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Geheimakte Frank Mayer: Kriminalroman
Geheimakte Frank Mayer: Kriminalroman
Geheimakte Frank Mayer: Kriminalroman
eBook415 Seiten5 Stunden

Geheimakte Frank Mayer: Kriminalroman

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Über dieses E-Book

Der Bankangestellte Frank Mayer wird unter dem Verdacht verhaftet, Drogenhändler als Kunden betreut zu haben. Zwei Tage später kommt er bei einem Brand in U-Haft ums Leben. Kommissar Weis, dem der Fall von offizieller Seite entzogen wird, ermittelt auf eigene Faust weiter.

Mittlerweile nimmt sich Franks Bruder, ein Pariser Anwalt, der Sache ebenfalls an. Er will Aufklärung um jeden Preis. Eine Liebesaffäre erweist sich anfangs als recht nützlich, macht bald jedoch alle weiteren Schritte kompliziert.
Inzwischen bekommt Weis Unterstützung von unbekannter Seite. Es scheinen noch mehr Leute am Tod von Frank Mayer interessiert zu sein. Doch warum?

Die Ermittlungen führen in undurchsichtige Kreise, und der Kommissar erkennt, dass er nur vorankommt, wenn er selbst gesetzwidrig handelt.
Während ein weiterer Mord Spuren verwischen soll, wird die Verfolgung der Verdächtigen immer gefährlicher und die Entdeckungen rätselhafter. Franks Bruder wird vor die schwierigste Entscheidung seines Lebens gestellt.

Ein Fall, dessen Aufklärung gegen Ende eine abrupte Wendung nimmt und einen erschütternden Schluss birgt.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum10. Sept. 2015
ISBN9783739293592
Geheimakte Frank Mayer: Kriminalroman
Autor

Laura Laberge

Ein neuer Kriminalroman der luxemburger Autorin, die unter Pseudonym schreibt. "Meine Romane sollen immer eine Mischung von Romantik, Spannung und Abenteuer beinhalten."

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    Buchvorschau

    Geheimakte Frank Mayer - Laura Laberge

    Der Bankangestellte Frank Mayer wird unter dem Verdacht verhaftet, Drogenhändler als Kunden betreut zu haben. Zwei Tage später kommt er bei einem Brand in U-Haft ums Leben. Kommissar Weis, dem der Fall von offizieller Seite entoogen wird, ermittelt auf eigene Faust weiter.

    Mittlerweile nimmt sich Franks Bruder, ein Pariser Anwalt, der Sache ebenfalls an. Er will Aufklärung um jeden Preis. Eine Liebesaffäre erweist sich anfangs als recht nützlich, macht bald jedoch alle weiteren Schritte kompliziert.

    Inzwischen bekommt Weis Unterstützung von unbekannter Seite, Es scheinen noch mehr Leute am Tod von Frank Mayer interessiert zu sein. Doch warum?

    Die Ermittlungen führen in undurchsichtige Kreise, und der Kommissar erkennt, dass er nur vorankommt, wenn er selbst gesetzwidrig handelt.

    Während ein weiterer Mord Spuren verwischen soll, wird die Verfolgung der Verdächtigen immer gefährlicher und die Entdeckungen rätselhafter. Franks Bruder wird vor die schwierigste Entscheidung seines Lebens gestellt.

    Ein Fall, dessen Aufklärung gegen Ende eine abrupte Wendung nimmt und einen erschütternden Schluss birgt.

    Danksagung

    Ich lege auch bei diesem Buch wieder ganz besonderen Wert darauf, mich bei allen Personen herzlich zu bedanken, die mich bei meiner Arbeit unterstützt und mir mit ihrer konstruktiven Kritik weitergeholfen haben.

    Danke an meine Freunde und Bekannten. Oft habe ich aus unseren Gesprächen und Diskussionen wertvolles Material zusammentragen können, auch wenn euch das vielleicht nicht immer bewusst wurde.

    Mein besonderer Dank geht an Georgette, Patrice, Isabelle und Sonja für das Probelesen sowie an all jene, die mir fortan geduldig zugehört haben und mir mit Anregungen zur Seite standen.

    llaberge@pt.lu

    Eventuelle Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und von der Autorin keineswegs beabsichtigt.

    Inhalt

    Rue Siggi vu Lëtzebuerg

    Cookie

    Hans

    Das Schlieβfach

    Lea

    Alfonse

    Julie

    Dubai

    Paris

    Eduard

    Monique

    Maurice

    Rue Siggi vu Lëtzebuerg

    Freitag, 6. Dezember

    Der dunkelblaue Maserati mit französischem Kennzeichen erreichte soeben die Autobahnausfahrt Richtung Luxembourg- Centre. Am Steuer des sportlich-eleganten Wagens saß ein schwarzhaariger, schlanker Mann mit beigen Lederhandschuhen. Vor knapp vier Stunden hatte der attraktive einundvierzigjährige Staranwalt die Tür seiner Anwaltskanzlei in Paris abgeschlossen und war abgefahren. Als er den Fahrstuhl verlassen und hinaus auf die Straße getreten war, betrachtete er ein letztes Mal das große Schild an der Fassade des Gebäudes mit der Aufschrift: LEGILLE – MAYER – CLERMOND, avocats de la cour – Avenue des Champs-Élysées, 5éme étage.

