Mein holpriges Leben, einige Missgeschicke, und wie ich schließlich die große Liebe fand
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Über dieses E-Book
Gerhard Krumschnabel
Gerhard Krumschnabel, geboren in Kufstein, lebt in Innsbruck und arbeitet als freiberuflicher Schreiber wissenschaftlicher Texte. Dies ist sein dritter Roman.
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Buchvorschau
Mein holpriges Leben, einige Missgeschicke, und wie ich schließlich die große Liebe fand - Gerhard Krumschnabel
Gewidmet meinen Geschwistern, wie schön, dass es uns alle immer noch gibt.
You Can´t Always Get What You Want.
M. Jagger/K. Richards
Dieses Leben scheint unerträglich, ein anderes unerreichbar.
F. Kafka
Inhalt
Verstörung
Bruno
Kontakt (mein eingebildeter Mord)
Schule des Lebens (Ein Kind)
Der Großvater
Mein erstes Missgeschick (eine Freundschaft)
Auf der Erde und in der Hölle
Emma
Der Schein trügt
Holzfällen
Die Königin
Die Ursache – eine Andeutung
Zwischenspiel
Die Billigesser
Die Rosen der Einöde
Die Annäherung
Konkurrenten
Unter dem Eisen des Mondes (mein erster Mord)
Ciorbă de burtă
Rache – ein Nachlass
Albert
Korrektur
Auslöschung (mein zweiter Mord)
Frost
Ein Kind
Ungenach (mein dritter Mord)
Ja
Das Duell der Selbstmörder
Beton
Der Untergeher
Die Kälte. Eine Isolation
Der Atem. Eine Entscheidung
Verstörung
Ich war etwas früher gekommen und wartete bereits eine knappe halbe Stunde, als sie endlich am Ausgang erschien. Ich hatte mich auf der anderen Seite der Straße postiert, so dass sie mir nicht gleich am Eingang in die Arme laufen würde, – das hielt ich für zu forsch, zu aufdringlich, schließlich würde sie mich ja nicht erwarten – aber ich stand doch so, dass sie mich unweigerlich entdecken müsste, noch kurz Zeit hätte, sich zu sammeln, und, so hoffte ich wenigstens, ihre Freude zu zeigen, ehe sie auf mich zukommen würde. Die ganze Zeit über hatte ich konzentriert das Portal im Auge gehabt, um ihr nur ja im entscheidenden Moment mein Lächeln schenken zu können und keinesfalls, gerade woandershin blickend, wie nur zufällig anwesend zu wirken. Das war mir gar nicht so leicht gefallen angesichts der zahlreichen jungen Krankenschwestern und Ärztinnen, die ständig mein Gesichtsfeld kreuzten, viele davon durchaus reizvoll in ihren engen weißen oder blauen Hosen und Oberteilen. Und auch in anderer Hinsicht bietet ein Krankenhaus zahlreiche Möglichkeiten der Ablenkung, scheint als Ort prädestiniert für die Aufführung kleiner Dramen, sowohl im Inneren als auch in seinem äußeren Umfeld. So konnte ich beobachten, wie ein älterer Mann im weißen Kittel aus dem Gebäude kam, die Hände in die Taschen gesteckt, und sich mit schnellen Schritten vom Eingang entfernte, offenbar auf ein Nachbargebäude zusteuernd. Nur wenige Sekunden später trat ein junger Mann in Straßenkleidung durch die Tür, blickte sich suchend um, entdeckte den ersten Mann und eilte ihm etwas Unverständliches rufend hinterher. Nachdem er ihn rasch eingeholt hatte, riss er ihn am Kittel, worauf sich der ältere Mann ihm zuwandte und die beiden miteinander redeten, der junge Mann aufgeregt gestikulierend, der ältere abwechselnd nickend und verneinend den Kopf schüttelnd. Dann drehte sich der ältere Mann, den ich nunmehr für einen Arzt zu halten begann, wieder um und setzte seinen Weg fort. Doch nur wenige Sekunden später schon wiederholte sich das eben Gesehene, der jüngere Mann lief dem älteren nach, holte ihn ein, zerrte ihn erneut am Kittel und wieder drehte sich der mutmaßliche Arzt zu ihm hin. Diesmal sprach er lauter mit dem jüngeren, schrie vielleicht sogar, man konnte nun seine Stimme hören, ohne aber zu verstehen was gesprochen wurde. Und dann riss er sich wiederum los und ging raschen Schrittes fort vom jüngeren Mann. Dieser folgte ihm nun nicht mehr nach, sondern blieb scheinbar unschlüssig stehen, ließ seinen Kopf langsam nach vorne sinken und machte mit hängenden Schultern kehrt. Und während er sich langsam zurück zur Eingangstür schleppte, sah man seinen Körper wiederholt erbeben, in unregelmäßigen Abständen von einem Weinkrampf gebeutelt, bis er durch die Tür ins Gebäude trat und wieder aus meinem Blickfeld verschwand.
