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Eine noble Adresse: Prominente in Berlin-Dahlem und ihre Geschichte
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eBook475 Seiten3 Stunden

Eine noble Adresse: Prominente in Berlin-Dahlem und ihre Geschichte

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Über dieses E-Book

Stille Parks und breite Alleen sowie der angrenzende Grunewald mit seinen Seen lockten seit der Gründung der Villenkolonie um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert reiche - und auch nicht ganz so reiche - Leute nach Dahlem. Maler und Filmstars, Politiker und Sportler, Schriftsteller, Unternehmer, Wissenschaftler bauten hier ihre Häuser. Sie prägten auch den Lebensstil in dem mondän-beschaulichen Villenvorort, der bis heute sein besonderes Flair bewahrt hat.

Wer war die Prominenz, wo wohnte, wie lebte sie? Die Autoren sind ihren Spuren nachgegangen und erzählen spannende Geschichten über sie und die Zeit, in der sie in Dahlem zu Hause waren. Knapp dreihundert Personen aus den letzten hundert Jahren werden in dem Buch vorgestellt, davon gut fünfzig mit ausführlicheren Texten.
SpracheDeutsch
HerausgeberBeBra Verlag
Erscheinungsdatum30. Juni 2014
ISBN9783839341155
Eine noble Adresse: Prominente in Berlin-Dahlem und ihre Geschichte

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    Buchvorschau

    Eine noble Adresse - Harry Balkow-Gölitzer

    1896.

    Zum Geleit

    Liebe Leserinnen und Leser,

    Dahlem verfügt über einen der ältesten noch erhaltenen Ortskerne Berlins und besitzt aufgrund seiner geographischen Lage einen außergewöhnlichen Wohnwert. Es liegt in unmittelbarer Nähe des beliebten Erholungsgebietes Grunewald, und dennoch bietet sich die Möglichkeit, in sehr kurzer Zeit in das pulsierende Leben der nahe gelegenen Großstadt einzutauchen. Kernstück und Mittelpunkt Dahlems ist die traditionsbehaftete Domäne Dahlem, ein Freilichtmuseum mit einzigartigem Reiz.

    Zu Beginn des 20. Jahrhunderts begann die Parzellierung der Felder der Domäne Dahlem, und nach dem Willen der Planer sollte nicht nur ein ruhiger Villenort, sondern auch eine weltoffene »Stadt der Wissenschaft« entstehen. Dieser doppelte Anspruch, im Laufe der Geschichte mit Leben erfüllt, hat bis in die Neuzeit Bestand.

    Immer wieder gab es Überlegungen, auch die letzten verbliebenen Felder in Einzelgrundstücke mit Villenbebauung aufzuteilen. Der unwiderbringliche Charme Dahlems hätte schweren Schaden genommen. Dem Verein »Freunde der Domäne Dahlem« war es Anliegen und Verpflichtung zugleich, gemeinsam mit vielen Dahlemer Bürgern für den Erhalt dieser einmaligen Oase erfolgreich zu streiten.

    Die Geschichte Dahlems ist auch – oder vielleicht gerade – die Geschichte seiner Bewohner. Viele der Menschen, die mit ihren Lebensleistungen Dahlem einen gewichtigen Stempel aufdrückten, leben heute nicht mehr, viele Zeitzeugen können nicht mehr befragt werden oder haben Dahlem längst verlassen. Daher war es uns als Verein »Freunde der Domäne Dahlem« wichtig, das vorliegende Buchprojekt so schnell wie möglich auf den Weg zu bringen.

    Viel wurde bisher über Dahlem geschrieben. Zu den guten und informationsreichen Veröffentlichungen gesellt sich nun endlich ein Buch, welches unseren schönen Vorort in der ganz persönlichen Sicht seiner berühmten Bewohner betrachtet. Mit allem Respekt, mitunter auch mit gebotener Kritik.

