Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Wolltest du Bäuerin werden?: Bauerntöchter im Gespräch mit ihren Müttern
Wolltest du Bäuerin werden?: Bauerntöchter im Gespräch mit ihren Müttern
Wolltest du Bäuerin werden?: Bauerntöchter im Gespräch mit ihren Müttern
eBook251 Seiten3 Stunden

Wolltest du Bäuerin werden?: Bauerntöchter im Gespräch mit ihren Müttern

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Ulrike Siegels neues Buch gewährt durch die Ausgangssituation der Gespräche zwischen Müttern und Töchtern einen ungewohnt tiefen und persönlichen Einblick in das Leben der Frauen auf dem Land in der Kriegs- und Nachkriegszeit. So ist das Buch eine unterhaltsame Lektüre und zugleich ein wichtiges zeithistorisches Dokument.Basierend auf ehrlichen, teils mühevollen und immer beeindruckenden Gesprächen, erzählen die Töchter in diesem Band vom Leben ihrer Mütter. Wie haben diese Frauen ihre Kindheit und Jugend auf den Bauernhöfen der Kriegs- und Nachkriegszeit erlebt? Was hat ihr Leben geprägt und wie blicken sie heute auf ihr Bäuerinnenleben zurück?
SpracheDeutsch
HerausgeberLV Buch
Erscheinungsdatum1. Sept. 2013
ISBN9783784390444
Wolltest du Bäuerin werden?: Bauerntöchter im Gespräch mit ihren Müttern

Ähnlich wie Wolltest du Bäuerin werden?

Ähnliche E-Books

Kleinstadt & Ländliche Regionen für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Wolltest du Bäuerin werden?

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Wolltest du Bäuerin werden? - LV Buch

    15

    „Alles für den Hof?"

    Die Veröffentlichung der Bauerntöchter-Geschichten hat in vielen Bauernfamilien eine Auseinandersetzung über das Erleben der in den 60er Jahren geborenen Töchter angestoßen. Vor allem von den Müttern wurde immer wieder der Wunsch geäußert, auch ihre Generation mit ihrer Sicht auf diese Zeit, geprägt durch das Erleben der Kriegs- und Nachkriegsjahre in der Landwirtschaft, zu Wort kommen zu lassen.

    Wie haben Frauen ihre Kindheit und Jugend auf den Bauernhöfen der Kriegs- und Nachkriegszeit erlebt? Was hat ihr Leben geprägt und wie blicken sie heute auf ihr Bäuerinnenleben zurück? Ein Leben für den Hof?

    14 Bauerntöchter machen sich in dem vorliegenden Band mit diesen Fragen auf Spurensuche im Leben ihrer Mütter. Daraus entstanden Porträts von 14 Bäuerinnen aus den unterschiedlichsten Regionen Deutschlands, die in den schwierigsten Zeiten Großes geleistet haben. 14 Kapitel deutscher Zeitgeschichte, die von Träumen und zerstörten Hoffnungen berichten. 14 Lebensbilder, die aber auch deutlich machen, mit welcher Kraft, mit welchem Engagement Frauen ihr Schicksal in die Hand nehmen.

    Als Kriegskinder geboren, berichten sie über die Schrecken des Krieges: von den Nächten im Bombenkeller, von brennenden Städten, Angst, Verzweiflung, Kummer und Trauer. Drei der Frauen mussten die vertraute Heimat zurücklassen und in der Fremde neu anfangen. Sie alle hätten Grund gehabt, über ihre verpasste Kindheit und Jugend zu weinen. Aber sie haben es nicht getan.

    Mit großer Tatkraft haben sie ihr Leben angepackt – erst auf den elterlichen Höfen, später auf den Höfen der Ehemänner. Haben sich meist den dortigen Gepflogenheiten untergeordnet und gearbeitet, im Haushalt, im Garten, im Stall und auf dem Feld. Nebenher die Kinder aufgezogen und oft sogar noch Alte und Kranke gepflegt. Ein Arbeitspensum, das sich schon die Tochtergeneration nicht mehr vorstellen kann.

    Spannend ist der Rückblick der Frauen auf ihr Bäuerinnenleben. Übereinstimmend die Zufriedenheit, Dankbarkeit und Freude beim Blick zurück trotz oder vielleicht gerade wegen der durchlebten schweren Zeiten. Beeindruckend die innere Unabhängigkeit, die sich diese Frauen dabei bewahrt haben. Dies zeugt von menschlicher Größe, die hohen Respekt verdient.

