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Die Party-Pille
Die Party-Pille
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eBook326 Seiten4 Stunden

Die Party-Pille

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Über dieses E-Book

Während ihre Freunde aus Neugier kiffen, will Sanne vor allem eins: vergessen. Doch abschalten kann sie nur noch, wenn sie Ecstasy schluckt, mit dem ihr Kumpel Erik dealt. Der 17-Jährige träumt vom schnellen Geld, genau wie Joop, sein Boss. Joop versucht, auf eigene Faust Ecstasy herzustellen, auch wenn er von Chemie keine Ahnung hat. Egal – seine Kunden fragen nicht, woher der Stoff kommt. Und auch Erik hält die Pillen für ungefährlich. Dass sie nicht nur abhängig machen, sondern in falscher Zusammensetzung auch lebensbedrohlich sein können, erkennen alle erst, als es zu spät ist …
 
Mit ihrem Roman Die Party-Pille öffnet die vielfach ausgezeichnete Autorin Helen VreeswijkJugendlichen ab 13 Jahren nicht nur die Augen für die Konsequenzen im Umgang mit harten Drogen wie Ecstasy, sondern auch, welche Risiken es haben kann, sich Gruppenzwang hinzugeben.  
SpracheDeutsch
HerausgeberLoewe Verlag
Erscheinungsdatum11. März 2019
ISBN9783732013340
Die Party-Pille

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    Buchvorschau

    Die Party-Pille - Helen Vreeswijk

    Helen Vreeswijk

    Die Party-

    Pille

    Übersetzung aus dem Niederländischen

    von Sandra Knuffinke und Jessika Komina

    Inhalt

    Cover

    Titel

    Inhaltsverzeichnis

    Kapitel 1 – Eine drückende Stille …

    Kapitel 2 – Ein Roller hielt …

    Kapitel 3 – Freitagabend gegen halb …

    Kapitel 4 – Joop hatte gerade …

    Kapitel 5 – »Es ist wirklich …

    Kapitel 6 – Erik hatte schon …

    Kapitel 7 – »Was machst du …

    Kapitel 8 – Der Fahrer manövrierte …

    Kapitel 9 – Mit schleifender Kupplung …

    Kapitel 10 – Der Klingelton des …

    Kapitel 11 – Sanne hatte die …

    Kapitel 12 – Auf den vier …

    Kapitel 13 – Es hörte genau …

    Kapitel 14 – »Sanne, eine Fünf …

    Kapitel 15 – »Mir fehlen fünf …

    Kapitel 16 – Idde hatte sich …

    Kapitel 17 – Das Ecstasy wirkte …

    Kapitel 18 – Gopal hatte seinen …

    Kapitel 19 – Während er sein …

    Kapitel 20 – Jeffrey ließ sich …

    Kapitel 21 – Jeffrey lag in …

    Kapitel 22 – Bart schob seine …

    Kapitel 23 – Das Handy lag …

    Kapitel 24 – Sie befassten sich …

    Kapitel 25 – Kommissarin de Main …

    Kapitel 26 – Joop hatte die …

    Kapitel 27 – Am nächsten Morgen …

    Kapitel 28 – Vom Badezimmer aus …

    Kapitel 29 – Der Regen hatte …

    Kapitel 30 – Am Samstagnachmittag fing …

    Kapitel 31 – Die Zahl der …

    Kapitel 32 – Die E-Gitarre kreischte …

    Kapitel 33 – Man hatte sie …

    Kapitel 34 – Montagmorgen saß Van …

    Kapitel 35 – Dienstag, 5:37 Uhr …

    Kapitel 36 – Die Männer mit …

    Kapitel 37 – De Main und …

    Kapitel 38 – Die Trauerfeier war …

    Alle Titel von Helen Vreeswijk im Loewe Verlag

    Über die Autorin

    Weitere Infos

    Impressum

    1

    Eine drückende Stille lag über dem Saal. Ganz vorne saßen die Eltern, gramgebeugt und schwer aufeinandergestützt. Vor dem Altar stand der Mahagonisarg, auf dem sich Blumen und Kränze türmten. Zwischen all den Blumen steckte das Foto, das ein fröhliches Gesicht mit strahlenden Augen zeigte.

