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11 Strandkrimis im Paket 2023: Krimi Paket
11 Strandkrimis im Paket 2023: Krimi Paket
11 Strandkrimis im Paket 2023: Krimi Paket
eBook1.167 Seiten14 Stunden

11 Strandkrimis im Paket 2023: Krimi Paket

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Über dieses E-Book

Dieser Band enthält folgende Krimis:





Franklin Donovan: Trevellian gegen den teuflischen Wunderheiler

Jan Gardemann: Trevellian und das Girl mit der Maske

Alfred Bekker: Ein Killer läuft Amok

Alfred Bekker: Schweigen ist Silber, Rache ist Gold

Alfred Bekker: Toter Killer

Alfred Bekker: Ein Ermordeter taucht unter

Alfred Bekker: Der Killer wartet

Alfred Bekker: Kommissar Jörgensen und die fromme Frau

Alfred Bekker: Burmester und der tote Hund

Alfred Bekker: Burmester auf Killerjagd

Alfred Bekker: Commissaire Marquanteur und die Briefbomben von Marseille





Jemand hat einen Entschluss gefasst und lebt nur noch für den einen Gedanken: Rache! Ein altes Unrecht muss gesühnt werden und ein perfider Plan wird in grausame Taten umgesetzt. Eine Serie von Morden versetzt New York in Angst und Schrecken und die Ermittler folgen der Blutspur durch Manhattan...
SpracheDeutsch
HerausgeberAlfredbooks
Erscheinungsdatum5. Apr. 2023
ISBN9783745228885
11 Strandkrimis im Paket 2023: Krimi Paket
Autor

Alfred Bekker

Alfred Bekker wurde am 27.9.1964 in Borghorst (heute Steinfurt) geboren und wuchs in den münsterländischen Gemeinden Ladbergen und Lengerich auf. 1984 machte er Abitur, leistete danach Zivildienst auf der Pflegestation eines Altenheims und studierte an der Universität Osnabrück für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen. Insgesamt 13 Jahre war er danach im Schuldienst tätig, bevor er sich ausschließlich der Schriftstellerei widmete. Schon als Student veröffentlichte Bekker zahlreiche Romane und Kurzgeschichten. Er war Mitautor zugkräftiger Romanserien wie Kommissar X, Jerry Cotton, Rhen Dhark, Bad Earth und Sternenfaust und schrieb eine Reihe von Kriminalromanen. Angeregt durch seine Tätigkeit als Lehrer wandte er sich schließlich auch dem Kinder- und Jugendbuch zu, wo er Buchserien wie 'Tatort Mittelalter', 'Da Vincis Fälle', 'Elbenkinder' und 'Die wilden Orks' entwickelte. Seine Fantasy-Romane um 'Das Reich der Elben', die 'DrachenErde-Saga' und die 'Gorian'-Trilogie machten ihn einem großen Publikum bekannt. Darüber hinaus schreibt er weiterhin Krimis und gemeinsam mit seiner Frau unter dem Pseudonym Conny Walden historische Romane. Einige Gruselromane für Teenager verfasste er unter dem Namen John Devlin. Für Krimis verwendete er auch das Pseudonym Neal Chadwick. Seine Romane erschienen u.a. bei Blanvalet, BVK, Goldmann, Lyx, Schneiderbuch, Arena, dtv, Ueberreuter und Bastei Lübbe und wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt.

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    Buchvorschau

    11 Strandkrimis im Paket 2023 - Alfred Bekker

    Alfred Bekker, Franklin Donovan, Jan Gardemann

    11 Strandkrimis im Paket 2023: Krimi Paket

    UUID: 16a7b3a8-68a3-4402-8a9b-b20a3c90c431

    Dieses eBook wurde mit StreetLib Write (https://writeapp.io) erstellt.

    Inhaltsverzeichnis

    11 Strandkrimis im Paket 2023: Krimi Paket

    Copyright

    Trevellian gegen den teuflischen Wunderheiler: Action Krimi

    ​Trevellian und das Girl mit der Maske: Kriminalroman

    Ein Killer läuft Amok

    Schweigen ist Silber, Rache ist Gold

    Toter Killer

    Ein Ermordeter taucht unter

    DER KILLER WARTET ...

    Kommissar Jörgensen und die fromme Frau

    Burmester und der tote Hund

    ​Burmester auf Killerjagd

    ​Commissaire Marquanteur und die Briefbomben von Marseille

    11 Strandkrimis im Paket 2023: Krimi Paket

    Alfred Bekker, Franklin Donovan, Jan Gardemann

    Dieser Band enthält folgende Krimis:

    Franklin Donovan: Trevellian gegen den teuflischen Wunderheiler

    Jan Gardemann: Trevellian und das Girl mit der Maske

    Alfred Bekker: Ein Killer läuft Amok

    Alfred Bekker: Schweigen ist Silber, Rache ist Gold

    Alfred Bekker: Toter Killer

    Alfred Bekker: Ein Ermordeter taucht unter

    Alfred Bekker: Der Killer wartet

    Alfred Bekker: Kommissar Jörgensen und die fromme Frau

    Alfred Bekker: Burmester und der tote Hund

    Alfred Bekker: Burmester auf Killerjagd

    Alfred Bekker: Commissaire Marquanteur und die Briefbomben von Marseille

    Jemand hat einen Entschluss gefasst und lebt nur noch für den einen Gedanken: Rache! Ein altes Unrecht muss gesühnt werden und ein perfider Plan wird in grausame Taten umgesetzt. Eine Serie von Morden versetzt New York in Angst und Schrecken und die Ermittler folgen der Blutspur durch Manhattan...

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

    Alfred Bekker

    © Roman by Author /

    COVER A.PANADERO

    © dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

    Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

    Alle Rechte vorbehalten.

    www.AlfredBekker.de

    postmaster@alfredbekker.de

    Folge auf Twitter:

    https://twitter.com/BekkerAlfred

    Erfahre Neuigkeiten hier:

    https://alfred-bekker-autor.business.site/

    Trevellian gegen den teuflischen Wunderheiler: Action Krimi

    Franklin Donovan

    Aaron Jones hatte weiche Knie. Der Buchhalter war immer ein gesetzestreuer Mann gewesen. Es war ein harter Schlag für ihn, daß sein Arbeitgeber nun das FBI im Haus hatte. Die G-men führten eine Durchsuchungsaktion in der Firma durch.

    Eigentlich hatte Aaron Jones, der kleine, unauffällige Mann, ja nichts getan, doch er wußte, daß in ›seiner‹ Firma einige krumme Dinge gelaufen waren, und als Mitwisser würde man auch ihn dafür haftbar machen.

    Der Buchhalter schlich in einen Raum, den die Special Agents des FBI noch nicht durchsucht hatten. Hier lagerten einige Akten, gut versteckt. Beweisstücke. Und Jones war fest entschlossen, sie den G-men zu übergeben. Seine Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber hatte nun ein Ende. Er wollte sich nicht der Mittäterschaft schuldig machen. Der kleine Mann prallte erschrocken zurück, als er das winzige Zimmer am Ende des langen Flurs betreten hatte.

    ***

    »Sie…?« stammelte er, als er den Mann beim Durchwühlen der Schränke ertappte.

    »Ja, ich bin es.« Die Stimme des anderen war eiskalt. »Und was machen Sie hier, Jones? Warum sind Sie nicht an Ihrem Arbeitsplatz?«

    »Ich wollte… ich meine…« Der Buchhalter wurde totenblaß.

    Und bevor er zurückspringen konnte, hatten sich die Hände des anderen wie Teufelskrallen um seinen Hals gelegt.

    Aaron Jones wehrte sich verzweifelt, aber er hatte keine Chance gegen den kräftigen Gegner. Er zappelte im unerbittlichen Griff, der ihm die Luft abschnürte. Lief blau an.

    Als der andere ihn wie eine Puppe in die Ecke schleuderte, war Aaron Jones tot.

    ***

    Ich zog die Augenbrauen zusammen.

    Jeder Job hat seine Schattenseiten. Überall gibt es unangenehme Arbeit, die aber nun mal getan werden muß. Deshalb jammerte ich auch nicht, als mein Chef Mr. McKee uns an diesem schönen Junimorgen mit einem scheinbar stinklangweiligen Fall beauftragte.

    Wir, das waren mein Freund und Kollege Milo Tucker, meine Kollegin Annie Franceso und ich selbst, Jesse Trevellian. Alle drei Special Agents des FBI Field Offices New York. Man hätte mit einem Maßband checken können, wer von uns das längere Gesicht machte, als unser Vorgesetzter uns die Einzelheiten mitteilte.

    »Verdacht auf betrügerischen Bankrott?« maulte Milo. Vor unserem geistigen Auge erschienen riesige Wolken von Bürostaub. Wir sahen uns durch Achivkeller kriechen, auf der Suche nach einer Akte, die als Beweisstück verwendet werden konnte. Eine ›faule‹ Akte. Wieviele korrekte Akten wir wohl vorher würden durchsehen müssen? Fünfzig? Dreihundert? Tausend?

    Auf Jonathan D. McKees schmalem Gesicht erschien ein feines Lächeln. Er faltete seine Künstlerhände. »Ich weiß, daß dieser Auftrag keinen von Ihnen begeistert. Aber auch betrügerischer Bankrott ist ein schweres Verbrechen, das in die FBI-Zuständigkeit fällt. Es handelt sich zwar nicht um Mord oder Entführung, aber denken Sie an die Menschen, die in Elend und Arbeitslosigkeit gestürzt werden, nur damit sich kriminelle Manager bereichern können!«

    Das saß. Mr. McKee verstand es immer wieder, uns die Wichtigkeit auch solcher langweiligeren Fälle deutlich zu machen. Für Milo, Annie und mich bedeutete dieser Bankrott vielleicht nur ein paar lange Arbeitstage. Aber durch so ein Verbrechen wurde die Existenz mancher Familie vernichtet, da hatte Mr. McKee recht.

    »Wie entstand der Verdacht?« wollte ich wissen.

    »Wir haben einen anonymen Anruf erhalten«, erklärte Mr. McKee. Er leitete als Special Agent in Charge das FBI Field Office in New York und hatte ein untrügliches Gespür dafür, ob eine Information aus heißer Luft bestand oder nicht. »Die Firma Software Services ist pleite. Der Geschäftsführer Scott Hamilton soll angeblich größere Summen aus dem Unternehmen beiseite geschafft und den Bankrott absichtlich herbeigeführt haben.«

    Annie Franceso stutzte. »Der Name klingt nach einem Computerunternehmen. Die boomen doch schon seit den achtziger Jahren.«

    »Eben«, nickte unser Vorgesetzter.