    Aus der Geschichte kann man, muss man lernen. Daher ist das vorliegende Buch für uns – im besten Sinne – auch ein Lehrbuch. Wir haben beim Lesen der Manuskripte als »alte Dahlemer« selbst gelernt, Neues erfahren und können nun vieles besser verstehen und kritischer betrachten. Wir sind sicher, dass auch Sie bei der Lektüre Neues entdecken werden.

    Egbert Jancke,

    Erster Vorsitzender des Vereins »Freunde der Domäne Dahlem«

    Burkhardt Sonnenstuhl,

    Geschäftsführer der Projektagentur des Vereins »Freunde der Domäne Dahlem«

    Vorwort

    Das Autorenteam:

    Bettina Biedermann

    Jörg Riedel

    Rüdiger Reitmeier

    Harry Balkow-Gölitzer

    Im lateinischen Ursinn des Wortes war »Villa« das Zentrum eines landwirtschaftlichen Betriebes, eine »villa rustica«. Schon in römischer Zeit zerfiel die Einheit von Villa und Landwirtschaft, das Haus auf dem Lande wurde zum Ort der Erholung, Repräsentation und des gesellschaftlichen Lebens, zur »villa suburbana«. Diese Bedeutung hat sich, von der Zeit der Renaissance abgesehen, als Villa und Landwirtschaft wieder zusammengehörten, nur wenig geändert. Die »Deutsche Bauzeitung« bezeichnete 1869 die Villa als »Schöpfung eines ländlichen Ruhesitzes, der den Komfort der Stadt mit den Reizen des Landlebens verbindet und dem Geschäftsmann nach beendetem Tagewerk eine willkommene Zuflucht aus dem Geräusch der Geschäftsstadt bietet.«

    In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden im Zuge der Industrialisierung die ersten Villenviertel. Aufgrund der wachsenden sozialen, hygienischen und infrastrukturellen Probleme zogen diejenigen, die es sich leisten konnten, an den Rand der Stadt, möglichst von ihr durch einen Grüngürtel getrennt, aber nah genug, um sie schnell zu erreichen. Dahlem ist ein spätes Zeugnis dieser Entwicklung und kein ganz typisches. Denn neben den Villen entstanden hier fast von Beginn an auch öffentliche Gebäude: Schulen, soziale Einrichtungen, Verwaltungsgebäude und wissenschaftliche Institute. Und es blieb die Domäne als landwirtschaftlicher Betrieb erhalten. Da der preußische Staat als der damalige Eigentümer Dahlems nur Grundstücke von 1.000 bis teilweise 10.000 m² verkaufte und darauf nur Villen gebaut werden durften, blieb ein Großteil des vorhandenen Baumbestandes stehen. Wenn man die stillen Parks, die breiten Alleen, den angrenzenden Grunewald und seine Seen sowie die verkehrsgünstige Lage zwischen Potsdam und Berlin hinzunimmt, hat man fast alle Gründe zusammen, die Dahlem eine besondere Stellung unter den Vororten Berlins verschafft haben. Gründe, die in seiner hundertjährigen Geschichte viel Prominenz anlockten. Mit ihr und ihren noblen, aber selten in der Öffentlichkeit bekannten Adressen beschäftigt sich das Buch.

    Hilfsmittel bei den Recherchen waren Adress-, Telefonbücher, Biografien, Archive, Bauakten, Kirchenbücher, Internetseiten und eine Dahlem-Karte im Maßstab 1:4000, auf der kleine Fähnchen die Wohnsitze bekannter Persönlichkeiten markierten. Innerhalb weniger Wochen war die Karte mit Fähnchen übersät. Die Vorentscheidung war damit einfach geworden: Für das Buch wird eine Auswahl getroffen. Die Personen müssen verstorben – oder wenigstens verzogen – sein. Tote können sich nicht wehren, wenn wir sie im Buch behandeln, beziehungsweise nehmen es nicht übel, wenn wir sie weglassen. Lebende, die nicht mehr in Dahlem wohnen, brauchen nach der Veröffentlichung des Buches nicht zu befürchten, dass ständig Schaulustige vor ihrem Haus stehen.