    Das Weinen der Eltern zerriss allen das Herz. Der Tod war etwas so Endgültiges, so schwer zu begreifen. Emma saß mit gesenktem Kopf in der ersten Reihe, zwischen Leuten, die sie kaum kannte. Die tröstenden Worte des Pfarrers drangen nicht zu ihr durch. Sie war zu tief versunken in ihrem Schmerz und ihren Schuldgefühlen, die von Tag zu Tag stärker wurden. Es hatte bestimmt zehn Minuten gedauert, bis … Ein Kampf ums Überleben. Vergeblich. Der Tod war etwas Schreckliches.

    Jedes Mal, wenn ihr Blick das Foto streifte, kamen ihr die Tränen und sie spürte einen stechenden Schmerz in der Brust. Am liebsten hätte sie sich von ihrem Vater in den Arm nehmen und trösten lassen, aber ihr schlechtes Gewissen hielt sie zurück. Beide hatten sie ihn enttäuscht, Sanne und sie. Und dabei hätte sie Sanne doch beschützen müssen.

    Ihr Blick wanderte suchend durch die Reihen. Sie fühlte sich so allein. Die Kirche war voll, aber ihre Clique war nicht da, nicht vollständig. Sie waren nur zu zweit. Zwei von fünf Leuten. Wo waren ihre angeblichen Freunde jetzt?

    Emma schluckte und versuchte, die furchtbaren Bilder jenes Abends aus ihrem Kopf zu verbannen. Die Panik, die letzten Zuckungen. Die roten glasigen Augen, die sie anstarrten, aber nicht sahen. Sie waren irgendwo anders, weit weg. Wie hatten sie bloß alle so dumm sein können? Warum hatten sie nach der ersten Warnung nicht einfach aufgehört? So viel Leid … Und warum? Wozu? Das fragte sie sich immer wieder und fand doch keine Antwort darauf. Der Pfarrer hatte seine Rede beendet. Er steckte seine Notizen weg und ließ den Blick über die Trauergemeinde schweifen, während aus den Lautsprechern an der Wand Musik ertönte: You’ll never walk alone. Emma fing an zu weinen und sah erschüttert zu, wie der Sarg aus der Kirche getragen wurde. Ihr Vater legte ihr tröstend die Hand aufs Bein, als wollte er sagen, es sei nicht ihre Schuld. Aber was wusste er denn schon? Sie alle waren schuld.

    2

    Ein Roller hielt auf der Straße. Idde sprang vom Rücksitz und überquerte die Fahrbahn. Auf halber Strecke blieb er stehen und zog sich den Helm vom Kopf. Flüchtig sah er sich nach dem Fahrer des Rollers um, der auf der anderen Straßenseite auf ihn wartete. Bart drehte ungeduldig am Gashebel und bedeutete ihm, endlich an der Tür zu klingeln. Unschlüssig starrte Idde auf den goldenen Klingelknopf. J. Sneeks stand in schwarzen Buchstaben auf dem Namensschild.

    Die Adresse war in dem Städtchen mit seinen gerade mal sechstausend Einwohnern allgemein bekannt. Jeder sprach über das »Knusperhäuschen« in der Kerkstraat, wo Joop Sneeks wohnte. Dort konnte man angeblich alles Mögliche kaufen: Pillen, Joints, Drogen in flüssiger und in Pulverform.

    Und wenn das nun alles nur dummes Gerede war? Joop war bekannt für seine lockeren Fäuste. Was, wenn er gar nichts mit Drogen am Hut hatte?

    Widerstrebend drückte Idde auf die Klingel des »Knusperhäuschens« und wartete nervös. Er hörte, wie hohe Absätze über einen gefliesten Boden klapperten. Die Gardine bewegte sich und ein Riegel wurde zurückgeschoben. Eine blonde Frau um die dreißig öffnete die Tür. Gelangweilt zog sie an ihrer Zigarette, hielt den Rauch ein paar Sekunden lang im Mund und fragte dann unfreundlich, was er wolle.

    »Ich wollte Gras kaufen«, stammelte Idde und streckte ihr das Geld hin.

    Sie blickte auf das Geld in seiner Hand, dann in sein blasses Gesicht. Die Zigarette zwischen die knallrot geschminkten Lippen geklemmt, sah sie über seinen Kopf hinweg auf die Straße, wo Bart mit seinem Roller wartete. Mit einer Kopfbewegung bedeutete sie ihm hereinzukommen und schlug dann die Tür hinter ihm zu. Verloren stand er im Flur und wartete darauf, dass sie etwas sagte.