    »Ein weiterer Hinweis darauf, daß es bei dieser Pleite nicht mit rechten Dingen zugegangen ist.«

    Zum Abschied überreichte mir Mr. McKee einen Hausdurchsuchungsbefehl, unterzeichnet vom District Attorney.

    Wir mußten von der Federal Plaza aus nicht weit fahren, um zu Software Services zu gelangen. Das Unternehmen war in einer ultramodernen Büroetage angesiedelt, mitten in Battery Park City.

    Dieser Komplex aus nagelneuen Wohn- und Bürogebäuden an der Südspitze Manhattans ist erst vor kurzem fertig geworden. Klingende Namen wie American Express haben hier ihre Zentrale. Doch es gibt auch Firmen, die schon wieder aufgeben mußten, bevor die Farbe an den Wänden ihrer Büros trocken war.

    Zu ihnen schien Software Services zu gehören. Und warum das so war, würden wir herausfinden.

    Wir liefen über die geräumige Plaza beim World Financial Center mit den frisch gepflanzten Palmen auf das glasverkleidete Bürohaus zu, in dem auch Software Services untergebracht war.

    Im Erdgeschoß gab es spiegelnden Marmorfußboden, eine Empfangsdame mit Cindy-Crawf ord-Figur - und einen Lageplan der einzelnen Stockwerke.

    »Guten Morgen«, flötete die Schöne hinter dem Designerschreibtisch. »Wen darf ich melden?« Sie hatte schon den Telefonhörer abgenommen.

    »Niemanden«, sagte ich und hielt ihr meinen FBI-Ausweis vor die Nase. »Wir lieben nämlich Überraschungen, wissen Sie?«

    Annie hatte schon intensiv den Plan studiert. »Drei Zugänge zu Software Services. Über den Lift, über die normale Treppe und die Feuertreppe. Wie praktisch, daß wir zu dritt sind.«

    »Jesse nimmt den Lift«, schlug Milo vor. »Er sieht von uns am seriösesten aus.«

    »Ich weiß nicht, ob das aus deinem Mund ein Kompliment ist«, grinste ich.

    »Ich nehme die Feuertreppe«, entschied Annie. Mit einem Sprung war sie hinter dem Tisch der mißtrauisch dreinschauenden Schönheit. Unsere Kollegin stöpselte das Telefon aus der Wand und klemmte es sich unter den Arm.

    »Ich bringe es Ihnen wieder«, tröstete sie das verdutzte Möchtegern-Model. »Damit Sie nicht in Versuchung kommen, uns doch noch anzumelden.«

    ***

    Als sich die Aufzugtüren in der fünften Etage öffneten, stieß ich mit einem Fahrradboten zusammen. Einer dieser exzentrischen Typen mit stählernen Muskeln, die auf ihren Bikes im tempoverrückten New York mehr verdienen als mancher Abteilungsleiter. Er stieß mich grob zur Seite.

    »Paß doch auf, Schnarchnase!« raunzte er mich an. »Zeit ist Geld!«

    Damit hatte er den Lieblingsspruch aller New Yorker aufgesagt. Ich sah ihm ins Gesicht. Hager, schwarze Sonnenbrille, knallroter Fahrradhelm. Kurz dachte ich daran, wütend zu werden. Aber ich wollte mich jetzt nicht mit ihm abgeben. Ich hatte schließlich einen Job zu erledigen. Außerdem gehörte er nicht zum Personal. Er würde hier wohl nur etwas abgegeben oder geholt haben. Es gab also keinen Grund, ihn festzuhalten.

    Die Lifttüren sirrten zu. Eine Frau in einem weinroten konservativen Businesskostüm kam auf mich zu. »Sir? Womit kann ich dienen?«

    »Jesse Trevellian. FBI New York. Wir müssen sämtliche Räume von Software Services durchsuchen. Niemand darf momentan diese Etage verlassen. Holen Sie bitte den Geschäftsführer.«

    Die Angestellte erbleichte, als hätte ich gerade das Ende der Welt verkündet. Doch dann eilte sie mit schwingenden Hüften davon. Ich hakte meine FBI-Marke an mein Jackett und sah mich um.

    Direkt vor mir befand sich ein Großraumbüro, in dem zwischen Zimmerpalmen und Raumtrennern aus Kunststoff Männer mit weißen Oberhemden und bunten Schlipsen an Computern schufteten. Es herrschte hektische Betriebsamkeit. Noch schien keiner von ihnen mitbekommen zu haben, daß sie sich demnächst einen neuen Job suchen mußten. Arme Teufel.

    »Was soll dieser Auftritt?«

    Ich wandte mich dem Mann zu, der mich so aggressiv angekläfft hatte. Er war fast einen Kopf größer als ich, ungewöhnlich hoch gewachsen. Er war auch recht hager, und das verstärkte diesen Eindruck noch. Die stechenden Augen musterten mich, als wäre ich ein lästiges Insekt. Er trug einen sehr teuren Anzug mit Weste.

    »FBI New York. Wir ermitteln gegen Software Services wegen des Verdachts auf betrügerischen Bankrott. Mit wem habe ich das Vergnügen?« Ich präsentierte ihm den Hausdurchsuchungsbefehl.

    »Ich bin Scott Hamilton, der Geschäftsführer. Und ich warne Sie! Sie können hier nicht einfach…«

    »Der District Attorney hat dieses Dokument unterschrieben«, unterbrach ich ihn kalt. Dieser Bursche war mir auf Anhieb unsympathisch. »Sie können selbstverständlich einen Anwalt kommen lassen, der uns während der Durchsuchung kontrolliert. Wir werden Ihre sämtlichen Buchführungsunterlagen mitnehmen müssen. Sie bekommen natürlich eine Quittung. Ansonsten darf niemand die Firma verlassen, bis wir nicht sämtliche Unterlagen verpackt haben.«

    Hamilton knirschte mit den Zähnen. »Mein Anwalt wird Ihnen auf die Finger sehen! Meine Sekretärin zeigt Ihnen alle Aktenbestände. Und nun entschuldigen sie. Ich habe noch zu tun!« Und er stürmte davon, als wollte er Amerika den Krieg erklären.

    Die Frau in Weinrot lächelte mir so verkrampft zu, als wäre ich ein betrunkener Weihnachtsmann auf einem Kindergeburtstag. »Ich bin Cybil Lynch, Mr. Trevellian. Soll ich Sie gleich in die Buchhaltung führen?«

    »Das wäre nett«, sagte ich lächelnd. »Desto schneller haben wir es hinter uns, nicht wahr? Gibt es eigentlich Schlüssel für die Tür zum Treppenhaus und zur Nottreppe? Dann müssen meine Kollegen dort nämlich nicht mehr Wache halten und…«

    Ohrenbetäubendes Glasgeklirr unterbrach mich mitten im Satz.

    ***

    Milo hatte sich im Treppenhaus postiert. Er fühlte sich hier wie ein Wachsoldat an der Grenze zu einem befreundeten Land. Er rechnete nicht damit, daß etwas geschah. Eine Hausdurchsuchung bei betrügerischem Bankrott ist nun mal nicht mit der Erstürmung eines Gangster-Hauptquartiers zu vergleichen. Milo gähnte ungeniert. Auf dem schmalen Platz zwischen der Treppe und dem Nebeneingang zu Software Services konnte ihn ja niemand sehen.

    Das änderte sich im nächsten Moment schlagartig. Die Tür wurde aufgestoßen, und ein Mann wollte die Treppe hinabstürmen. Der Special Agent überwand seine Schrecksekunde sofort.

    »He! Moment mal, Freundchen!«

    Milo packte den Unbekannten am Jackettärmel.

    Der Eilige reagierte blitzartig. Kaum hatte Milos Hand seinen Arm gepackt, als auch schon die andere Hand des Mannes in seine Hosentasche fuhr, und ein Klappmesser hervorzauberte!

    Milo stieß den Mann mit voller Wucht zurück. Der krachte mit dem Rücken gegen die Glastür, die sich als ziemlich instabil erwies. Sie zerbrach in tausend Scherben. Aber dadurch schien der Kampfgeist des Messerhelden nicht beeinträchtigt worden zu sein. Im Gegenteil. Es war klar, daß er auf der Flucht war. Und unbedingt an Milo vorbei mußte.

    »Hijo de puta!« brüllte er Milo an und attackierte ihn erneut. Milo sprang zurück, knallte schmerzhaft mit dem Rücken gegen das Treppengeländer.

    Es war keine Zeit für große Worte. Jetzt war Handeln gefragt. Milo wollte nach seinem Smith & Wesson in der Gürtelhalfter greifen. Doch der Messerheld mußte seine Bewegung richtig gedeutet haben. Wieder drang er auf Milo ein.

    Milo schaffte es, die Messerhand mit einem Tritt zur Seite zu kicken. Doch der Unbekannte sprang ihn an. Ein betäubend süßliches Rasierwasser drang an Milos Geruchsnerven. Das war allerdings das geringste Problem. Der G-man umklammerte jetzt das Handgelenk des Fremden, um das Messer unter Kontrolle zu bringen. Das war sein Fehler.

    Milo hatte nicht auf die andere Hand des Mannes geachtet. Die krallte sich in seine Haare und schlug Milos Kopf mit voller Wucht gegen die Wand. Bei Milo gingen die Lichter aus.

    Der andere wirbelte herum und stürzte die Treppe hinunter davon.

    ***

    »Kommen Sie!« rief ich Cybil Lynch zu und rannte in die Richtung, aus der ich das Glasklirren gehört hatte. Irgendwas war hier oberfaul. Ich sah eine zerbrochene Tür. Die Scherben waren nach innen gefallen. Jemand mußte sie von außen zerstört haben.

    »Das ist die Tür zum Treppenhaus!« rief die Sekretärin hinter mir. Das hatte ich mir schon gedacht. Aber wo war Milo?

    Ich riß meinen .38er Smith & Wesson aus der Gürtelhalfter und näherte mich vorsichtig der Tür.

    »Bleiben Sie zurück!« raunte ich Miss Lynch zu. Ich glitt lautlos neben den Türstock, öffnete die zerstörte Ausgangstür - und sah Milo reglos auf der Treppe liegen!

