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Erwachen der Elemente: Solaris
Erwachen der Elemente: Solaris
Erwachen der Elemente: Solaris
eBook265 Seiten3 Stunden

Erwachen der Elemente: Solaris

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Über dieses E-Book

Das Magiermädchen Solaris besitzt die Gabe, die Elemente und die Natur zu beherrschen. Als ihre Mutter ermordet wird, führt sie ihr Weg zum Magiermeister Hauser und dessen Schüler Raffael. Hauser wird ihr Mentor und lehrt sie, ihre Fähigkeiten zu kontrollieren, und wird bald darauf zusammen mit Raffael verschleppt. Solaris erhält Hilfe von einer Seherin, die ihr den Weg weist und sie begleitet.
SpracheDeutsch
Herausgebernovum pro Verlag
Erscheinungsdatum15. März 2012
ISBN9783990263747
Erwachen der Elemente: Solaris

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    Buchvorschau

    Erwachen der Elemente - Luka Gabriel

    Impressum

    Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.

    Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

    Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und -auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

    © 2012 novum publishing gmbh

    ISBN Printausgabe: 978-3-99026-372-3

    ISBN e-book: 978-3-99026-374-7

    Lektorat: Angelika Glock

    Umschlagfoto: Igor Kovalchuk | Dreamstime.com

    Gedruckt in der Europäischen Union auf umweltfreundlichem, chlor- und säurefrei gebleichtem -Papier.

    www.novumverlag.com

    1

    Allein.

    Seit Tagen war ich allein unterwegs. Ich versteckte mich im Wald, voller Angst, dass die Ungeheuer mich finden würden.

    Meine Mutter schickte mich aus unserem kleinen Haus, kurz bevor die Monster kamen, um sie zu holen.

    „Hab keine Angst! Bleib im Wald und komm nicht zurück! Vertrau der Natur! Vertrau den Elementen! Sie werden dich beschützen!"

    Ihre letzten Worte hallten noch immer in meinem Kopf. Ich konnte ihre Stimme immer noch hören, obwohl ich wusste, dass ich sie nie mehr wiedersehen würde.

    „Vertrau der Natur!" Tränen brannten in meinen Augen. Ich konnte die Erinnerungen nicht unterdrücken, dafür waren sie noch zu frisch.

    Meine Mutter hatte sich für mich geopfert. Sie hatte sich praktisch kampflos der Horde ausgeliefert, um mir die Flucht zu ermöglichen. Und ich verbarg mich in den Schatten der Bäume am Rande des Waldes, weil ich es einfach nicht über mich brachte, mich weiter von ihr zu entfernen. Leider war meine Hoffnung, ihr zur Flucht zu verhelfen, vergebens. Die Ungeheuer umkreisten sie, erfreuten sich an dem Leid, dass sie ihr zufügten. Sie lachten und johlten, und der Lärm der grölenden Meute hallte weit über das Tal.

    Meine Mutter jedoch gab keinen Laut von sich. Sie hielt sich sehr gerade, was angesichts der Schläge, die sie einstecken musste, ein Wunder war. Ihre Augen waren geschlossen, und der Ausdruck auf ihrem schönen Gesicht erschien fast friedlich.

    Wieder einmal verlor ich den Kampf mit mir selbst, und die Tränen, die ich zurückzuhalten versuchte, strömten heiß über meine schmutzigen Wangen. Fast eine Woche lange hielten die Monster meine Mutter gefangen. Fast eine Woche lang versuchten sie mit allen Mitteln, ein Geständnis aus ihr herauszuprügeln. Fast eine Woche lang startete ich mehrere Befreiungsversuche, aber ich scheiterte kläglich. Ich kam einfach nicht an sie heran.

    Ich war allein.

    Ich war ein nur Kind, und ich war allein.

    „Hexe! „Zauberin! Die Worte, so voller Hass, vergifteten die Luft. Die Horden hatten nicht weiter nach mir gesucht.

    Scheinbar war ich nicht wichtig für sie. So konnte ich wenigstens in ihrer Nähe bleiben, obwohl es mir nicht möglich war, dem mir liebsten Menschen zu helfen.