    Wir verzichteten auf systematische Auswahlkriterien. Wichtig war uns nur noch, Persönlichkeiten zu finden, die – nicht jede für sich – aber in der bunten Mischung, wie wir sie behandeln, repräsentativ für Dahlem waren. Auch für die Reihenfolge, in der sie hier erscheinen, suchten wir neben dem Alphabet kein zusätzliches Ordnungskriterium. Sie ist ähnlich zufällig wie es die Adressen der Prominenten in Dahlem waren. Da wohnte eben der Nobelpreisträger neben der Schauspielerin und der Widerstandskämpfer neben seinem Richter.

    Klar war auch, dass es nicht Aufgabe des Buchs sein kann, jede der genannten Persönlichkeiten mit einer ausführlichen Biografie zu würdigen. Im Regelfall gibt es die schon, und der oder die Interessierte kann sie woanders nachlesen. Aber es soll Aufgabe des Buches sein, das Interesse an diesen Persönlichkeiten zu wecken und sich mit ihrer mitunter faszinierenden Vita zu befassen. Und das Buch soll Begleiter sein, beim zufälligen Spaziergang oder systematischen Erkunden. Es soll helfen, den »schönsten Fleck Berlins«, wie Lion Feuchtwanger Dahlem empfand, nicht nur als beschauliche, erholsame Gegenwart, sondern als vielfältige, leuchtende, aber auch düstere Vergangenheit zu erleben.

    À propos Lion Feuchtwanger, er lebte in der heutigen Regerstraße, als diese wie andere Straßen nördlich der Pücklerstraße noch zu Dahlem gehörte. Historisch korrekt wurden Personen, die vor der Gebietsreform 1938 in Dahlem wohnten, im Buch erfasst. Personen, die in derselben Straße, aber nach der Gebietsreform und damit außerhalb Dahlems wohnten, blieben unberücksichtigt.

    Dahlem vor 1938 – Dahlem nach 1938.

    Eine andere Entscheidung, die wir im Laufe unserer Recherchen getroffen haben, soll nicht unerwähnt bleiben. Wir verzichteten darauf, zu jeder Persönlichkeit zu eruieren, von wann bis wann genau sie unter der Dahlemer Adresse gewohnt hat. Der damit verbundene Aufwand hätte in vielen Fällen in keinem vernünftigen Verhältnis zur Zuverlässigkeit und Wichtigkeit der ermittelten Daten gestanden.

    Zu den beliebtesten »Arbeiten« bei der Erstellung des Buches gehörten die Ortsbegehungen. An eine erinnert sich das Autorenteam besonders gern: im verwilderten Garten hinter dem Haus Harnackstraße 5. Unter alten Apfelbäumen lagen die meisten Früchte verfault im Gras, aber einige hingen noch an den Ästen. Wir konnten nicht widerstehen, stopften uns die Jackentaschen voll und aßen den ersten Apfel schon auf dem Weg ins Büro. Ein denkwürdiger Genuss, nicht, weil verbotene Früchte am besten schmecken, sondern weil sie von Bäumen stammten, die einst ein Nobelpreisträger, Peter Debye, eigenhändig gepflanzt hatte. Wo kann man so etwas schon erleben, außer in Dahlem?

    Domäne Dahlem, im Dezember 2004

    Jörg Riedel

    Berlin und Umgebung, Plan von 1889.

    Vom Dorf zur Villenkolonie

    Die Bockwindmühle von Dahlem,

    um 1905.

    Im 19. Jahrhundert war das Gut Dahlem noch ein kleiner dörflicher Flecken mit Kirche, Gutshaus, Wirtschaftsgebäuden, Gasthof, Getreidemühle und Brennerei. Insgesamt hatte das Dorf zwölf Wohnhäuser und zählte 1858 gerade einmal 165 Einwohner.

