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100 km für ein Bier: Meine härtesten Ultra- und Trailrunning-Läufe in aller Welt
100 km für ein Bier: Meine härtesten Ultra- und Trailrunning-Läufe in aller Welt
100 km für ein Bier: Meine härtesten Ultra- und Trailrunning-Läufe in aller Welt
eBook284 Seiten3 Stunden

100 km für ein Bier: Meine härtesten Ultra- und Trailrunning-Läufe in aller Welt

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Über dieses E-Book

In 70 Bildern und erlebnisreichen, spannenden, lustigen Texten erzählt Joe Kelbel von seinen Läufen aus aller Welt.
Trainings- oder Ernährungspläne sind für Joe Kelbel tabu. Seitdem der Börsianer seinen Job und sein Geld verloren hat, genügen ihm zwei Füße, eine Pizza und ein Kasten Bier, um die Welt zu entdecken. Ob im Oman, in Kambodscha, in Bhutan, in der Sahara oder in Biel – Joe Kelbel ist stets mittendrin im Geschehen und so werden seine Läufe in aller Welt zu ganz besonderen Abenteuern. Frei von Behörden und Finanzamt liefert er uns mit diesem Buch einmalige Einblicke in Begegnungen zwischen Menschen, Natur und dem eigenen Willen, die kaum einen Euro kosten, aber den Spaß am Leben wecken. Running free!
SpracheDeutsch
Herausgebermainbook Verlag
Erscheinungsdatum15. März 2016
ISBN9783946413158
100 km für ein Bier: Meine härtesten Ultra- und Trailrunning-Läufe in aller Welt

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    Buchvorschau

    100 km für ein Bier - Joe Kelbel

    glücklich

    ■ Auf den Spuren der Sklavenkarawane – UTMES 2015

    Eine Stunde südlich von Marrakesch werden die Insassen nervös, kramen Plastiktüten hervor, obwohl es schon zu spät ist. Die N9 durch den Hohen Atlas mit den schneebedeckten Bergen windet sich kurvenreich durch blanke Felsen, die die Römer einst wegen ihrer Gier nach Holz schufen. Vom Trockenfluss Oued Zat, der entlang der Straße verläuft, zweigten einst Bewässerungskanäle ab, doch letztes Jahr gab es brutale Überschwemmungen, jetzt ist alles fort und 40 Menschen tot. Ich liebe gefährliche Orte, besonders dann, wenn sie schwer erreichbar sind.

    Mein Ziel ist die Sahara, die beginnt auf der anderen Seite des Hohen Atlas, hinter Ouarzazate am Pass Tizi-n-Tinififft mit der Mondlandschaft des Djebel Sarhro, der wie abrasierte Pfannekuchen aussieht. Dann kommt eine Landschaft mit sagenhaften Kontrasten: die 200 Meter breiten Palmenhaine des Draa-Flußes, Wüsten, Felsen, Kasbahs (Wehrburgen) und Ksour (Wehrdörfer) aus gestampftem Lehm. Der viele Regen der letzten Jahre nagt an den Bauwerken aus uralter Zeit, die Ornamente und Zinnen zerfließen.

    Nach acht Stunden erreiche ich Zagora, nahe der Grenze zu Algerien, es ist eine ehemalige Karawanenstation auf dem Handelsweg von den Salzminen in Timbuktu bis ans Mittelmeer.

    „Tombouctou 52 jours" steht auf uralten Kacheln. Ein Dromedar schaffte pro Tag kaum eine Marathondistanz. Ich bin Läufer, schaffe weitaus mehr, bin hier, um den UTMES, den Ultra Trail Marathon Eco Sahara über 109 km und 1500 hm zu bezwingen.

    Vermutlich entstand diese Karawanenstraße schon 1000 Jahre vor unserer Zeitrechnung. Im Gelände ist sie kaum erkennbar, sie ähnelt einem Wildwechsel, entstand aber durch Sklavenfüße. Nicht nur Sklaven und Salz, auch Gold, Edelsteine, Stoffe und Gewürze kamen über diesen Pfad, der östlich von Zagora den direkten Weg durch den Jbel Bani (Berg der Mauer) nimmt.

