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Das Froschfest
Das Froschfest
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eBook232 Seiten3 Stunden

Das Froschfest

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Über dieses E-Book

"Was willst?", fragt Vera. "Dableiben", entgegnet Janda. "Komm rein", sagt Vera, und Janda traut sich über die Fußmatte in die kleine Wohnung, in der es nach Mäusen riecht.
Es ist ein langer Weg, den Gerhard Janda zurücklegen musste, bis zu diesem Satz, bis zu dieser geschiedenen 37jährigen Arbeiterin, die ein Kind erwartet und bei der er zum ersten Mal in seinem Leben Geborgenheit und Solidarität empfindet.

Es handelt sich um eine aktualisierte Auflage! (12. Februar 2016)
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum8. Sept. 2014
ISBN9783990429082

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    Buchvorschau

    Das Froschfest - Helmut Zenker

    Helmut Zenker

    Das Froschfest

    (Roman)

    Copyright © 2014 Der Drehbuchverlag, Wien und Jan Zenker

    2. Auflage, 12. Februar 2016

    Alle Rechte vorbehalten

    eBook: Das Froschfest (Roman)

    ISBN: 978-3-99042-908-2

    Inhaltsverzeichnis

    I

    II

    Der Autor

    Für

    Friedemann Bayer

    I

    Janda:

        Was ist geschehen? Was geschieht? Ich lese, aber ich liege, schlafe, bin an mir selbst gleichgültig geworden. Ich habe zahnärztlich kontrollierte Zähne, die gelb werden, regelmäßige Mahlzeiten und vier Wände. Die habe ich auch, wenn ich nicht daheim bin. Im April werde ich zweiunddreißig. Ich sehe Bilder von Tagen, die ich jetzt noch spüre, ich sehe eilige Menschen, die unterwegs sind. Ich rede nicht viel. (Letzten Endes) bin ich eine alleinstehende Stabpuppe, nicht fähig, eine selbstständige Grimasse zu schneiden.

    (Die Position und die Nichtposition.)

        Jandas Rücken ist gegen die Bretterwand der Umkleidekabine gedrückt. Es ist noch zehn Minuten Zeit bis sieben. Er hat dicke Socken (rote, gestrickte Schisocken von seinem Bruder) übergezogen und verschnürt seine fast stiefelhohen Schuhe. Franz, einer aus Jandas Gruppe, trinkt jetzt bereits die zweite Flasche Bier. Janda ist fertig. Mit dem Rücken zur Wand wartet er auf den Arbeitsanfang.

        Um sieben steigen die Arbeiter aus der Holzbaracke. Jandas Vorarbeiter ist im gemauerten, ebenerdigen Verwaltungsgebäude. Er holt den Arbeitsauftrag für heute. Die Arbeiter gehören zur Abteilung drei des Stadtgartenamtes, die für das Erholungsgebiet mit den eingezäunten Fußball- und Tennisplätzen und öffentlichen Wiesen zuständig ist. Mit Gebmayr (dem Vorarbeiter) tritt der Leiter der Abteilung, den alle Ingenieur nennen, mit einer Flinte ins Freie, um sich auf seine tägliche Spatzenjagd zu begeben. Er ist kein Ingenieur.

        Das Denkmal ist dran, sagt Gebmayr. Holt den Wagen heraus.

        Er zeigt mit dem rechten Zeigefinger auf einen gelblichen Zettel. Franz holt das dreirädrige Fahrzeug aus dem Geräteschuppen im hinteren Teil der Holzbaracke.

        Schon wieder das Scheißdenkmal, sagt Erwin, der der vierte in der von Gebmayr geleiteten Arbeitsgruppe ist.

        Kusch, sagt Gebmayr, der immer, wenn der Ingenieur in der Nähe ist, seine Führungsqualitäten unter Beweis stellt, obwohl eine Beförderung keineswegs in Aussicht steht. Janda, Gebmayr und Erwin setzen sich hinten auf den Wagen, den Franz durch die Kastanienallee bis zum Platz lenkt, auf dem das Denkmal aus Metall auf einem etwa ein Meter hohen Steinsockel steht. Der Taubendreck verklebt dem Dargestellten gelbweiß die Glatze und die Augen. Erwin bereitet in einem schwarzen Blechkübel mit warmem Wasser und viel Persil eine Lauge vor. Janda nimmt eine der zwei Bürsten, wirft sie in die Luft und fängt sie wieder auf.