    Mein Dank gilt allen, die dazu beigetragen haben, dass dieses Buch entstehen konnte. Vor allem den Müttern, für ihren Mut und die Offenheit, mit der sie uns die Tür zur Vergangenheit geöffnet haben. Herzlichen Dank auch den Töchtern, die sich auf diese Gespräche eingelassen haben, und für ihre Bereitschaft und die Zeit, in der sie diese zu Papier gebracht haben.

    Oktober 2008

    Ulrike Siegel

    Darum bin ich eine reiche Frau

    Ida Haffert, geb. 1926 in Wadersloh/Nordrhein-Westfalen, wächst mit vier Geschwistern auf und heiratet mit 22 Jahren den Landwirt Antonius Haffert, der einen Hof in der Nachbarschaft bewirtschaftet. Nach dem frühen Tod ihres Mannes führt sie mit den acht Kindern den Betrieb weiter. Heute wird die Landwirtschaft von einem ihrer Söhne betrieben.

    Tochter Ingeborg Haffert, geb. 1960, lebt in Aachen und ist Redakteurin beim ARD-Morgenmagazin. Ihre Geschichte „Von strammen Köpfen und dem schönsten Grabstein der Welt" ist im Bauerntöchterband 2 veröffentlicht.

    Meine Mutter ist heute 82 Jahre alt und eine „reiche Frau: „Ich habe ein erfülltes Leben hinter mir, sagt sie.

    Aufgewachsen in einer Bauernfamilie mit fünf Kindern fährt sie mit Anfang zwanzig auf einem Flachwagen voller Aussteuer vom elterlichen Hof in ihr neues Leben. Von nun an ist sie Bäuerin auf dem nahe gelegenen Hof meines 17 Jahre älteren Vaters. Nachbarskinder werden Eheleute. Meine Eltern ziehen in den gemeinsamen Jahren acht Kinder groß und nicht selten sitzen beim Mittagessen 15 Personen an unserem Tisch: Die Eltern, die Kinder, die Oma, noch unverheiratete Geschwister meines Vaters, Knechte, Hausmädchen und ab und zu auch mal der Postbote. Es ist turbulent bei uns zu Hause, mit allem, was das Leben zu bieten hat: Ernteausfälle, Liebeskummer, Schulprobleme, Todesfälle, Hochzeiten, Geburten und auch revolutionäre technische Errungenschaften sorgen in unserer Familie für Aufregung: der erste Trecker, die erste Melkmaschine, der erste Selbstbinder, das erste Auto.

    Mein Vater stirbt mit 67 Jahren an Krebs. Ein Schock für die Familie und eine Riesenaufgabe für meine Mutter. Sie muss die Familie und den 40-Hektar-Betrieb von nun an alleine managen. Ich weiß bis heute nicht, wie sie das geschafft hat, und habe großen Respekt vor dieser Lebensleistung meiner Mutter.

    Heute ist sie wohlverdiente Rentnerin, doch hin und wieder ge­schieht es, dass ihr wahres Alter und ihre innere Befindlichkeit nicht recht zueinanderkommen wollen. Bei einer gemeinsamen Rad­tour sagt sie kürzlich zu mir: „Wir fahren so weit, wie DU kommst." Und ich bin nicht unsportlich! Heute lebt sie mit meinem Bruder und seiner Familie auf dem Hof. Sie hat sich dort eine eigene kleine Wohnung eingerichtet und wünscht sich noch ein paar ruhige Jahre in vertrauter Umgebung. Ich spüre ein bisschen ihre Angst, auf der Bühne des Lebens nach hinten treten zu müssen. Ein ganzes Leben lang war sie aktiv, lebendig, selbstständig. Sie hat wichtige Entscheidungen getroffen, hat uns Kinder aufwachsen und aus dem Haus gehen sehen, hat viel gearbeitet und erreicht. Es ist nicht leicht, sich aus einem so vollen Leben zurückzuziehen. Den Blick ins eigene Innere zu wenden und dort Frieden mit sich und der Welt zu finden. Ich wünsche ihr von Herzen, dass ihr das gelingt. Es ist zehn Uhr morgens. Wir sitzen gemeinsam an dem Küchentisch, an dem ich schon als Kind gesessen habe. Auf der Eckbank, in der früher meine Schultasche verschwand. Ich hole das Aufnahmegerät, meine Mutter eine Flasche Doppelkorn. Wir trinken uns Mut an. Wenig später stecke ich ihr das kleine Mikrofon an den Blusenkragen. Tonprobe und los geht’s:

    „Wenn du zurückblickst auf dein Leben, was hat dich am meisten geprägt?"

