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Conny Cöll - "Er"
Conny Cöll - "Er"
Conny Cöll - "Er"
eBook256 Seiten3 Stunden

Conny Cöll - "Er"

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Über dieses E-Book

Wo im Wilden Westen um die Jahrhundertwende gelacht, gesungen und geschossen wurde, wo verwegene, wetterharte Gestalten am Lagerfeuer oder in irgendeiner versteckten, einsamen Waldschenke zusammen kamen, wo immer sich Trapper und Savannenläufer trafen, da wurden Erinnerungen ausgetauscht, Erlebnisse geschildert, von Taten berichtet, die irgendein berühmter Coltmann oder aber auch ein berüchtigter Bandit vollbrachte — —
— — und immer wieder waren es ein Mann, ein Pferd und ein Wolf, deren tollkühne Taten im Dienste der Gerechtigkeit den ganzen Mittelwesten in atemloser Spannung hielt — —
Irgendwo in einer kleinen Schenke fand sich eine Gruppe Westläufer und Cowboys zusammen und da war auch schon wieder die Rede von ihm — —
... und da wurde erzählt ... erzählt ... "Von wem war denn die Rede? Wer war dieser Mann?", fragte ein Neuling mit begeisterten Blicken. "Das war ,er'", antwortete der Westmann.
"Wer?"
"Er", bekräftigte der Erzähler ...
... und da wusste auch der Dümmste unter ihnen, wer gemeint war ...

Aufgrund des Alters des Textes kann es sein, dass im Inhalt Begriffe verwendet werden, die heute nicht mehr gebräuchlich bzw. nicht mehr politisch korrekt sind.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum11. Mai 2024
ISBN9783946554899
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    Buchvorschau

    Conny Cöll - "Er" - Konrad Kölbl

    „Er"

    Von Konrad Kölbl

    1953

    Inhaltsverzeichnis

    In der einsamen Schenke

    Die Story von Tombstone

    Die Stadt ohne Namen

    Die Story von San Franzisko

    In der einsamen Schenke

    „Und ich sage dir, Edgar, ich war in Tombstone! Habe den ,Vogelkäfig‘ gesehen, mit meinen eigenen Augen gesehen, und jedes Wort, das ich erzähle, ist wahr ..."

    „Du wirst erst kürzlich dort gewesen sein, Tom! Ich meinte eine andere Zeit, als es noch wild herging in der Goldgräberstadt – als John Clanton noch lebte, das Ungeheuer ..."

    „Eben diese Zeit meine ich, Edgar, und keine andere! Habe sogar Wyatt Earp gekannt und dann hat es mir auch William Mac Lean bestätigt ..."

    „Der bekannte Büchsenmacher?"

    „Lean baut keine Gewehre, Edgar! Er hat nur eine ganz vortreffliche Verbesserung auf diesem Gebiete gemacht! Droben in Jasper bewohnt er mit seiner Frau ein reizendes Häuschen! Er hat es mir Wort für Wort bestätigt."

    Edgar Brown schaute .ungläubig drein, als er diese Worte hörte. Er kannte Tom Wills schon eine Reihe von Jahren und konnte nicht sagen, dass dieser ein Märchenerzähler war. Eher würde er das von „Rotfuchs" behaupten können, einem Farmer, der ganz in der Nähe von Frenaville eine kleine Ranch betrieb und seine Abende genau wie er in der kleinen Waldschenke des alten Pedro verbrachte.

    „Mit tollen Kerlen, Edgar ! Denke nur an Wyatt Earp, den Sheriff!"

    „Du hast recht, Tom! Wyatt war es ja, der mir die Geschichte von Tombstone. erzählte!"

    „Erzählen ... erzählen ...!", riefen die Männer durcheinander.

    „Das ist eine lange Geschichte, Boys, und wenn ich sie ausführlich wiedergeben soll, wird eine gute Stunde vergehen!"

    „Erzählen ... erzählen ...!, forderten die Anwesenden noch einmal, „von Wyatt Earp und von den Clantons, den Banditen ...

    „Einen habt ihr vergessen, und das war die Hauptfigur!, unterbrach eine Stimme, und diese gehörte dem Rothaarigen. „Oder war er das vielleicht nicht?

    „Wer?"

    „Er!"