        Fangt schon an, sagt Gebmayr und setzt sich mit einer vollen Bierflasche auf die Parkbank, die seitlich vom Denkmal steht und von der ältesten Versicherungsanstalt der Stadt gewidmet ist. Gebmayr hat einen Flaschenöffner an einem Lederband befestigt, das er um seinen Hals trägt. Janda steht jetzt auf dem Sockel und hält den Kübel. Erwin bürstet den Metallschädel. Der Dargestellte war ein Musiker, ein Operettenkomponist, glaubt Janda, so einer, der vielleicht noch in Nachmittagsfilmen bei schlechtem Wetter oder Seniorensendungen des Fernsehens erwähnt wird.

        Franz hat einen Ast geholt und schlägt gegen den Metallkörper des mutmaßlichen Komponisten, dass es weithin dröhnt. Zuletzt gibt er ihm noch eine über den Kopf. Gebmayr lacht laut. Die Pensionisten bei den Kartenspieltischen in der Nähe haben ihre Tarockpartien unterbrochen und schauen Richtung Denkmal. Erwin greift dem Komponisten auf den Hintern und auch vorn auf die Hose.

       Unten im Rasen (Betreten verboten – vor allem für Hunde und Kinder) trinkt jeder noch ein Bier. Janda zeigt einen Rosenkranz vor, den er gefunden hat, gibt ihn im Kreis herum und steckt ihn wieder weg, nachdem das Interesse vorbei ist.

        Franz steigt dann noch einmal auf das Podest, sagt: Servus Alter und drückt ihm die Hand, die der Komponist etwas nach vorn hält, während er (jetzt wieder ungestört) in die Kastanien, Ulmen und Fliedersträucher schaut. Die Vögel meiden ihn möglicherweise ein oder zwei Tage, weil er sauber ist und riecht.

        Die Pensionisten spielen noch immer nicht weiter und beobachten die Arbeiter. Einer mischt ununterbrochen die vierzig Karten. Um neun startet Erwin den dreirädrigen Büffel.

        In der Nähe des Osteingangs des Messegeländes, das fast das ganze Jahr leersteht, aber trotzdem bewacht wird, sind Hecken zu schneiden. Ein etwa Zehnjähriger, der mit einem Trittroller mit Hartgummireifen ankommt, findet gleich neben der Straße eines der hier zahlreichen, gebrauchten Präservative, das er für einen Luftballon hält und aufblasen will.

        Gebmayr treibt ihn weg.

    Stunden später steht eine Prostituierte da, die jeder von Jandas Gruppe kennt: Lutschmilla, eine dicke Fünfzigjährige, die die Lippen beschmiert und falsche braune Haare hat. Sie ist eine der älteren Prostituierten, die hier manchmal in der Vormittagssonne auf einer Decke liegen. Sie heult. Sie hat ihren Rosenkranz verloren, sagt sie. Janda schaut seine Kollegen an. Er will sofort sagen, dass er einen Rosenkranz gefunden hat, doch Franz hindert ihn daran. Franz weiß schon, was kommt. Auch Gebmayr grinst. Erwin verspricht Lutschmilla, dass sie zu viert den verlorenen Rosenkranz suchen; allerdings unter einer Bedingung.

    Du zeigst uns, was wir sehen wollen, sagt Franz. Wir suchen deinen Rosenkranz. In Ordnung?

        Sie gibt keine Antwort, schaut Franz und die anderen nicht an, zögert, geht dann aber doch hinüber zu einem der umgestürzten Bäume zwischen den Hecken und knöpft sich die Bluse mit Blümchenmuster auf. Gebmayr nickt anerkennend.

        Du hast dich trotzdem geirrt, erklärt er ihr dann. Wir wollen was ganz anderes sehen.

        Lutschmilla schaut ihn an, als würde sie nicht sofort verstehen.

        Gebmayr schaut weg, weicht ihrem Blick aus. Janda gegenüber grinst er schon wieder.

        Das verstehst du doch, sagt Erwin ermunternd.

        Die Prostituierte nickt resigniert, setzt sich auf den umgestürzten Baumstamm und zieht den Rock hoch, der ihr nicht einmal bis zu den Knien reicht.

        Franz sieht, was er sehen will.

        Janda betrachtet nur die dicken, von aufgeplatzten Adern blau und rot durchzogenen Oberschenkel. Wie eine Tätowierung, denkt er.

        In Ordnung, erklärt Gebmayr, fischt den Rosenkranz aus Jandas Hosentasche und wirft ihn ins Gras. Lutschmilla stürzt sich drauf, greift nach ihrer Decke und läuft weg.

        Schweine!, schreit sie.

        Alter Trampel!, ruft ihr Gebmayr nach. Blöder!