    In Zagora sind die Brüder Mohamad und Lahcen Ahansal aufgewachsen. Einst war Zagora der Startort des Marathon des Sables, damals durften noch Kinder mitlaufen. Lahcen und Mohamad wurden so entdeckt, fanden Sponsoren, und können so bis heute am 3500 Euro teuren Rennen teilnehmen. Lahcen gewann den Wettkampf 10mal in Serie, Mohamad fünf mal, jetzt veranstalten sie Wüstenläufe wie den UTMES.

    Die Nomadenfamilie Ahansal stammt eigentlich aus dem Hohen Atlas, aus dem Ort Zaouiat ahansal, dem Startort des Trans Atlas Marathons im Mai über 275 km. Vor über 100 Jahren wanderte die Familie 500 km Richtung Süden, immer der riesigen Flussoase des Draa-Flusses entlang.

    Viele Berberfamilien wanderten zu dieser Zeit, als das Klima noch trockener war, entlang der 1100 km langen Flussoase und begannen mit der Landwirtschaft, machten durch ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem im Schutz hoher Lehmmauern den Sand fruchtbar.

    Das Land gehörte damals „den Schwarzen, wie mir Lahcen erklärt, den Nachfahren der Karawanenführer aus Mauretanien und Mali und der Tuareq. Die Berber verdienten durch die Landwirtschaft genug, um „den Schwarzen das Land abzukaufen. Für uns ein Glücksfall, denn der 109 Km Lauf UTMES, zu dem ich heute anreise, findet hauptsächlich auf dem Gebiet der Ait Atta statt, zu dem die Familie Ahansal gehört. Wir müssen allerdings auch fremdes Stammesgebiet durchqueren, und die mögen keine Streckenmarkierungen, weswegen dieser Lauf in der Nacht zu einem grausigen Abenteuer werden wird.

    Hinter Zagora, die Sonne versinkt schon in einem vom Sandsturm getönten Farbenmeer aus sandigen Schleim, werden wir an der Straße rausgelassen.

    Es geht nur noch zu Fuß weiter, unser Camp (Bivouac) liegt tief in den Dünen. Wir sind 22 Europäer, die meisten das erste Mal in der Wüste, und entsprechend aufgeregt, wer jetzt aber nicht den Mund hält, der bekommt Sand auf seine Kronen.

    Ein Bivouac besteht aus mehreren, im Kreis angeordneten, mit Teppichen ausgelegten Zelten. Die Teppiche vibrieren im starken Wind, feiner Sand weht durch die Teppichtür.

    Es ist jeden Abend dasselbe: Die Sahara ist noch heiß, die aufsteigende Luft saugt mit hoher Geschwindiglkeit Nachschub vom Hohen Atlas. Gewöhnlich ist der Spuk nach 2 Stunden vorbei.

    Wir haben Matratzen, nicht diese Kamelmatten, auf denen ich sonst penne. Wir werden zwei Nächte vor und eine nach dem Lauf hier verbringen. Gegessen wird in einem Gemeinschaftszelt mit dem obligatorischen Bild des Königs, Mohamed VI., an der Zeltwand. Man sitzt auf dem Boden oder auf niedrigen Hockern. Ein kleines gemauertes Haus beinhaltet die Sanitäranlagen. Sind die Gruben voll, zieht man weiter. Strom wird mit Solarenergie erzeugt, das Wasser wird aus dem Oued el Feija gepumpt, der in einer Tiefe von 5 Metern vor sich hin sickert, er floss einst oberirdisch.

    Am Folgetag wird die Pflichtausrüstung überprüft, das ärztliche Attest vorgelegt und immer wieder das Laufgepäck optimiert. Mit einem Teil der Startgelder kaufte Mohamad Dattelpalmensetzlinge, es ist nun unsere Aufgabe, diese schweren Dinger einzupflanzen. Sie haben einen knollenartigen Wurzelballen, etwa 7 kg, die unteren Blätter der Triebe sind zu Dornen umgewandelt, was die Arbeit nicht gerade erleichtert.

