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Kottan ermittelt: Der vierte Mann
Kottan ermittelt: Der vierte Mann
Kottan ermittelt: Der vierte Mann
eBook240 Seiten3 Stunden

Kottan ermittelt: Der vierte Mann

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Über dieses E-Book

Ein mörderischer Waffenhändler-Ring treibt sein Unwesen in Wien. Major Kottan macht sich auf die Suche nach dem "Vierten Mann". Licht im Dunkel: Der Beat von "Kottans Kapelle".
››Schweinerei sondergleichen.‹‹
Hofrat Dr. Josef Keller, Polizeidirektor
››Eine Parodie des Lebens, eine neue Krimivariante: recht ungewöhnlich gegenüber der serienweisen Schar von gewitzten Sicherheitsbeamten mit dem großen Durchbruch.‹‹
Frankfurter Allgemeine Zeitung
››Der alles überlagernde Zynismus, von Deutschen gern als Wiener Schmäh verniedlicht, verheißt Stunden zwischen Lachen und Grausen.‹‹
Stern
››Ein Kriminalfall, wie er nur in Wien passieren kann.‹‹
Süddeutsche

Es handelt sich um eine aktualisierte Auflage! (13. Februar 2016)
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum12. Sept. 2014
ISBN9783990419915

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    Buchvorschau

    Kottan ermittelt - Helmut Zenker

    Helmut Zenker

    Kottan ermittelt: Der vierte Mann

    (Kriminalroman)

    Copyright © 2014 Der Drehbuchverlag, Wien und Jan Zenker

    2. Auflage, 13. Februar 2016

    Alle Rechte vorbehalten

    eBook: Kottan ermittelt: Der vierte Mann (Kriminalroman)

    ISBN: 978-3-99041-991-5

    Inhaltsverzeichnis

    Prolog

    1

    2

    3

    4

    5

    6

    7

    8

    9

    10

    11

    12

    13

    14

    Epilog

    Anmerkungen

    Prolog

    Wir schreiben das Jahr 1987. Die Mächte der Finsternis schreiten allerorten rücksichtslos und anscheinend unaufhaltsam voran. Allerorten? Nein! Eine Handvoll wackerer, unbeugsamer Kriminalbeamter in Wien ist noch nicht zum Rückzug angetreten. Morddezernatsleiter Heribert Pilch vertraut der Statistik und seiner verschwitzten Gemeinschaft. Adolf Kottan ist mit 41 noch immer der jüngste Major im Sicherheitsbüro und derzeit bedingt suspendiert, was möglicherweise nur in Österreich möglich ist. Stiller Leiter des Dezernats ist Paul Schremser, 55, der bei einem Dienstunfall vor Jahren sein rechtes Bein verloren hat. Ein Mann für den Hintergrund ist Alfred Schrammel, 50, der zwar Mitglied bei allen Parteien (außer der kommunistischen), aber doch am Ende seiner Karriere angelangt ist. Im Sicherheitsbüro herrscht wie immer eine Atmosphäre kühler Überlegung, vertrauensvoller Zusammenarbeit und gelegentlicher Intuition.

    1

    Die Mitternacht zog näher schon;

    In stummer Ruh lag Babylon

    Heinrich Heine

    Mittwoch, 15. April. Ein dunkelgrüner Jaguar 3,4 rollt im Schritttempo durch die Wasnergasse, die die Augartenmauer entlangführt. Einem zufälligen Beobachter würden außer der geringen Geschwindigkeit auch das nicht funktionierende Abblendlicht rechts vorne und die geköpfte Metallkatze auf der Motorhaube auffallen. Aber um diese Zeit ist in diesem Stadtteil mit großer Wahrscheinlichkeit niemand mehr unterwegs; höchstens ein unglücklicher Trinker, der nicht heimfindet und ohnehin kein besonderes Interesse an Beobachtungen hätte.

       Die Wasnergasse ist eine Grenzstraße zur Brigittenau: einem Arbeiterbezirk, allerdings nach einer Heiligen benannt. Er wird sonst nur von Gewerbetreibenden, die ihre Geschäftslokale im Bezirk haben, und von ehemaligen Arbeitern bewohnt, die sich zu Angestellten verbessert haben. Ab 21 Uhr sind statistisch 90 Prozent der Einwohner im Bett, ab zwei Uhr morgens die komplette Bevölkerung. Während der letzten Jahre sind in den alten Zinshäusern viele Türken dazugekommen, was viele Angestellte, falls sie sich selbst schon zu mittleren Angestellten ernannt hatten, zur beschleunigten Abwanderung in andere Bezirke veranlasst hat.