    Vor etwas mehr als zehn Jahren hatte der gebürtige Franzose Christophe Mayer diese Kanzlei zusammen mit seinen Partnern Georges Legille und Auguste Clermond gegründet, und im Laufe dieser Zeit hatte sich das Anwaltstrio zu einem der renommiertesten Häuser von Paris hochgearbeitet.

    Christophe war Anwalt aus Leidenschaft, und bis vor einigen Monaten hätte er es noch für unmöglich gehalten, je irgendeinen seiner Fälle abzugeben, doch im Laufe der vergangenen Tage hatte er seinem Kollegen Georges kurzerhand seine sämtlichen laufenden Akten übergeben. Jetzt wollte er auf unbestimmte Zeit hierher nach Luxemburg ziehen. Unbezahlter Urlaub hatte er es selbst genannt. Ja, manchmal erzwingt das Leben Entscheidungen, die einen sehr überraschen können.

    Während Chris den Straßenschildern folgte, drehte er die Lautstärke der Musik im Wagen höher. Seit seiner Abfahrt aus Paris hatte er dasselbe Lied wieder und wieder durchlaufen lassen. Sein deutscher Favorit Herbert Grönemeyer mit dem Titel „Mensch". Trotz seiner französischen Nationalität beherrschte Maître Mayer die deutsche sowie die englische Sprache einwandfrei, denn zwei seiner Studienjahre hatte er jeweils in London und in München verbracht.

    Der Text von Grönemeyer passte haarscharf auf seine Stimmung – und wie traurig und leer es ihn stimmte.

    ... weil er hofft und liebt ... weil er lacht, weil er lebt ... Du fehlst!

    Soeben hatte der Maserati den Limpertsberg erreicht und fuhr jetzt die Rue de la Faïencerie hoch. Auf dem Beifahrersitz lagen zwei ausgeschnittene Artikel der lokalen Tageszeitung Luxemburgs vom vergangenen Oktober. Samstag, 17. Oktober. Unter der Rubrik LOKALES – FINANZWELT war zu lesen: Luxemburger Finanzplatz – Privatkontenverwalter einer ausländischen Bank in Untersuchungshaft. Der Privatkundenverwalter einer ausländischen Bank in Luxemburg, Frank Mayer, wurde gestern Morgen in der Bank verhaftet und in Untersuchungshaft gebracht. Mayer wird beschuldigt, wissentlich einen Kunden mit Drogengeldern in die Bank eingeschleust und dessen Gelder verwaltet zu haben. Die Justiz wird untersuchen, ob der Bankangestellte seine Pflichten und die Bankregeln vernachlässigt und sich somit strafbar gemacht hat, oder ob er unwissentlich gehandelt hat und somit der Beweis seiner Unschuld erbracht werden kann. Übermorgen, Montag, wird Mayer dem Untersuchungsrichter vorgeführt.

    Alle Einzelheiten dieses Ereignisses waren in Großformat auf der Titelseite der lokalen und internationalen Presse gedruckt. Frank Mayer wurde an jenem Tag zum Thema Nummer eins, und die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Dies forderte natürlich auch eine Stellungnahme vonseiten der Bankeninspektion, die nur sehr beschränkt Auskunft geben wollte. Sie bestätigte lediglich, dass der Fall gründlich untersucht und jede erforderliche Maßnahme in die Wege geleitet werde, um Aufklärung und Transparenz zu schaffen. Die Bank selbst verweigerte jeglichen Kommentar.

    Der zweite Artikel, den Christophe Mayer ausgeschnitten hatte, lautete wie folgt:

    Montag, 19. Oktober: Zellenbrand in Schrassig – Frank Mayer kommt in den Flammen um

    In der Nacht von Samstag auf Sonntag ist kurz nach Mitternacht ein Feuer in einer Gefängniszelle ausgebrochen. Leider waren die Hilfskräfte zu spät an Ort und Stelle. Nach Polizeiangaben war der Zelleninsasse bis zur Unkenntlichkeit verbrannt und konnte nur noch tot geborgen werden. Die Brandursache bleibt nach wie vor ungeklärt. Ein technischer Defekt wird aber ausgeschlossen, hieß es vonseiten der Polizei. Möglich ist, dass der Insasse das Feuer selbst gelegt hat oder mit einer Zigarette eingeschlafen ist. Als Brandherd gilt eine Matratze. Insassen aus den Nachbarzellen alarmierten die Beamten. Mitarbeiter der Haftanstalt versuchten erfolglos, den Insassen aus dem brennenden Raum zu bergen. Die Feuerwehr mit 60 Mann löschte schließlich die Flammen. Der Raum wurde völlig zerstört.

    Bei dem Toten handelte es sich um den am Freitag inhaftierten Privatkundenverwalter Frank Mayer, der verdächtigt wurde, das Kapital eines mit Drogengeldern in Verbindung stehenden Kunden verwaltet zu haben.