    Zu Mittag sitzen die Gartenarbeiter um den riesigen Holztisch im Freien, das heißt: im umzäunten Grundstück des Stadtgartenamtes. Ein kleines Mädchen steht auf der anderen Seite des Zauns und bestaunt die da drinnen wie Leoparden. Janda macht sich eine Fleischschmalzdose auf. (Vor ein paar Jahren hat die gleiche Dosenfirma ihr Produkt noch Schmalzfleisch genannt.) Der Ingenieur kommt von seiner wieder einmal erfolgreichen Vogeljagd zurück.

        Franz redet jetzt von jedem einzelnen Glas Weißwein, das er gestern am Abend konsumiert hat und lässt sich jedes einzelne Glas von Erwin, der dabei war, bestätigen. Dazwischen wird diskutiert, wer das größte Loch in der Leber hat. Zuletzt erzählt einer aus einer anderen Arbeitergruppe von Belgierinnen in belgischen Bordellen während des Weltkrieges. Eine Geschichte, der niemand mehr zuhört. Jeder hat sie schon mehrmals gehört.

        Ein paar Meter weiter, an einem zweiten, kleineren Tisch, sitzen ziemlich junge Frauen, zum Teil Jugoslawinnen und Türkinnen, auch Gehirngeschädigte, die der Stadtverwaltung noch billiger kommen.

        Janda redet mit und geht mit, obwohl er eigentlich nicht dabei ist, hier nicht dazugehört, nur zufällig hier ist. Nur weil er seinen Beruf nicht mehr ausüben kann, weil er sich zum Schluss die Tische nicht mehr merken konnte, was für einen Kellner das Ende ist.

        Er liegt auf dem Holzstoß an der Barackenwand, die Hände abwechselnd in seinem Gesicht und auf dem Bauch. Warum redet er hier mit? Warum versucht er den Kollegen, die schon Jahre hier sind, ähnlich zu sein, unter ihnen nicht aufzufallen? Bestimmt, Janda gehört nicht dazu, seine Tage hier sind zählbar, aber er fühlt sich noch weit besser, als in anderen, bereits erlebten Umgebungen. Er wirft keinen Stein.

        Drüben bei der Frauenbaracke im Schatten singen zwei Jugoslawinnen.

    Jandas Vater sitzt in der Unterhose im Wohnzimmer in seinem schwarzen Kunststofffauteuil. In dem Fauteuil darf außer ihm nur noch der fette Hund der Familie sitzen; aber für gewöhnlich nur, wenn der Vater nicht zu Hause ist. Die Großmutter, sie ist 76, sitzt bei offener Tür in ihrem Kabinett bei ihrer Stickerei. Seit dem Kriegsende stickt sie schwarz für eine Firma im sechsten Bezirk winzige Blumenmotive. Sie hat zwei Brillen von der Krankenkasse übereinander auf. Um sieben hört sie regelmäßig mit der Arbeit auf, kommt ins Wohnzimmer und setzt sich zum Fernsehapparat, wo sie bis zur Bundeshymne verharrt. Am Abend isst sie nur ein Stück trockenes Brot, was sie sich von niemandem ausreden lässt. Das Sticken hätte sie ja ebenfalls längst nicht mehr nötig.

        Eigentlich hat die Wohnung am Anfang der Großmutter und dem Großvater gehört, die früher zwei Zimmer bewohnt haben. Nach dem Tod des Großvaters vor zehn Jahren hat die Großmutter das jetzige Schlafzimmer von Jandas Eltern bezogen, musste aber kurz darauf schon in das schmale Kabinett übersiedeln. Ihr Raum wurde danach noch immer weiter verkleinert: Schachteln mit Gegenständen, die die Familie nicht mehr benötigt, aber nicht wegwerfen will, wurden und werden ihr ins Zimmer gestellt, zum Beispiel Jandas frühere Spielsachen und die seines Bruders. Ein Fahrrad aus der Russenzeit wurde ebenfalls auf Dauer bei ihr eingestellt. 50 Prozent der Miete muss die Großmutter aber noch immer selber (von ihrer Invalidenrente) aufbringen.

        Jandas Bruder, der mit Janda gemeinsam ein Zimmer bewohnt, sitzt beim Wohnzimmertisch und isst eine Eierspeis. Er ist Tischler und hat fast die ganze Wohnungseinrichtung selber gefertigt. Er heißt Lothar. Der Vater verzehrt seine tägliche Eierspeis im Fauteuil.

        Willst du dich nicht waschen?, fragt die Mutter Janda.

        Ich bin gewaschen, sagt Janda. Ein Frage- und Antwortspiel, das sich seit 25 Jahren nicht verändert hat.