Ich war gerade noch dabei, das beobachtete Drama einzuordnen, die Geschehnisse zu deuten, als ich sie plötzlich dort stehen sah. Sie war direkt am Eingang stehen geblieben, eine braune Ledertasche über die Schulter gehängt, an ihrer offenen beigen Jacke nestelnd, und sie würde jeden Moment zu mir herüberschauen und sich unser beider gemeinsames Schicksal entscheiden, endlich. Für einen Moment schien sie noch abgelenkt, sie wandte sich halb um und hob winkend ihre linke Hand, es hatte ihr wohl jemand einen Abschiedsgruß nachgerufen aus dem Inneren des Gebäudes. Dann begann sie ihre Jacke zuzuknöpfen und ließ währenddessen ihren Blick schweifen, ganz offenkundig ohne besondere Konzentration auf irgendetwas, bis sich unsere Blicke trafen. Sie schien kurz irritiert, ihre Stirn legte sich in Falten, wohl im Versuch das Gesehene zu verarbeiten, und im nächsten Moment weiteten sich ihre Augen, ein Ausdruck des Erstaunens lag auf ihrem Gesicht und ich grinste breit, bereit sie zu empfangen, sie vielleicht sogar in meine Arme zu schließen. Doch statt sich mir zu nähern, machte sie plötzlich kehrt, ging zurück durch den Eingang und verschwand im Krankenhaus.
Perplex verzog sich mein Lächeln zu einer Grimasse des Zweifels, ich blieb unschlüssig stehen, überlegte, was das bedeuten konnte. Hatte sie etwas vergessen, war sie nur kurz zurückgegangen in ihre Station, um es zu holen und in wenigen Sekunden oder Minuten wieder am Eingang zu erscheinen, um mir endlich gegenüberzutreten? Musste sie vielleicht sogar etwas holen, das mich betraf, etwas, das ihr bei meinem Anblick eingefallen war, das mir zu bringen und zu geben bei unserer ersten Begegnung ihr ein Anliegen war? Auch wenn ich mir nicht ausmalen konnte, was dies sein könnte, trat ich nervös von einem Bein auf das andere, wartete ich zunehmend ungeduldig, während Minute um Minute verstrich und sie nicht am Ausgang erschien, wartete und wartete, bis mir doch langsam Zweifel kamen. Würde sie gar nicht wieder kommen? Hatte sie mich vielleicht gar nicht gesehen? Hatte ich mich geirrt und ihr erstaunter Blick hatte nicht mir gegolten, sondern war das Resultat ihrer plötzlichen Erkenntnis gewesen, etwas vergessen zu haben? Oder hatte sie vielleicht einen unerwarteten Anruf bekommen, einen Klingelton hätte ich auf diese Entfernung kaum wahrgenommen, ein lautloses Vibrieren ihres Handys unmöglich registriert.
Ich wartete trotzdem noch eine Weile, ließ eine halbe Stunde verstreichen, dann eine weitere Viertelstunde, bis ich enttäuscht beschloss aufzugeben, zu akzeptieren, dass etwas dazwischen gekommen war und unser erstes Zusammentreffen an diesem Tag nicht Realität werden würde. Ich müsste es wohl am nächsten Tag wieder versuchen, auch da wäre ihr Dienstschluss um dieselbe Zeit vorgesehen, und diesmal würde ich erfolgreich sein. Meine Zuversicht, dass wir dem vom Schicksal vorgezeichneten gemeinsamen Weg unserer beider Leben nicht entkommen konnten, blieb ungebrochen.