    Müde und verzweifelt kuschelte ich mich an eine große Baumwurzel. Die raue Borke fühlte sich für mich weich und glatt an. Das feuchte Moos war für mich ein weiches, warmes Bett.

    Schmetterlinge flatterten um mein Gesicht und streichelten mit ihren zerbrechlichen Flügeln meine tränennassen Wangen.

    Ein weißer Wolf tauchte in meinem Versteck auf und setzte sich vor mich hin. Er saß vor mir und sah mir mit schief gelegtem Kopf beim Weinen zu. Vor ihm hatte ich keine Angst. Noch niemals hatte ich Angst vor einem Tier empfunden, einem Teil der Natur.

    „Vertrau der Natur!" Ich streckte meine rechte Hand nach ihm aus, und er schmiegte sich an mich, als ob er auf meine Einladung gewartet hätte. Als ob er mich gesucht hätte, um mir beizustehen.

    Ich schlang meine Arme um seinen Hals, und ein trockenes Schluchzen entrang sich meiner Kehle. Nur scheinbar versiegten meine Tränen. Niemand konnte ewig weinen … Auch dann nicht, wenn er seiner Mutter beim Sterben zugesehen hatte.

    Ich schlief ein. Eng an den Wolf geschmiegt, versank ich in meinen Träumen. Der gleichmäßige Herzschlag des Tieres bescherte mir die ersten angenehmen Träume seit so langer Zeit.

    Meine Mutter hielt mich in den Armen. Sie lächelte. Ihr Gesicht war genauso schön, und ihr Blick war genauso sanft und gütig wie vor dem Angriff der Monster. Es waren keine Spuren der Folter an ihr zu sehen, und obwohl ich wusste, dass alles nur eine Illusion war, war ich froh, dass ich zumindest im Traum nicht ihr geschundenes Gesicht vor mir sah.

    „Du hättest nicht hierbleiben dürfen, Solaris. Warum bist du nicht weitergegangen?"

    Ich konnte ihre Berührung auf meiner Wange spüren. Warm und lebendig. „Wie hätte ich dich verlassen können, solange es noch Hoffnung gab?"

    „Dann hattest du noch Hoffnung? Bis zum Schluss?"

    „Bis zu deinem letzten Atemzug. Meine Lippen zitterten. „Ich hatte Hoffnung, bis ich zusehen musste, dass sie deine Asche in den Fluss kippten. Ich schlang meine Arme fester um den Körper meiner Mutter, und diese Umarmung fühlte sich so echt an, dass es fast falsch klang, von ihrer Asche zu sprechen. Ich konnte sogar ihren gleichmäßigen Herzschlag hören.

    Sie lächelte sanft. „Ach ja, der Fluss. So war es mir wahrscheinlich immer schon vorherbestimmt. Sie strich mir tröstend über die wirren schwarzen Haare. „Nicht, dass du mich falsch verstehst. Ich wollte nicht sterben, aber ich hatte ein langes und erfülltes Leben. Und ich hatte dich …

    „Und nun bin ich allein!" Obwohl ich es nicht wollte, klang es fast wie eine Anklage.

    „Du wirst nicht lange allein sein, mein Schatz. Hab Vertrauen zur Natur. Und vertrau vor allem dir selbst. Sie küsste meine Stirn. „Achte das Leben. Jedes Leben.

    „Wie kannst du das von mir verlangen? Wie kannst du verlangen, dass ich … „Solaris, du musst verzeihen. Sie umfasste mein Gesicht und sah mir in die Augen.

    „Das kann ich nicht, Mama. Die Menschen sind Monster!"

    „Aber nicht alle. Es gibt so viel Gutes auf der Welt. Es ist das Gute, das wir beschützen müssen. Und das um jeden Preis."

    Ich wollte das nicht hören, zu groß war meine Trauer. Aber sie ließ mich nicht zu Wort kommen.

    „Mein Liebling. Nutze die Zeit. Lerne. Versuche, das Richtige zu tun. Kannst du mir das versprechen?"

    Ich griff nach ihren Händen. „Ja, Mama. Ich kann dir versprechen, dass ich es zumindest versuche."

    „Braves Mädchen."

    „Bleibst du noch bei mir, Mama?"