    »Füße abputzen«, befahl sie und sah zu, wie er mit den Schuhsohlen über die Kokosmatte schrubbte. »Na gut, dann komm.« Sie lief den Flur entlang und öffnete die Tür zum Wohnzimmer. Ein kleiner Junge, ungefähr sechs Jahre alt, stellte sich ihnen in den Weg. Er hatte eine Spielzeugpistole in der Hand und zielte auf sie. Grob schubste sie ihn zur Seite, woraufhin er lauthals zu weinen anfing.

    Idde folgte ihr ins Wohnzimmer, blieb stehen und sah sich unsicher um. Der Raum strahlte nicht gerade viel Gemütlichkeit aus. Die Wände waren weiß getüncht und der Boden weiß gefliest. Rund um den schwarzen Esstisch standen Stühle mit weißen Baumwollhussen. Sogar die Pflanzen auf der Fensterbank waren aus weißem Plastik und standen in glänzenden schwarzen Übertöpfen. Der riesige Plasmafernseher neben der Terrassentür fiel sofort ins Auge. Er war eingeschaltet und der Lärm hallte durch das ganze Wohnzimmer. Schließlich entdeckte Idde Joop, der wie ein gestrandetes Walross auf der schwarzen Ledercouch lag und die Fernbedienung locker in der Hand hielt. Idde bemühte sich um ein Lächeln, das ihm jedoch nur leidlich gelang.

    »Jetzt stell die Kiste doch mal leiser«, zeterte die Frau verärgert in Richtung Couch und griff nach dem Aschenbecher auf dem schwarzen Esstisch.

    Die Wurstfinger drückten auf der Fernbedienung herum und der Lärm brach ab.

    »Der will was kaufen«, sagte die Frau und verschwand mit dem vollen Aschenbecher in der Küche.

    Idde sah zu, wie die Tür mit einem Knall ins Schloss fiel, und biss sich auf die Unterlippe. Da stand er nun, ganz allein in der Höhle des Löwen. Er überlegte ernsthaft, wieder abzuhauen. Dieser Koloss auf der Couch würde ihn doch nie einholen. In dem Moment kam der plumpe Körper in Bewegung und erhob sich mühevoll.

    »Was gibt’s, Kleiner?«, brummte Joop.

    Der Junge blinzelte. Der Oberarm dieses Mannes war so dick wie seine zwei Oberschenkel zusammen. Und unter dem T-Shirt quoll ein gewaltiger Bauch hervor, der Idde an Wackelpudding denken ließ.

    »Äh … tja …« Idde versuchte, sich zusammenzureißen. »Ich möchte gern Marihuana kaufen«, brachte er mit ungewohnt heiserer Stimme hervor.

    Endlich stand der Mann auf. Er zog seine Jogginghose hoch und lief zu einem schwarzlackierten Schrank.

    »Wie viel?«

    »Für fünfzehn Euro.« Idde streckte die Hand mit dem Geld aus und lächelte das Walross schief an. »Mehr hab ich nicht.«

    Idde ließ die mittlerweile feuchten Münzen in die Hand des Mannes klimpern, der nach einem prüfenden Blick darauf die Schranktür öffnete.

    »Bitte schön!« Er warf Idde drei Tütchen zu, die dieser unbeholfen auffing. Sie waren mit einem Streifen Klebefilm verschlossen und enthielten eine Art grünes verdorrt aussehendes Kraut. Idde betrachtete es zweifelnd. Das war also das Zeug, um das alle so viel Aufhebens machten? Es sah eher aus wie Unkraut und vielleicht war es auch nichts anderes. Vielleicht haute der Mann sie übers Ohr und dann hatten sie ihr Geld für nichts rausgeschmissen. Die Frau kam zurück ins Wohnzimmer, stellte den Aschenbecher wieder auf den Tisch und wischte mit einem feuchten Lappen über die Tischplatte.

    »Bist du nicht eins von den Hendriks-Kindern aus der Kuiperstraat?«, wollte Joop wissen.

    Idde nickte und stopfte sich die Tütchen in die Hosentasche.

    Joops kleine Schweinsäuglein musterten ihn von oben bis unten. »Arbeitet dein Vater nicht als Mechaniker bei Vonk? Und du hast zwei ältere Schwestern, oder?«

    Wieder nickte Idde. In der Stadt gab es nur zwei Autowerkstätten und sein Vater war schon seit dreißig Jahren bei der größeren von beiden angestellt. Fast jeder aus der Gegend brachte sein Auto dorthin. So ein Mist!