Bruno
Mein Name ist Bruno, aber nicht wenige Frauen kennen mich unter dem Namen Julian. Weil ich mich ihnen als Julian vorgestellt habe und nicht als Bruno. Es ist nicht so, dass mir Bruno nicht gefällt, im richtigen Kontext ist Bruno ein guter Name, zum Beispiel, wenn man im Nachnamen Romano heißt, Bruno Romano, das klingt gut und passend, fast wie ein Schauspieler oder ein Popstar. Ein Bekannter aus dem Gymnasium, das ich besuchte, hieß Bruno Romano, sein Vater, Leonardo Romano, war ein italienischer Einwanderer, das ist stimmig, mit diesem Hintergrund ist Bruno Romano ein sehr guter Name. Bruno war zwar nicht hässlich, aber auch nicht gerade ein Schönling, trotzdem hatte er immer großen Erfolg bei den Frauen und im Leben allgemein, er war beliebt, cool, alles, was man sich wünschen kann, und ich glaube, dass sein Name ihm dabei geholfen hat.
Ich heiße Bruno Jelinek, mein Vater Jakob, meine Mutter Heidrun, nichts davon qualifiziert mich dazu, Bruno zu heißen. Meine Eltern hätten mich Hermann, Paul oder Alexander nennen können, jeder dieser Namen wäre passender. Bruno Jelinek, das ist falsch, das klingt sogar in meinen eigenen Ohren nach Möchtegern, nach Betrug, nach Anmaßung. Aber für meine Mutter klang es großartig, für sie schwang mit dem Namen der Klang des Erfolgs mit, von Internationalität, von Coolness. Meine Mutter verband mit dem Namen Bruno die Attribute des in ihren Augen so gut aussehenden und populären Fußballers Bruno Pezzey, einem österreichischen Meister, Nationalspieler, Deutschlandlegionär und später sogar UEFA-Cupsieger. Eine ganze Weile lang warb er im Fernsehen für ein Waschmittel, und dann ist er plötzlich mit 39 an einem Herzinfarkt verstorben, völlig überraschend. Damals schien das für alle unerklärlich, aus heutiger Sicht eher ein Zeichen dubioser Trainingspraktiken. Wer weiß schon, was man den damaligen Sportskanonen so alles verabreicht hat, um sie fit zu machen. Aber egal, Pezzey ist jedenfalls auch ein italienischer Name, wird zwar eher Pezzei geschrieben, aber trotzdem, auch Bruno Pezzey klingt okay, Bruno Jelinek nicht.
Und deshalb nenne ich mich Julian. Oder besser gesagt, nannte ich mich Julian, derzeit habe ich keine Verwendung dafür. Dabei wäre es im Grunde egal gewesen, weil mich die Frauen sowieso nur mit dem Vornamen kennen gelernt haben, da wäre Bruno auch gegangen, aber Julian gefiel mir besser. Auch Julian Jelinek würde gehen, wenn man sich doch einmal besser kennen lernen sollte, und weil ich mir für die Plattform sowieso eine neue Persona zulegen wollte, konnte ich auch gleich meinen Wunschnamen annehmen.