    Ich mußte ihm sofort zu Hilfe kommen. Aber erst vergewisserte ich mich, daß ich nicht in eine Falle tappte.

    Weit und breit war niemand zu sehen, der mir auflauern konnte.

    »Milo! Verdammt, Milo…« murmelte ich. Ich sah Blut, das seine Haare verklebte. Er war totenbleich und nicht bei Bewußtsein, aber er atmete. Das war die Hauptsache.

    »Rufen Sie eine Ambulanz!« rief ich der Sekretärin zu.

    Im Handumdrehen war der Doc da. Nach einer schnellen Untersuchung ließ er meinen Freund von den Sanitätern auf einer Trage abtransportieren.

    »Sieht schlimmer aus, als es ist«, meinte er. »Aber ich muß Ihren Kollegen im Hospital gründlich durchchecken.«

    Ich nickte grimmig. Wer immer Milo das angetan hatte, würde nicht ungestraft davonkommen. Aber zunächst mußte ich mich um allerlei Dinge gleichzeitig kümmern. Zum Glück trafen wenige Minuten später meine beiden Kollegen Clive Caravaggio und Blackfeather ein. Unser indianischer Mitarbeiter, der von uns ›Blacky‹ genannt wird, sah wieder einmal so aus, als wäre er der Oberboss eines Großunternehmens. In seinem Maßanzug aus Schurwolle wirkte er so bedeutend, als würde er jeden Tag im Weißen Haus ein und aus gehen. Hochmütig hat ihn seine teure Kleidung allerdings nie gemacht. Und das ist die Hauptsache.

    »Könnt ihr die Türen sichern?« bat ich die beiden. »Ich brauche Annie hier im Büro, um die Akten zu checken.«

    Wer war der Unbekannte, der Milo niedergeschlagen hatte? Auch das würden wir herausfinden müssen.

    Annie Franceso trat ins Büro. Sie hatte bereits gehört, was mit Milo passiert war.

    »Scheußliche Sache«, murmelte sie. »Dieser Fall ist wohl brisanter, als wir alle uns das vorgestellt haben.«

    »Das stimmt«, meinte ich. Und mit bitterem Humor fügte ich hinzu: »Nun sehne ich mich beinahe danach, friedlich am Schreibtisch zu sitzen und eine Akte nach der anderen durchzusehen.«

    Meine Kollegin grinste mich schief an. »Das glaubst du doch selbst nicht, Jesse.«

    »Du kennst mich eben, Annie.«

    Endlich fingen wir mit unserer eigentlichen Aufgabe an. Wir mußten sämtliche Buchhaltungsunterlagen von Software Services durchgehen, um Hinweise auf einen Betrug zu finden. Die Stecknadel im Heuhaufen, sozusagen. Es war unser Glück, daß die Firma noch nicht so lange am Markt war. Da hatte sich noch nicht allzu viel angehäuft.

    Cybil Lynch zeigte sich sehr eifrig darin, uns zu helfen. Sie präsentierte die Bestände, brachte uns Ordner mit Personalabrechnungen, Quittungen und Durchschlagen von Forderungen.

    »Das hier ist alles aus dem laufenden Geschäftsjahr«, klärte sie uns auf. »Aber wir haben natürlich auch noch ältere Akten aufbewahrt.«

    »Können wir die bitte auch sehen?« forderte Annie.

    »Folgen Sie mir.«

    Wenn diese Frau durch den plötzlichen FBI-Einsatz hier in der Firma verwirrt war, verstand sie das jedenfalls gut zu verbergen. Sie ging uns voraus, bog um eine Ecke des Flurs und öffnete eine schmale Tür.

    Cybil Lynch schrie laut und entsetzt auf.

    Noch war Dorene Esterhazy eine schöne Frau. Noch war nichts von den Schäden zu sehen, die das Kokain in ihrem atemberaubenden Körper anrichtete. Die Droge ist ein schleichendes Gift. Wie ein Parasit höhlt sie ihr Opfer von innen aus. Und es bleibt nichts zurück als eine leere Hülle.

    Ein geschulter Therapeut in einer Entzugsklinik hätte freilich auf den ersten Blick erkannt, was mit Dorene los war. Er hätte das verzehrende Feuer in ihren Augen richtig gedeutet. Doch die meisten Männer hielten ihren verhangenen Schlafzimmerblick für ein pikantes Detail ihrer erotisierenden Erscheinung.

    Sehnsüchtig raste Dorene zur Tür des Luxusapartments am Central Park West, das Scott Hamilton für sie gemietet hatte. Auf dem Weg dorthin warf sie automatisch einen Blick in den riesigen Wandspiegel in der Diele. Ja, sie war perfekt gestylt. Unter der weißen Seidenbluse wölbten sich ihre üppigen Brüste, der enge schwarze Rock bedeckte ihre langen Oberschenkel nur zur Hälfte. Ihr blondes Haar trug sie schulterlang.

    Dabei muß ich jetzt überhaupt nicht gut aussehen, dachte sie ironisch, während sie auf den Türsummer drückte. Ich erwarte ja nur den Fahrradboten…

    Einen Moment später erschien die drahtige, hoch gewachsene Gestalt mit dem roten Radhelm in der Aufzugtür.

    »Guten Tag, Ma am!« grüßte der Biker mit dem typischen schleppenden Tonfall der Texaner. »Ich bringe von Software Services einen Umschlag für Sie.«

    »Danke.«

    Unhöflich riß ihm Dorene den Umschlag aus der Hand und knallte die Tür zu. Aber nun hatte sie keinen Sinn mehr für Umgangsformen. Die Süchtige dachte nur noch an ihr Kokain. An ihr schönes weißes Pulver, das Scott Hamilton für sie besorgt hatte und mit dem sie…

    Der Umschlag war leer.

    Enttäuscht schrie die junge Frau auf. Nervös riß sie das Papier auseinander, suchte überall. Aber der verdammte Umschlag war leer. Ob vielleicht dieser hirnrissige Bote den falschen…? Sie stürzte wieder zur Tür, wollte ihm hinterherjagen.

    Aber der Mann mit dem Fahrradhelm war noch nicht wieder zum Lift gegangen. Er stand noch vor der Tür.

    »Sie… Sie haben mir den falschen Umschlag gegeben!« rief die Kokserin empört aus.

    »Wirklich?« grinste der Mann aus Texas in den kurzen Bikershorts. »Ach, das tut mir aber leid, Ma am. Das werden wir gleich haben…«

    Und er folgte ihr in die Wohnung und ließ die wasserdichte Plastiktasche von seinen muskulösen Schultern gleiten. Er schüttete sie aus. Über ein Dutzend Umschläge und Päckchen ergossen sich auf den Velours-Teppichboden. Dorene kniete sich hin und durchsuchte mit fliegenden Fingern die Sendungen.

    Der Bote blieb mit verschränkten Armen stehen und betrachtete genüßlich die Oberschenkel der blonden Frau, über denen der Rock noch weiter hochgerutscht war.

    Kokser-Schätzchen, dachte er abfällig. Jetzt bist du reif, Kokser-Schätzchen!

    »Was soll das?« schrie die Blondine ihn unbeherrscht an, nachdem sie alles geprüft hatte. »Mein Päckchen ist nicht dabei! Ich will mein Päckchen zum Henker!«

    »Ist es wirklich nicht dabei?« flüsterte der hagere Mann und ließ seine Muskein spielen. »Was ist denn da so Wichtiges drin?«

    Und durch den Schleier ihrer Sucht erkannte Dorene plötzlich, was sie tun mußte. Wie sie jeden Mann dazu bekam, ihre Wünsche zu erfüllen.

    »Ist das so wichtig?« fragte sie mit einem smarten Lächeln zurück. Ihre rechte Hand griff an das behaarte Bein des Bikers oberhalb des Knies. »Sie haben ja verdammt harte Muskeln. Darf ich die mal fühlen?«

    »Überall, Ma'am!« grinste der Texaner und zog das T-Shirt über seinen durchtrainierten Oberkörper.

    ***

    Cybil Lynch hatte die Hände vor das Gesicht geschlagen. Sie verschloß die Augen vor dem, was sie nicht sehen wollte. Ich hatte sie für cool gehalten. Aber angesichts eines Toten geben die meisten Menschen ihre unnahbare Fassade auf.

    Und dieser kleine Mann, der dort in der Aktenkammer lag, war wirklich mausetot. Wahrscheinlich ermordet, wie ich mir wegen der Würgemale an seiner Kehle dachte.

    Ich ging in die Hocke und berührte seine Gesichtshaut. Sie war noch nicht erkaltet. Es konnte noch nicht lange her sein, seit ihn jemand umgebracht hatte. Wahrscheinlich war die Tat geschehen, nachdem wir schon bei Software Services eingetroffen waren.

    »Kennen Sie den Toten?« hörte ich Annie Franceso fragen.

    »Ja.«, schluchzte Cybil Lynch. »Das ist… war Mr. Jones. Unser Buchhalter.«

    Der Buchhalter mußte sterben, während das FBI wegen betrügerischem Bankrott ermittelte! Das kam mir sehr verdächtig vor.

    »Es gibt drei Möglichkeiten«, sagte ich zu meiner Kollegin, die ihren Arm tröstend um die gescheckte Sekretärin gelegt hatte. »Entweder war es dieser Radkurier, der mich beinahe umgerannt hat. Oder der Unbekannte, der Milo niedergeschlagen hat. Oder aber der Mörder befindet sich noch in dieser Etage!«

    Cybil Lynch schluchzte noch einmal entsetzt auf.

    Ich griff zu meinem Handy und beorderte ein Spurensicherungsteam sowie die Männer des Coroners hierher. Wir würden alle Angestellten von Software Services festnehmen. Jeder würde ein Alibi für die Tatzeit vorweisen müssen. Das konnte extrem schwierig werden. In diesem Unternehmen ging es zu wie in einem Bienenstock. Es herrschte hektische Betriebsamkeit. Kollegen fanden sich zusammen, besprachen etwas und gingen dann wieder auseinander. Wer von ihnen hätte sagen können, wo sich die anderen in den nächsten Minuten aufhalten würden?

    Da ertönte ein entsetzter Ruf aus dem vorderen Teil des Büros.