    Rund 200 Jahre nach seiner Gründung war Dahlem in der Mitte des 15. Jahrhunderts im Besitz der Familie von Milow. Um 1560 ließen die Herren von Spiel ein Fachwerk-Herrenhaus errichten, von dem noch wesentliche Teile, so die »Kapelle« mit ihrem Sternengewölbe, erhalten sind. Nach den Zerstörungen im Dreißigjährigen Krieg baute der neue Gutsherr, Cuno Hans von Willmerstorff, das Herrenhaus in barocker Gestalt wieder auf. Über dem von der Straßen- zur Hofseite verlegten Haupteingang prangt das Allianzwappen der Familien von Hake und von Willmerstorff. Letztere erhielt vom König das Mühlrecht und baute in der Nähe des heutigen U-Bahnhofes Podbielskiallee eine Bockwindmühle zum Getreidemahlen.

    Die letzten Bauern, die es in Dahlem gab, zwei Voll- und drei Kleinbauern, wurden zu Beginn des 19. Jahrhunderts nach Schmargendorf umgesetzt, um dem damaligen Gutsherrn, Graf Podewil, bei seinen Erweiterungsplänen nicht im Wege zu stehen. Danach gab es nur noch den Gutsbetrieb mit Landarbeitern und Tagelöhnern. Nach dem Tod des Grafen (1804) erwarb eine umstrittene Persönlichkeit Preußens das Gut: Carl Friedrich von Beyme, Kabinettsrat, Großkanzler, Wirklicher Geheimer Staatsminister, Mitglied des Staatsrates und Ehrendoktor der Berliner Universität. Nicht zuletzt aufgrund seiner vermögenden Frauen, er war zweimal verheiratet, konnte er neben Schmargendorf, Steglitz und Ruhleben auch Dahlem erwerben. Er bezog aber nicht das dortige Herrenhaus, sondern behielt seinen Sitz im Wrangel-Schlösschen in Steglitz. Auch wenn er die Domäne nicht selbst bewirtschaftet, sondern verpachtet hatte, kümmerte er sich um sein »Sorgenkind«. So entstanden in seiner Zeit eine Obstbaumallee nach Schmargendorf, eine Brennerei, und nahe bei Steglitz eine Ziegelei. Nach seinem Tod verkaufte Beymes Tochter, die wenig mit Dahlem verband, die geerbten Ländereien an den Preußischen Staat. Das Rittergut Dahlem, das rund 530 Hektar zusammenhängendes Gelände umfasste, wurde zur »Königlichen Domäne Dahlem«.

    Während sich die umliegenden Bezirke Groß-Lichterfelde, Schmargendorf, Steglitz und Zehlendorf zu Berliner Vororten entwickelten, behielt Dahlem bis zum Ende des 19. Jahrhunderts seinen dörflichen Charakter. Das lag auch daran, dass man lange keine klaren Vorstellungen hatte, wie es mit dem Gut weitergehen sollte. So wurden u. a. auch Rieselfelder und ein großer Friedhof geplant. 1872 zeigte der Unternehmer Johann Anton Wilhelm Carstenn Kaufinteresse an der Domäne, um sie in Bauland umzuwandeln, scheiterte aber am Widerstand des Preußischen Finanzministers. Dieser war zwar grundsätzlich zum Verkauf bereit, wollte aber die mit dem rasanten Wachstum Berlins einhergehende Steigerung der Grundstückspreise abwarten. Das Domänengelände wurde zwischenzeitlich verpachtet.

    »Die Gegend um Berlin 1790«, Karte von Reilly.

    Das »Allianzwappen« der Familien von Wilmerstorff und von Hake über dem Eingangsrisalit des Herrenhauses in einer Kopie. Das Original befindet sich im Kapellengewölbe des Herrenhauses Domäne Dahlem.