       An der Kreuzung mit der Streffleurgasse, gegenüber einer vorübergehend geschlossenen Tabak Trafik, hält der Jaguar. Ein angerostetes Blechschild neben dem Eingang zum Zigarettengeschäft empfiehlt nach wie vor die Tageszeitung NEUES ÖSTERREICH, die schon vor Jahrzehnten eingegangen ist. Der Mann auf dem Fahrersitz, etwa 35, unauffälliges, bartloses, schmales Gesicht, blickt auf das Trottoir neben der Parkmauer. Der Wind treibt ein paar Lucky-Luke-Fetzen und einen rosa Straßenbahnfahrschein vorbei. Hier soll der Überfall stattfinden, beschließt der Mann hinter dem Lenkrad. Er hat die Ärmel seines leichten, hellbraunen Hemds dreimal hochgekrempelt, weil sich die Heizung im Auto nicht abschalten lässt. Der Jaguar ist Baujahr 72 und bereits von drei Vorbesitzern strapaziert worden. Der Mann stellt das Radio ab, das nur willkürlich aneinander gereihte Schlager zu bieten hat. Über dem Phillips Sonderangebot gähnt ein Loch in der Konsole. Einer der früheren Besitzer, ein Herz-Chirurg, hat ein Autotelefon installieren und nach fünf Monaten wieder ausbauen lassen.

       In Gedanken verwendet der Mann ausschließlich dies Worte Überfall und Anschlag, obwohl die Angelegenheit, diese Wort benützt er hartnäckig gegenüber eingeweihten Freunden, nur mit Mord abgeschlossen werden kann. Hier ist zweifellos die günstigste Position in der Gasse. Die Lampe über der Kreuzung gehört nach Mitternacht zu den abgeschalteten. (Eine Aktion der Gemeinde: Energie verwenden – nicht verschwenden.) Unter den gestutzten Ahornbäumen am Gehsteigrand befinden sich drei öffentliche Müllkübel in einem verwitterten Gestell. Hinter den Kübeln wird sich ein Helfer mühelos verstecken können. Bei unvorhergesehenen Ereignissen steht außerdem die Fluchtmöglichkeit über die Mauer in den weitläufigen, in der Nacht abgesperrten Park offen. Noch dazu würde das Opfer morgen bestimmt hier vorbeikommen. Der Mann, der die Hände nicht vom Lenkrad genommen hat, nickt und beobachtet seine Bewegung im Rückspiegel. Er sucht die Umgebung nicht nach weiteren Einzelheiten ab, hält es nicht für notwendig. Diese Fahrt ist die erste, ihm anvertraute Vorbereitung. Den professionellen Blick für solche Fahrten hat er noch nicht, den Lapsus mit dem Abblendlicht hat er bis jetzt nicht bemerkt. Er drückt auf den Zigarettenanzünder und fährt langsam weiter.

    Sieben Uhr dreißig. Donnerstag. Adolf Kottan befindet sich bereits eine halbe Stunde auf dem Brigittenauer Tennisplatz. Tennis war jahrelang ein Spiel, das Kottan intensiv verabscheut und im Fernsehen keines Blickes gewürdigt hat. Vor über einem Jahr hat er dann mit dem Tennistraining begonnen, nachdem er aus der Polizeifußballmannschaft geflogen war. Unberechtigt, wie Kottan glaubt. Jetzt nimmt Kottan zweimal in der Woche die für Clubmitglieder ermäßigten Trainerstunden.

       Sein Trainer ist das Faktotum des Tennisclubs: Hubert Geritzer, Mitte 60, ein Mann, den jeder hier kennt und ausnützt, von dem aber kaum jemand etwas weiß. Geritzer ist seit der Gründung des Clubs im Frühjahr 1969 dabei, ist Platzwart, Tennislehrer, Kantineur, Mädchen für alles. In der Club-Baracke hat er ein Zimmer, in dem er (zumindest im Sommer) die Nächte verbringt. Geritzer ist beim Tennis zwangsläufig Linkshänder. Den drei mittleren Fingern seiner rechten Hand fehlen die beiden unteren Glieder. Gelegentlich macht er seine angebliche Vergangenheit als Pyrotechniker beim Film dafür verantwortlich.