    »Feuer!«

    ***

    Jorge Ramirez grinste höhnisch, als er sich in den Bus der Linie 15 schwang und 1 Dollar 25 für den Fahrpreis in dem Münzbehälter an der Vordertür verschwinden ließ. Er war der einzige Fahrgast, der an der South Ferry Richtung Uptown eingestiegen war. Nun konnte er sich sicher sein, nicht verfolgt zu werden.

    Ramirez war ein kleiner Gauner, wie sie zu Tausenden in New York herumliefen. Seine Masche war es, sich in Büros herumzutreiben und dort in unbewachten Augenblicken die Schreibtische und Spinde der Angestellten zu durchwühlen. Mal stahl er eine Geldbörse aus einer unbewachten Handtasche, mal räumte er in einer Teeküche die Kaffeekasse der Abteilung aus. Kein sehr einträgliches Geschäft, gewiß. Aber bisher hatte sich der Kleinkriminelle damit er über Wasser halten können.

    Doch an diesem Tag war ihm ein eiskalter Schreck in die Glieder gefahren. Die Ausbeute bei Software Services war ganz gut gewesen. Drei Brieftaschen und fünf Dollar in Münzen, die er in einem Briefumschlag neben dem Kopierer gefunden hatte. Doch als er sich hatte davonmachen wollen, hätte ihn dieser blöde Kerl beinahe festgehalten. Ob die Firma in letzter Zeit öfter Besuch von Ramirez ›Kollegen‹ bekommen und einen Detektiv engagiert hatte? Der kleine Mann aus El Salvador wußte es nicht. Aber es war diesem Burschen jedenfalls übel bekommen, ihn - Jorge Ramirez - aufhalten zu wollen.

    Der Latino hatte auf der letzten Bank im Bus Platz genommen. Hier wähnte er sich unbeobachtet. Er zog die Brieftaschen aus seinem schmalen Umhängebeutel hervor und ging seine Ausbeute durch. Kreditkarten enthielt jede von ihnen, meist die üblichen großen Marken: American Expreß, Diners Club, Visa, Master Card. Das war okay. Er hatte einen Hehler an der 42nd Street, der ihm diese wertvollen Plastikchips zu einem guten Einheitspreis abkaufte.

    Und Bargeld? Dieser hier bekam wohl von seiner Frau nicht allzu viel Taschengeld. Ramirez starrte spöttisch auf die einzelne Dollarnote, die ihm zwischen Briefen und Tankquittungen entgegenflatterte. Da war das nächste Exemplar schon vielversprechender. Ein teuer aussehendes dickes Ding aus Kalbsleder.

    Der Dieb pfiff durch die Zähne. Achthundert Bucks in 100-Dollar-Noten! Der Besitzer dieser Brieftasche mußte gut bei Kasse sein. Ein gewisser Scott Hamilton, den Informationen auf dem Führerschein nach.

    Und dann wurden Ramirez Augen noch größer. Denn in einem Nebenfach wartete ein weiterer interessanter Fund.

    Ein Briefchen mit Kokain!

    Ich war nicht erstaunt, die Akten in dem anderen Raum in Flammen aufgehen zu sehen. Wer immer uns hier in die Suppe spucken wollte, tat dies gründlich und gnadenlos. Der Anschlag auf Milo, der Mord, die Brandstiftung.

    Ich riß einen Feuerlöscher von der Wand und stürzte mich auf den Aktenschrank, in dem es lichterloh brannte. Die Angestellten liefen in Panik durcheinander wie aufgescheuchte Hühner.

    Das Papier wurde natürlich in Windeseile ein Raub der Flammen. Aber schnell gelang es mir, den Brand zu ersticken. Die Sprinkleranlage tat ihr übriges dazu. Ich wurden naß wie eine Katze im Regen.

    »Du könntest dich zur Wahl der Miss Wet-Shirt stellen!« sagte ich grinsend zu Annie, als der letzte Funken verloschen war. Wir sahen aus wie aus dem Wasser gezogen.

    Sie trat mir scherzhaft in den Hintern. »Und du darfst diese ganzen Akten allein durchforsten, wenn du dich nicht wie ein Gentleman benimmst.«

    »Gnade! Diese Strafe ist zu hart!«

    Doch schnell wurden wir wieder ernst. Wer immer uns hier in die Quere gekommen war, er war gemeingefährlich. Ein Brand setzt immer Menschenleben aufs Spiel. Immer mehr wuchs meine Überzeugung, daß der Verdacht auf betrügerischen Bankrott zu Recht bestand. Und damit wurde natürlich Scott Hamilton zu unserem Hauptverdächtigen. Nur er allein konnte von einer Firmenpleite profitieren.

    Der Geschäftsführer empfing mich mit ironisch hochgezogenen Augenbrauen, als ich in seinem Büro aufkreuzte, dabei eine Wasserspur hinterlassend.

    »Haben Sie eine Dusche genommen, G-man? Ist es so anstrengend, die Nase in unsere Firmenakten zu stecken?«

    Ich streckte den Arm aus und zeigte mit dem Finger auf ihn. »Wo sind Sie in den letzten Minuten gewesen, Mr. Hamilton?«

    Ungerührt hielt er meinem wütenden Blick stand. »Ich war hier. Wo sonst? Ich arbeite meist allein. Das werden Ihnen alle meine Mitarbeiter bestätigen können.«

    »Sie haben also kein Alibi für den Zeitpunkt der Brandstiftung!«

    Er grinste mich unverhohlen an. »Nein, habe ich nicht. Aber ich wette, daß mindestens die Hälfte aller Menschen auf dieser Etage ebenfalls keins haben. Und außerdem - ich besitze ja noch nicht mal ein Feuerzeug. Ich bin Nichtraucher!« Und er stieß ein meckerndes Gelächter aus.

    Ich kämpfte meinen Zorn nieder. Und dann sagte ich so ruhig, wie man es von einem Vertreter der Bundesregierung erwarten durfte: »Wir bereiten die zu prüfenden Akten für den Abtransport vor, Mr. Hamilton. Bitte überzeugen Sie sich, daß alles seine Ordnung hat.«

    »Das werde ich, G-man, das werde ich. Ich erwarte meinen Anwalt jede Minute.«

    Der Jurist kam, während ich dem Geschäftsführer zeigte, welche Dokumente wir mitnehmen wollten. Oder besser gesagt das, was davon noch übrig war. Triumphierend stolzierte Scott Hamilton auf und ab wie ein Gockel. Er versuchte nicht, seine Verachtung für das FBI zu verbergen. Annie Franceso und ich standen daneben wie begossene Pudel. Im wahrsten Sinne des Wortes.

    Aber es gab nichts zu beanstanden. Der Hausdurchsuchungsbefehl war korrekt. Wir hatten eine Quittung über alle mitgenommenen Akten unterschrieben. Hamiltons Anwalt mußte uns zähneknirschend mit dem Material abziehen lassen.

    »Wir sehen uns bald wieder, Mr. Hamilton«, knurrte ich und stemmte einen Umzugskarton hoch.

    Unsere Blicke trafen sich. Ich wußte, ich hatte einen Feind fürs Leben gewonnen…

    ***

    Die gebräunte Haut des Radkuriers hob sich stark ab von der leicht kränklichen Blässe von Dorene Esterhazys Körper. Die beiden Leiber waren in leidenschaftlicher Umarmung miteinander verschlungen. Das Kokser-Schätzchen bewegte sich mit ausge- buffter Raffinesse. Sie wußte, wie sie einen Mann in den Wahnsinn treiben konnte.

    Die Adern auf den muskulösen Armen des Texaners traten hervor wie Starkstromkabel. Seine Hände glitten über ihre aufgerichteten Brustwarzen. Dorene bog ihren Kopf zurück. Und dann explodierte plötzlich die Welt im Kopf des Radboten.

    Keuchend blieben der Mann und die Frau eine Weile übereinander liegen, bis sie wieder sprechen konnten.

    »Kriege ich nun mein Päckchen?« fragte die Blondine mit einer Kleinmädchenstimme.

    Der Texaner war nach den Erlebnissen der letzten halben Stunde in Geberlaune. Er nestelte an seinem Gürtel herum, der irgendwo mitten auf dem Fußboden des luxuriösen Schlafzimmers lag. Dorene grabschte gierig nach dem Kokainbrief und schüttete seinen Inhalt auf eine Glasplatte.

    Mit gemischten Gefühlen sah der Muskelmann ihr zu, wie sie ihren formvollendeten nackten Körper über das Pulver beugte und die scheußliche Droge in ihre Nasenlöcher sog.

    Seit Monaten schon hatte er alle paar Tage eine Sendung von Software Services hierher an den Central Park West gebracht. Diese tolle Frau war ihm gleich bei seiner ersten Fahrt aufgef allen. Schon damals war er scharf auf sie gewesen. Doch nie war ihm eine Möglichkeit eingefallen, an sie heranzukommen. Bis letzte Woche. Da war das Päckchen zufällig aufgegangen. Und er war nicht von gestern. Er wußte, daß es kein Scheuerpulver sein konnte, was der saubere Mr. Hamilton da grammweise an diese blonde Schönheit schicken ließ.

    Nachdem das letzte Stäubchen in ihrer Stupsnase verschwunden war, schien Dorene Esterhazy wie ausgewechselt zu sein. Der Texaner kannte das. Er hatte schon oft genug mit Koksern zu tun gehabt. Solange das Drogenfeuer in ihrem Gehirn brannte, glaubten sie, Bäume ausreißen und sich die Welt untertan machen zu können. Doch wenn die Wirkung nachließ, paßten sie problemlos in jede Streichholzschachtel.

    »Hast du eigentlich auch einen Namen?« fragte die junge Frau. Sie wirkte nun cool, unnahbar. Dabei hatte sie vorhin alles getan, um an ihren Stoff zu kommen. Aber auch wirklich alles.

    »Ich heiße Henry. Henry Dillon. Aber alle nennen mich Tex.«

    »Ich brauche wohl nicht zu fragen, weshalb.« Dorene ahmte dabei seinen schleppenden texanischen Tonfall nach.

    Tex stand auf und ließ seine große Hand über ihren Rücken hinunter bis auf ihren Po gleiten. »Ich muß weiter, mir noch ein paar Dollar erstrampeln.«

    »So long, du Großstadt-Cowboy. Ich bin sicher, das wir uns bald Wiedersehen.«

    »Das könnte passieren.«

    Tex Dillon schlüpfte in seine Kleidung, zog die Nikes an, stülpte den Helm auf den Kopf und nahm die Umhängetasche. Die Eingangstür fiel hinter ihm ins Schloß. Bevor der Aufzug kam, mußte er seine Stirn erst einmal gegen das kalte Blech der Liftverkleidung lehnen.