    Sie seufzte bedauernd. „Lange kann ich nicht mehr bleiben. Aber zumindest werde ich bleiben, bis du wieder eingeschlafen bist. Rheo wird über dich wachen, mein Liebling. Sie drückte mich noch ein wenig fester an sich. „Mein tapferer, kleiner Schatz. Meine Solaris. Vertrau auf sein Urteil, wenn die Unsicherheit dich quält. Und vertrau auf Rheo, wenn du dir bei neuen hm … sagen wir Bekanntschaften nicht sicher bist. Sie küsste mich noch einmal auf die Stirn.

    Das Letzte, was sie zu mir sagte, bevor ich wieder in Tiefschlaf versank, war: „Freund und Feind liegen dicht beieinander. Das Aussehen ist trügerisch. Je süßer die Versprechungen sind, desto zweifelhafter sind oft die Absichten. Nicht immer ist der leichte Weg der richtige. Nicht jeder ist dein Freund, aber vergiss bitte nicht, dass nicht alle Menschen deine Feinde sind."

    Dann umfasste sie mein rechtes Handgelenk mit beiden Händen und hauchte auf meine Fingerspitzen. Ihr warmer Atem schien über meinen ganzen Arm zu strömen. Mein ganzer Körper entspannte sich und ich glitt in einen erholsamen, traumlosen Schlaf hinein. Das erste Mal seit so vielen Tagen fühlte ich mich wirklich wieder sicher und geborgen.

    Als ich am nächsten Morgen erwachte, erholt und seltsam zuversichtlich, war ich wieder allein.

    Natürlich war meine Mutter nicht da. Sie war tot und ich hatte schließlich nur von ihr geträumt. Aber war auch der Wolf nicht mehr da?

    Ich setzte mich auf meinem Lager auf und blickte mich um. Die Schmetterlinge waren ebenfalls verschwunden.

    Leises Vogelgezwitscher war von fern zu hören, war für mich ein Zeichen, dass ich doch nicht ganz verlassen war. Die Natur war schließlich noch da.

    Mit beiden Händen rieb ich über mein Gesicht, um den Rest des Schlafes aus meinen Augen zu wischen.

    Dabei rutschten die Ärmel meines Hemdes nach hinten. Plötzlich stand mir der Traum der letzten Nacht so lebhaft vor Augen, als ob alles real gewesen wäre. Ich starrte auf mein rechtes Handgelenk – auf den breiten Goldreif, der sich darumspannte.

    Das Schmuckstück glänzte beinahe magisch. Es hatte keinen Anfang und kein Ende. Keine Kanten, die vielleicht meine Haut verletzen könnten. Das Metall war warm und lag so eng an, als wäre es mit mir verwachsen.

    „Mama", flüsterte ich.

    Ich erhob mich und duckte mich unter den Blättern der Büsche durch, die mir ein verstecktes Nachtlager geboten hatten.

    An einem vorbeiplätschernden Bach wollte ich mir das Gesicht waschen.

    Ich war nicht erstaunt, den Wolf dort wartend sitzend zu sehen.

    Es fiel mir erst jetzt auf, was für ein großes schönes Tier er doch war. Mit einem dichten, weißen Pelz und wunderschönen bernsteinfarbenen Augen.

    „Rheo?" Es sah so aus, als hätte er schon auf mich gewartet, und wenn Wölfe lächeln könnten, ich schwöre, er hätte gelächelt.

    Meine Mutter hatte mich also ein letztes Mal beschenkt, zumindest fühlte es sich so an.

    Geduldig wartete er, bis ich mich gewaschen hatte. „Lass uns gehen." Ich streckte die rechte Hand in seine Richtung und Rheo drückte seinen wuchtigen Kopf dagegen.

    Aber als ich mich vom Bach abwandte, knurrte er kurz.

    „Falsche Richtung?", fragte ich. Ich merkte, dass ich lächelte. Ich lächelte und mein Gesicht fühlte sich warm an.

    Der Wolf Rheo wandte sich dem Bach zu und ich schritt neben ihm her. Wir überquerten das Wasser an einer seichten Stelle und gingen noch tiefer in den Wald hinein.

    Wir wanderten immer geradeaus, immer tiefer in den Wald hinein. Diese Wanderung veränderte mich. Sie kapselte meinen Kummer in einem Teil meines Herzens ein.