    Kurz nach 15.00 Uhr bog Chris Mayer in die Rue Siggy vu Lëtzebuerg ein und parkte vor einem Wohngebäude. Die Lage dieser Straße war schon exquisit. Kein Durchgangsverkehr, nahe dem Stadtzentrum, und wer eine Wohnung im hinteren Teil des Gebäudes besaß, hatte außerdem eine außergewöhnlich schöne Aussicht über den Rollingergrund, den Wald und die Umgebung.

    Chris schaltete den Motor ab. Er trug verwaschene Jeans, dazu einen lässigen schwarzer Rollkragenpullover. Seine dunklen Augen wirkten müde, und er war unrasiert. Während er seine Handschuhe auszog und sie auf den Beifahrersitz legte, richtete er seinen Blick nach draußen zum Wohnhaus. Das zweite und somit zugleich das oberste Stockwerk war ihm gut bekannt. Hier hatte Frank gewohnt.

    Chris öffnete die Wagentür und stieg aus. Er nahm seinen kleinen Handkoffer, und während er zum Eingang schritt, blickte er sich kurz um und sah die Straße hinunter. Keine Menschenseele war zu sehen. Franks Name stand noch immer auf dem Briefkasten und neben dem Klingelknopf.

    Er betrat den Fahrstuhl. Oben angelangt, stieg er aus und sperrte die Wohnungstür auf. Beim Eintreten beschlich ihn ein seltsames Gefühl. Er schloss die Tür hinter sich zu, stellte seinen Koffer im Flur ab und ging ins Wohnzimmer.

    Welch herrliche Aussicht, dachte Chris und stellte sich an die Fenstertür zur großen Dachterrasse, die auf der Sonnenseite gelegen war. Für einen 6. Dezember schien die Sonne ungewöhnlich klar und warm. Er öffnete die Terrassentür und trat hinaus. Hier hatten sie so manche Abende zusammen gesessen, geredet, Partys gefeiert. Er und Frank. Frank! Schon allein der Gedanke an diesen Namen ließ ihn fast erstarren und traf sein Herz wie ein scharfes Schwert. Tränen stiegen in seine Augen, doch er ließ sie nicht zu. Sein Gesicht versteinerte. Sein Bruder Frank war nicht mehr hier.

    Nach einigen Minuten ging er wieder hinein, schloss die Tür und trat an die kleine Bar rechts neben dem großen schwarzen Klavier. Er goss sich einen doppelten Whisky ein und trank ihn in wenigen Zügen. Dabei versank er wieder in Gedanken. Er konnte nicht sagen, wie oft er in Gedanken das letzte Telefongespräch mit seinem Bruder hatte abspielen lassen. Ja, dieses Telefongespräch war die letzte Erinnerung, war das letzte Mal, wo er Franks Stimme gehört hatte. Und er würde nie wieder die Gelegenheit haben, mit seinem Bruder zu reden. Nie wieder ...

    Chris setzte sich auf einen der Hocker an der Bar. Er schenkte sich noch einen Whisky ein und ließ die schmerzliche Erinnerung wieder einmal wie einen Film ablaufen. Hier, mitten in Franks Wohnung, war dies noch viel leichter und umso schmerzlicher.

    Es war an jenem Donnerstag, dem 15. Oktober ..., gegen neunzehn Uhr. Chris war kurz davor, die Kanzlei für den Tag zu schließen. In einer knappen Stunde sollte er Susan im Restaurant treffen, im Quartier Latin. Wie des Öfteren war er wieder einmal unter Zeitdruck geraten und leicht verspätet. Er legte die letzten Papiere in den Safe und fuhr sich mit der Hand durch sein kurz geschnittenes, schwarzes Haar. Einige graue Haare hatten sich im Laufe der letzten Jahre untergemischt, doch das nahm ihm nichts von seiner Attraktivität. Im Gegenteil. Der mittelgroße, schlanke Franzose zog mit seinen dunklen Augen so manchen Frauenblick auf sich. Sein äußerst männliches Aussehen, vermischt mit einem Hauch von Abenteuerlichkeit, schien jedenfalls der Damenwelt auf Anhieb ins Auge zu fallen und sie wie magisch anzuziehen. Eigentlich genoss er dieses heimlich. Wenn er lachte, wurden kleine Grübchen in seinen Mundwinkeln sichtbar. Chris hatte etwas Ernstes und zugleich verspielt Jungenhaftes in seiner ganzen Art, seinem Wesen, was die Frauen an ihm zu lieben schienen. Wenn sich andere Männer tagtäglich bemühen mussten, bei dem anderen Geschlecht Aufmerksamkeit zu erregen, Chris schien diesen Charme von Natur aus zu haben.

    Einundvierzig und noch immer Single, denn Chris liebte seine Freiheit über alles. Und er liebte es, mit den Damen zu flirten, sie auszuführen und, was immer sich daraus ergab – er genoss sein Singledasein in vollen Zügen. Seine Unabhängigkeit war ihm fast heilig. Deshalb hatte er auch nie geheiratet. Gelegenheiten hatte es wahrhaftig genug gegeben. Ein ehemaliger Schulfreund und praktizierender Psychiater hatte ihm vor Jahren einmal gesagt, seiner Meinung nach leide Chris unter einer sehr starken Bindungsangst, geprägt durch seine etwas ungewöhnliche Kindheit. Doch Chris hatte nicht weiter auf dieses Thema eingehen wollen. Damals nicht, und jetzt erst recht nicht. Nicht jeder auf dieser Welt ist eben zum Heiraten gemacht, so seine Theorie.