        Der Vater dreht sich um und sagt: pst, obwohl der Fernsehapparat nur das Testbild zeigt. Lothar muss heute (wie an zwei anderen Tagen der Woche auch) zum Training: Turniertanzen. Er redet auch daheim meistens über die tollen Hasen, die man dabei aufreißen kann.

        Janda isst in der Küche ein Margarinebrot und verlässt die Wohnung.

    Im Lustigen Schuster sitzen Franz und Erwin an einem Tisch. Erwins Frau, eine Briefträgerin sitzt auch da; in Uniform. Erwin, der offensichtlich schon zu viel getrunken hat, sagt dauernd zu ihr: Du hältst jetzt deinen Mund. Sie sagt aber gar nichts. An einem anderen Tisch sitzt Gebmayr mit einem jungen Mädchen. Bestimmt seine Tochter, sagt Erwin. Gebmayr hat jetzt ein weißes Hemd an und eine einfärbige Krawatte umgebunden. Das Mädchen ist sicher noch keine sechzehn, glaubt Janda, den Franz zu einer Spielgemeinschaft fürs Sporttoto überreden will.

        Janda lehnt ab.

        Ist aber ein neues System, behauptet Franz. Und ganz sicher.

        Trotzdem nicht, sagt Janda.

        Bei Erwin hat es Franz vorher schon vergeblich probiert. Nach seinem zweiten Bier geht Janda in ein anderes Lokal in der Nähe. Beim Schanktisch steht schwankend Lutschmilla. Sie unterhält sich lautstark und mit vielen Gesten mit dem Wirt, der ihr keinen Weinbrand mehr geben will. Sie beschimpft den Wirt, der hinter dem Schanktisch gelassen Wein- und Biergläser reinigt.

        Ich zahle einen, sagt Janda.

        Von mir aus, sagt der Wirt und zuckt die Achseln.

        Die Prostituierte dreht sich langsam zu Janda um. Sie erkennt ihn nicht und versucht ihn anzulächeln. Obwohl sie keinen Aufpasser mehr hat und sozusagen in ihre eigene Tasche arbeitet, hat sie am Abend meistens keinen Groschen Geld mehr. Der Wirt schiebt ihr das Glas hin. Sie trinkt es sofort leer und sagt: Danke.

        Noch einen, fordert Janda den Wirt auf, der das Glas mit zwei Fingern nimmt und nachfüllt.

        Lutschmilla mustert Janda, der sich auf den Schanktisch stützt. Der Wirt schiebt ihr das Glas wieder hin.

        Entschuldigung, sagt Janda.

        Entschuldigung für was?, will sie wissen.

        Für heute Nachmittag.

        Du warst dabei?, sagt sie und starrt Janda an.

        Ja.

        Du bist ja blöd, sagt sie, ergreift ihr volles Glas und wankt zu einem freien Tisch.

    Janda:

        Mit meinem Bruder schlafe ich im gleichen Zimmer, seit ich mich erinnern kann. Ich bin manchmal, aber nie länger als zwei Wochen, von daheim weggewesen. Lothar hat noch nicht einmal diesen Versuch gemacht, obwohl auch er, der schon fast 35 ist, niemand mit nach Hause bringen darf. Immerhin deutet alles darauf hin, dass er die ganze Wohnung einmal bekommt. Ich will sie nicht haben, nur den Schlafplatz, den will ich nicht aufgeben.

    Wieder so ein Tag.

        Der Vertrauensmann der Gartenarbeiter ist einfach versetzt worden. Von gestern auf heute. Ohne Ankündigung. Gestern hat ihn Janda noch bei der Holzverarbeitung gesehen. Die Arbeiter (ohne Ahnung, wohin ihr Vertrauensmann befördert wurde) stehen da, in ihrer quadratmeterkleinen Bretterkabine und reden trotzdem von alkoholischen Getränken und von Erfahrungen mit Frauen, die sie nicht haben.

        Die Büroangestellte (vielleicht vierzig) im weißen Mantel kommt in die Baracke. Ein paar johlen. Sie wird rot.

        Heute nach der Mittagspause, sagt sie, ist die Wahl des neuen Vertrauensmannes.

        Na und?, sagt Erwin.

        Die Gewerkschaft hat Herbert Brenneis vorgeschlagen.

        Ein paar Sekunden sagt keiner was. Franz, der der Angestellten den Weg ins Freie versperren wollte, geht von der Tür weg. Die Angestellte verlässt die Baracke.