    »Wie heißt du denn?«

    »Idde«, antwortete er zögerlich. Jetzt wussten sie, wie er hieß. Was, wenn der Kerl jetzt überall rumposaunte, dass er Drogen bei ihm gekauft hatte? Er bereute es schon, sich überhaupt auf diese blöde Idee eingelassen zu haben. Das Risiko war zu groß, das war ihm jetzt klar.

    »Hast zwei hübsche Schwestern«, sagte Joop anerkennend und bekam im nächsten Moment einen nassen Lappen ins Gesicht geworfen.

    »Du bist ein Ekel, ein notgeiles Schwein und sonst nichts«, schimpfte die Frau. »Immer nur andere Weiber im Kopf! Bin ich dir nicht mehr gut genug?« Aufgebracht ordnete sie die Sofakissen.

    Betont gleichgültig starrte Idde auf die Bilder im lautlos laufenden Fernseher und tat so, als hätte er das Gekeife der Frau gar nicht gehört. Er überlegte, wie er dieses Irrenhaus so schnell wie möglich verlassen konnte.

    »Was stehst du da noch rum? Willst du vielleicht Wurzeln schlagen?«, fuhr die Frau ihn plötzlich an. »Hau endlich ab!« Sie wies in Richtung Tür.

    Erleichtert, dass er endlich gehen konnte, stürmte Idde aus dem Haus.

    3

    Freitagabend gegen halb neun traf sich die Clique in der Scheune. Die Tür ihres Verstecks hatten sie von innen verriegelt und das einzige Fenster mit einem Laken verhängt. Sie standen rund um den wackligen Tisch, auf dem das Marihuana lag, und beäugten nervös die Plastiktütchen. Das war es also. Und was jetzt? Keiner aus der Clique hatte schon mal gekifft. Wie viel Gramm brauchte man denn für einen Joint? Und wie viele Joints konnte man aus drei Gramm Marihuana drehen? Sie hatten keine Ahnung.

    »Und was machen wir jetzt damit?«, fragte Sanne endlich. Bart und Idde zuckten mit den Schultern und sahen erwartungsvoll zu Gopal hinüber. Das Ganze war schließlich seine Idee gewesen, aber auch er starrte unschlüssig auf die Tütchen.

    »Gut«, fasste Emma zusammen. »Wir haben also keinen Schimmer, was wir jetzt damit anfangen sollen. Das haben wir ja schlau angepackt.«

    »Wir könnten doch einfach jemanden fragen«, schlug Gopal vor, der sich nun auch ein bisschen blöd vorkam.

    »Ja, klar«, rief Emma verächtlich. »Wen denn bitte? Wir sollten vielleicht ein bisschen vorsichtig sein, damit sich nicht überall herumspricht, was wir hier vorhaben. Wenn unsere Eltern das hören!«

    Emma und Sanne waren sechzehn Jahre alt und zweieiige Zwillinge. Sanne war blond und ein kleines bisschen kräftiger gebaut als ihre Schwester. Emma hatte halblange dunkelbraune Haare und war fünf Zentimeter größer als Sanne. Sie bestimmte gern alles und war manchmal ein richtiger Hitzkopf, was Sanne ziemlich auf die Palme brachte. Nichtsdestotrotz waren sie unzertrennlich.

    »Wir müssen eben jemanden finden, der auch kifft«, meinte Erik. »Und dafür geben wir ihm ein bisschen was von unserem Gras ab. So einer würde das garantiert nicht rumposaunen, damit würde er sich ja dann selbst verraten.«

    »Klingt doch nach einem guten Plan. So machen wir’s«, nickte Gopal. »Also, wen könnten wir fragen?« Er sah in die Runde.

    »Wie wär’s denn mit Pim?«, schlug Erik vor. »Pim Verhoeven. Ich weiß, dass er kifft, das hat er mir selbst erzählt. Außerdem ist Pim dauerpleite, wenn wir dem also was von unserem Gras anbieten …«

    »Ob das so ’ne gute Idee ist?« Bart runzelte die Stirn. »In letzter Zeit hängt Pim immer mit ziemlich üblen Leuten rum. Mir kommt der irgendwie ganz schön zwielichtig vor.«

    »Ach, Quatsch«, widersprach Idde. »Der würde uns auf jeden Fall nie verraten.«

    »Er muss ja nicht gleich unser bester Freund werden. Kann uns doch egal sein, mit wem er rumhängt. Er soll uns doch nur einen Gefallen tun«, sagte Gopal und die anderen stimmten ihm zu.