    Wenn Chris die Avenue des Champs-Élysées entlangschritt, mit seinen verwaschenen Jeans, den weißen Turnschuhen, der braunen Wildlederjacke, in einer Hand seinen schwarzen Aktenkoffer, dann vermutete niemand, dass sich hinter diesem lässig gekleideten Mann ein VIP-Anwalt versteckte. Seine attraktive, sportliche und sehr sympathische Erscheinung hatte schon so manchen Gegner vor Gericht arg getäuscht.

    An jenem Donnerstagabend, dem 15. Oktober, hatte Chris gerade abschließen wollen, als sein Handy klingelte. Das wird Susan sein, die sich noch mal vergewissern will, ob ich auch rechtzeitig erscheinen werde, durchzog es seine Gedanken.

    „Mayer."

    „Hallo, Chris. Ich bin’s Frank. Du, hast du ein paar Minuten. Es ist sehr wichtig und äußerst dringend."

    Chris war überrascht. Sein kleiner Bruder Frank. Klein, das hieß sein vierunddreißig jähriger Bruder. Frank wohnte seit Jahren in Luxemburg und hatte einen gutbezahlten Job als Privatkundenverwalter bei einer ausländischen Bank. Wie oft hatte er Chris schon gebeten, doch mal Ferien in Luxemburg zu machen, einen längeren Aufenthalt zu planen, um sich Land und Leute näher anzusehen. Es werde ihm sicher gefallen und er könne seine Kanzlei auch von hier aus gut führen. Doch Chris war immer zu beschäftigt gewesen, um diesen Vorschlag in die Tat umzusetzen und war nie weiter darauf eingegangen. Außer zu gelegentlichen Wochenendbesuchen oder wenn Frank eine Party gab.

    „Salut, Frank, was gibt’s denn so Dringendes? Brauchst du einen Anwalt?, hatte Chris gescherzt. „Du, ich bin in Kürze mit Susan verabredet und sie wird sehr sauer, wenn ich wieder einmal zu spät komme.

    „Chris, ich habe große Probleme. Hör dir nur das Wichtigste jetzt am Telefon an. Wir müssen uns nächste Woche unbedingt sehen, unbedingt! Bitte, ich ..."

    „Hey, langsam, langsam, was ist passiert?"

    „Ich, in der Bank, ich bin auf Sachen gestoßen, was meinen Vorgesetzten betrifft, und den Kunden, den ich in die Bank brachte, vor langer Zeit, es gehen … sonderbare Dinge hier vor. Und ... jetzt bin ich in etwas drin ..."

    Franks Worte überschlugen sich förmlich. Er schien außer Atem, hektisch und aufgewühlt. So kannte ihn sein großer Bruder gar nicht.

    „Ich werde dir per Kurier einen Umschlag schicken. Bitte, heb ihn für mich auf, ja. Bewahr ihn gut auf, denn es sind wichtige Sachen drin, nur für den Fall ..."

    Chris versuchte, seinen Bruder zu beruhigen. Er konnte nicht genau nachvollziehen, was Frank sagen wollte.

    „Was genau meinst du mit – sonderbare Dinge?"

    „Ist eine lange Geschichte! Du, ich muss jetzt weg. Wenn notwendig, setz dich mit Hans in Verbindung. Hans De Haas. Ich schick dir seine Kontaktdaten mit. Er kann dir Einzelheiten vermitteln. Es kann sein, dass ich abgehört werde, deshalb mach ich jetzt Schluss, okay?"

    „Ja, aber ... hör zu, Frank, lass uns morgen über alles reden. Komm doch am Wochenende nach Paris, ja?"

    „Werde sehen. Oder komm du doch ... nach Luxemburg. Ach, wir werden sehen, ich melde mich ... Bis dann, Chris. Bis später. Salut!"

    „Okay, Frank, wir telefonieren. Und bleib ruhig", versuchte Chris ihn noch zu beruhigen. Er konnte nicht wissen, dass dies das letzte Mal sein sollte, dass er mit seinem Bruder reden würde. Chris blickte auf die Uhr und machte sich eilends auf den Weg zu Susan.

    Was mochte Frank denn so aufregen?, dachte er unterwegs in der Metro. Na, das wird sich sicherlich bald erledigt haben, und wenn nicht, dann hat er immer noch seinen großen Bruder Chris.

    Wie oft hatte Chris diese Szene in Gedanken wiederholt. Und jedes Mal wünschte er sich, er hätte sich gleich ins Auto gesetzt und wäre nach Luxemburg gefahren. Aber ...

    Sie waren so eng miteinander verbunden gewesen. Auch wenn es Zeiten gegeben hatte, in denen sie einander nicht so oft sahen, besonders, seit Frank nach Luxemburg gezogen war, fanden sie immer Zeit zum Telefonieren oder E-Mails zu schreiben. Seit ihrer Kindheit standen sie einander so nah. Sie hatten ja nur einander, damals ...

    Und wieder kamen Chris Franks letzte Worte in den Sinn: „Bis dann, Chris. Bis später!"