    Obwohl ich noch so jung an Jahren war, so wusste ich doch, dass ich meine Trauer bewahren wollte. Sie war für mich wichtig – genauso wichtig wie meine Erinnerungen.

    Alle Erinnerungen.

    Niemals würde ich vergessen, was ihr angetan wurde. Niemals …

    „Du weißt doch, dass das nicht stimmt."

    „Was soll nicht stimmen?", fragte ich. Es schien mir ganz normal, der Stimme in meinem Kopf zu antworten.

    „Es stimmt nicht, dass alle Monster sind."

    Zornig presste ich die Lippen aufeinander. „Du hast doch gar keine Ahnung. Du weißt nicht, wie sie sind", fauchte ich.

    „Ach, glaubst du? Es war eine tiefe Stimme − rau, verständnisvoll, tröstend. „Die Menschen sind falsch. Sie nutzen dich aus, solange du ihnen nützlich bist, und bei der ersten Gelegenheit … Ich atmete tief ein. „Sie haben meine Mutter als Hexe verbrannt. Alle haben sie zugesehen. Das ganze Dorf, die Alten und die Jungen. Niemand hat ihr geholfen, obwohl sie immer allen geholfen hat." Meine Stimme wurde bitter.

    Der Wolf blieb stehen und starrte mir ins Gesicht, und plötzlich wusste ich, dass ich seine Gedanken in meinem Kopf hörte.

    „Auch du hast ihr nicht geholfen, nicht wahr, Solaris?"

    „Nein, auch ich nicht." Nun schwappte die Bitterkeit in mir fast über.

    Ich wollte mich abwenden, aber Rheo hob eine Vorderpfote und stieß mich um. Es war nur ein sanfter Stupser, aber der genügte, um mich umzuwerfen. Nun saß ich vor ihm auf dem Waldboden und er konnte auf mich hinunterblicken. „Du konntest ihr nicht helfen. Ihre Magie hielt dich fern. Du konntest den Kreis nicht durchbrechen, den sie gezogen hatte."

    „Sie hat einen Kreis gezogen? Das konnte ich kaum glauben. „Wann soll sie denn das getan haben? Und wie? Und womit?

    Rheo drückte tröstend seinen Schädel gegen meine Stirn. Er seufzte laut.

    „Sie hat ihre ganze Magie gesammelt und ein geistiges Netz über das Lager geworfen. Der Mob hat dich dadurch vergessen, denn sonst hätten sie nach dir gesucht. Und du konntest das Netz von außen nicht durchdringen, da du ja nicht mal davon wusstest, es ja gar nicht wissen konntest."

    Er trat wieder einen Schritt zurück. „Lass uns weitergehen, Solaris."

    Wir setzten unseren Weg fort. Schweigend. Ich grübelte da­rüber nach, was Rheo mir gerade berichtet hatte. Und er mischte sich nicht mehr in meine Gedanken ein.

    „Wie machst du das?", fragte ich ihn nach einer Weile.

    „Was meinst du?"

    „Wie kommt deine Stimme in meinen Kopf?"

    „Tja, ich bin dein Hüter, kleines Mädchen."

    „Mein Hüter?"

    „Du bist ein Hexenkind, Solaris. Du kannst nicht einfach so allein durch die Welt marschieren. Wenn ein Hexenkind sich von seinen Eltern trennt oder auch wenn es von seinen Eltern getrennt wird, gesellt sich ein Tiergeist zu ihm. „Zum Schutz?

    „Zumindest zur Unterstützung. Ich werde dich leiten, wenn du zweifelst, und dir raten, wenn ich das Gefühl habe, dass es notwendig ist."

    „Bekommt jedes Hexenkind einen Wolf zugeteilt?"

    Rheo schüttelte seinen Kopf. „Das hängt vom jeweiligen Temperament des Kindes ab. Und von seinem Charakter."

    „Und wer überwacht das? Gibt es jemanden, der kontrolliert oder bestimmt, wie das mit den Tiergeistern abläuft?"

    „Niemand bestimmt das, hörte ich die entschiedene Antwort. „Es ist so … wie du von selbst bei der Geburt deine Seele hast. Die gehört dir allein. Niemand kann darauf Einfluss nehmen.