    Da grinste Edgar Brown über das ganze Gesicht: „Wie käme ich auch, dazu, ihn zu vergessen! Das sollt ihr gleich erfahren ...".

    „Fein, mischte sich da auch die Stimme des Blonden in das Gespräch, „ich höre diese Story heute zum ersten Male. Komme nämlich aus dem Norden, wo man nur Zeitungen liest, und da erfährt man nichts Genaues!

    „Aus dem Norden?, fragte Edgar. „Die Kunde von diesen unerhört sensationellen Geschehnissen in Tombstone sind sogar bis Alaska gedrungen, Fremder! Vielleicht seid Ihr noch nicht lange im Lande?

    „Das stimmt, Master! Bin nicht von hier und darum interessiere ich mich besonders für die Story von Tombstone, vorausgesetzt, dass sie die richtige ist, dass sie wahr ist!"

    „Sie ist wahr, Fremder! Habe sie aus erster Hand, und Ihr werdet Euch wundern! Habt Ihr schon einmal den Namen Conny Cöll gehört?"

    „Nein!", antwortete der Blonde.

    „Das habe ich mir fast gedacht! Ein Boy, der die Story von Tombstone nicht kennt, kann ja noch nie etwas von diesem Mann gehört haben! Aber sicherlich ist Euch schon ein anderer Name aufgefallen – Trixi!"

    „Noch nie gehört!", sagte der Blonde, und das ehrliche Erstaunen stand ihm in den Augen.

    Edgar Brown schüttelte ungläubig den Kopf: „Soll man so etwas für möglich halten? Mann, habt Ihr denn auf dem Nordpol gelebt? Aber nichts für ungut, Fremder, um so lieber erzähle ich nun meine Geschichte ..."

    Dabei lehnte er sich an die harte Holzwand zurück und entlockte seiner kurzen Pfeife ein paar mächtige Dampfwolken.

    Dann begann er ...

    Die Story von Tombstone

    Wyatt Earp, der Sheriff von Tombstone, holte mit müden, mechanischen Griffen die letzten sechs Patronen aus seinem Halftergurt und steckte sie mit einer resignierten Bewegung in die leergeschossenen Kammern seines schweren Trommelrevolvers.

    Er brauchte nicht hinzusehen, denn er konnte diese Arbeit blind und mit der linken Hand allein ausführen, während die Rechte ununterbrochen mit dem zweiten geladenen Mordinstrument Tod und Verderben spie. Deutlich sah er drüben die Einschläge. Der Bandit duckte sich tiefer in die Felsennische, denn er wusste, wie genau die Schüsse des Sheriffs saßen. Dasselbe Gefühl hatten auch seine beiden Komplizen, die etwas abseits in einer schützenden Bodenmulde lagen.

    Nun währte das Gefecht schon eine gute Stunde. Der Sheriff und sein Begleiter saßen wie zu Tode gehetzte Hasen in der Falle. Sie konnten es nicht riskieren, ihre Deckung zu verlassen, denn sie wären in Sekundenschnelle den Kugeln der Banditen zum Opfer gefallen.

    Wyatt Earp war ein mittelgroßer Mann mit dunklem Haar und schwarzen Augen. Er war braungebrannt wie ein Schwarzer, und sein Gesicht hätte man hübsch nennen können, wäre es nicht von einer außerordentlichen Härte und Wildheit gezeichnet gewesen. Der kleine Mann, der an seiner Seite unter dem Ginsterstrauche lag, war das krasse Gegenteil. Sein Alter war nicht mit Sicherheit zu bestimmen. Er konnte genau so gut 30 wie 50 Jahre alt sein. Die erbarmungslose Sonne von Arizona hatte tiefe Furchen und hässliche Falten, in sein Antlitz gegraben, aus dem zwei kleine, unternehmungslustige Äuglein in die Welt schauten.

    „Gib mir eine Zigarette, Kleiner!", sagte der Sheriff. Der Kleine fingerte umständlich in seiner Hemdtasche herum und brachte tatsächlich einen Glimmstengel zum Vorschein.

    „Wollen teilen, Wyatt, es ist die letzte – wahrscheinlich die letzte überhaupt ..."

    Der Sheriff warf einen vorsichtigen Blick durch eine schmale Lücke im Gestrüpp, indem er den Kopf etwas aus der Deckung hob, und als er sah, dass sich drüben nichts bewegte, zündete er den halbierten Stummel an.

