sekunden, hielt die Luft an und gab die zweite Ziffernreihe ein. Bei der letzten Zahl zögerte er. Dann zählte er stumm: Drei, zwei, eins. Wieder spürte er das Kribbeln der Macht. Das Handy bestätigte auch den letzten Tastendruck nur mit dem üblichen Piepser. Felipe hatte etwas Dramatischeres erwartet, wenigstens eine Stimme, die »Bingo« jubelte. Aber vor allen Dingen rechnete er mit einer gewaltigen Detonation. Doch er hörte nichts und spürte noch nicht mal eine Vibration. Was war schief gelaufen? Hatten die etwa den Koffer gefunden und noch rechtzeitig entschärft? Oder hatte Don Pintor ihn betrogen? Einfach nur ein paar Wackersteine in den Koffer gelegt? Wenn Felipe sich überlegt hätte, dass der Schall für die fünf Kilometer Distanz zirka fünfzehn Sekunden braucht, hätte er mit seinen Verdächtigungen gewartet. So setzte er sich voller Zweifel in den finsteren Vorführraum.

    11

    Isabel stand noch im Menschenstau in der Ankunftshalle und fühlte sich zunehmend unwohl in der Menge. Plötzlich ohne jegliche Ankündigung krachte es draußen gewaltig. Sie spürte den Boden beben. Sie sah durch die zitternden Glasscheiben, wie sich die Polizisten draußen auf den Boden warfen. Isabel und alle um sich herum zuckten zusammen. Für einen Bruchteil einer Sekunde verharrte alles erstarrt. Dann klang es nach zersplitterndem Glas, schepperndem Metall und prasselndem Gestein. Drinnen schrien Kinder, kreischten Frauen, und brüllten Männer:

    »In Deckung! Raus hier!«

    Einige warfen sich auf den Boden. Viele drängten zu den Türen. Die Wachposten wurden zur Seite geschoben. Die Türen waren viel zu schmal für den Ansturm. Es bildeten sich Pfropfen aus hastenden Menschen und verkeilten Gepäckkarren. Isabel bewegte sich auch zum Ausgang. Doch nach drei Schritten stoppte sie und kehrte um. Die meisten rannten ihr entgegen. Zum Glück konnte sie allen ausweichen. Sie erreichte die verlassene Cafeteria. Ohne zu zögern trat Isabel hinter den Tresen und durchschritt die Schwingtür zur Küche. Der Raum wirkte durch die Regale, Kühlschränke und Herde zugestellt. Am hinteren Ende entdeckte Isabel, was sie gehofft hatte. Eine Stahltür stand offen. Der Lieferanteneingang diente auch als Notausgang.

    Draußen empfing sie das milde Klima des Südens. Sie orientierte sich kurz und wanderte dann rechts am Gebäude entlang zum alten Parkplatz. Dort durfte sie ihren eigenen CLS kostenlos parken. Das hatte ihr der Autovermieter angeboten. Zum einen weil sie, bis sie diesen Wagen bekam, seine beste Kundin gewesen war. Zum anderen wollte er wahrscheinlich mit ihrem schicken Eyecatcher seine reservierten Plätze schmücken und seine Mittelklasse-Flotte adeln.

    Beim Parkplatz roch sie Mörtelstaub, wie er über jüngst abgerissenen Häusern schwebt. Eine Sektion der Überdachung war eingesunken. Teile der Eisenmontierung stakten bizarr verbogen aus den Rändern. Isabel erschrak. Hoffentlich hatte ihr Mercedes CLS Coupé nichts abbekommen. Sie näherte sich ihrem Stellplatz. Das zerstörte Dach bedeckte nur einen Wagen. Mehrere Uniformierte standen vor ihm. Keiner wagte sich nah heran und schon gar

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