    Wir schwiegen wieder.

    „Rheo?"

    „Ja, Solaris?"

    „Ich bin froh, dass du kein Eichhörnchen bist", kicherte ich.

    „Ja. Da bin ich auch froh."

    Von fern hörten wir den Ruf eines Uhus.

    So hoch, wie die Sonne am Himmel stand – ich konnte sie genau über mir durch das schützende Dach des Waldes sehen –, musste es gegen Mittag sein. Rheo spürte meine Verwunderung.

    „Hast du den Ruf des Uhus gehört? Dort müssen wir hin. Es ist nicht mehr weit. „Wir müssen zum Uhu?

    „Wir sind auf dem Weg. Also müssen wir doch irgendwo ankommen und ich glaube, dort ist ein guter Platz für dich." Seine Aussage klang etwas komisch für mich, aber ich beschloss, ihm zu vertrauen. Schließlich hatte ich kein Ziel, und da war der Platz bei der Eule so gut wie jeder andere auch.

    Immer wieder erklang ihr Rufen und leitete uns so durch den Wald. Es dauerte auch gar nicht lange und wir erreichten eine Lichtung.

    Ich spürte eine fremde Magie und zögerte. So etwas hatte ich noch nie gespürt. Sogar der Zauber meiner Mutter war für mich nicht erkennbar gewesen. Er wies mich ab, ohne dass ich wusste, wie mir geschah. Nun war es genau umgekehrt. Ich fühlte mich eingeladen, angezogen, und das ließ mich zögern.

    „Was meinst du, Rheo? Ich krallte meine Finger in seinen Pelz. „Freund oder Feind?

    „Hier hast du nichts zu befürchten." Langsam trat ich aus dem Schatten der Bäume heraus. Wachsam ließ ich meine Blicke schweifen auf der Suche nach dem Ursprung der Magie.

    Plötzlich landete etwas neben mir. Ich erschrak und riss abwehrend die Hände nach oben, und dieses etwas flog in hohem Bogen wieder davon.

    Dieses Etwas war ein Junge, eigentlich schon fast ein Mann, der ungefähr fünfzehn Meter von mir entfernt auf dem Hosenboden im Gras landete.

    Ich konnte hören, wie seine Zähne aufeinanderschlugen.

    Meine Hände fühlten sich heiß an, ich zitterte am ganzen Körper.

    „Schon gut, Solaris, das ist ein Freund", vernahm ich eine beruhigende Stimme in meinem Kopf. Rheos Gegenwart beruhigte mich wieder.

    „Entschuldigung", stammelte ich.

    Ein schwarzer Falke hatte sich mit aufgeplustertem Gefieder neben dem Jungen niedergelassen. Dieser starrte mich nur aus weit aufgerissenen Augen an.

    „Das ist Anatol. Der schwarze Junge hat wohl noch nie erlebt, dass sich sein Kleiner auf den Hintern setzt." Rheos Stimme erklang lachend in meinen Gedanken. Seine gute Laune beruhigte mich endgültig.

    „Mit schwarzer Junge, meinst du da den Vogel?" Ich hatte die Frage nur in meinen Gedanken gestellt, trotzdem hallte Rheos Gelächter noch lauter.

    Ich fand meine Frage berechtigt, da das glänzende Gefieder des Falken die gleiche Farbe hatte wie das zerzauste Haar seines Schützlings, die Haut des Jungen war etwas dunkler, braun gebrannt, nicht so hell wie meine. Auch die Kleidung war schwarz. Für mich waren beide also schwarze Jungen.

    „Falke, japste Rheo. „Anatol wäre ewig beleidigt, wenn er wüsste, dass du ihn als Vogel bezeichnest.

    „Aber fliegen kann er schon, oder?" Es war einfach wunderbar, dieses Lachen meines Wolfes. Er schien einen gesunden Humor zu haben, zumindest auf Kosten von Anatol.

    Nun lag es also an uns, den ersten Eindruck wieder wettzumachen. Ich versuchte ein freundliches Lächeln und ging auf die beiden dunklen Typen zu, die immer noch auf dem Boden hockten.