    Der Kleine mochte recht haben – es konnten die letzten Züge sein, die er gierig in seine Lunge sog – die letzten in seinem Leben ...

    Er sah auf manchen harten Kampf, auf manche heikle Situation und auf manches blutige Ereignis zurück. Immer hatte es noch einen Ausweg gegeben. – Diesmal sah er keinen mehr! –

    Drüben lagen in vorzüglicher Deckung drei Banditen, die ausgezeichnet mit ihren Waffen umzugehen verstanden. Etwas abseits am Rande des steil aufsteigenden Felsens lagen zwei weitere Mitglieder der Clanton-Bande, während der Anführer – vielleicht war es John Clanton selber - außer Schussweite in 500 Metern Entfernung auf einem Felsen stand und das Ganze dirigierte.

    „Verdammt", brummte Earp. Wenn er wenigstens sein Gewehr erreichen konnte, das drüben bei den erschossenen Reitpferden lag, dann würde er diesem berüchtigten Banditen-Boss schon den Aufenthalt dort drüben verleiden! – Wyatt Earp blickte etwas sentimental zuerst auf den blühenden Ginsterstrauch, dessen grüne, wohlgeformte Blätter ihm noch nie so schön vorgekommen waren, und dann auf seinen Begleiter, nach dem ebenfalls die kalte Hand des Todes griff.

    Er versuchte zu lächeln, doch es wollte ihm nicht so richtig gelingen:

    „Na, Prutzi, eine verteufelt unangenehme Situation, nicht wahr?"

    „Kann man wohl sagen!", brummte der Kleine und schnitt eine Grimasse, in welcher der ganze ohnmächtige Grimm über seine aussichtslose Lage zum Ausdruck kam. Dabei knirschte er mit seiner spitzen Kinnlade, als hätte er soeben die ersten Zähne bekommen:

    „Habe noch drei Kugeln im Lauf, Wyatt!"

    „Und ich zwei – verdammt nochmal! – Nun müssen wir das Feuer einstellen! Vielleicht begehen diese Burschen den Fehler, unsere Stellung im Sturm nehmen zu wollen. Sie müssen ja nun annehmen, dass wir uns verschossen haben, und können sich denken, dass wir nicht einen Zentner Munition mit uns herumschleppen können. – Achtung – jetzt ..."

    In diesem Moment brachen wie auf Kommando zwei Banditen aus einer Bodenwelle hervor und stürmten, wild und ohne Pause auf den Ginsterstrauch schießend, hinter dem die beiden Verteidiger in einer Erdsenkung verborgen lagen, heran.

    Wyatt Earp schoss, fast ohne zu zielen. Die beiden Banditen machten nahezu gleichzeitig eine Bewegung, als wenn sie gegen einen unsichtbaren Zaun gerannt wären. Die rauchenden Colts entfielen ihren Händen, und dann stürzten sie mit einem lauten, hörbaren Plumps zu Boden.

    Der Kleine hatte sich bei dem plötzlich einsetzenden Trommelfeuer noch tiefer in den Dreck gedrückt. Nun bemerkte er zu seiner Bestürzung, dass eine breite rote Spur quer über die Wange des Sheriffs lief, die aber merkwürdigerweise nicht zu bluten begann.

    Wyatt Earp griff sich mit der linken Hand an die rechte Schulter, und als er sie wieder zurücknahm, war sie blutig rot.

    „Wyatt ... Wyatt ... was ist los ...? Hat es dich erwischt? ...", rief der Kleine entsetzt.

    „Nichts von Bedeutung, Alter, eine Schramme im Gesicht und ein Streifschuss an der Schulter!"

    Der kleine Mann arbeitete sich zu dem Verwundeten hin und wollte nach dessen Verletzungen sehen.

    „Lass gut sein, Prutzi! – Es hat keinen Zweck mehr! – Das war der Anfang vom Ende! Habe nun keine Kugel mehr!"

    „Ich aber noch zwei ..."

    „Was nützen uns diese ...? Aber egal, gib mir deine Kanone. Vielleicht können wir noch den einen oder anderen dieser Strolche zur Hölle schicken!"