Was meinen Beruf angeht, log ich nicht, beschönigte aber die Tatsachen ein wenig. Ich arbeitete schon damals als selbständiger Computerfachmann, als Mädchen für alles, machte Installationen, kleine Hardware-Reparaturen, organisierte Software und richtete Netzwerke ein. Alles Dinge, die so manch Computerfreak ebenso kann, nur kennt nicht jeder so einen, wenn er einen braucht, und da engagiert man dann eben mich. Aber für die Frauen auf der Plattform war ich Programmierer, Netzwerkadministrator, einfach ein Computer-Tausendsassa, das machte sich viel besser, und ein bisschen von alledem mache ich ja tatsächlich. Was andere Dinge betrifft, Vorlieben, Hobbys und sogar die ideale Partnerin, blieb ich weitgehend vage. Mein Zugang war der, möglichst interessant zu wirken, aber zugleich offen zu bleiben für vieles, mich nicht allzu sehr festzulegen und dadurch selbst einzuschränken. Folglich mochte ich zwar Musik, was ja durchaus der Wahrheit entspricht, war aber nach Bedarf genauso bereitwillig Klassikfan wie ein Freund der Volksmusik oder gängiger Popmusik. Nur Heavy Metal und dergleichen, das ist mir so zuwider, dass ich mit Freude riskierte die wenigen weiblichen Fans zu vergraulen, die sich für diese Störgeräusche erwärmen. Auch für Filme und Bücher bekundete ich Interesse, so wie 90 % aller weiblichen Plattformbewohner. Ob das andere Männer ebenso häufig zu ihren Hobbys rechneten, konnte ich nicht sehen, aber ich vermute es eher nicht. Darüber, über welche Art von Filmen und Büchern ich mich begeistere, ließ ich mich wiederum nicht näher aus, dies sollte je nach meinem Gegenüber „Verhandlungsmasse" sein, die eine Gemeinsamkeit betonen oder beeindrucken würde. So konnte ich zumindest theoretisch für seichte Liebesfilme und Kitschromane genauso aufgeschlossen sein wie für anspruchsvolle gesellschaftskritische Filme, tiefschürfende dramatische Romane oder auch Klassiker, in mir sollte eine jede Frau jemanden zum regen Austausch über das zu finden sich erhoffen dürfen, was sie in ihrem Innersten bewegte.
Etwas überraschend fand ich, dass man beim Registrieren auf der Plattform auch zu sexuellen Vorlieben befragt wurde, wo der vorgebliche Zweck des Ganzen doch der war, jemanden fürs Herz zu finden. Für Bettgeschichten waren ja ganz andere Plattformen zuständig, kostenfrei und, ja, auch frei von Gefühlen. Nicht, dass man gefragt wurde, welche Stellung man im Bett bevorzugte oder ob überhaupt das Bett der Lieblingsort des Geschehens wäre, oder vielleicht doch eher die Dusche oder die freie Natur, nein, das war es nicht. Aber über den Stellenwert von Sex in einer Beziehung und eine ungefähre erwünschte Frequenz wurde man befragt, und wie bei den anderen Dingen, versuchte ich mich auch in dieser Hinsicht nicht allzu sehr festzulegen, weder sexsüchtig zu wirken noch wie ein Sexmuffel.
Ansonsten gab ich mich auch noch als einigermaßen sportlich aus und interessiert an Aktivitäten im Freien, selbst wenn das gar nicht mehr so richtig stimmte für mich, oder eigentlich gar nie gestimmt hat. Denn wie so viele Männer meines Alters war ich über die Jahre etwas träge geworden, konnte ich mich nur mehr selten dazu aufraffen, etwas für meine Fitness zu tun. Eineinhalb Stunden Fußball jede Woche mit einigen zum Teil wirklich nicht mehr sehr fitten Altersgenossen, das war alles an Sport, das ich meinem Körper noch zumutete. Die ständige Arbeit am Computer hat daher tatsächlich schon Spuren an meiner Physis gezeitigt, und ich muss zugeben, dass statt eines Sixpacks inzwischen ein kleines Bäuchlein meine Vorderseite ziert. Aber im Vergleich zu vielen Typen, die ich im Schwimmbad ihre mächtigen Bäuche vor sich hertragen sehe, habe ich mich trotzdem noch ganz gut gehalten. Außerdem habe ich gelesen, dass viele Frauen einen „Dad Bod", wie die Amerikaner das bezeichnen, sogar sexy finden, so gesehen tue ich einfach mein Bestes, sie nicht zu enttäuschen.
Als nicht gänzlich unsportlicher, computermäßiger Voll-Checker, der sein eigenes Business hat, offen ist für alles Mögliche und auf den schönen und irgendwie interessanten Namen Julian hört, habe ich mich also in die Schlacht geworfen.
Kontakt (mein eingebildeter Mord)
Mein Einstieg in die digitale Welt des Kennenlernens gestaltete sich