    Vollmond, die Hunde teilen mit, wenn ein Schakal auftaucht. Mathes optimiert seinen Rucksack. Kaum ist er fertig, fangen Ursel und Ingo an, sich die sagenhaften Erlebnisse der noch nicht vergangenen Nacht auszutauschen. Heidi toppt das Ganze mit einem Wasserfall von Erlebnissen, die mit veganen Kochrezepten garniert sind und eine Frauenzeitschrift sprengen würden. Seit einer Stunde schüttelt sie eine Milchflasche, um irgendein Bircher Müsli herzustellen. Eine Nacht in der Wüste kann richtig entspannend sein.

    Wir haben noch 2 dunkle Stunden bis zum Start. Als ich mich aus dem Zelt pelle, stehen die ersten Bekloppten in voller Laufmontur unter dem Startbogen, recken die Hände nach oben und grinsen wie Teletubbies in die Kamera. Ich geh erstmal kacken.

    Früher dachte ich, die Einheimischen gehen beten, wenn sie mit einer Flasche Wasser in den Dünen verschwinden. Eigentlich leitet sich Toilette vom französischen Begriff für „Tuch ab, und nicht von „Wasser. Jedenfalls sollten Marokkaner nur mit der rechten Hand essen, wenn man auf der mirhad war.

    Zum marokkanischen Frühstück gibt es „la Vache qui rit, einen Streichkäse, eine Erfindung aus dem ersten Weltkrieg, hieß damals: „Wachkyrie, damit war „die deutsche Walküre" gemeint, von der jeder französische Soldat träumte.

    Ich habe Leberwurst dabei, von der Dicken, der Groben, die an der Ecke vom Grüneburgweg in der Metzgerei arbeitet, von der bekomme ich immer Leberwurst – und Albträume.

    Mohamad kommt 30 Minuten zu spät, er hat jetzt alles markiert, meint er. Er spricht sehr gut deutsch. Die Berber lernen nach ihrer Muttersprache Tamazight erst Arabisch, dann Französisch. Berber haben ein extrem gutes linguistisches Erinnerungsvermögen, bringen sich Deutsch und Englisch selbst bei.

    Start! Wie viele sind wir? Weiß nicht. Es gibt noch etwa 18 Marokkaner. Rachid Elmorabity und Samir Akdar dürften eigentlich jedem Läufer bekannt sein. Den Rest der Jungs aus Zagora kennt niemand, aber die sind richtig aufgeregt und fetzen nun nach vorne in die Dunkelheit.

    Die Sanddünen sind relativ flach, man kann sie gut umlaufen. Links sind vergessene Felder, man muss auf die Plastikschläuche aufpasssen, die einst Melonen bewässerten. Von nachhaltigem Anbau hat man hier noch nichts gehört.

    Im fahlen Schein der Stirnlampe leuchten Gebeine. Diese Skelette sind sehr alt, denn schon seit Jahrzenten führt man sterbende Dromedare auf die Müllhalde, von der dann nicht nur Düfte, sondern auch Plastiktüten wehen.

    Die Wüstenebene Faiji ist relativ übersichtlich, am Rande des südlichen Riffgebirges verläuft die N12, ganz gut ausgebaut, führt sie direkt in die besetzte Westsahara, dort ist auch der einzige Übergang nach Algerien.

    Die Sonne ist aufgegangen, es beginnt der Anstieg hinauf zum Jbel Bani, der sich auf einer länge von 100 Kilometern mit seinem Steilabfall präsentiert.

    Offene Brunnenschächte zeugen von dem Versuch, hier Wasser zu finden, nur trockene Äste bedecken notdürftig die Löcher.

    Auf dem Boden liegen Bitterkürbisse, Koloquienten, giftige Dinger, die zwar viel Wasser enthalten, aber ebenso ein drastisches Abführmittel für blutigen Durchfall mit Nierenversagen. Nach einem halben Kürbis zerplatzen dir die Schleimhäute des Darms. Allerdings, und das ist interessant: Nimmt man gleichzeitig Aktivkohle, gibt es keine Probleme. Haben wir nicht dabei, aber dafür ein Schlangenbiss-Set. Damit kann man Gift aus einer Wunde saugen. Schlangen sieht man zu dieser Jahreszeit nicht, nur Skorpione.