    Während der Sheriff den geladenen Colt in die Hand nahm, verband Prutzi den Verwundeten an der Schulter. Die Schramme im Gesicht fing nun ebenfalls langsam zu bluten an. Plötzlich fuhr der Sheriff hoch und noch im selben Moment löste sich sein Schuss. Ein Bandit hatte vorsichtig über den Felsenvorsprung gespäht. Wyatt Earp sah deutlich den Sombrero und die Konturen des bärtigen Kopfes. Er gewahrte auch, wie der breitrandige Cowboyhut in einem weitem Bogen in den Sand flog. Ein fürchterlicher Fluch erscholl, was vermuten ließ, dass der Kerl mit dem Schrecken davongekommen war.

    „Noch einen Schuss, Prutzi ... den letzten ..."

    Wyatt Earp streifte die kleine eingeschrumpfte Gestalt seines Begleiters in den Tod mit einem flüchtigen Blick.

    So verteufelt ernst die Situation auch war, so stahl sich doch ein verspieltes Lächeln in sein Gesicht.

    „Nun kannst du mir noch einmal die Hand geben, Prutzi! – So ist es doch Sitte, wenn zwei Freunde auseinandergehn ...!"

    Der Kleine wischte sich etwas Feuchtes aus den Augen und blickte in das blutige Gesicht seines Kampfgenossen. Gewaltsam gab er sich einen Ruck: „Red keinen Unsinn, Wyatt, so schlimm ist es nicht! Die Kugel ist noch nicht gegossen, die mich erwischt, das habe ich dir schon ein paarmal gesagt!"

    Das Lächeln im Gesicht des Sheriffs verstärkte sich: „Wie willst du dich denn diesmal aus der Klemme ziehen, Kleiner, he?"

    Der Kleine wollte etwas sagen. Wahrscheinlich wäre es nichts besonders Gescheites gewesen, denn plötzlich überlegte er es sich und stierte wortlos vor sich hin ...

    „Prutzi!"

    „Ja, Wyatt?"

    „Wie lange bin ich jetzt Sheriff in Tombstone?"

    „Genau acht Tage!"

    Dann folgte eine kurze Pause.

    „Mächtig lange Zeit das, nicht wahr?"

    „Grund genug, um hier elendiglich zu verr ..."

    „Aber, Prutzi, du warst doch gerade noch so optimistisch ... sagtest eben noch ..."

    „Ah, ist ja alles Unsinn! – Müsste schon ein Wunder geschehen ...!"

    Das heftige Schießen begann von Neuem, diesmal von der Seite her. Die Kugeln konnten die beiden Männer nicht erreichen. Sie spürten aber deutlich, wie der aufspritzende Dreck über sie niederprasselte. Da wollte einer der Banditen den Standort wechseln, um ein günstiger gelegenes Plateau zu erreichen. Es waren nur zwei große Schritte, die er machte und diese schnelle Bewegung hatte auch Wyatt Earp gesehen. Noch ehe der Bandit die neue Stellung erreichte, hatte er ein Stückchen Blei in der Hüfte. Abermals setzte ein wütendes Feuer ein; aber den Mut, die Deckung zu verlassen, hatte keiner der Banditen mehr.

    „Das war der letzte Schuss, Kamerad!, sagte Wyatt Earp fast ironisch mit einer müden Handbewegung und warf den nutzlosen Colt in den Graben. „Ich glaube nun nicht mehr, dass sie vor Einbruch der Dunkelheit wieder angreifen werden!

    Und er hatte recht. Die Banditen hatten ihr Feuer eingestellt! –

    Gleichmäßig und geheimnisvoll rauschte der San-Pedro-Fluss in der Nähe. Als die Sonne unterging, überspannte ein seltsamer, regenbogenartiger Glanz den Himmel. Es begann langsam zu dunkeln, und ein roter Schein legte sich über die Prärie. Gespenstisch schimmerten die Felsen, und dieser rote Glanz, der von dem Gestein ausging, erinnerte an Blut und Tod. So dachte Wyatt Earp, und seine Blicke suchten den Gesteinsbrocken, hinter dem der Tod lauerte und mit höhnisch grinsendem Gesicht zu ihm herüberstarrte.

    „Prutzi!"

    „Ja, Wyatt!"

    „Weißt du, über was ich mich immer am meisten amüsiert habe, seit ich Sheriff bin?"

    „Merkwürdige Gedanken hast du in deiner letzten Stunde, muss ich sagen!"