       Nicht nur auf den ersten Blick ist Geritzer eine auffällige Person. Unter ››besondere Kennzeichen‹‹ könnte eine Liste in seinen Pass geheftet werden; wimpernlose Lider, eine Narbe, die vom linken Mundwinkel zum Kinn führt, getönte Haare, tätowierte Oberarme. Bei den Meisterschaftsfeiern spielt Geritzer manchmal Mundharmonika.

       Eigentlich hätte Kottan (wie meistens) nach 30 Minuten genug, aber Geritzer zieht die 50 Minuten durch, kommt dabei nicht einmal ins Schwitzen. Beim Einsammeln der Bälle lobt Geritzer Kottans unübersehbare Fortschritte. Kottan hat wieder einmal Blasen auf der Handfläche. Zuerst erholt er sich auf der Toilette, wo er die gedruckten Witze auf dem Klopapier studiert. Jeder Witz kommt insgesamt elfmal vor. Dann geht Kottan unter die Dusche.

       Geritzer sitzt in seiner Pause am Bespannungsgerät und hat seine offenbar unvermeidliche Filzmütze auf dem Kopf. Er trinkt Dosenbier aus dem Propangas-Kühlschrank, Kottan zwei Becher Puertorico Kaffe, den Geritzer jedes Jahr aus Lignano mitbringt. Die blaue dänische Bierdose hat Kottan schon. Im letzten Jahr ist seine private Bierdosensammlung auf etwa 420 Stück angewachsen. Geritzer ist ein Mann, der von allem etwas mehr als nur eine Ahnung hat. Mit ihm kann man reden, aber kaum sprechen. Der heutige Monolog kreist um Behörden und Regierung.

       ››Behörden machen nur Schwierigkeiten‹‹, erklärt Geritzer. ››Und die Regierung gibt es möglicherweise gar nicht. Ich habe in den letzten Wochen mehrmals versucht, den Bundeskanzler zu sehen. Vergeblich. Ich habe mich beim Ballhausplatz und beim Parlament auf die Lauer gelegt, aber er ist nie gekommen. Mit den anderen ist es dasselbe. In einem Kaffeehaus in der Innenstadt spielt der Sozialminister regelmäßig Tarock, hat es geheißen. Ich habe dort vier Flaschen Bier, drei große Schwarze, drei Mineralwasser getrunken und einen unterkühlten Spezialtoast verspeist. Zu Gesicht bekommen habe ich den Minister nicht. Sie sind doch Regierungsangestellter. Haben sie die Regierung schon einmal gesehen?‹‹

       ››Nein‹‹, gibt Kottan zu.

       ››Sehen Sie‹‹, sagt Geritzer.

       ››Bei meiner Angelobung habe ich dem Bürgermeister im Rathaus die Hand gedrückt und ich gelobe gesagt. Den Bürgermeister gibt es.‹‹

       ››Die ganze Regierung ist nur ein Gerücht‹‹, vermutet Geritzer. ››Eine Medienschöpfung. Die Bilder in den Zeitungen beweisen nichts. Ich bin nicht einmal sicher, ob es Abgeordnete gibt. Wozu hat man denn eine Regierung, wenn sie sich nicht zeigt? Eigentlich sollte sich eine Regierung nur zeigen und sonst gar nichts machen!‹‹

       Was Kottan nicht weiß, nicht wissen kann: Geritzers gespielte Aufregung ist einer Novelle von Maupassant entlehnt. Um 8 Uhr 30 verlässt Kottan den Platz über den Kiesweg. Geritzer fixiert bereits sein nächstes Opfer: Albert Ingerle, einen fetten Taxiunternehmer, der schon beim Umziehen keucht.

    Kottan friert einigermaßen auf der Straßenbahninsel, weil er nur eine dünne Windjacke anhat. Er will hinter eine Plakatwand flüchten, die beiderseits für unwiderstehliches Katzenfutter wirbt, als ihn ein lautes Hupen aufschreckt. Es ist Pilch, der Leiter des Morddezernats, in einem großen, laut Werksangabe saharabraunen Peugeot. Kottan darf zusteigen, wird zum Sicherheitsbüro mitgenommen. Er weiß genau, dass Pilchs Weg hier bestimmt nicht vorbeiführt, überlegt, wovon der zweite Monolog, der jetzt anscheinend an ihn gerichtet werden soll, handeln könnte.