        Das ist doch ein Witz, sagt Janda. Wir sind hier Angestellte der Gemeinde, wo die gleiche Partei die Entscheidungen trifft, die auch in unserer Gewerkschaft entscheidet. Brenneis wird doch ihr Vertrauensmann, nicht unserer. Wir bestimmen gar nichts.

        Na und?, sagt Erwin zum zweiten Mal. Er öffnet heute schon das dritte Bier.

        Wir können ja selbst einen Vorschlag machen, sagt Janda. Das Recht dazu haben wir ja.

        Verrückt, meint Franz.

        Und die meisten reden schnell wieder von Dingen, die nichts mit ihnen zu tun haben, über die sie ruhig ausgiebig reden und sich Gedanken machen dürfen.

        Von sieben bis zwölf fällt Jandas Einsatzgruppe fünf angefaulte Ulmen und eine, die nicht zum Fällen bestimmt war. Gebmayr schreit und tobt zwar, aber er ist selber alkoholisiert und hat den Fehler erst bemerkt, als der Baum schon gekippt war.

        Schon während des Mittagessens ist der Gewerkschaftsvertreter da, der allen die Hand schüttelt, auf die Schulter klopft und auf Herbert Brenneis’ Vorzüge verweist.

        Nach der Mittagspause wird gewählt. Der Ingenieur will die Abstimmung mit Handheben vornehmen lassen, nachdem der Gewerkschaftsvertreter, den die Gartenarbeiter sonst kaum zu Gesicht bekommen, der nur hin und wieder ein Fußballmatch gegen eine andere Abteilung der Stadtverwaltung oder ein Bezirkspostamt organisiert und als Schiedsrichter leitet, den Arbeitern den einzigen Kandidaten erklärt hat.

        So geht das nicht, sagt Janda.

        Was geht nicht?, sagt der Ingenieur.

    Unser Vertrauensmann kann doch nicht im Beisein unserer Vorgesetzten gewählt werden.

         Warum nicht?, sagt er und stellt sich dumm. Ich mache ja niemandem was. Hat jemand was dagegen?

        Die Wahl muss außerdem geheim durchgeführt werden, vielleicht mit Zetteln, schlägt Janda vor. So traut sich ja keiner für einen anderen als Brenneis zu stimmen.

        Also gut, sagt der Ingenieur ungerührt. Wer für eine geheime Abstimmung ist, wie sie der Kollege Janda uns vorschlägt, der soll die Hand heben.

        Janda bleibt verständlicherweise allein und sagt nichts mehr, nachdem der Ingenieur noch seine Meinung ausgesprochen hat, Janda wollte wahrscheinlich nur selber gewählt werden. Brenneis wird gewählt, Brenneis, der bei der hier momentan einzigen Fraktion in der Gemeinde ist. Eine Gewerkschaft mit Möglichkeiten also. Wer dagegen in der Vergangenheit nur andeutungsweise etwas vorgebracht hat, ist (fast militärisch) versetzt oder einfach abgebaut worden.

        Der Ingenieur ist sichtlich zufrieden. Er bestellt Brenneis zu sich ins Büro und teilt zwei andere zum Waschen seines Fiat ein. Der Gewerkschaftsvertreter schaut nach dieser kurzen Farce (wie als Schiedsrichter in den erwähnten Fußballspielen) auf die Uhr, gibt jedem noch einmal die Hand. Zu Janda sagt er: Trottel.

    Am Nachmittag geht es vorerst mit den Ulmen weiter, die Gebmayr jetzt vorher genau kontrolliert. Zwei Fehler an einem Tag will er sich nicht leisten. Als es zu regnen beginnt, zieht sich Jandas Arbeitsgruppe in die winzige Materialhütte zurück, die gleich bei einem ziemlich großen Teich ist. Ein paar Touristen in Ruderbooten beeilen sich zurück zum Haus der Bootsvermietung. Vor der Hütte sehen sie Hanna, eine der Jugoslawinnen, die noch nicht viel Deutsch kann und hier die Papierabfälle vom letzten Sonntag einsammeln soll. Franz ruft sie zur Hütte und erklärt ihr, dass alle vier sie haben wollen.

        Pro Mann zwanzig Schilling, ergänzt Gebmayr, und du wirst wenigstens nicht nass.

        Sie, die vorhin bei der Abstimmung nicht einmal die Hand zur Bestätigung heben durfte, sieht gleich, dass sie auch jetzt keine Wahl hat. Franz lässt ihre Oberarme nicht los. Die anderen ziehen sich rasch aus. Sie tasten die Frau ab, lachen, küssen sie ab, die nichts sagt und fast unbeteiligt an dieser Wirklichkeit scheint. Wer dran war, setzt sich einen der Strohhüte auf oder

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