    „Trotzdem muss es einmal heraus! Weißt du, was es war?"

    „Nein!"

    „Dein Name, Mann! – Wie kann ein Mensch, der ansonsten ganz normal ist, nur Prutzi heißen!"

    Der kleine Mann hätte sicherlich einen kerzengeraden Satz in die Höhe gemacht, wenn er nicht in diesem elenden Dreckloch von einer Bodenrinne gelegen hätte.

    „Was hast du an meinem Namen auszusetzen?", knurrte er.

    „Weißt du, Prutzi kann man zum Beispiel sehr gut eine Katze oder einen kleinen Schoßhund nennen, aber nicht einen ausgewachsenen Hilfssheriff von Tombstone. Nein, niemals!"

    Prutzi neigte sich zur Seite, um das Gesicht des Sheriffs besser sehen zu können. Es war doch nicht gut möglich, dass sich bei Earp schon das Wundfieber eingestellt haben konnte. Als er aber das lustige Lächeln, das er immer schon mit einer gewissen Vorsicht genossen hatte, in den Zügen Wyatt Earps sah, überkam ihn doch eine kleine Wut, und es sah ungemein drollig aus, als er nun losplatzte: „Weißt du jetzt in dieser verdammten Lage nichts Besseres, als dich über meinen Namen lustig zu machen?"

    „Das ist das Beste, was ich im Moment tun kann! – Übrigens – wie hat denn dein Vater geheißen, Prutzi?"

    „Das weiß ich heute nicht mehr!", fauchte der kleine Mann. Der Sheriff wischte sich die Feuchtigkeit aus dem Gesicht, die er plötzlich dort verspürte. Er hatte noch gar nicht gewusst, dass Prutzi so empfindlich war und dass er seine Worte so spürbar mit jenem weißschäumenden Saft begleitete, der für die menschliche Verdauung so dringend nötig war.

    „Aber das war es nun einmal – das hat mich immer am meisten gefreut!", sagte Earp eigensinnig.

    „Was? Ach so, ich habe schon wieder vergessen! – Zum Teufel noch einmal, kann man denn hier nicht einmal in Ruhe sterben!"

    Fast beleidigt ließ sich der kleine Mann wieder in seine Deckung zurückfallen, und gleich darauf kamen aus allen Himmelsrichtungen wieder die todbringenden Geschosse angeschwirrt. Verdammt nochmal, hatten die Kerle Verstärkung erhalten oder sich so verteilt, dass sie von allen Seiten zugleich zu feuern vermochten?

    Die Schulter des Sheriffs begann zu schmerzen, während die hässliche Schramme im Gesicht sich mittlerweile verkrustet hatte. Die beiden drückten sich fest an den Boden, um von den Geschossen nicht getroffen zu werden. Aber es blieb bei dem Schießen, ein Angriff erfolgte noch nicht. 

    „Prutzi!"

    Es kam keine Antwort.

    „Prutzi!", sagte Wyatt lauter.

    Es kam wieder keine Antwort.

    „Beleidigt, Prutzi?"

    Prutzi drehte sich auf die andere Seite. Ihm war schon alles egal. Mochten sie doch kommen, diese verdammten Gangster John Clantons, und ein Ende machen! Was hatte er schon zu verlieren? –

    Ein ganzes Jahr hatten die wackeren Bürger von Tombstone einen Sheriff gesucht, denn dieser Posten war ein ausgesprochener Himmelfahrts-Job. Als vor acht Tagen Wyatt Earp in diese Gegend kam und einen kleinen Barbetrieb aufmachte, hatte man ihm in der ersten Bierlaune der Eröffnung vorgeschlagen, doch auch gleich das Amt des Sheriffs zu übernehmen. Man glaubte, einen guten Witz angebracht zu haben. Zum allgemeinen Erstaunen erklärte aber der Gastwirt Wyatt Earp, dass er es sich schon lange gewünscht habe, Sheriff zu werden. Man prophezeite ihm in der ganzen Stadt, dass er höchstens noch drei Tage leben werde, und richtig, am dritten Tage seines Amtes stürzten plötzlich drei wüst aussehende Kerle in das Lokal und ballerten mit ihren Colts in alle vier Himmelsrichtungen. Erst nachdem die dritte Flasche seines teuersten Weines in tausend Scherben zersprungen war, hatte Wyatt Earp bedächtig zu seinen Colts gegriffen! – Als einige Minuten später drei stadtbekannte Raufbolde und Revolvermänner von diesem Tal der Tränen Abschied genommen hatten, bedauerte der Sheriff nur eines, dass sie nicht mehr so viel Geld in der Tasche hatten, um den vergossenen edlen Saft bezahlen zu können.