    Nun war er auch süchtig. Seine Droge hieß Dorene Esterhazy.

    ***

    Mein Büro glich einem Lagerraum für Altpapier. Überall türmten sich die Akten von Software Services. Halb ausgepackte Kartons standen herum. An Milos Schreibtisch saß Annie Franceso. Sie hatte vor der FBI-Akademie Jura studiert und war mir eine wertvolle Hilfe bei der Suche nach dem winzigen Detail, das Scott Hamilton das Genick brechen sollte.

    Nach dem katastrophalen Einsatz bei Software Services waren wir beide schnell nach Hause geflitzt und hatten uns trockene Kleidung angezogen. Nun saßen wir scheinbar hilflos vor den riesigen Papierbergen. Doch dieser Eindruck täuschte.

    Annie und ich waren nur winzige Rädchen in der gigantischen Fahndungsmaschinerie des FBI, die sich durch die anonyme Beschuldigung gegen Software Services in Gang gesetzt hatte. Während wir die Unterlagen prüften, knöpften sich unsere Verhörspezialisten die gesamte Belegschaft der pleitegegangenen Firma vor. Jeder mußte ein wasserdichtes Alibi für den Mord und die Brandstiftung vorweisen können. Wer nicht glaubhaft machen konnte, was er in der Zeit getan hatte, zog sich besser schon mal warm an.

    Anhand der Würgemale am Hals von Aaron Jones würden wir erfahren können, wie groß die Hände seines Killers waren. Das schränkte den Kreis der Verdächtigen schon mal ein.

    Außerdem lief eine Großfahndung nach dem Radkurier, der mich angerempelt hatte. Er stand ebenfalls unter dringendem Verdacht, den Buchhalter umgebracht zu haben. Jedenfalls war er zur Tatzeit im Büro gewesen. Blacky und Clive Caravaggio hatten schon herausbekommen, daß er für die Radkurier-Firma City Speeds arbeitete und Henry Dillon hieß. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis er von uns oder von der City Police aufgegriffen werden würde.

    Ganz besonders verdächtig war natürlich auch der Unbekannte, der meinen Freund Milo Tucker bei seiner Flucht niedergeschlagen hatte. Über ihn wußten wir nichts. Keiner der Angestellten konnte sagen, wer um diese Zeit das Büro verlassen hatte. Es konnte jedenfalls keiner der dort Beschäftigten gewesen sein, denn die waren alle jetzt im FBI-Building versammelt.

    Wir mußten also nach einem Phantom fahnden. Unsere einzige Hoffnung war, daß Milo bald wieder aus seiner Ohnmacht erwachte, und uns eine Täterbeschreibung geben konnte.

    Ich machte mir schlimme Sorgen um meinen Freund und Partner, obwohl der Arzt versucht hatte, mich zu beruhigen.

    Ich klappte meine Akte zu und stand auf. »Kaffeepause!«

    Annie hob den Kopf. »Das erste vernünftige Wort, was ich heute höre, Jesse.«

    Wir gingen in die Kantine. Ich lud meine Kollegin zu einem Becher Kaffee und einem Schokoladen-Donut ein. Mit gesundem Appetit biß Annie in die Kalorienbombe. Im Gegensatz zu vielen anderen jungen Frauen scheint sie sich keine Sorgen um ihre ›schlanke Linie‹ zu machen. Vielleicht, weil sie durch ihr tägliches stundenlanges Kampfsporttraining gar keine Gelegenheit hatte, Fett anzusetzen. Wegen ihrer Begeisterung für Kung Fu und den unvergessenen Bruce Lee wird Annie von uns anderen G-men liebevoll-spöttisch ›Miss Lee‹ genannt.

    »Wir können Akten wälzen, bis wir schwarz werden«, sagte ich und nahm einen großen Schluck Kaffee. »Der Schlüssel zu diesem Fall liegt bei Scott Hamilton selbst.«

    »Wie kommst du darauf?« fragte Annie mit vollem Mund.

    »Als wir mit unserer Razzia angefangen haben, wußte Hamilton sofort Bescheid. Ich konnte förmlich riechen, daß er dunkle Flecken auf seiner angeblich so weißen Weste hat. Noch wissen wir nicht, was genau das für Flecken sind. Aber er muß auf jeden Fall versucht haben, seine Verbrechen zu vertuschen. Ob allein oder mit Komplizen - das wird sich zeigen. Vielleicht hat der Unbekannte für ihn gearbeitet, der Milo niedergeschlagen hat? Und Aaron Jones ist ihm wohl auch in die Quere gekommen.«

    »Du meinst…?«

    »Ich meine, daß Jones' Tod direkt mit unserem Einsatz zu tun hat, Annie. Er mußte sterben, weil er zuviel wußte. Oder weil er uns vielleicht sogar helfen wollte.«

    »Und was ist mit diesem Radkurier?«

    »Er hat die Firma fluchtartig verlassen. Ich kenne die Burschen, die haben es immer eilig. Aber dieser schien von allen Furien der Hölle gehetzt zu werden. Ich sage dir…«

    Mein Handy unterbrach meinen Satz.

    »Trevellian!« meldete ich mich. »Ja, machen wir. Sofort! In Ordnung. Danke, Doktor.«

    Ich unterbrach die Verbindung. Meine Kollegin sah mich fragend an.

    »Das war das Bellevue Hospital«, sagte ich und strahlte. »Milo weilt wieder unter den Lebenden.«

    ***

    Die junge Frau konnte nicht älter als höchstens 21 sein. Sie trug hautenge Biker-Shorts in Pink und ein schwarzes Top. Auf ihren rechten Oberarm war ein Katzenkopf mit Teufelshörnern tätowiert. Mehr konnte Blackfeather nicht von ihr erkennen, denn sie nahm drei Stufen auf einmal, als sie an ihm und Clive Caravaggio vorbei die Treppe erklomm.

    Die beiden Special Agents waren auf dem Weg zu dem Radkurierdienst City Speed, der in einem ehemaligen Fabrikgebäude an der East 26th Street untergebracht war. Das Unternehmen, für das sich der verdächtige Henry Dillon durch den New Yorker Straßenverkehr kämpfte.

    In der Zentrale herrschte Streß und Hektik. Fahrerinnen und Fahrer eilten umher, riefen sich Anweisungen zu, empfingen Sendungen oder warteten einfach. Die G-men drängelten sich zum Schreibtisch eines frühzeitig ergrauten Mannes mit Heavy-Metal-T-Shirt durch, der hier der Boss zu sein schien.

    »G-men?« fragte er, als unser indianischer Kollege ihm seinen Ausweis präsentierte. »Was kann ich für euch tun?«

    »Es geht um einen Ihrer Angestellten«, begann Clive Caravaggio. Doch der Graukopf schnitt ihm das Wort ab.

    »Hier gibt's keine Angestellten, capito? Wir sind hier in Amerika. Alle diese Girls und Boys sind freie Unternehmer.«

    »Aber die arbeiten doch für Sie, oder?« hakte Blacky nach. »Wie funktioniert das?«

    »Ganz einfach. Wenn ein Kunde eine Sendung transportiert haben will, ruft er hier an. Ich besorge ihm einen Fahrer, der die Ware von Punkt A nach Punkt B bringt. Der Fahrer wird dann von mir angefunkt. Das Funkgerät hat er von mir gemietet. Ich bekomme eine Vermittlungsprovision für jeden Auftrag. Den Rest behält der Fahrer.«

    »Deshalb also die ständige Eile Ihrer Leute«, erkannte Clive Caravaggio.

    »Genau.« Der grauhaarige Metal-Fan grinste.; »Wer fix ist, kann ganz schön was verdienen.«

    »Wir kommen jedenfalls wegen Henry Dillon. Er arbeitet in Ihrem Auftrag und…«

    »Henry? Sie meinen Tex!« grölte der Graukopf. »Der steht da hinten, bei der Abrechnung.«

    Und er wies mit großer Geste auf eine kleine Schlange von Radkurieren, die sich vor einem Tisch gebildet hatte. Dort gab es bare Greenbucks auf die Hand.

    Ein hoch gewachsener drahtiger Kerl mit rotem Helm warf den Kopf herum, als er die beiden G-men im Gedränge auf sich zukommen sah. Blacky und Clive Caravaggio vielen unter all den bunt gekleideten Bikern natürlich auf. Henry Dillon war auf geheimnisvolle Weise klar, daß sie was von ihm wollten.

    Mit einem Satz setzte er sich in Bewegung und rannte auf den Ausgang zu.

    »Die Bullen wollen mich kassieren!« kreischte er.

    Plötzlich sahen sich die beiden G-men einer aggressiven Meute gegenüber. Tex’ ›Kollegen‹ wollten seine Flucht decken. Ihnen war egal, weshalb die Polizei ihren Kumpel suchte. Viele von ihnen hatten eine selbstgeschneiderte Philosophie, sahen sich als Großstadt-Cowboys, freie Desperatlos, für die keine Gesetze galten. Und die Ordnungsmacht war deshalb ihr natürlicher Feind.

    »FBI!« brüllte Blacky und stieß einen Biker beiseite. »Lassen Sie uns vorbei!«

    Doch die Lücke hatte sich sofort wieder geschlossen. Zwischen dem Ausgang und den Special Agents befanden sich mindestens fünfzehn murrende und pöbelnde Radkuriere, die sichtlich froh waren, dem verhaßten Staat mal eins auswischen zu können.

    Clive Caravaggio warf sich in die Menge.

    »Der Mann steht unter Mordverdacht!« rief er. Aber es war sinnlos. Mit einigen blitzschnellen Schlägen schaffte er sich etwas Platz, aber die Männer und Frauen, mit denen er es zu tun hatte, waren alle durchtrainiert und wütend.

    Das konnte ja heiter werden.

    »Clive! Paß auf!«

    Doch der italienischstämmige G-man hatte schon den Angreifer aus den Augenwinkeln registriert und schickte ihn mit einem unsanften Kick in die Magengegend ein paar Yard zurück. Der Getretene stolperte gegen einige seiner Kumpane, und drei davon stolperten zu Boden.