    1901 lief der Vertrag mit den letzten Pächtern der Domäne Dahlem aus und wurde nicht verlängert. Der Ausbau Dahlems zu einem exklusiven Villenvorort begann. Der Preußische Staat übernahm selbst die Separierung sowie den Verkauf und veräußerte das gesamte Areal nicht – wie sonst üblich – an einen einzigen (Bau-) Unternehmer, sondern an viele Privatleute. Dadurch konnte der Fiskus einerseits höhere Erlöse erzielen, andererseits aber auch Grundstücksspekulationen vermeiden. Zum Zweck der Umwandlung Dahlems in eine Villenkolonie wurde eine »Kommission zur Aufteilung der Domäne Dahlem« gebildet.« Sie hatte fünf Mitglieder und unterstand den preußischen Ministerien für Finanzen sowie für Landwirtschaft, Domänen und Forsten. Neben dem Vorsitzenden Hugo Thiel, Ministerialdirektor im Landwirtschaftsministerium, war auch der Architekt Walter Kyllmann zum Mitglied der Kommission berufen worden. Kyllmann erstellte einen Bebauungsplan für Dahlem, der nur noch wenig Fläche für die landwirtschaftliche Nutzung vorsah, und als Grundlage für die Parzellierung des Geländes diente. Berücksichtigt wurden auch Pläne von Friedrich Althoff vom Preußischen Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten, die eine Verlegung von Teilen der Friedrich-Wilhelms-Universität nach Dahlem vorsahen. Auf persönliche Intervention Kaiser Wilhelms II. wurden weitere Flächen für staatliche Zwecke reserviert. Schon 1898 hatte das Reichsgesundheitsamt eine große Fläche der Domäne Dahlem erworben, um dort ein Versuchsfeld zur Bekämpfung von Tierseuchen anzulegen (Königin-Luise-Straße 17-19); 1906 kaufte das Amt noch einmal Domänenbesitz, diesmal an der Berlin-Potsdamer Chaussee (heute: Unter den Eichen 82-84).

    Grußkarte mit »Altem Krug« und Herrenhaus vor 1908.

    Kyllmanns Pläne zur Villenkolonie, die schnurgerade und rechtwinklig zueinander verlaufende Straßen vorsahen, erfuhren im Laufe der Zeit viele Änderungen. Schließlich entwickelte Heinrich Schweitzer auf Veranlassung Thiels ein Konzept, das die topographischen Gegebenheiten Dahlems berücksichtigte und mit Hilfe des Architekten und Städteplaners Hermann Jansen umgesetzt wurde. Die Erhaltung und der Ausbau des »Schwarzen Grundes« zu einer großzügigen Parkanlage gehen auf diese Entwürfe zurück.

    Die Besiedelung Dahlems sollte nur wohlhabenden Bewohnern vorbehalten bleiben, die in der Lage waren, die hohen Grundstückspreise zu bezahlen. Der Bau von Arbeiterwohnungen komme nicht in Betracht, da sich die »gehobenen Schichten« durch die Nähe des »Proletariats« gestört fühlen und dann Abstand von weiteren Grundstückskäufen nehmen könnten, argumentierte die Aufteilungskommission.¹ Dennoch bildete sich in Dahlem im Laufe der Jahre neben dem gehobenen Bürgertum eine Mittelschicht von Kaufleuten und Beamten heraus.