    Die „Karawanenstraße ist hier relativ gut ausgebaut, kleine Mäuerchen sollen den Ziegen die Richtung weisen. Oben, auf dem langen Tafelberg angelangt, haben wir einen majestätischen Blick zurück in die Faijiwüste bis hin zum 50 km entfernten nördlichen Riffgebirge. Wir sind am Oum Laacher Guattara (1070 m), einem Pass, der durch das Bani Gebirge führt. Rechts oben auf dem Berg ist Lahcen Ahansal, der 10fache Seriengewinner des Marathon des Sables, geboren worden. Damals, vor geschätzten 30 Jahren, war die Gegend sehr viel trockener gewesen, und dort oben, in einem kleinen Tal, ist ein kleines Rinnsal, das die Familie mit dem nötigen Wasser versorgte. Man wartete damals 7 Tage, bevor man die Geburt eines Kindes bekannt gab, man wusste ja nie, machte dann Riesenparty. Lahcen heißt „Der Beste.

    Als die Kinder schulpflichtig wurden, meldete der Vater alle Kinder auf einmal bei den Behörden an, ohne genau zu wissen, wann sie geboren wurden. Mit 14 Jahren dürfen sich die Kinder einen Geburtstag aussuchen, die meisten bleiben beim 1. Januar, Lahcen wählte das Geburtsdatum seiner ersten Freundin.

    Hier oben auf dem Pass ist es herrlich, mildes Klima, super klare Sonne und die Aussicht, nur noch 99 Kilometer laufen zu müssen, gibt mir gute Laune. Es ist der Mahassre, der „Fluss ohne Fluchtmöglichkeit", der hier entspringt. Der Name ist eine knallharte Warnung!

    Zunächst bleibt der Weg wasserfrei, aber im trockenen Fusslauf ist die Strecke nicht mehr zu finden. Neun Läufer waren vor mir, nun sind die Neun hinter mir. Ich kenne den Weg, steuere direkt auf die Oase Djabi zu (km 21), wo eine Wasserstation eingerichtet ist, alle Neune fetzen vorbei.

    Der Jbel Bani wird von Tafelbergen dominiert

    Auch mein Schatten wird mich verlassen

    Bei km 80: Ich sehe Lichter

    Zu siebt laufen wir ins Ziel. Links Rachid Elmorabity, 3-facher MdS-Gewinner, win der Mitte Mohamad Ahansal, 5-facher MdS-Gewinner

    Der Brunnen in Djabi ist etwa 5 Meter tief, mit einem Ledereimer kann man Wasser schöpfen, es ist sauber, für uns gibt es aber sicherheitshalber Wasser aus Plastikflaschen.

    Es beginnt ein traumhaftes Laufrevier, immer entlang des Mahassre. Glasklares Wasser, was sich auf einem seltsamen Fussbett sammelt: Auf weißem Granitboden entstand im Laufe der Jahrtausende eine Wellenstruktur, im Hintergrund sagenhafte Tafelberge, drei, vier Palmen gruppieren sich jeweils um ein Wasserloch, Frösche quaken und kleine Fische tummeln sich in den Pfützen. Interessanterweise gibt es hier Fischegel, kleine Parasiten, die genau wie die Fische den Sommer ohne Wasser überleben müssen.

    Enorm große Felsbrocken zeugen von der einstigen Kraft dieses Flusses, es ist ein Ort, der zum Verweilen und Nachdenken einlädt.

    Der See Amda n´oumssafi lädt mit seinem glasklaren Wasser zum Baden ein, doch die Wassertemperatur ist nur knapp über dem Gefrierpunkt.

    Ich überhole eine Gruppe weiblicher Wanderer, eine sitzt auf einem Dromedar, schreit mir hinterher: „Joe! Bist du´s?" Die Sahara lebt, man ist nirgends vor weiblicher Verfolgung sicher.

    Es war wohl hier gewesen, als Heinrich Barth auf der Suche nach dem geheimnisvollen „Palast der Dämonen von der Route abkam. Heinrich Barth wurde auf Empfehlung Alexanders von Humboldt von London finanziert, um Timbuktu zu finden. Hier im Jebel Bani suchte er die Höhlen, in denen die Geister wohnen. Laut seinem Bericht hat er im Delirium „aman, aman! Wasser, Wasser gerufen, bis Nomaden ihn dort oben fanden.