       ››Schön, dass sie Sport betreiben‹‹, eröffnet Pilch harmlos; mit einem beiläufigen Blick auf Kottans Nylontaschen. Den Tennisschläger lässt Kottan immer im Club. ››Ich komme auch gerade vom Radfahren.‹‹

       ››Wo ist das Rad?‹‹, unterbricht ihn Kottan.

       ››Fünf Kilometer auf dem Heimrad im Wohnzimmer. Allerdings in der Leerlaufstellung. Zu einem gesunden Geist gehört ein gesunder Körper. Mens sane...‹‹

       ››Corpore sanso‹‹, ergänzt Kottan.

       Pilch, wie stets in einem knappen, grauen Anzug und mit obligatem, schwarzem Mascherl statt der Krawatte, will nicht gleich zur Sache kommen. Er gönnt sich einen Juicy-Fruit-Kaugummi. Schützt Stadt und Natur, steht auf der Rückseite der gelben Schleife. Und: Nach Kaugenuss in Alufolie einwickeln. Kottan muss Schleife und Folie inzwischen halten.

       ››Sie sind nicht vorbeigekommen, um mir einen Fahrschein einsparen zu helfen‹‹, sagt Kottan. ››Was ist los?‹‹

       ››Ich bin endgültig Hofrat geworden‹‹, verkündet Pilch feierlich. Er verlangsamt das Tempo, um Kottans Reaktion beobachten zu können.

       ››Ist eine Alterserscheinung und interessiert mich nicht‹‹, sagt Kottan und fixiert ein winziges Loch in der Verbundscheibe.

       ››Es wird Sie gleich interessieren. Möglicherweise ist diese Veränderung nur die Ouvertüre für eine weitere Veränderung.‹‹

       ››Sie gehen in Pension?‹‹

       Kottan blickt den Dezernatsleiter freundlich an. Pilch lächelt zurück.

       ››Keine falschen Hoffnungen. Ich wechsle nicht in den Ruhestand, ich wechsle nach oben.‹‹

       Kottan schüttelt den Kopf. Eine Beförderung Pilchs könnte nur eines bedeuten: Polizeipräsident. Einen Augenblick findet Kottan den Gedanken amüsant, dann nur mehr absurd. Pilch ist nicht unbedingt unfähig oder untüchtig, aber eine – jedem Kriminalbeamten vertraute – Karikatur. Seine diversen Marotten werden der Öffentlichkeit verheimlicht und in den Zeitungen höchstens angedeutet.

       ››Was halten sie davon?‹‹, will Pilch wissen.

       ››Der Wahnsinn bei uns ist, dass alles wahr wird.‹‹

       ››Stellen Sie meine Qualifikation in Frage?‹‹

       ››Nicht zur Diskussion. Außerdem, was geht es mich an?‹‹

       ››Vielleicht ändern Sie sich mit mir mit.‹‹

       ››Ich bin vorläufig suspendiert und dilettiere inzwischen in der Beratungsstelle für Einbruch.‹‹

       ››Gegen Einbruch‹‹, verbessert Pilch. ››Die Suspendierung ist aufgehoben, von mir persönlich. Sie können wieder drauflos ermitteln.‹‹

       ››Lieb von Ihnen.‹‹

       ››Wollen Sie mich beleidigen?‹‹

       ››Nur demütigen.‹‹

       ››Ich gebe Ihnen einen Rat, Kottan. Bewerben Sie sich als Dezernatsleiter. Ich werde die Bewerbung unterstützen, und Sie wissen ja, was das heißt.‹‹

       ››Nach der Methode, einen Gegner befördern, um sein Schweigen zu erhalten?‹‹

       ››Nein.‹‹ Pilch setzt ein übertrieben entrüstetes Gesicht auf. ››Weil Sie neben mir der Beste im Dezernat sind.‹‹

       ››Und wenn ich mich nicht bewerbe?‹‹

       ››So verrückt können Sie doch nicht sein. Es ist eine Gelegenheit für Sie. Bei der Partei, höre ich, sind Sie ja auch.‹‹

       ››Noch nicht lange.‹‹

       ››Lang genug. Und ihre Gruppe hat Erfolg, nachweislich Erfolg. Im Übrigen haben sie kaum Konkurrenz. Der Peschina vom Raubdezernat ist bei einer Bergwanderung tödlich verunglückt.‹‹

       ››Und der Schwitz-Koller vom Betrug?‹‹

       ››Können Sie vergessen. Der wäre gestern fast an einem Schmalzbrot erstickt, ein Schlaganfall war die Folge. Der fällt für ein paar Monate oder überhaupt aus. Der Schremser wird sich bestimmt bewerben, hat aber körperlich gesehen nicht die besten Aussichten.‹‹

       ››Und wenn ich mich nicht bewerben will?‹‹

       ››An einem Tag des persönlichen Triumphs werden Sie mich nicht wütend machen‹‹, bleibt Pilch gelassen.