    Blacky packte einen Angreifer im Adidas-Outfit und hob ihn einige Inches vom Boden hoch. Die Nebenstehenden keuchten überrascht auf. Anscheinend hatte keiner von ihnen dem Indianer eine solche Kraft zugetraut. Dann stieß der G-man seinen Gegner in die Menge. Ein halbes Dutzend Biker ging schreiend zu Boden. Es entstand eine Lücke.

    Leider nur für Sekunden. Schon waren andere Buntgekleidete da, um den Platz ihrer Kameraden einzunehmen.

    Ein Schuß dröhnte durch den weitläufigen Raum, und sofort griff Blacky nach seinem .38er in der Gürtelhalfter. Doch der Graukopf hinter dem Schreibtisch hatte mit seinem schweren Colt Peacemaker nur in die Decke gefeuert.

    »Wollt ihr wohl die G-men nicht von ihrer Arbeit abhalten!« raunzte er seine Radkuriere an. »City Speed ist ein anständiges Unternehmen!«

    Die Girls und Boys traten jetzt murrend zur Seite. Sie alle waren abhängig von City Speed. Wenn ihnen der Graukopf keine Aufträge mehr gab, waren sie erst mal pleite, denn Hunderte von Bewerbern warteten schon sehnsüchtig darauf, ihre Plätze einnehmen zu können.

    Zeeiy und Clive Caravaggio rasten die Treppe hinunter. Doch von ›Tex‹ Dillon fehlte inzwischen natürlich jede Spur.

    ***

    »Sehen Sie?« sagte der alte Mann. »Das ist Al Bundy!«

    »Ja, ich hab's mitbekommen, Grandpa«, rief mein Freund und Kollege Milo Tucker mit lauter Stimme. Und dann flüsterte er Annie und mir zu: »Dieser Oldie macht mich wahnsinnig. Der Fernseher läuft ununterbrochen, seit ich aufgewacht bin.«

    Wir saßen am Bett meines verletzten Freundes. Er lag in einem Zweibett-Zimmer des Bellevue Hospital. Sein Köpf war mit einem dicken Verband versehen. Doch momentan sah es so aus, als würde er weniger unter seiner Verletzung als unter dem TV-Konsum seines Zimmergenossen leiden.

    »Heute ist ein guter Tag!« griente der Senior. »Gleich kommt noch ›Califomia Clan‹. Danach ›L.A. Law‹. Und dann ›Wunderbare Jahre‹. Und dann…«

    »Ich kann es kaum erwarten!« stöhnte Milo. Dabei verzog er das Gesicht, als hätte er gerade in eine Zitrone gebissen. »Der Alte kann einem leid tun«, raunte er. »Kennt nichts von der Welt als seine verflixten Serien. Aber mich nervt es trotzdem.«

    »Du wirst sicher bald entlassen werden«, tröstete ihn Annie und tätschelte seine Hand, die auf der Bettdecke lag.

    »Und inzwischen darf Jesse mit dir Dienst tun, mein Schatz«, entgegnete Milo mit gut gespielter Entrüstung. »Da könnte man ja glatt eifersüchtig werden!«

    Wir lachten alle drei. Annie und ich freuten uns, daß Milo anscheinend nicht ernsthaft verletzt war. Und vor allem seinen Humor nicht verloren hatte.

    Der Alte hielt entrüstet den Finger an den Mund und zischte. Auf dem Bildschirm nahm gerade ein Schönling eine Frau mit großen Kuhaugen in seine starken Arme.

    »Hast du deinen Angreifer sehen können?« wollte ich von meinem Freund wissen.

    Er nickte. »Ich habe mit ihm gerungen. Dabei hatte ich sein Gesicht direkt im Blickfeld.« Ich zückte meinen Notizblock.

    »Der Täter ist zwischen dreißig und fünfunddreißig Jahre alt«, fuhr Milo fort. »Ein Latino. Schwarze Haare, ein bleistiftdünner Schnurrbart. Nase spitz und leicht nach links gebogen. Sehr kurze Koteletten. Direkt unter dem linken Auge eine sichelförmige Narbe. Die Figur ist mager und drahtig. Größe etwa 5 foot, 3 Inch. Er war mit einem etwas abgetragenen Nadelstreifenanzug bekleidet. Die Krawatte…«

    »Verzeihen Sie, wenn ich mich einmische«, rief der Alte herüber. »Aber der Mann, den Sie beschreiben, sieht haargenauso aus wie Don Diego aus ›Verfluchte Schönheit‹.«

    Wir starrten ihn alle drei mit offenen Mündern an.

    »Ich… ich dachte, Sie wären schwerhörig«, brachte Milo schließlich hervor.

    »Bin ich auch.« Der anderen Patient lächelte. »Aber nur, wenn mein Hörgerät nicht eingeschaltet ist. Ich habe hier neulich ein Foto von Don Diego gesehen.«

    Er blätterte in einer Ausgabe der Programmzeitschrift ›TV Guide‹. Endlich hatte er die passende Seite aufgeschlagen und warf das Magazin auf die Bettdecke meines Freundes.

    »Das ist er!« rief Milo verblüfft. »Dieser Schauspieler sieht meinem Angreifer zum Verwechseln ähnlich.«

    »Den übernehme ich«, entschied unsere Kollegin Annie Franceso, die selbst puertoricanischer Abstammung ist. »Latinos sind meine Spezialität. Hola, muchachos!«

    ***

    Scott Hamilton fühlte sich wie ein König, als er das FBI-Gebäude an der Federal Plaza verließ. Er wurde des betrügerischen Bankrotts, der Brandstiftung und des Mordes verdächtigt. Aber man konnte ihm nichts beweisen.

    Der hoch gewachsene magere Mann war der festen Überzeugung, die Verhörspezialisten des FBI wie Tanzbären am Nasenring vorgeführt zu haben. Sein kriminelles Gehirn schmiedete ununterbrochen an neuen aufsehenerregenden Plänen, mit denen er den richtig großen Reibach machen wollte…

    Die Gedanken des Verbrechers schweiften in die Vergangenheit, während er mit den Händen in den Taschen und pfeifend Richtung World Trade Center schlenderte, um irgendwo ein stilvolles spätes Mittagessen einzunehmen. Seit den bescheidenen Anfängen seiner Karriere hatte Hamilton immer mit mindestens einem Bein in der Gesetzlosigkeit gestanden. Aber er war immer clever genug gewesen, um nicht ertappt zu werden.

    Schon auf der Universität hatte der gerissene Bursche einen ganzen Stab von fleißigen - und ärmeren - Studienkollegen beschäftigt, die ihm gegen gutes Honorar das Lernen abnahmen. Seine Abschlußarbeit hatte in Wirklichkeit ein verarmter Ex-Professor geschrieben.

    Hamilton mußte grinsen, als er daran zurückdachte. Er selbst hatte eine Belobigung für seine Leistung erhalten!

    Und so war es weitergegangen. Besonders in den turbulenten achtziger Jahren hatte es der Skrupellose verstanden, Gesetze so lange zu biegen, bis sie brachen, ohne daß man ihm was nachweisen konnte. Sein letzter Coup war der Bankrott von Software Services gewesen. Eine feine kleine Firma. Mit Überweisungen an nicht vorhandene Geschäftspartner hatte er daraus ein feines kleines Vermögen für sich herausgezogen. Daß das FBI auf ihn aufmerksam geworden war, störte Scott Hamilton eigentlich schon gar nicht mehr.

    Er hatte ein ganz großes Ding vor. Eine Sache, die ihn unangreifbar machen würde.

    Hamilton betrat ein gemütliches französisches Restaurant. Der Kellner im Frack begrüßte ihn mit einer tiefen Verbeugung. Der Verbrecher ließ sich die Speisekarte und das Telefon bringen. Orderte einen Martini als Aperitif.

    Und dann wählte er die Nummer der New York Times.

    »Spreche ich mit der Zentrale? Geben Sie mir bitte die Anzeigenabteilung…«

    ***

    Ich stand vor dem luxuriösen Apartmenthaus am Central Park West. Dies war die Adresse, wo der Radkurier Tex Dillon einen Umschlag von Software Services hatte hinbringen sollen. Ein Auftrag, der von Scott Hamilton erteilt worden war. Soviel hatten meine Kollegen Blacky und Clive Caravaggio aus dem Besitzer der Radkurierfirma City Speed herausbekommen.

    Vielleicht war ja auch der Inhalt des Umschlags verantwortlich für die affenartige Eile des Asphalt-Cowboys, hatte ich mir gedacht. Und deshalb drückte ich nun auf den Klingelknopf, unter dem ›Dorene Esterhazy‹ stand. Laut City Speed war sie die Lady, die die Sendung erhalten sollte.

    »Wer ist da?« Eine blecherne Stimme aus der Gegensprechanlage.

    »Jesse Trevellian. FBI New York. Ich habe einige Fragen wegen eines Umschlags.«

    Für einen Moment hörte ich nur das Rauschen, das entsteht, wenn jemand den Knopf der Sprecheinrichtung drückt, aber nichts sagt. Vor Verwunderung oder vor Angst? Dann ertönte die weibliche Stimme wieder: »Kommen Sie rauf.«

    Ich fuhr mit dem Lift in den dritten Stock. Innen im Hausflur gab es einen Plan, der Besuchern verriet, welcher Mieter auf welcher Etage wohnte.

    Die Dame des Hauses erwartete mich. Ich hielt ihr meinen Dienstausweis entgegen. Sie prüfte ihn, als wollte sie mit ihren Blicken Löcher in das Metall des Abzeichens brennen.

    Auf drei Meilen sah ich ihr an, daß sie völlig aufgekokst war. Ich habe in meinem Job mehr als genug Süchtige gesehen. Mir kann man nichts mehr vormachen. Okay, mit ihren Jil Sander- und Armani-Klamotten trennten sie Welten von den minderjährigen Heroinhuren an der 42nd Street. Aber nur äußerlich. Innerlich waren sie alle gleich. Es gab in ihrem Leben nichts als die Gier nach dem Stoff. Er mußte beschafft werden. Egal, mit welchen Mitteln.

    »Wo brennt's denn, G-man?« Sie gab sich noch cool, als sie in ihrem Designersofa Platz nahm. Dorene Esterhazy strahlte auf den ersten Blick noch Erfolg und Selbstsicherheit aus. Aber ich erkannte, daß sie schon auf ›Reserve‹ lief. Es würde nicht mehr lange dauern, bis sie ›Nachschub‹ brauchte. Und wo bekam sie den her? Sie sah nicht so aus, als würde sie hinter einem schmierigen kleinen Koks-Dealer herlaufen, der irgendwo in einem Slum sein Revier abgraste.