    Sie hatten sich mit Pim im Rocko’s verabredet. Inzwischen war es Viertel nach zehn und die Clique saß bereits vor ihrer zweiten Runde Getränke. Langsam wurden sie nervös von der Warterei. Idde und Bart waren davon überzeugt, dass die beiden nicht mehr auftauchen würden, und begannen schon, über einen neuen Plan nachzudenken.

    »Schaut mal, da ist Feline. Die könnten wir doch fragen. Ich weiß, dass sie ab und zu kifft«, rief Bart aufgeregt.

    »Dann weiß gleich der ganze Laden, dass wir Gras dabeihaben«, protestierte Emma.

    Sanne nickte bekräftigend. »Der kann man nicht vertrauen, das ist so eine Tratschtante.«

    »Was ist denn mit Geert?«, sagte Gopal und nickte in Richtung eines Jungen an der Bar.

    »Kifft der denn überhaupt?«, fragte Erik mit gedämpfter Stimme. »Oder Mustafa?« Nein, der kiffte nicht. »Felix?«

    »Da ist er!«, zischte Idde den anderen zu.

    Pim stand in der Tür und strich sich mit einer lässigen Geste das Haar zurück. Er bahnte sich einen Weg durch die Menge und ein massiger Typ, der schon um die fünfundzwanzig sein musste, folgte ihm. Vor ihrem Tisch blieben sie stehen und musterten die Gruppe abschätzig.

    »Das ist Stijn, ein Kumpel aus dem Sportverein«, stellte Pim seinen Freund vor. Die Gruppe nickte zur Begrüßung. »Also, habt ihr’s dabei?«, fragte Pim verschwörerisch und ließ sich auf einen freien Stuhl fallen.

    Erik nickte, aber Emma kam ihm zuvor.

    »Ihr seid zu spät«, bemerkte sie ärgerlich und sah demonstrativ auf ihre Uhr.

    »Na und?«, erwiderte Pim amüsiert und schien kein bisschen beeindruckt von ihrem Vorwurf. »Jetzt sind wir doch da, oder? Aber wir können auch wieder gehen, wenn ihr wollt.«

    Gopal warf Emma einen warnenden Blick zu. Das war nicht der richtige Moment, um Streit anzufangen.

    »Ja, wir haben es dabei«, sagte Gopal schnell.

    »Dann zeigt mal her.«

    »Hier?« Barts Stimme überschlug sich und er sah panisch in die Runde. »Hast du sie noch alle? Die Hälfte der Leute, die hier rumlaufen, sind auf meiner Schule. Muss ja nicht gleich jeder mitkriegen.«

    »Dann gehen wir halt nach draußen«, schlug Stijn vor und sprang auf.

    Ohne auf die Zustimmung der anderen zu warten, marschierte er auf den Ausgang zu. Pim grinste breit und wies die Clique mit einer Kopfbewegung an, seinem Kumpel zu folgen.

    Stijn wartete schon im Fahrradschuppen auf der Rückseite des Gebäudes und winkte ungeduldig. Auf dem Boden hatte er zwei saubere Servietten ausgebreitet, die im Dunkeln weiß leuchteten. Er zog ein Päckchen Tabak aus der Innentasche seiner Jacke und schüttete den Inhalt auf die Servietten. Dann streckte er ungeduldig die Hand aus und wedelte mit den Fingern. »Na los, wo bleibt denn das Gras, Jungs?«

    Hastig kramte Gopal die Tütchen hervor und legte sie mit einem entschuldigenden Lächeln in Stijns Hand. Dieser riss eins nach dem anderen mit einem Ruck auf und vermischte den Inhalt mit dem Tabakhaufen. Dann stopfte er das braune Gemisch zurück in die Tabakpackung.

    »Das sind ungefähr drei Gramm Gras. Damit kann Stijn vier Joints drehen«, erklärte Pim. »Stimmt doch, oder, Stijn?«

    »Ich drehe jetzt drei für euch, unseren bewahre ich für später auf«, sagte Stijn und grinste in Pims Richtung.