    Ja, bis später, dachte Chris wieder. Dass es nie wieder sein würde, ahnte er an jenem Tag nicht.

    Und erneut kam Maître Mayer jetzt auch dieser schockierende Telefonanruf ins Gedächtnis. Jener Montagmorgen, der 19. Oktober. Würde er diesen Anruf je aus seiner Erinnerung verbannen können?

    Die Luxemburger Staatsanwaltschaft setzte sich an diesem Morgen persönlich mit Maître Mayer in Verbindung, teilte ganz sachlich mit, dass sein Bruder Frank in der Nacht von Samstag zum Sonntag durch ein Feuer im Gefängnis umgekommen sei. Damit wäre die gegen ihn erhobene Anklage automatisch nichtig. Somit wäre der Fall abgeschlossen, und was den Kunden selbst betraf, damit werde sich ab jetzt nur noch die Bankeninspektion befassen. Punkt. Schluss.

    Chris war noch am gleichen Tag nach Luxemburg gefahren. Jeder, den er dort traf, war verschwiegen wie ein Grab. Keine Informationen, keine weiteren Angaben. Nur der offiziellen Bericht. Bei der Polizei war es auch nicht besser. Der Fall war abgeschlossen, die Akte fürs Archiv bereit.

    Die Beisetzung fand drei Tage später in Luxemburg statt. Einige wenige Personen hatten an der Zeremonie teilgenommen, alles Leute, die Chris nicht kannte. Außer seinem Vater. Und dem wollte Chris am allerwenigsten begegnen.

    Frank war tot. So grausam und plötzlich mitten aus seinem jungen Leben gerissen. Vierunddreißig Jahre alt nur … Nein, mit der Art und Weise, wie die Luxemburger Justiz diesen Fall abwickelte, wollte sich Maître Mayer unter keinen Umständen abfinden. Und wenn es das Allerletzte war, was Chris für seinen Bruder Frank tun konnte, dann war es das: die Wahrheit herauszufinden. Um jeden Preis.

    All das lag nun fast zwei Monate zurück. Wie die Zeit vergeht. Schon so lange her, seit ich zum letzten Mal mit ihm reden konnte. Vierunddreißig Jahre alt nur ... Und erneut kam diese fast unkontrollierbare Wut in Chris hoch, vermischt mit Schmerz, mit Trauer, mit ... ach so vielen Gedanken und Gefühlen, denen er bis jetzt keinen Raum hatte geben wollte. Doch er war sich bewusst, dass all diese Erinnerungen über ihn hereinbrechen würden, sobald er einen Schritt in Franks Wohnung setzen würde.

    Erst letzte Woche war Christophe Mayer als offiziellem Erben der Zutritt zu Franks Wohnung gestattet worden. Denn wenn jemand plötzlich in einem Luxemburger Gefängnis stirbt, und dabei auch noch bis zur Unkenntlichkeit verbrennt, dann gibt es Pressewirbel und unzählige Schlagzeilen.

    Feuer in der Zelle, hatte es geheißen. Frank konnte nicht entkommen und kam im Feuer um. Die Brandursache konnte angeblich nicht vollständig geklärt werden. Man sagte, dass eine Zigarette die mögliche Ursache gewesen sei, doch ansonsten wurde auch hierzu rundum nur geschwiegen.

    Es tut uns leid, sagte der Beamte am Telefon, als er Chris Mayer in seiner Anwaltskanzlei anrief. Es tut uns leid ... als ob damit alles geregelt wäre. So einfach ... Chris musste lediglich einige belanglose Fragen beantworten. Sonst nichts.

    Mittlerweile wusste das ganze Land, dass Frank Mayer vermutlich in einen Bankenskandal großer Klasse verwickelt gewesen war und dass sein Kunde, so wurde vermutet, ein schwerreicher Araber sei. Wie seltsam, obwohl das Bankgeheimnis in Luxemburg doch so gewahrt wurde, wo sickerten plötzlich all diese Vermutungen durch?

    Frank wurde verhaftet. Nichts war bewiesen. Nur der Verdacht bestand. Und dann, zwei Tage später, ein Feuer – ausgerechnet in seiner Zelle. Ein Feuer, das er selbst verschuldet haben soll? Nein, da stimmt so manches nicht, konnte Chris nur zu gut beurteilen.

    Jeder, der logisch überlegt, würde zu genau derselben Schlussfolgerung kommen. Erst der Telefonanruf von Frank kurz vor seiner Verhaftung, seine Andeutungen, seine panische Angst. Die Ankündigung, er würde ihm wichtige Informationen schicken, für den Fall, dass ihm etwas zustoßen werde. Und dann ...

    Chris hatte nicht verstanden, was Frank ihm hatte sagen wollen. Und dann, als die Nachricht von seinem Tod ihn erreichte, da verstand er, doch zu spät. Dann bekam Chris am folgenden Tag das Paket zugestellt, das Frank ihm angekündigt hatte. Er hatte sich den Inhalt kurz angesehen und dann wieder beiseitegestellt, aber der Polizei gegenüber hatte er es nicht erwähnt. Und jetzt hatte er alles hierher mitgebracht. Hierher in Franks Wohnung. Er wollte der ganzen Sache auf den Grund gehen. Dafür hatte er seinen gutbezahlten Job als Pariser Anwalt er auf unbestimmte Zeit an den Nagel gehängt.