    Mein Aufgabengebiet war immer die Familie und der Betrieb. Die haben mein Leben bestimmt. Das war so vorgegeben und du muss­test zusehen, dass du zurechtkamst. Dass du dein Brot bezahlen konntest. Und dazu gehörte auf jeden Fall die tägliche große Aufmerksamkeit für den Betrieb und viel praktische Arbeit. Das stand immer im Vordergrund.

    Am Anfang, als ich hier auf den Hof kam, hatten wir 18 Kühe. Die mussten DREIMAL am Tag MIT DER HAND gemolken werden. DREIMAL! Das gab es überhaupt nicht anders. Und als in der Nachbarschaft die ersten Melkmaschinen angeschafft wurden, da hieß es bei uns: So eine Melkmaschine, die kriegen wir NIE. Davon geht doch nur das Euter kaputt. Früher waren die Melkmaschinen auch nicht so wie heute. Und mittags, wenn der Milchwagen wiederkam, dann mussten die Magermilch und die Molke ins Schweinehaus getragen werden. Damit wurden die Schweine gefüttert. Die Kannen mussten gewaschen werden. Auch die Kälber wurden dreimal am Tag gefüttert. Auch sonntags. Und um Punkt zwölf Uhr wurde jeden Tag gegessen. Das war hier immer so. Aber diese Pünktlichkeit verlangte einem auch was ab. Die jüngsten Kinder wurden vorher versorgt und ins Bett gebracht. Wenn hier mittags die vielen Leute mit am Tisch saßen, die hatten nur eine Stunde Mittag, meinst du, die wollten sich dann hier das Theater bei Tisch anhören? Es wurde gegessen, dann die Zeitung gelesen, dann war noch eine halbe Stunde frei. Nur am Sonntag aßen alle Kinder mit am „großen Tisch".

    Die tägliche Arbeit nahm damals viel Zeit in Anspruch. Vor allem weil alles Handarbeit war. Die Runkeln wurden zum Beispiel mit der Hand durchgedreht und jedes Bund Stroh mit der Hand bis oben auf den Balken befördert.

    „Du hast mal erzählt, dass es zu dieser Zeit, kurz nach dem Krieg, keinerlei Müll auf eurem Hof gab."

    Das stimmt. Wir hatten keine Dosen, und Plastik gab es ja noch nicht. Früher konnte man deshalb auch keine Maissilage machen. Es gab gar keine Plane zum Abdecken. Die Runkeln wurden mit Stroh und Erde zugedeckt. Hattest du zu viel zugedeckt, dann erstickten sie und wurden faul. Hattest du zu wenig zugedeckt, dann erfroren sie. Im Krieg wurde auf meinem elterlichen Hof noch selber Butter gemacht. Die gab es nur auf Lebensmittelkarten, die sehr knapp waren. Dann wurde die Sahne unters Sofa gestellt, damit die immer etwas warm war und sauer wurde. Dann kam sie in eine Zehnliterkanne und wir Kinder mussten die Sahne mit einem Stampfer ständig bewegen. Manchmal eine Stunde lang. Bis die Sahne gerann. Damit sich die Butter von der Buttermilch absetzte. Da haben wir manches Mal ganz schön gestöhnt. Auch im Garten wurde alles mit der Hand gemacht. Und was du im Sommer nicht geerntet und eingemacht hattest, das gab es dann im Winter auch nicht zu essen. Es wurde NIE eine Dose Erbsen gekauft! Oder Runkeln hacken. Stundenlang. Auch wenn es noch so heiß draußen war. Da hat sich keiner beschwert. Es hat auch keiner gesagt, ich kann nicht mehr. Das hat es nie gegeben. Wir hatten ja noch keinen Trecker damals. Nur Pferdestärken. Da­rum waren immer so viele Leute auf den Höfen. Wir konnten das alleine gar nicht schaffen. Beim Runkeln vereinzeln, da sind wir auf Knien übers Feld gekrochen, immer rechts und links vereinzeln und hinterher taten uns die Knie so weh.

    „Hast du diese ständige Arbeit nicht manchmal verflucht?"

    Nein. Ich bin damit aufgewachsen und ich wusste, es geht nicht ­anders. Und ich freute mich, wenn wir was fertig hatten. Das war doch unser Erfolgserlebnis.

    „Ab wann hast du als Kind auf dem Hof mitgearbeitet?"