    Stijn zog extralanges Zigarettenpapier aus der Tasche und drehte rasch die drei versprochenen Joints. Den Rest des Tabaks ließ er in seiner Jackentasche verschwinden. Einen Joint behielt er in der Hand und zündete ihn mit einem Streichholz an. Die Spitze glühte auf und Stijn inhalierte tief. Nach einem zweiten Zug reichte er den Joint an Erik weiter. Der beäugte ihn etwas unsicher, spitzte aber dann die Lippen und sog den Rauch ein. Sofort wurde er von einem Hustenanfall geschüttelt. Keuchend und prustend drückte er den Joint Sanne in die Hand, die ihn mit einigem Widerwillen entgegennahm. Die Vorstellung, dass jeder an diesem Ding rumnuckeln würde, fand sie ziemlich eklig. Sie sah ihre Schwester an, während sie langsam den Rauch einatmete. Ein unangenehmes Gefühl breitete sich in ihrem Körper aus, sie verzog das Gesicht und gab den Joint weiter.

    »Die Wirkung eines Joints hält so ungefähr zwei bis drei Stunden an«, dozierte Pim. »Marihuana ist eine weiche Droge, also ganz nett, um entspannt in den Abend zu starten. Wenn euch das nicht reicht, müsst ihr was Stärkeres nehmen.«

    »Was denn zum Beispiel?«, wollte Erik wissen.

    »Na, ’ne Pille, Speed oder GHB.«

    »GHB?«, wiederholte Emma misstrauisch. »Was ist das denn?«

    »Das mischst du in dein Getränk, ziemlich krasses Zeug«, antwortete Pim mit Kennermiene. »Ist aber echt heftiger Stoff, die Wirkung setzt schon nach ein paar Minuten ein.«

    »Man wird extrem geil davon«, ergänzte Stijn und zwinkerte Sanne vielsagend zu.

    Sanne wurde knallrot. Sie verschluckte sich und sah schnell in eine andere Richtung. Sie hatte das Verlangen in seinen Augen gesehen und fühlte sich geschmeichelt. Unauffällig musterte sie ihn: seine breiten Schultern, das kantige Gesicht und die millimeterkurz geschorenen Haare. Er war überhaupt nicht ihr Typ, aber irgendetwas faszinierte sie an ihm. Auf jeden Fall war er ganz anders als die Jungen in ihrer Klasse.

    »GHB ist nichts für Milchbrötchen wie euch«, sagte Pim. »Dafür braucht man schon mehr Erfahrung mit Drogen. Die Dosierung ist ziemlich kompliziert, ein paar Milligramm können da schon zu viel sein.«

    Milchbrötchen? Sanne warf Pim einen beleidigten Blick zu. Die Röte in ihrem Gesicht breitete sich nun bis zu den Ohren aus. So ein Angeber, der mit seiner ganzen Erfahrung! Wie alt war der denn bitte?

    »Ihr solltet lieber mal ’ne Pille probieren«, fuhr Pim unbeirrt fort. Er schnippte die Asche von dem Joint, der ihm gereicht wurde. »Ecstasy ist einigermaßen erschwinglich. Da kriegt ihr die Pille schon für 5 Euro.«

    »Ich hab auf Ecstasy mal fünf Stunden ununterbrochen Party gemacht«, prahlte Stijn.

    »Fünf Stunden?« Erik stieß einen anerkennenden Pfiff aus. »Das nenne ich mal ordentlichen Stoff.«

    Die drei Joints waren bald aufgeraucht und Pim schlug vor, wieder reinzugehen und noch etwas zu trinken. Die anderen waren sofort einverstanden, nur Emma hatte ihre Zweifel. Flüsternd versuchte sie, Gopal davon zu überzeugen, dass die beiden ganz üble Schnorrer waren. Schließlich hatten sie einfach ihre drei Joints mit aufgeraucht und ihren eigenen Anteil für sich behalten. Sie hatten mehr bekommen als abgesprochen. Aber Gopal winkte ab. »Sei doch nicht so kindisch.«

    Sie folgten den beiden in Richtung Bar.

    »Was wollt ihr trinken?«, fragte Bart. Er holte einen Zwanzigeuroschein aus der Hosentasche und blickte abwartend in die Runde.

    »Ein Pils«, sagte Pim und setzte sich auf einen Barhocker an der Theke.