    »Wir suchen einen Mann«, begann ich. Dabei ließ ich sie nicht aus den Augen. »Sein Name ist Henry Dillon. Er wird auch Tex genannt, wegen seiner Herkunft aus dem Lonestar-Staat. Er arbeitet als Radkurier für die Firma City Speed.«

    »So jemanden soll ich kennen?« höhnte sie eine Spur zu schnell und abweisend. »Sehe ich aus, als ob ich mit solchen Drahtesel-Cowboys verkehren würde?«

    »Kennen Sie Henry Dillon?«

    Ihr Blick flackerte. Lag es am Stoff oder an ihrer aufkeimenden Nervosität? Ich hatte ruhig und eindringlich gesprochen. Dabei war offen geblieben, wieviel das FBI schon wußte. Das konnte nur vorteilhaft sein.

    »Ich.’, ich habe heute ein Päckchen mit einem Radkurier zugestellt bekommen«, rückte sie schließlich mit der Sprache heraus. Die attraktive blonde Frau warf ihr Haar zurück und sah mir in die Augen. Nach einigen Sekunden schlug sie den Blick nieder.

    »Darf ich fragen, was in dem Päckchen war, Miss Esterhazy?«

    »Das dürfen Sie nicht!« platzte sie heraus. »Das wird ja immer schöner! So was ist ja wohl meine Privatsache, oder? Und überhaupt - geht es nun um diesen Dillon oder um mich?«

    »Das weiß ich noch nicht«, antwortete ich wahrheitsgemäß. In diesem Moment ging die Türglocke.

    »Entschuldigen Sie mich bitte.«

    Hüftschwingend stolzierte sie an mir vorbei zur Wohnungstür.

    Sie betätigte die Gegensprechanlage.

    »Du?« Ihre Stimme klang etwas schrill, wurde aber sofort leiser. »Hast du noch nicht genug? Ich kann jetzt nicht, hörst du! Ich…«

    Plötzlich hatte ich eine Erleuchtung. Wie die Steinchen eines Mosaiks fügten sich die Dinge zusammen. Auf dem Weg von der Tür zum Wohnzimmer hatte ich durch eine nur halb geschlossene Zimmertür auf ein zerwühltes Bett gesehen. Was, wenn Dillon ihr den Stoff gebracht hatte? Was, wenn er sich mit Sex hatte bezahlen lassen? Was… wenn er nun schon wieder vor der Tür stand?

    Ich sprang auf und lief hinaus. Die Süchtige rief mir entsetzt etwas nach, doch ich hörte schon nicht mehr hin. Wenn ich den Überraschungsmoment nutzte, konnte ich den Vogel einfangen wie einen liebeskranken Papagei.

    Der Fahrstuhl war unterwegs. Ich rannte die Treppen hinunter, nahm immer drei Stufen auf einmal. Ein Stockwerk, dann das nächste…

    Erdgeschoß.

    Durch die Milchglasscheibe der Außentür sah ich eine lange Gestalt, die anscheinend weiterhin erfolglos auf den Klingelknopf von Dorene Esterhazy drückte.

    Mit Schwung riß ich die Tür auf. Das war der Mann, der mich bei Software Services vor wenigen Stunden angerempelt hatte. Roter Radhelm, hageres Gesicht, dunkle Sonnenbrille.

    Wir sahen uns an.

    »FBI! Sie sind verhaft…«

    Er reagierte mit bewunderungswürdiger Schnelligkeit. Bevor ich den Satz beenden konnte, hatte er seinen Kopf gesenkt und mir den Helm gegen das Kinn gerammt.

    Ich flog gegen die Hauswand. Aber zum Glück war ich nicht ausgeknockt. Er hatte den ›Punkt‹ nicht getroffen.

    Sterne sah ich trotzdem.

    Der Radkurier schwang sich auf sein Bike und düste in den dichten Verkehr, der sich auf dem Central Park West südlich in Richtung Eighth Avenue quälte. Reifen quietschten. Empörte Autofahrer hupten. Aber da war der Kerl schon ein paar Wagenlängen vor ihnen.

    Es gab nur eine Möglichkeit, ihn noch zu kriegen. Ein Highschool Kid auf einem Mountain Bike kam mir gerade Recht. Ich sah den Teenager heranrollen und hielt meine FBI-Marke hoch. Er war schlau genug, sofort anzuhalten.

    »Hab' ich gegen 'ne Regel verstoßen?« quäkte er. Der Stimme nach schien er gerade im Stimmbruch zu sein.

    »Das wollen wir nicht hoffen«, stieß ich hervor. »Polizeieinsatz! Gib mir dein Rad. Kannst es dir an der Federal Plaza abholen!«

    Der Junge reagierte flott. Er kannte solche Szenen wohl aus der Flimmerkiste. Ich schwang mich in den Sattel, duckte mich tief über die Lenkstange und trat kräftig in die Pedale.

    Milo hätte jetzt vielleicht gelästert und mir keine Chance gegen den routinierten Radkurier eingeräumt. Aber ich bin ja auf dem flachen Land aufgewachsen, in Harpersvillage. Dort leben Jugendliche praktisch auf dem Fahrrad, bevor sie sich mit Tausenden von Stunden Rasenmähen und Erntemithilfe ihr erstes Auto zusammengejobbt haben. Das war mein Vorteil. Ich wußte, wie man das letzte aus einem Drahtesel herausholen konnte.

    Tex Dillon schien zunächst nicht zu bemerken, daß er verfolgt wurde. Er hielt es wohl für ausgeschlossen, daß ein New Yorker G-man ihm auf einem Rad nachjagen würde. Ich holte gewaltig auf.

    Aber dann warf er doch einen Blick über die Schulter nach hinten. Sein Gesicht verzog sich zu einer haßerfüllten und überraschten Visage.

    Mit einem lebensgefährlichen Manöver riß er sein Gefährt herum und nutzte eine Lücke auf der Gegenfahrbahn. An der 86th Street verließ er die Straße und bog durch einen der vielen Eingänge in den Central Park ab. Bei der nächsten Gelegenheit folgte ich ihm in das Gelände der grünen Lunge New Yorks.

    Auf 340 Hektar breitet sich hier inmitten Manhattans eine wunderbare Natur-Oase aus. Leider hatte ich im Moment keinen Sinn für diese friedliche Atmosphäre. Ich war vollauf damit beschäftigt, den rücksichtslos dahinrasenden Tex Dillon einzufangen.

    Die Spaziergänger stoben auseinander, als er zwischen ihnen hindurchbretterte. Der Radkurier schnitt auch eine der Pferdekutschen, mit denen sich japanische Touristen durch den Park spazieren fahren ließen. Die Gäule scheuten. Der Texaner zog einige fernöstliche Verwünschungen auf sich.

    Die Straßen im Central Park sind deutlich unterteilt. Es gibt Spuren für Autos, Kutschen, Inline-Skater und Radfahrer, doch darum kümmerte sich Dillon einen Dreck.

    Meine Oberschenkelmuskeln schmerzten inzwischen, doch trotzdem schaffte ich es, den Abstand zwischen uns stetig zu verringern. Ich holte alles aus mir raus, damit mir der Bursche nicht mehr durch die Lappen ging.

    Dillon verließ nun das breite Asphaltband und fuhr querfeldein. Dabei rammte er wieder einen Spaziergänger, und mit einem Schmerzenslaut fiel der junge Mann zu Boden. Ich preßte die Zähne aufeinander. Es wurde Zeit, daß ich Tex Dillon aus dem Verkehr zog!

    Doch der Zusammenprall hatte Dillon aus dem Gleichgewicht gebracht. Er und sein Bike schwankten, er bekam den Drahtesel nicht mehr unter Kontrolle - und stürzte scheppernd um.

    Ich machte eine Vollbremsung, sprang vom Sattel und war dann bei ihm.

    Dillon empfing mich mit einem gemeinen Tritt, dem ich gerade noch ausweichen konnte. Ich tauchte weg und hieb ihm auf die kurze Rippe. Da blieb ihm die Luft weg.

    Viel Federlesens machte ich nicht mit ihm. Ich nahm nur kurz Ziel und ließ dann meine rechte Faust auf sein Kinn krachen. Denn ich weiß, wo der ›Punkt‹ liegt.

    Als er zu Boden ging, klatschten einige Spaziergänger Beifall. Ich zückte meine Handschellen.

    ***

    Annie Franceso tauchte ein in eine Welt, die einmal die ihre gewesen war. East Harlem wurde früher auch Spanish Harlem genannt, heute sagen alle Leute nur noch El Barrio. Das spanische Wort für Elendsviertel.

    Diese Straßenzüge östlich der Fifth Avenue zwischen 103rd und 125th Street waren traurig und gefährlich zugleich. Außer in der South Bronx fand man nirgendwo in New York so viele ausgebrannte und leerstehende Häuser. 200.000 Menschen lebten hier, die meisten aus südamerikanischen Ländern - Mexiko, El Salvador, Nicaragua, Paraguay, Kuba Venezuela… und natürlich aus Puerto Rico, der Heimat von Annie Francesos Eltern.

    Unsere Kollegin fiel nicht auf zwischen den Massen von Barrio-Bewohnern, die sich über den legendären Markt ›La Marqueta‹ unter den Hochbahn-Pfeilern schoben. Erstens ist sie selbst eine Latina. Und zweitens hatte sie für ihren Besuch in diesem Slum ihr seriöses FBI-Äußeres abgelegt und sich in eine abgetragene Jeans und ein Lakers-T-Shirt geworfen, das über der Hose hing. So verdeckte es den Smith & Wesson, den sie in der Gürtelhalfter trug.

    Es gab nichts, was es nicht gab auf dem La Marqueta. Alte Peruanerinnen boten bunte gewebte Decken an, gerissene Salvadorianer hatten Schmuggelzigaretten im Angebot, Mexikanerinnen verkauften flamencotanzende Puppen und Heiligenbildchen, man konnte Parfüm in Literflaschen kaufen und Kastagnetten…

    Doch die FBI-Agentin war nicht zum Einkäufen hier. Sie war auf der Jagd. Sie wollte den Kerl schnappen, der Milo Tucker niedergeschlagen hatte und aussah wie der Serienschauspieler Don Diego.