    Wenn der einzige Mensch, den man in seinem Leben hat, einem jäh entrissen wird, dann verändert sich das Leben innerhalb von Minuten. Nichts ist mehr wie es eben noch war. Gar nichts mehr. Und es wird auch nie wieder so sein.

    Die Polizei hatte nach Franks Tod die gesamte Wohnung auf den Kopf gestellt, jedoch nichts von Bedeutung gefunden. Damit war der Fall für sie abgeschlossen. So einfach ist ein Menschenleben vergessen, vernichtet, ausgelöscht. So einfach.

    Und jetzt war Chris hier in Luxemburg. Er würde hier in Franks Wohnung bleiben und herausfinden, was sich wirklich zugetragen hatte, und vor allem, warum Frank hatte sterben müssen. Denn Chris glaubte nicht einen Moment an einen Unfall oder Zufall. Für ihn war es Mord. Schlicht und einfach Mord. Und das musste er beweisen. Nun, ein erster Schritt war bereits getan, seine Reise hierher. Aber das war noch lange nicht der Letzte, dessen war sich Chris sicher.

    Irgendjemand würde dafür büßen müssen, dass man ihm seinen Bruder weggenommen hatte. Was hat Frank entdeckt? Wer war hinter ihm her? Und vor allem, was ist vorher passiert?

    Was hatte Frank an jenem Abend solche Angst gemacht, dass er seinen Bruder regelrecht um Hilfe, um Unterstützung angefleht hatte? Und Chris konnte sie ihm jetzt nicht mehr geben.

    Was immer er sich jetzt versprach von dieser Untersuchung, er wollte jeder Spur nachgehen. Doch wenn er ehrlich war, dann wollte er in erster Hinsicht Rache. Er würde Frank zwar nicht wieder lebendig machen, keineswegs, doch wenn einem alles im Leben genommen wird, dann spielt selbst das keine Rolle mehr. Vielleicht gibt einem dann die verbissene Sucht nach Rache noch einen winzigen Halt. Eine letzte Motivation zum Weiterleben, an die man sich klammert.

    Welche Anhaltspunkte hatte Chris? Die wenigen Dinge, die Frank ihm zugeschickt hatte. Zumindest war es ein Anfang. Die Telefonnummer und der Name Hans De Haas, ein guter Freund von Frank, der in Luxemburg wohnte und arbeitete. Den Schlüssel eines Bankschließfachs der BDLP – Banque de la Place – eine lokale Bank im Stadtzentrum. Und die seltsame Bitte von Frank, er möge unerkannt in Luxemburg einreisen, wenn überhaupt. Nicht unter dem Namen Mayer. Chris saß auf dem Sofa, lehnte den Kopf an die Rückenlehne und starrte an die Decke. Er hatte Tränen in den Augen.

    Auch das noch, dachte er plötzlich und presste die Hand an seine rechte Wange. Da war dieser Schmerz wieder. Er versuchte, die Stelle mit einem weiteren Schluck Whisky zu spülen, in der Hoffnung, es würde ihm etwas Linderung verschaffen, doch dem war nicht so.

    Kurzerhand entschied Chris, noch rasch in den nahegelegenen kleinen Supermarkt zu gehen, um den Kühlschrank aufzufüllen. Einkaufen war nicht gerade Chris’ Lieblingsbeschäftigung, und er war froh, als er alles in der Küche verstaut hatte.

    Sein Handy klingelte. An der Rufnummer erkannte er seinen Partner Georges Legille.

    „Hallo Georges."

    „Hallo, du Ausreißer! Na, wie war die Fahrt? Wie fährt der Schlitten?"

    „Wunderbar, Georges. Purer Luxus. Ich kann nur hoffen, dass wir hier keinen Schnee bekommen werden. Sonst kann ich diesen Wagen vergessen."

    „Und, deine Papiere, dein Ausweis? Alles in Ordnung?"

    „Ja, alles okay. Perfekt. Fast zu perfekt. Und ohne Bart erkennt mich hier kein Mensch. Oh ja, ich muss daran denken, mich täglich zu rasieren, stimmt", sagte er mehr zu sich selbst.

    „Richtig. Du hast während der vergangenen zehn Jahre einen Bart getragen, das ist schon eine Umstellung. Ich hoffe für dich, Chris, dass dich niemand erkennen wird, sonst läufst du Gefahr, rasch einige Presseleute am Hals zu haben."

    „Nur ruhig Blut. Keiner weiß, wer ich bin. Und ich nehme mir Zeit, viel Zeit. Du weißt ja – la revanche est un plat qui se mange froid – parfois même gelé. Wann hast du vor, zu kommen?"

    „Weiß noch nicht genau, aber ich denke, kurz nach Weihnachten."

    „Gut. Bis dahin werde ich hoffentlich bereits einiges in Erfahrung gebracht haben. Luxemburg allein ist schon eine Reise wert, sag ich dir, und die Wohnung hat reichlich Platz. Also, schalt mal ab und gönn dir einige Ferientage und komm einfach her übers Jahresende. Im Dezember ist sowieso kaum was los im Gerichtssaal. Du weißt ja, wie lange die Richter Urlaub machen."