    »Für mich auch ein Bierchen.« Stijn klopfte Bart kameradschaftlich auf die Schulter. »Bist echt in Ordnung.«

    Während sie ihr Bier tranken, entbrannte eine Diskussion über den Sinn und Zweck eines Studiums. Erik fand, es sei Unsinn, nach der Mittelstufe noch weiter zur Schule zu gehen. Idde war sich nicht sicher, er wollte Automechaniker werden wie sein Vater. Sanne versuchte sie davon zu überzeugen, dass ein Studium gar keine schlechte Idee war. Sie wusste genau, was für Argumente sie bringen musste, um ihre Meinung durchzusetzen. Diesmal aber hatte sie Mühe, die richtigen Worte zu finden.

    »In der Mittelstufe legt man den Grundstein für seine Ausbildung.« Das war gewöhnlich ihr Eröffnungssatz. »Dann muss man sich spezialisieren und … und … Nehmt zum Beispiel meinen Bruder Paul.« Sie dachte eine Weile nach. »Der könnte nie Architekt werden, wenn …«

    »Das ist doch gar kein Vergleich«, unterbrach Erik sie ungeduldig. »Euer Vater will, dass seine Kinder etwas erreichen. Dass sie irgendwo an der Spitze landen. Ich hatte nie so eine Unterstützung. Mein Alter ist schon vor Jahren abgehauen und wir mussten sehen, wie wir klarkommen.« Er schluckte. »Du hast einfach nur Glück, dass du im richtigen Bett geboren wurdest.«

    »Das ist doch totaler Quatsch!«, rief Sanne aufgebracht. »Wenn wir das nicht selbst wollten, dann könnte sich mein Vater ein Bein ausreißen und trotzdem würde nichts passieren.«

    »Stimmt«, bestätigte Stijn. »Mein Vater wollte, dass ich so ein dösiger Lehrer werde, nur weil mein Cousin Lehramt studiert hat. Ich als Lehrer, was für ’ne Vorstellung!« Er lachte laut los. »Mein Vater hat mich ziemlich unter Druck gesetzt, aber das hab ich nicht mit mir machen lassen. Nicht weil das Studium zu schwer gewesen wäre oder so. Nee, ich wollte eben nicht nach seiner Pfeife tanzen. Ich bin meinen eigenen Weg gegangen und ich verdiene genug Geld. Ich war noch nie auf meinen Vater angewiesen, um irgendetwas zu erreichen in dieser Scheißwelt. Ich kann tun und lassen, was ich will, und ich bin keinem was schuldig.« Er legte Sanne die Hand auf den Rücken. »Das hast du ganz allein in der Hand, Süße.«

    4

    Joop hatte gerade zwei Cappuccino bestellt, als sein Handy klingelte.

    »Wo treibst du dich denn schon wieder rum?«, gellte Selmas Stimme durchs Telefon. »Du wolltest doch angeblich nur den Kleinen wegbringen und jetzt bist du schon seit ’ner halben Stunde weg.«

    »Ich sitze mit Jeffrey im Café, wir haben was zu besprechen. Dauert nicht mehr lange.«

    »Ach, wie nett. Du gehst dich also allein vergnügen und lässt mich hier im Chaos sitzen. Schon gut, ich hab verstanden, ich bin eben nur deine Putzfrau. Herzlichen Dank auch!« Die Verbindung brach ab.

    »Das war meine Freundin. Sie ist ein bisschen … äh … temperamentvoll«, erklärte Joop mit einem bitteren Lächeln. Jeffrey nickte gleichgültig und wechselte das Thema. »Um noch mal darauf zurückzukommen … Das ist eine echte Goldmine, Joop. Ecstasy kann man gerade gar nicht genug haben, das weißt du doch. Die Kids schlucken nichts anderes mehr auf ihren Partys. Heroin und Kokain sind denen viel zu heftig, das ist eher was für echte Junkies. Ecstasy ist im Moment einfach die Partydroge Nummer eins, das sollten wir ausnutzen. Was bezahlt man denn im Moment für so eine Pille?«

    »Im Einkauf?«, fragte Joop und senkte die Stimme, als der Kellner die Kaffees brachte.

    »Ja, wie viel kann das sein? Drei Euro?«

    »Zwei fünfzig«, korrigierte Joop.

    »Trotzdem viel zu viel. Wenn wir beide uns aber zusammentun … Ich könnte für wenig Geld ’ne gebrauchte Tablettiermaschine organisieren. Dann stellen

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