    Für uns geht es hinunter in das Flusstal, am steilen Ufer gibt es dicke Lagen von Ölschiefer, der die Wasseroberfläche bunt färbt, oben drüber eine dicke Lage Eisenerz. Wenige Meter weiter liegen graue, bröselige Schichten aus Phosphat. Die Zähne vieler Marokkaner sind nicht nur vom gezuckerten Tee schwarz geworden, auch phosphatreiches Wasser macht die Zähne schwarz. Marokko hat wegen des Teekonsums den höchsten Zuckerverbrauch und besitzt 70% der Phosphatvorkommen der Erde.

    Nun müssen wir über den Jbelk Abbes, eine Abkürzung durch eine grausame schwarze Landschaft, deren Steine von viel, viel Wasser in grauer Vorzeit rundgeschliffen wurden.

    Die winzige Nomadenfamilie aus 3 Generationen habe ich letztes Jahr kennengelernt, sie gehören zu dem Berberstamm Ait Atta, sprechen nur Tamazight, bieten uns guten, süßen Tee an, der meinen Zähnen hoffentlich nicht schaden wird. 34 km sind geschafft.

    Die Bezeichnung „Berber kommt vom lateinischen Namen „Barbar für die Germanen, die während der Völkerwanderung die Straße von Gibraltar überquerten. Untersuchungen der Mitochondrien ergaben, dass es etwa 5000 Barbaren waren, die sich mit der hiesigen Bevölkerung vermischten. Es gibt Berber mit blauen Augen, und Kinder mit rotblonden Haaren.

    Der Oued Naam (Trockenfluss des Vogel Strauß) ist eine trostlose Ebene mit glühenden Steinen. Die Sonne hat das Mangan an die Steinoberfläche gezogen und verdeckt die roten Markierungen. Man muss sich darauf konzentrieren, seine Füße vor den schmerzhaften Steinen zu schützen. Ein Abrutschen provoziert Blasen.

    Elke und Edwin haben Probleme mit der stechenden Sonne, sie sitzen in der schattenlosen Gegend, schmieren sich mit Sonnenöl ein. Öl behindert die Temperaturregelung des Körpers. Besser ist lange Kleidung, oder die indigoblauen Gewänder der Wüstensöhne, Indigo filtert die schädlichen UV-Strahlen heraus.

    Ich lasse die beiden zurück, laufe in die Dünenlandschaft von Bougarne.

    Auf der Leeseite der Dünen spielen die lustigen, weiß-fluschigen Samenflocken des Sodomsapfel im Wind. Sie werden an dieser Düne wurzeln und Nachkommen produzieren.

    Die grünlichweißen Sträucher des Sodomsapfel sind hochgiftig. Eigentlich stammen die Pflanzen aus dem südlichen Afrika, Menschen brachten die Pflanze hierher, um daraus Medizin zu machen. In den Sträuchern verirre ich mich, kann keine Markierung mehr entdecken, muss dringend meine Füße versorgen. Ein einsamer Akazienbaum bietet Schatten. Viel Zinksalbe quetsche ich in die Strümpfe, muss schnell den Weg finden, habe kein Wasser mehr.

    Links ist die Lehmebene des Lac Iriki, ein trockener See, der passenderweise vom Oued Laatach (Fluss des Durstes) gespeist wird. Im Dezember wachsen hier kniehohe Ruccolawiesen bis zum Horizont, jetzt gibt es nur trockene Lehmplatten, die wunderbar knacken, wenn man darauf tritt. Drückt man die Füße zu stark ab, klatschen die Platten gegen die Fersen und reißen die Blasen auf.

    Aber der Umweg lohnt sich, ich komme schnell weiter, kann jetzt am Horizont die höchste Düne von Cheggaga direkt anpeilen. Mächtige Rauchzeichen zeigen mir, dass ich richtig bin.