    Schon am nächsten Tage erfolgte der zweite Angriff. Diesmal war dem Sheriff eine Kugel aus dem Hinterhalt zugedacht gewesen. Prutzi hatte jedoch Wyatt Earp das Leben gerettet. Er stand gerade in der Nähe des Bareinganges, hinter dem dicken Stamm einer alten Erle, als er oben am Fenster des Hauss die Gestalt des Sheriffs erblickte und gleich darauf einen Revolver gewahrte, der auf diesen gerichtet war. Der kleine Mann hatte mit dem Schießeisen schon Etliches geleistet, glaubte aber bei dieser Entfernung und Dunkelheit keinen sicheren Schuss anbringen zu können. Er hatte von der Hüfte aus geschossen und tatsächlich die Hand des Banditen erwischt. Am erstauntesten über diese Leistung war Prutzi selber. Jedenfalls fand der überraschte und dankbare Sheriff großen Gefallen an dem schrulligen, tüchtigen Mann mit dem seltsamen Namen, und er brachte Prutzi dazu, ebenfalls in den Dienst des Gesetzes und der Gerechtigkeit zu treten.

    Nun waren aus den drei Tagen eine volle Woche geworden! – Er hätte es sich denken können, so haderte der kleine Mann nun im Stillen mit sich, wie es ausgehen würde, ausgehen musste! –

    Droben in den Bergen lebte John Clanton, ein Desperado, wie ihn das wilde, raue Land an der mexikanischen Grenze nur alle zehn Jahre einmal in diesem Format hervorbrachte. Dieser Clanton mit seinen drei Söhnen hatte sämtlichen Sheriffs von Tombstone den Tod geschworen!

    Nun lag seine Bande da draußen in guter Deckung und schoss, was die Rohre hergaben! Wie lange würde es noch dauern, bis wieder ein Sheriff dorthin gegangen war, wo die Maulwürfe ihr Reich haben, und er – der vielgelästerte Prutzi, wie konnte es auch anders sein – würde ihm dabei Gesellschaft leisten müssen! –

    „Prutzi?"

    „Ja?"

    „Fein, dass du noch lebst! Ich habe schon gedacht, du wärest vor Schreck gestorben ..."

    „Ist auch bald so weit ...!"

    Wyatt Earp schaute versonnen an den über ihm leicht im Winde hin- und herschaukelnden Sträuchern vorbei in den wolkenlosen Abendhimmel. Da schrie eine laute Stimme aus einiger Entfernung:

    „Sie haben sich verschossen, Jungs! – Ich sehe es ganz deutlich! – Sie haben ihre Colts weggeworfen!" –

    Das war nun das Ende, das bittere Ende! –

    Aus der Felsengruppe trat langsam ein Mann und dann noch einer, die Waffen schussbereit vor sich hinhaltend.

    Da erklang in der Nähe vollkommen unerwartet Pferdegetrappel. Die beiden Banditen hatten noch lange nicht das Versteck der beiden Todgeweihten erreicht, als ein Reiter sichtbar wurde, der sofort auf die Wegelagerer zuritt und mit einem Satz vom Pferde sprang.

    „Achtung, Fremder, das sind Banditen!", schrie Wyatt Earp, indem er seine Deckung verließ.

    Seine Warnung war überflüssig, denn der Mann war auf der Hut. Seine Füße hatten noch nicht ganz den Boden erreicht, als seine wie durch Zauberei herausgewirbelten Waffen schon Feuer spien.

    „Achtung, hinter den Felsen!", brüllte der Sheriff.

    Gleichzeitig mit den stürzenden Banditen warf sich auch der Fremde zu Boden. Als den dritten Banditen mitten im Lauf die tödliche Bleikugel erreichte, sah man in weiterer Entfernung einen vierten Mann mit einem wahren Panthersprung ein Pferd besteigen und in wildem Trab davonstürmen.

    Wyatt Earp wischte sich den kalten Schweiß von der Stirne und starrte auf das nächtliche Bild,

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