    Das fing so mit acht, neun Jahren an. Beim Waschen haben wir geholfen. Wir mussten ja früher die Waschmaschine mit der Hand drehen. Fünfmal rechts rum, fünfmal links rum. Lieber hätten wir natürlich gespielt. Steinhüpfen, Ballspielen oder Seilchen springen. Am Waschtag machten wir dann Feuer unter dem Topf. So ein Tag, den gab es nur alle fünf, sechs Wochen. Da wurde nur einmal pro Woche das Hemd gewechselt. Und bis dahin musste man irgendwie auskommen. Dann haben wir noch Kartoffeln aufgesucht, Holz geholt und Eier weggebracht. Wir mussten die mit dem Fahrrad in die Stadt bringen. Zehn Kilometer ein Weg. Die Eiertasche hatten wir auf dem Handgelenk und dann durch die ganzen Schlaglöcher, aus einem Loch raus ins nächste wieder rein. Wir hatten auch keine Fahrräder wie heute. Da wurde man nicht gefragt, kannst du das wohl oder ist dir das nicht zu schwer? Bestimmte Pflichten mussten einfach erledigt werden. Aber es gab auch keine Alternative, damals im Krieg. Die Eier mussten da hin, sonst kriegten wir nicht, was wir brauchten. Auch für meine Aussteuer nachher. Man musste immer etwas mitbringen. Und das waren damals bei uns an erster Stelle die Eier. Du musstest schon schmieren, sonst lief nichts.

    „Was hast du sonst noch eingetauscht?"

    Auch mal ein Stück Speck oder Wurst. In einem Uhrengeschäft saß immer so ein älterer Herr hinter der Ladentheke, der zog dann ­immer die Schublade raus und meinte: „Tja, die Hühner haben heute ja noch gar nicht gelegt." So war das mit den Tauschgeschäften. Als ich 1949 geheiratet habe, da konntest du nicht einfach in den Laden gehen und sagen, das hätte ich gern. Das gab es nicht. Es wurde alles regelrecht zusammengehamstert.

    „Du erzählst gerade von deiner Hochzeit. Wie war die Rolle der Frauen damals?"

    Früher wurde einfach viel von den Eltern bestimmt. Wir sind doch erst „ich" geworden, als wir verheiratet waren. Das musste alles nach außen nach was aussehen. Und was nicht gut war, das trug man auch nicht nach draußen. Das gab man auch nicht zu. Ich hatte damals auch nie einen Pfennig Geld in der Tasche. Nie, bis ich geheiratet habe. Unsere Eltern sorgten dafür, dass wir alle bekamen, was wir brauchten. Aber eigenes Geld hatten wir nicht.

    Ich war 21 Jahre alt, als mein Vater starb. Meine jüngste Schwester und ich waren nach der Ausbildung wieder zu Hause. Das war früher so. Die Mädchen auf dem Lande bekamen eine hauswirtschaftliche Ausbildung und dann musstest du warten, bis du weggeheiratet wurdest. Wenn du Pech hattest, dann war das eben nicht. Wir hatten ja keinen anderen Beruf. Und wenn du verheiratet warst, dann hast du nicht gesagt: Ich bleibe da nicht, ich trenne mich, ich löse die Ehe auf. Du konntest doch nirgendwo hin. Du hattest kein Geld, nur diese hauswirtschaftliche Ausbildung. Du hattest gar keine Chance, so eine Ehe zu beenden.

    „Du hast gesagt, ihr hattet als Frauen nur die Ausbildung. Was hast du nach der Volkschule gemacht?"

    1943 bin ich zur Landwirtschaftlichen Haushaltungsschule ge­gangen. Die Hauswirtschaftsschule ging ein halbes Jahr lang. Da bin ich morgens immer mit dem Fahrrad zum Bahnhof gefahren und von da mit dem Zug zur Schule. Damals im Krieg, da gab es SchaffnerINNEN. Die kann ich dir da heute noch hinmalen. So was gab es doch früher gar nicht. Aber jetzt waren die Männer alle im Krieg, da mussten das Frauen machen. Die hatten dann auch so ein Schiffchen auf. Das war eine ganz nette, unsere Schaffnerin. Wir mussten immer durch eine Sperre, da stand einer mit einer roten Mütze.

    Zur Schule mussten wir unsere Hühner, die wir kochen wollten, immer mitnehmen. Wir haben da alles für den Haushalt gelernt: nähen, kochen, putzen, waschen, Ernährung, Gesundheitslehre, Deutsch, Rechnen. Und wir haben da jeden Tag gekocht, andere machten Gartenarbeit, wieder anderen bügelten. Wenn ich heute bügele, dann denke ich immer noch dran: Der Kopf der Wäsche liegt links. Und die Stosskante immer nach vorne, wenn man sie in den Schrank legt. Hausarbeit, das ist ja sehr, sehr vielseitig. Stärken, Silber putzen, Tisch decken. Das waren bestimmt zehn Fächer.