    „Du, Chris, ich habe, wie versprochen, versucht, durch meinen Kontakt in Luxemburg weitere Informationen zu den wirklichen Ursachen des Gefängnisbrandes zu erhalten, doch irgendwie scheint die ganze Akte komplett unter Verschluss zu sein. Ein absolut totes Gleis sozusagen. Seltsam ... Auch meinem Kontaktmann war nur das zu Ohren gekommen, was von den Medien berichtet wurde, dass eine Zigarette der Auslöser war."

    „Hm ... Chris schüttelte verständnislos den Kopf. „Ja, das hat man mir auch als Erklärung angeboten, als ich der Polizei Rede und Antwort stehen musste. Und auf meinen Kommentar hin, dass Frank überzeugter Nichtraucher war, hat mir der Untersuchungsbeauftragte doch allen Ernstes gesagt, jeder könne mal damit anfangen, oder? Das müsse man doch nicht unbedingt seinem Bruder mitteilen! ... Was konnte ich darauf schon sagen ...?

    Chris schwieg einen Augenblick. „Wieder ein Indiz mehr, dass irgendetwas vertuscht oder versteckt wird. Frank hätte niemals im Leben eine Zigarette geraucht! Aber gut, mal sehen, wie ich hier vorankomme. Ich halte dich auf dem Laufenden."

    „Gut, Chris, ich muss auflegen, wir hören voneinander."

    „Ja. Bis die Tage, Georges, und ... danke!"

    „Nichts zu danken. Sei vorsichtig, Junge."

    „Du meinst, ich laufe Gefahr, in einem Zellenbrand umzukommen, sollte ich in Untersuchungshaft geraten?"

    „Man weiß nie, Chris, man weiß nie ..." Dann legte Georges Legille, der 45-jährige Pariser Anwalt und enger Freund von Chris, auf.

    Und wieder ein heftiger Schmerz. Noch immer dieser Weisheitszahn! Verdammt, ich hatte so gehofft, der Schmerz würde nachlassen und die Entzündung wäre vollständig abgeklungen seit der letzten Behandlung.

    Als sich Chris zwei Stunden später im Spiegel betrachtete, musste er feststellen, dass die Wange mächtig angeschwollen war. Der Schmerz wurde noch stechender.

    Nachdem er noch mal ein starkes Schmerzmittel geschluckt hatte, legte er sich angezogen aufs Bett. Die lange Autofahrt von Paris hatte ihn wegen starken Nebels und regen Verkehrs doch sehr angestrengt. Und so war er trotz des hämmernden Zahnschmerzes irgendwann eingeschlafen.

    2.00 Uhr morgens

    Chris wachte ruckartig auf. Die fast unerträglich starken Zahnschmerzen holten ihn aus dem Schlaf zurück. Halb benommen stand er auf und taumelte ins Bad.

    Oh je!, dachte er als er sich im Spiegel sah. Seine rechte Wange war noch dicker geworden war. Der Schmerz war fast nicht mehr zu ertragen. Nun gut, wenn’s denn nicht anders geht! Chris wählte die Nummer des Notrufs. Er schilderte sein Problem und der hilfsbereite Mann gab ihm die Telefonnummer des nächstgelegenen Zahnarztes, der dieses Wochenende Notdienst hatte. Chris wartete noch eine weitere halbe Stunde, doch als die Schmerzen nicht weichen wollten, rief er schließlich an. Es klingelte ... Und klingelte. Chris wurde ungeduldig.

    Dann endlich hörte er am anderen Ende der Leitung eine verschlafene Frauenstimme: „Weber."

    „Ja, guten Abend, Doktor Weber. Entschuldigen Sie die nächtliche Störung, aber ich habe fürchterliche Zahnschmerzen und der Notdienst hat mir Ihre Nummer vermittelt."

    Die Stimme räusperte sich: „Ja, ja, ich habe Notdienst."

    „Es ist mein Weisheitszahn. Ich habe zwar schon seit Monaten Probleme damit, aber der Schmerz ist jetzt unerträglich. Es zieht bis zum Ohr hinauf, die ganze untere Seite der Backe, die Zähne ... ach, ich weiß schon nicht mehr, wo es wehtut und wo nicht. Er muss raus, glaube ich."

    „Dann kommen Sie am besten gleich vorbei, Herr ..."

    „Leblanc, Bernard Leblanc."

    „... Herr Leblanc, meine Adresse ist 13, boulevard Pierre Dupong, Belair. Klingeln Sie kurz, ich öffne Ihnen dann."

    „Danke. Bin schon unterwegs."

    „Und bitte – geben Sie mir zehn Minuten, um wach zu werden", sagte die angenehme Frauenstimme.

    Chris zog seine Joggingschuhe an, streifte seine braune Lederjacke über und rief ein Taxi. Wegen der starken Medikamente, vermischt mit dem Whisky, fühlte er sich reichlich benommen und nicht wirklich in der Lage, selbst zu fahren. Er ging nach unten und wartete draußen. Um diese Zeit war die Straße menschenleer. Alles schien zu schlafen.