    Der Falke – ich wusste natürlich, dass es ein Falke war –, also der Falke war eindeutig beleidigt. Das war sogar für mich offensichtlich, obwohl ich ihn nicht verstehen konnte. Als Rheo und ich uns den beiden näherten, drehte er sich demonstrativ von uns weg und hielt offenbar Zwiesprache mit seinem Schützling. Als dieser jedoch nicht reagierte, erhob er sich trotzig uns setzte sich auf den nächsten Baum von dort aus taxierte er uns, um eventuell rechtzeitig eingreifen zu können.

    „Entschuldigung", sagte ich nochmals.

    „Hmm."

    „Ich wollte dich nicht …" Ja, was hatte ich eigentlich getan?

    „Umschubsen?", half er aus.

    „Äh, ja. Genau. Ich wollte das nicht."

    „Ist ja nichts passiert." Er schlug lässig die Knöchel übereinander und grinste mich schief an. Der Falke schimpfte über unseren Köpfen.

    „Du bist also Solaris?"

    „Ja, woher weißt du das?" Ich ließ mich ihm gegenüber im Gras nieder.

    „Ich sollte hier auf dich warten. Meister Hauser wird auch bald da sein, ich hab seinen Uhu schon gehört. Ich bin übrigens Raffael." Er streckte mir zur Begrüßung seine Rechte entgegen.

    Ich wollte sie ergreifen, mein Ärmel rutschte wieder zurück und Raffaels Blick fiel auf meinen Goldreif.

    Er zog seine Hand wieder zurück. Beinahe wirkte er ein wenig erschrocken. Verlegen verbarg ich meine Hand hinter meinen Rücken. Ich senkte den Blick. Zurückweichen konnte ich nicht, da sich Rheo ganz dicht hinter mir ausgestreckt hatte.

    „Es tut mir leid." Raffael berührte mich vorsichtig an der Schulter.

    „Ist schon gut. Ich schätze ich hab’s verdient." Ich war verunsichert, dachte ich doch, dass er es mir übel nahm, dass ich ihn … nun ja, umgeschubst hatte.

    „Ich bin nur etwas überrascht. Man begegnet nur selten jemandem, der so einen Goldreif trägt!"

    Wie um mir zu zeigen, was er meinte, schob er vorsichtig meinen Ärmel zurück. Er achtete darauf, mein Schmuckstück nicht zu berühren. Gleichzeitig schüttelte er mit einer geschmeidigen Bewegung seinen Ärmel zurück.

    Zum Vorschein kam ein Silberreif. Wunderschön glänzend, eng anliegend, ohne Anfang oder Ende.

    „Oh", hauchte ich.

    Raffael ließ seine Hände wieder sinken, unsere Reifen verschwanden wieder unter den Stoffen unserer Ärmel.

    „Wenn ich deinen Goldschmuck versehentlich berühren würde, ohne deine Erlaubnis, dann würde mir das unter Umständen gar nicht guttun. Er lachte. „Vielleicht würde es mich glatt umschubsen, und das hatte ich heute schon.

    „Du hast einen silbernen?!", fragte ich, froh darüber, dass er die ganze Sache mit Humor nahm.

    „Ja. So wie alle aus meiner Familie. Ich bin ein Magier." Stolz hob er sein Kinn.

    „Ein Magier? Du kannst also … Du zauberst?"

    Raffael lachte. „Wieso erstaunt dich das so? Du wirfst mich fast aus meinen Schuhen, und das nur mit einer einzigen Handbewegung. Du bist allein im Wald unterwegs mit einem riesigen weißen Wolf. Und ich werde nicht Hund zu ihm sagen, obwohl du meinen Anatol als Vogel bezeichnet hast", sagte er augenzwinkernd.

    Rheo räusperte sich leise hinter mir und ich biss mir verlegen auf die Lippen.

    „Wie kann dich da die Magie überraschen?", fragte er.

    „Die Magie an sich überrascht mich ja auch nicht. Ich hab nur noch nie einen Zauberer getroffen. Kannst du wirklich Dinge erscheinen und verschwinden lassen?"

    „Ja, natürlich. Ich muss nur genau wissen, was es ist, wo es ist und wohin ich es schicken will. Es müssen reale

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