    Morgens fing das an mit der Kochbesprechung, alle um den Tisch, und dann hieß es: Was kochen wir denn morgen? Und jeder wusste dann genau, was er mitzubringen hatte. Weil Krieg war. Dann hieß es: Du bringst morgen ein Huhn mit, du ein Kilo Kartoffeln usw. Und dann wurde dafür erst ein Huhn geschlachtet. Wenn wir den Pudding kalt gestellt haben, vorm Fenster, dann kamen manchmal die Jungs von der Landwirtschaftsschule, wenn die Pause hatten, und haben uns da eine Schüssel weggelotst.

    „Jetzt musstest du ja dein Wissen noch praktisch unter Beweis stellen."

    Im Sommer kam ich aus der Haushaltungsschule und im Herbst bin ich dann auf den Lehrbetrieb gegangen. Ich weiß noch, ein Herr hat mich mit dem Kutschwagen an der Bahn abgeholt. Und dann waren da noch zwei Angestellte aus Polen auf dem Betrieb. Franz und Maria. Ein Ehepaar. Der Mann arbeitete mit den Pferden auf dem Hof und die Frau war im Haushalt. Die beiden spülten immer nach dem Mittagessen. Wir hatten so eine große Zinkwanne und die kam dann auf zwei Hocker und darin wurde gespült und wir trockneten dann ab.

    „Warst du nicht das einzige Lehrmädchen?"

    Nein. Außer mir war da noch eine andere Praktikantin. Und außer uns beiden Praktikantinnen war da noch eine Stütze. Die stand schon über uns und beaufsichtigte uns. Und dann kam die Chefin. Ihr Mann war Soldat. Die hatten auch einen Verwalter. Und das Ehepaar hatte zwei Kinder. Wir mussten das Haus putzen und dann hatten die einen ganz großen Garten. Die trockenen Bohnen haben wir ja nicht aus dem Laden geholt. Die haben wir im Sommer aufgezogen, aufgehängt, und wenn die trocken waren, haben wir die gedöppt. Damals habe ich 20 Mark verdient im Monat. Und die haben nicht mal für mich die Krankenkasse bezahlt. Da war ich siebzehn. Wir durften nie mit zum Einkaufen. Ich bin da nicht vom Hof gewesen. Das ganze Jahr nicht. Und das Kind, die Kleine, die war damals vielleicht so ein Dreivierteljahr alt, als ich kam. Die sollten wir dann nachmittags verwahren. Und wenn man mit dem Kinderwagen so 100 m vom Hof weg gefahren war, dann fing der Wald an. Weiter durfte ich nicht fahren. Man musste mich immer sehen können.

    Und sonntags morgens spannte Franz, der Pole, an. Der Hof lag so einen Kilometer vom Dorf entfernt. Dann fuhr die Kutsche vor, wir stiegen alle ein und dann fuhren wir zur Kirche. Danach stiegen wir alle wieder ein und fuhren nach Hause. Das war unser Ausflug. Oben im Haus war damals keine Wasserleitung. Wir mussten jeden Liter Wasser die ausgetretene, enge Wendeltreppe hoch tragen. Morgens wollte ja die Chefin das Kind baden. Dazu brauchte sie zwei Eimer Wasser. Passend warm musste das oben ankommen. Dann schütteten wir ihr das in die Wanne, sie badete das Kind und nachher mussten wir das gebrauchte Wasser ins Plumsklo schütten. Wir kriegten die Zeit schon um ...

    „Hast du damals nie das Gefühl gehabt, dass ein paar Dinge in dieser Welt nicht ganz gerecht zugehen?"

    Ja, das Gefühl hatte ich. Stell dir mal vor, du wirst da als Land­pomeränzchen mit dem Kutschwagen an der Bahn abgeholt und du weißt nicht, wo sie dich jetzt hinfahren. Mein Vater hat den Kotten nicht mal gesehen. Nur meine Mutter war einmal da. Als sie die Stelle für mich ausgesucht hat.

    Wir mussten da auch jede Woche 13 Brote backen. Das war eine ganz schöne Arbeit. Den ganzen Teig kneten. Das Brot war ja für den ganzen Haushalt. Und was für mich damals das Verrückteste war: Wenn wir in der Küche alles ausgefegt hatten, dann haben wir Sand gestreut! Mir sind fast die Augen aus dem Kopf gefallen. Das war so weißer, trockener Sand. Und wir mussten jeden Tag die Tische scheuern. Jeden Tag!

    Auf dem Lehrbetrieb kam auch der Nikolaus. Und dann hat die Chefin auch von jedem etwas gedichtet. Von mir

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1