    Doch allein würde sie lange suchen zwischen den 200.000 Latinos in El Barrio. Es gab einen Mann, der ihr helfen konnte. Auch wenn er davon nicht sehr begeistert sein würde. Und El Marqueta war sein Revier.

    Annie Franceso lief eine Stunde lang herum, bevor sie ihn aufstöberte. Sie beobachtete zufällig einen alten Mann, der gerade einen Sixpack Bier der mexikanischen Marke Carta Bianca gekauft hatte. Und seine Geldbörse wieder in die Hosentasche steckte. Einen Sekundenbruchteil später hatte ein dünner junge Mann mit langen Haaren und Dreitagebart seine gelenkigen Finger nach der Beute ausgestreckt.

    Doch bevor sich seine Hand um die Börse schließen konnte, drehte ihm Annie Geraldö den anderen Arm schmerzhaft auf den Rücken.

    Der Langhaarige schrie auf und zog seine Finger von der Geldbörse zurück. Er drehte den Kopf.

    »A… Annie Franceso!« keuchte er überrascht.

    »Paco Hernandez.« Unsere Kollegin grinste, wobei sie die Zähne fletschte wie eine Pantherin. »Hast immer noch flinke Finger, wie ich sehe.«

    Der alte Mann trottete davon. Er hatte nichts von der Szene hinter seinem Rücken mitgekriegt.

    Der Taschendieb versuchte freizukommen. Aber die Kung-Fu-Kämpferin hielt ihn in eisernem Griff.

    »Warum so eilig, mi querido? Freust du dich gar nicht, mich wiederzusehen?« höhnte die FBI-Agentin.

    Annie Franceso kannte Paco Hernandez noch aus der McKee School. Sie waren zusammen aufgewachsen. Irgendwann hatten sich ihre Wege dann getrennt. Annie hatte ein Stipendium für arme, aber begabte Slumkinder erhalten und Jura studiert. Und Paco war Kleinkrimineller geworden. Annie Franceso war nur hin und wieder auf seinen Namen gestoßen, wenn sie die Fahndungslisten der City Police durchgesehen hatte. Mit dem FBI hatte er nie zu tun gehabt. Die Bundespolizei befaßt sich nicht mit geklauten Geldbörsen und aufgebrochenen Lagerschuppen…

    »Du arbeitest für die andere Seite, chica!« stieß der Dieb wütend hervor. »Du bist nicht mehr eine von uns!«

    Annie zog die Augenbrauen hoch und machte mit ihrem freien Arm eine ausladende Bewegung. »Willst du behaupten, daß alle diese Menschen krumme Dinger drehen? Das stimmt nicht. Es gibt überall faule Früchte -ob in El Barrio oder an der Wall Street. Aber mach dir mal nicht in die Hosen. Ich will dich gar nicht verhaften, hombre. Nur ein bißchen plaudern.«

    Mißtrauisch zog der Taschendieb die Schultern hoch und ließ sich von Annie zu einer kleinen schmierigen Cantina an der 110th Street führen. Passanten hätten die beiden für ein Liebespaar halten können. Doch Annie hatte nur ihren Arm um seine Hüfte geschlungen, damit er nicht abhauen konnte.

    Dann saßen sie sich bei fetttriefenden Tortillas und Kaffee aus angesprungenen Tassen gegenüber.

    »Was willst du denn nun, Miss FBI?« zischte Paco Hernandez.

    Annie Franceso zog ein zusammengefaltetes Papier aus der Jeans und reichte es ihm wortlos. Die Augen des Diebs quollen vor Überraschung aus dem Kopf.

    »Don Diego aus ›Verfluchte Schönheit‹? Willst du hier mit mir über Seifenopern plaudern, chica?«

    »Natürlich nicht, stupido. Kennst du einen nicht ganz astreinen Latino, der diesem Schauspieler verdammt ähnlich sieht?«

    »Hm…« Paco Hernandez schien angestrengt zu überlegen. Dann blitzte es in seinen Augen auf. Ein bauernschlauer Ausdruck erschien auf seinem Gesicht. »Und was ist, wenn ja?«

    »Wenn ja«, schnauzte Annie mit eiskalter Stimme, »dann legst du besser die Karten auf den Tisch. Denn wir finden diesen Burschen so oder so. Wenn du auspackst, geht es vielleicht schneller. Aber wenn ich ihn allein auftreiben muß und rauskriege, daß du ihn gekannt hast«, - sie machte eine Kunstpause - »dann hast du eine Anklage wegen Beihilfe zum Mord am Hals, mein armer Jugendfreund. Und dafür sitzt man etwas länger als für das Klauen von zwei Wassermelonen!«

    Der kleine Ganove senkte den Kopf. Er kannte seine ehemalige Schulkollegin. Wenn sie etwas wollte, bekam sie es auch. Deshalb war sie ja auch aus El Barrio rausgekommen. Paco Hernandez kniff den Schwanz ein wie ein Straßenköter.

    »Also gut, Annie. Aber ich schwöre dir bei der Madonna, daß ich nichts von einem Mord weiß. Es gibt einen Mann, der fast genauso aussieht wie Don Diego. Hier, mitten in El Barrio.«

    Die FBI-Agentin trommelte ungeduldig mit den Fingerspitzen auf die abgeschabte Tischplatte. »Weiter!«

    »Dieser Mann heißt Jorge Ramirez. Er hat sich spezialisiert auf Büros. Das heißt, er wirft sich in einen Anzug und verschafft sich unter einem Vorwand Zutritt zu Bürogebäuden überall in Manhattan. Und da treibt er sich dann herum. Wartet darauf, daß ein Zimmer mal verwaist ist. Und dann wühlt er den Schreibtisch durch. Oder klaut das Geld aus der Kaffeekasse.«

    Annie ging ein Licht auf. Das paßte! Es würde auch erklären, warum es dieser Bursche so eilig gehabt hatte.

    »Muy bien, Paco«, sagte sie und lächelte freundlich. »Jetzt brauche ich nur noch eins von dir. Seine Adresse…«

    ***

    Owen Chambers' Gesicht war vom Kampf gegen den Krebs gezeichnet. Jahrelang hatte er alles versucht. Vergeblich. Chemotherapie, Tabletten, Bestrahlungen, Diät. Nichts hatte etwas genutzt. Die Metastasen hatten sich weiter ausgebreitet. Und nun stand er mit zitternden Knien vor diesem Mann. Dem Mann, der seine letzte Hoffnung war.

    »Da hätten wir also Mr. Owen Chambers«, sagte der Heiler. Er war ein sehr großer schlanker Mann. In Chambers' Augen die personifizierte Gesundheit. Der Krebspatient konnte sich nicht vorstellen, daß dieser Mann selbst jemals krank gewesen war. Er wollte es sich nicht vorstellen. Er wollte, daß dieser Heiler auch ihm die Gesundheit schenkte.

    »Die Ärzte haben Sie aufgegeben, Mr. Chambers«, sagte der Hochgewachsene mit brutaler Offenheit. »Und nun kommen Sie zu mir.«

    »Ja, Sir«, erwiderte der Kranke unterwürfig. Er hatte Tränen in den Augen.

    Die beiden Männer saßen sich in einem Konferenzraum des legendären Carlyle Hotels gegenüber. Der Heiler hatte hier einige Räume für seine Behandlungen gemietet. Medizinische Geräte brauchte er nicht. Er war ja kein Arzt, sondern ein Wundermann. Jedenfalls glaubten das die Leute, die zu ihm kamen.

    »Ich werde Sie heilen, Mr. Chambers«, sagte der Mann. »Aber das wird nicht billig. Sie hätten schon viel früher zu mir kommen müssen.«

    »Ich zahle, was Sie wollen, Sir. Ich habe Ihre Anzeige leider erst gestern in der New York Times gesehen. Wenn ich schon früher…«

    »Ihr Herz hätte Ihnen schon früher den Weg zu mir weisen können«, schnitt der Wunderheiler seinem ›Patienten‹ das Wort ab. »Sie müssen verstehen, daß ich das Geld nicht für mich will. Ich brauche nichts. Aber wenn ich Sie heile, verbrauche ich damit geistige Energie. Und diese Energie muß ich wieder aufladen, verstehen Sie? Wie eine Batterie.«

    »Und wie geht das?« fragte Owen Chambers, gläubig wie ein Kind vor dem Weihnachtsmann.

    »Das geht, indem ich Geld - Ihr Geld für arme Menschen spende. Dadurch fließt die Energie ihrer Dankbarkeit in meinen Körper zurück. Und ich habe wieder neue Kraft, um weiteren angeblich hoffnungslosen Fällen zu helfen.«

    Chambers züchte sein Scheckbuch. »Wieviel brauchen Sie?«

    »Sie haben mich nicht verstanden.« Der Heiler tat überzeugend, als wäre er beleidigt. »Ich brauche gar nichts. Sie geben mir, was Sie erübrigen können. Sie müssen selber wissen, wieviel Ihnen Ihre Gesundheit wert ist.«

    Der Krebspatient überlegte nicht lange, sondern füllte mit zitternden Fingern einen Scheck der Chase Manhattan Bank aus. Als Summe trug er 50.000 Dollar ein. Dann überreichte er das Stück Papier dem hoch gewachsenen Mann.

    Dieser steckte es wortlos in die Tasche.

    »Nun entspannen Sie sich«, schnarrte der Wunderheiler. Er stand auf, ging um den Tisch herum und legte seine Hände auf den Kopf des Kranken. Die Daumen ruhten auf der Stirn, direkt über den Augen. »Fühlen Sie, wie meine gesunde Energie in Sie hineinströmt. Spüren Sie, wie die freundlichen Kräfte des Kosmos den Dämon Ihrer Krankheit vertreiben…«

    »Ich spüre es!« rief Owen Chambers begeistert. »Ich spüre es ganz deutlich, Mr. Hamilton!«

    ***

    Tex Dillon hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Beleidigt blinzelte er mich aus den Augenwinkeln an. Wir saßen uns in einem Verhörraum an der Federal Plaza gegenüber.

    »Ich habe nichts getan!« rief der Radkurier. »Ich will meinen Anwalt sprechen!«

    »Nichts getan?« wiederholte ich spöttisch. »Widerstand gegen die Staatsgewalt, Angriff auf einen Bundesbeamten im Dienst. Wenn Sie nichts getan haben, Mr. Dillon - wieso sind

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