    Erg Cheggaga ist eine Dünenlandschaft, die der urzeitliche Fluss Tamanrassett hinterlassen hat, der Vorläufer des Draa, ein Fluss, der sogar einen 520 km langen Unterwassercanyon vor der Küste Mauretaniens, jetzt im Atlantik, gefräst hat. Der Tamanrassett war größer als der Jangtsekiang, Menschen haben ihn noch gesehen.

    Es ist etwa 14 Uhr, als ich das Camp bei km 53 erreiche.

    Hafida erzählt mir, dass gerade ein Trupp von 6 Läufern in die Sanddünen aufgebrochen ist.

    Die Frau von Edwin fragt sichtlich nervös, ob ich ihren Mann gesehen hätte. Ich sage ihr lachend, er sei in guten Händen, Elkes Händen.

    Der Weg durch die hohen Dünen ist gut von Lahcen markiert worden, manchmal kann ich den Wasserturm von M´Hamid sehen. Von hier oben sieht man Algerien. Die Grenze ist etwa 20 km entfernt, mit Wachttürmen bespickt, sie verläuft entlang des steilen Riffgebirges, davor ahnt man den Draa-Fluss. 1940 wurde hier das letzte Krokodil gesichtet.

    4 Stunden habe ich Zeit, um die 7 Kilometer zur nächsten Kontrollstation am Erg Laabidlia zurückzulegen, doch die Dünen sind hoch, und die weichen Kämme sind nur auf allen Vieren zu überwinden. Neben den Spuren meiner Vorläufer sind die kleinen Krabbelspuren von Käfern und Eidechsen zu sehen. Sehr häufig, und typisch wirr, verlaufen die Kriechspuren der fetten Kamelzecken. Die Dinger sind 4 cm groß und ungefährlich für Menschen, da man sie sogleich bemerkt.

    Die Dünen ändern mit jeder Stunde ihre Farben, dazwischen wenige Büsche von grünem Dünengras. Wenn ich oben bin, kann ich wunderbar hinuterrutschen, muss dann aber mühsehlig wieder hinaufdackeln. Im roten Licht der untergehenden Sonne bringt eine Karawane Bier zu einem Wüstencamp.

    Kontrollstation bei km 60, es ist 17:30 Uhr. Hinter der Mauer ruhen sich meine zukünftigen sechs Leidensgenossen aus.

    Ich ahne nicht, dass die Läufer hinter mir nicht mehr folgen können. Andreas und Michael werden beim Erg Laabidlia übernachten, morgens von Suchtrupps gefunden. Sie werden dann mit Motorradfahrern zusammen einen Suchtrupp bilden, um Elke und Edwin zu finden. Edwin wird man weit abseits der Strecke finden, unansprechbar in einem Nomadenzelt. Elke wird man irgendwo in den Bergen finden, zu erschöpft, um den Weg bewältigen zu können.

    Meine zukünftigen Lebenskameraden sind abgedampft, hinunter in ein wunderbares Tal, dekoriert mit Palmen und Felsen. Es könnte die heilige Quelle D´oum Laalag sein, die Heinrich Barth, der Entdecker Timbuktus, 1853 erwähnte. Ein Geist soll sie bewachen. Es wird schlagartig dunkel, sogar mein Schatten verlässt mich jetzt. Meine Stirnlampe ist scheiße, so erkenne ich keine Markierungen, ich muss die anderen einholen, nehme eine Abkürzung und erschrecke mich zu Tode, als eine Großtrappe vor mir abdampft.

    Es beginnt ein Rennen gegen die Zeit, beim Kontrollposten km 68 hole ich die Truppe mit letzter Kraft ein. Wir sind jetzt zu sechst, Arno versucht es weiterhin auf eigene Tour durch die Dunkelheit und wartet nicht, bis wir weiterziehen.

    Der Aufstieg zum Tizi N`Lagtara Pass wäre bei Licht ein Traum, links und rechts sind recht hohe Klippen, in der Mitte Palmenhaine. Es wird felsig, hier stehen vereinzelte Tamarindenbäume. Die gebogenen Samenkapseln der Tamarinde sind essbar, enthalten 50 % Zucker und 20 % Weinsäure, was die Bohnen recht schmackhaft macht.

    Wir suchen den Weg, seltsame Schreie eines Vogels kommentieren uns.

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