    Befestigte Straßen waren eine wichtige Voraussetzung für den Ausbau der Villenkolonie. Zwar hatte das preußische Finanzministerium 1889 eine Chaussee, die heutige Königin-Luise-Straße, von Steglitz zum Jagdschloss Grunewald bauen lassen, doch mit den umliegenden Dörfern war Dahlem nur durch Feld- und Waldwege verbunden. 1901 entstand die Altensteinstraße. Dort erwarb der Kunstmaler Hans Koberstein die erste Parzelle in Dahlem (Altensteinstraße 17). Zwischen 1901 und 1915 verkaufte die Aufteilungskommission 539 Grundstücke für 27 Millionen Mark. Jeder Käufer musste sich verpflichten, innerhalb von zwei Jahren ein villenartiges Landhaus zu bauen. Bei Terminüberschreitung war für jedes Jahr ein Bußgeld von 1.000 Mark fällig. Bis zu Beginn des Ersten Weltkriegs entstanden so 384 Neubauten, und die Einwohnerzahl wuchs von 194 auf 5.500.

    Gesellschaftlicher Mittelpunkt war viele Jahre der »Alte Krug« in der Königin-Luise-Straße 52. Gottlieb Marks hatte 1889 die kleine Gaststätte übernommen und ließ sie zu einem großen Wirtshaus mit Garten und Kegelbahn umbauen. Nach seinem Tod 1898 führte sein Sohn Friedrich Marks das inzwischen weit bekannte Haus weiter. Im »Alten Krug« fanden regelmäßig die Sitzungen des »Ortsvereins Dahlem«, des »Dahlemer Kriegervereins« und der »Königlichen Kommission zur Aufteilung der Domäne Dahlem« statt. 1911 hatte sich die Pachtsumme für den Gasthof auf das Dreifache erhöht. Friedrich Marks verließ Dahlem, kam jedoch später zurück und übernahm das »Landhaus Dahlem« in der Podbielskiallee 50. Das wurde viele Jahre später unter dem Namen »Eierschale« zu einem beliebten Ausflugs- und Musiklokal für Einheimische und Touristen.

    Der »Alte Krug« war ab 1901 Tagungsort der »Königlichen Kommission zur Aufteilung der Domäne Dahlem«. Noch fuhr durch Dahlem die Straßenbahn. Postkarte 1908.

    Bauernhaus an der Dahlemer Straße (heute Fabeckstraße).

    Die städtebauliche Idee, vor den Toren der Städte Villenviertel anzulegen, stammte in ihrer neuzeitlichen Form aus England. 1860 hatte sie Johann August Wilhelm Carstenn bei der Gründung von Lichterfelde erstmals in Berlin praktiziert. 1869 begann die Besiedelung der »Alsen-Kolonie« in Wannsee, 1889 folgte die Gründung der Villenkolonie Grunewald, 1900 Zehlendorf und Nikolassee und schließlich ab 1901 Dahlem. Beeinflusst von den Gedanken der Natur- und Reformbewegung suchte auch das Großbürgertum die Nähe zur Natur und den Rückzug aus der Großstadt Berlin², die im Zuge der Industrialisierung zunehmend von Enge, Schmutz und Armut gekennzeichnet war. Die Naturverbundenheit der Bauherren äußerte sich auch im Baustil der Vorortvillen, der oft vom englischen Landhaus geprägt war. Der wohlhabende Städter verwirklichte in Villenkolonien wie Dahlem seine Vorstellungen von einem idyllischen Landleben. Das sozialdemokratische Parteiorgan »Vorwärts« bezeichnete die Grundstücke der Dahlemer Kaufleute und Bankiers 1915 als »Strebergärten«.³ Umgekehrt wurden Villenviertel wie Dahlem als »Bollwerk gegen Sozialdemokratie und gesellschaftsfeindliche Gelüste«⁴ gesehen.

    Keinesfalls jedoch lehnten die Bewohner der Villenkolonien die Stadt völlig ab. Im Gegenteil, eine verkehrsgünstige Anbindung zum Arbeitsund Vergnügungsort war immer eine wichtige Voraussetzung für die Besiedlung der Vororte gewesen. Das zeigte sich in Dahlem an der 1905 in Betrieb genommenen Straßenbahnlinie, die vom Bahnhof Steglitz bis zum Grunewald (Königin-Luise-Straße in Höhe Gelfertstraße) führte. Wichtiger noch für die Erreichbarkeit der Stadt war die 1911 begonnene Verlängerung der U-Bahnlinie, die bisher am Breitenbachplatz endete. 1913 wurde die Strecke der »Dahlemer Schnellbahn« bis zum Thielplatz für den Verkehr freigegeben.