       Gleich darauf landet Pilch ohne Überleitung bei einer seiner Lieblingsfloskeln: Wir-sitzen-doch-alle-in-einem-Boot. Mit diesem Aufruf zur Kooperation kann er bei Kottan nur einen gelangweilten Blick ernten.

       ››Ein Boot, in dem alle sitzen, geht sowieso unter.‹‹

       Pilch muss scharf abbremsen, weil eine ältere Frau mit Einkaufsnetz plötzlich hinter einem (in zweiter Spur parkenden) Lastwagen mit Plane hervortritt. Auf den Straßenbahnschienen kommt der Peugeot ins Rutschen, stellt sich quer. Der Dezernatsleiter hat seinen Kaugummi verschluckt, die Frau hat die Straße überquert und läuft auf dem Gehsteig davon. Bevor Pilch weiterfährt, öffnet er das elektrische Seitenfenster und wirft die Schleife und die Folie auf die Fahrbahn.

       Um 8 Uhr 50 lenkt Pilch den Wagen an dem salutierenden Uniformpolizisten vorbei in den Hof des Sicherheitsbüros, hält genau im eingezeichneten Parkfeld. Auch der uniformierte Polizist im Hintergrund salutiert. Kottan nickt dem jungen Beamten nur zu, während er dem Präsidenten die seit Monaten quietschende Tür aufhält. Wieder einmal fällt ihm auf: Uniformen machen aus allen Gesichtern Ziegelgesichter.

       Im Paternoster erklärt Pilch, dass die Suspendierung zwar aufgehoben ist, das Suspendierungs-Verfahren an sich aber nicht gestoppt wird. Eine andere Vorgangsweise des Dezernatsleiters hätte Kottan auch gewundert.

       Im zweiten Stock springt Kottan ab. Auf dem Weg zu seinem Büro versucht er sich ans heutige Horoskop zu erinnern.¹ Das Schild neben seiner Tür ist etwas verändert: A. Kottan, Leitung Morddezernat ist mit Leukoplast überklebt. Vermutlich eine Schrammel Aktion. Das Wort Major hat Kottan schon vor seiner Suspendierung entfernt. Direkt neben dem Schild steht der neue Getränkeautomat, der schwarzen Kaffee, Milchkaffee, Tee und Zitronensaft für immer noch fünf Schilling in einen durchsichtigen Papierbecher füllt.

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    Josef Beranek, 54, Kriminalbeamter, Betrugsdezernat: In 15 Jahren hab ich mit dem Kottan vielleicht zehnmal zusammengearbeitet. Man kommt mit ihm aus. Privat halte ich ihn eigentlich für arrogant und überheblich. Aber möglicherweise ist er nur in Gedanken versunken oder überhaupt kurzsichtig, wenn er nicht grüßt. Witze erzählt er nie, aber seine Zynismen würde ich den ganzen Tag hören wollen. Zum Schrammel hat er einmal gesagt, dass er den Kassettenrecorder nicht zum Verhör mitnehmen soll, weil da die Ohrfeigen dann auch drauf sind. Der Satz: ››In vier Silvester Polizeiepidemie nicht einmal Eigensicherung gelernt‹‹ geht ja auch auf ihn zurück. Und dem Jerabek vom Raub hat er beim Polizeiball 82 die Freundin ausgespannt.

    Karl Honemann, 37, liegt wie jeden Tag auf dem Zweiersofa aus Softleder, blickt abwechselnd auf sein Videoprogramm und auf den Monitor, der über die Ereignisse im Nebenzimmer informiert. Der Videostreifen ist angeblich über den Tag nach dem Tag danach. Der Mann, der Verena gerade beschäftigt, ist vor zwanzig Minuten gekommen, hat lang herum geredet uns sich Vorschläge machen lassen. Dann hat er sich für ein Doppelservice entschieden und zwei Blaue, wie verlangt, vorher auf den Tisch gelegt.

       Es läutet. Honemann geht ins Vorzimmer öffnen, weil es nur Gerfried Szabo, Prokurist der Agentur Knapp ist, der die Monats-Anzeigengebühr in bar abholen will. Szabo schaut ein paar Sekunden

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