    Und doch, oben am Ende der Straße fiel ihm plötzlich ein Mann auf. Der stand neben einem Baum, am Rande des Bürgersteiges, und schaute die Straße hinunter, zu Chris hinüber. Er musste ihn in diesem Augenblick sehen.

    Als Chris in das Taxi eingestiegen war, sah er, wie der Mann einen letzten Zug an seiner Zigarette zog, diese dann auf die Straße warf und eilig in seinen Wagen stieg. Bis zum Belair waren es knappe zehn Minuten Autofahrt um diese Zeit. Während der Taxifahrt drehte sich Chris einige Male um und bemerkte, dass der Wagen ihnen auf Distanz folgte.

    Für einen Augenblick kam ihm der Gedanke, der Mann würde ihn verfolgen. Doch weshalb sollte ihm jemand folgen? Nein, das war wohl Einbildung! Er hatte wohl zu viel gerätselt um Franks Tod und sah jetzt schon überall Verfolger und mutmaßliche Verdächtige. Das musste an dem starken Schmerzmittel liegen.

    Der hämmernde Zahnschmerz lenkte seine Gedanken in den nächsten Minuten dann allerdings wieder in eine ganz andere Richtung, und er schenkte dem Wagen hinter sich keine weitere Beachtung.

    „So, wir sind angekommen, Monsieur." Das Taxi hielt an. Eilends zahlte Chris und stieg aus.

    „Soll ich warten?", fragte der freundliche Fahrer.

    „Nein, kann vielleicht länger dauern. Danke trotzdem." Daraufhin reichte ihm der Fahrer seine Visitenkarte.

    Chris klingelte, und die Tür wurde ihm geöffnet von einer großen, schlanken Frau in dunkelblauem Jogginganzug. Ihr langes, blondes Haar hatte sie zusammengebunden.

    Chris blickte sie überrascht an. Wenn das der Zahnarzt ist, na dann ..., dachte er unter Schmerzen. Was für himmlische blaue Augen, wow! Das erleichtert die Behandlung immerhin ein wenig, dachte er.

    Martine lächelte, als sie den Mann mit seiner dicken Backe dort stehen sah. Vermutlich hatte sie seine Gedanken lesen können.

    „Tja, wie ich sehe, kommen Sie nicht grundlos, Herr Leblanc. Bitte, kommen Sie herein!"

    „Hallo, Frau Doktor. Ich bin froh, dass Sie sich meiner annehmen, so mitten in der Nacht."

    „Nun, das ist mein Job. Kommen Sie bitte mit." Martine Weber geleitete den Patienten in ihr Behandlungszimmer. Chris nahm im Zahnarztstuhl Platz. Martine zog ihren weißen Kittel an.

    „Das sieht nicht gut aus", sagte die 42-jährige Luxemburger Zahnärztin und sah sich seine Wange etwas genauer an, tastete sie vorsichtig mit ihren Fingern ab. Sie musste gähnen.

    „Entschuldigung, aber ich hatte so unheimlich tief geschlafen ... und da brauche ich immer etwas Zeit, um ... um halt voll da zu sein".

    „Kein Problem, meinte Chris und sah sich das schöne Gesicht dieser Frau mit der makellosen hellen Haut genau an. „Solange Sie ganz wach sind, wenn Sie an mir arbeiten werden!

    „Angst?"

    „Nein. Aber, wer kommt schon gerne hierher?"

    „Hm ..., meinte sie. „Hm ... der Zahn ist schwer entzündet. Das ist nicht gut.

    „Ziehen Sie ihn?"

    „Das ist schwierig. Ich kann Ihnen keine Spritze geben, die Entzündung muss erst abklingen. Ich werde Ihnen Schmerzmittel und Antibiotika für einige Tage geben müssen ..."

    „Können Sie ihn nicht einfach so ziehen?, fragte Chris. „Es tut so furchtbar weh, Doktor. Er muss raus, bitte ... er muss jetzt raus.

    Martine sah die Entschlossenheit im Blick dieses recht gut aussehenden Mannes. Mit seiner dicken Wange sieht er irgendwie witzig aus, dachte sie. Und gut zugleich. Aber etwas mitgenommen, müde vor allem", stellte sie fest. Ihre Augen trafen sich einige Male.

    „Ich kann schon, aber das tue ich prinzipiell nicht gerne. Denn das wird nicht angenehm, Herr Leblanc. Der Zahn sitzt noch ziemlich fest. Ich muss etwas einschneiden, ihn lösen, und ... das ... das wird schon wehtun ... Deshalb schlage ich vor, dass wir ..."

    „Ziehen Sie ihn, bitte!, sagte Chris entschlossen. „Ich hatte vor Wochen schon das gleiche Problem, und ... ja bitte, ziehen.

    „Ach, ich weiß nicht ..." Martine setzte sich vor ihn auf den Stuhl. Mittlerweile war es drei Uhr morgens.

    „Frau Doktor, ich habe bereits reichlich Schmerzmittel geschluckt, vor zwei Wochen Antibiotika, und jedes Mal, wenn etwas Warmes mit dem Zahn in Berührung kommt, dann tut

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