    Der Erste Weltkrieg unterbrach den Ausbau Dahlems, danach setzte eine starke Bautätigkeit ein, die sich erst mit der beginnenden Wirtschaftskrise verlangsamte. 1920 wurde Dahlem im Zuge der Bildung Groß-Berlins in den Bezirk Zehlendorf eingemeindet. Teil der Großstadt geworden, hatte die Domäne ein unverändertes Dauerproblem: der Erhalt ihrer Ackerflächen.

    Inzwischen ist das Gelände des Freilichtmuseums Domäne Dahlem mit 15 Hektar als einzige landwirtschaftliche Fläche übrig geblieben. Den vorläufig letzten Versuch, diese in Baugrund für Stadtvillen umzuwandeln, konnten engagierte Bürger vor einigen Jahren erfolgreich abwehren. So blieben der Großstadt Berlin ein einzigartiges dörfliches Ensemble und »Deutschlands einziger Bauernhof mit U-Bahn-Anschluss« erhalten.

    Eingang Haus Cramer, Pacelliallee 18.

    Villenkultur

    U-Bahnhof Thielplatz.

    In Dahlem findet man alle Spielarten der Villa vereint, manchmal sogar auf einer einzigen Straße: schlossartige Residenz, altdeutsches Fachwerk, Friesenkate, englisches Landhaus, Burgenromantik, »Tarnkappenarchitektur« und neoklassizistischer Luxusbau.

    Idealer Ausgangspunkt für architektonische Erkundungstouren sind Dahlems U-Bahnhöfe. Sie sind in ihrem ersten Abschnitt (1913) in einer Bauweise errichtet worden, die dem Charakter der umgebenden Ortsbebauung entspricht. Der durch Staffelgiebel und großen Eingang wie ein Stadttor anmutende U-Bahnhof Podbielskiallee wurde von Heinrich Schweitzer erbaut, der Bahnhof Dahlem-Dorf mit reetgedecktem Fachwerk-Empfangsgebäude von den Brüdern Henning und der Bahnhof Thielplatz im Landhausstil von Heinrich Straumer.

    Tritt man vor den U-Bahnhof Podbielskiallee, sieht man linkerhand gleich eine der Prachtalleen Dahlems. Auf beiden Seiten stattliche Häuser auf parkähnlichen Grundstücken, in der Mitte der Straße ein breiter baumbestandener Grünstreifen, der in früheren Jahren als Reitweg diente. In allen Himmelsrichtungen findet man interessante Architekturbeispiele. Südlich vom Bahnhof beginnt die Peter-Lenné-Straße mit einem mächtigen Backsteingebäude (Nr. 1-3). Das »Haus Heydenreich« wurde 1914 – 1916 von Paulus und Lilloe gebaut. Zweigeschossiges Haupt- und eingeschossige Seitenflügel decken Mansarddächer. Man könnte sich das Haus gut als Herrensitz im Münsterland oder in den Niederlanden vorstellen. Neben den Renaissance-Stilelementen fallen Symbole auf, die auf die Nutzung des ehemaligen Wohnhauses hinweisen. Es beherbergt die Logenräume der 1925 gegründeten Johannisloge »Aufwärts«.

    Auf dem benachbarten Grundstück (Nr. 5-7) erfüllte sich während des Ersten Weltkrieges der Shampoo-Fabrikant Hans Schwarzkopf seinen Traum vom englischen Landhaus. Kongenialer Architekt war Heinrich Straumer, dem wir auch den Funkturm zu verdanken haben. Die »Villa Schwarzkopf« hat einen durch Risalite und

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