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Bis in den Tod ... SÜNDE
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eBook364 Seiten5 Stunden

Bis in den Tod ... SÜNDE

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Über dieses E-Book

"Plötzlich durchfuhr es sie wie ein Blitz – ein erneuter Blick auf die Gästeliste ließ sie fast erstarren … 13!!!"

Julia, schöne und vermögende Innenarchitektin aus New York, ist eigentlich nicht abergläubisch, aber die Zahl 13 bedeutete nichts Gutes. Und ihre Befürchtungen werden bestätigt.
Aus 13 Freunden werden schnell 11 und sie ist sicher, dass der Täter weiter morden wird. Ihr wird schnell klar, dass der Täter aus dem Kreis der 13 stammen muss. Plötzlich ist auch sie in Gefahr und muss in die Geheimnisse ihrer Freunde eindringen, um den Mörder zu entlarven. Und dann ist da noch Tom, dieser überaus attraktive Kriminalkommissar …
Julia kann eins und eins zusammenzählen, nur aus ihren Gefühlen für Tom wird sie nicht schlau.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum28. Feb. 2024
ISBN9783384159892
Bis in den Tod ... SÜNDE
Autor

Karin Einhäuser

Karin Einhäuser, Jahrgang 1965, lebt seit 1988 in Frankfurt/Main. Ihr Leben als Fondsmanagerin im globalen Immobilienfonds-Geschäft wurde über 35 Jahre geprägt durch viele Reisen im In- und Ausland, diverse Auslandsaufenthalte und das Warten auf den Flughäfen aller Herren Länder. Die Eindrücke, die sie dabei sammeln konnte, die unterschiedlichen Menschen und Mentalitäten, die sie kennenlernen durfte, und ihre Leidenschaft für Kunst sowie True Crime haben sie inspiriert, ihren ersten Kriminalroman zu schreiben. Zu ihren literarischen Lieblingen in diesem Genre gehören unter anderem Donna Leon, J.D. Robb und natürlich Altmeisterin Agatha Christie.

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    Buchvorschau

    Bis in den Tod ... SÜNDE - Karin Einhäuser

    KAPITEL 1

    Ein Wiedersehen nach nahezu fünfzehn Jahren. Endlich. Julia war von ihrer eigenen Idee immer noch begeistert. Sie freute sich sehr auf ihre Freunde, die sie so lange nicht mehr gesehen hatte.

    Sie, die Weltenbummlerin, immer unterwegs. Sie hatte es nie geschafft, nie Zeit gehabt. Irgendwie war immer etwas dazwischengekommen, was sie davon abgehalten hatte, die Verbindung zu ihrer alten Gang, mit der sie so wahnsinnig gute Zeiten hatte, wieder aufzunehmen. Oder wollte sie das überhaupt nicht? Aber warum nicht?

    Sie waren doch unzertrennlich gewesen und sie hatte doch auch über die vielen Jahre einen engen Kontakt zu vier von ihnen, ihren vier Mädels – ihrem ‚Inner Circle‘, wie sie ihn nannte – gehalten. Über viele tausend Meilen hinweg, egal wo sie sich gerade befand. Vier Frauen, für die sie alles machen würde. Wahre Freundinnen, auf die auch sie sich jederzeit und in jeder Situation verlassen konnte.

    Sie fragte sich, warum sie nur für diese vier Frauen – Mila, die Harmoniebedürftige, Caro, die Starke, Joanna (Jo), die Freche, und Alea, die Verrückte – Platz in ihrem Herzen einräumte. Warum war es mit den anderen so anders? Eine Beantwortung dieser Frage ließ sie nicht zu. Zumindest nicht zu diesem Zeitpunkt. Sie hatte weder Zeit dafür, noch die Lust, in ihrer Vergangenheit nach Gründen für ihr eigenes Verhalten zu stöbern. Zu schön war die Vorstellung, ihre Weggefährten über viele Jahre nach so langer Zeit wiederzusehen.

    Plötzlich durchfuhr es sie wie ein Blitz – ein erneuter Blick auf die Gästeliste ließ sie fast erstarren … 13!!! Nein, das konnte doch nicht sein. Sie zählte schnell noch einmal nach. Ja wirklich, zwölf Gäste und sie – 13!

    Warum war ihr das nicht schon vorher aufgefallen, bevor sie die Einladung ausgesprochen hatte? Sie hatte die Partner ihrer Freunde, die sie natürlich mit eingeladen hatte, vergessen. Jetzt war es zu spät. Sie konnte keinesfalls ihre Einladung rückgängig machen, ihre Freunde wieder ausladen. Mit welcher Begründung? Ihre grundlose, völlig irrationale, abergläubische Furcht vor der Zahl 13? Auf keinen Fall würde sie sich diese Blöße geben. Es würde ihr ohnehin niemand glauben. Man würde sie vielmehr auslachen. Sie, der absolute Kopfmensch ohne Furcht und Tadel, der mit beiden Füßen fest auf dem Boden der Realität stand, war abergläubisch. Was für eine Vorstellung. Aber Airlines verzichteten doch auch auf die Reihe 13, da diese Zahl als Unglückszahl galt. In Hotels wurde doch auch das 13. Stockwerk häufig elegant übersprungen. Und was machte sie? 13 Gäste! Sie konnte ihre eigene Unaufmerksamkeit nicht fassen. Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Ein Dinner mit 13 Gästen. Sie hoffte jetzt nur, dass das gut ging. Eigentlich war damit der Ärger bereits vorprogrammiert.

    Sie kramte verzweifelt in ihrem Gedächtnis, auf der Suche nach etwas Positivem in Verbindung mit dieser trügerischen Zahl 13. Waren es nicht die Japaner, die die 13 nicht als schlechtes Omen, sondern als Zeichen des Glücks sahen? Ja, es war Japan. Sie war sich ziemlich sicher. Aber sie brauchte Gewissheit. Das Internet würde ihr helfen und ihr die nötige Bestätigung geben. Zumindest hoffte sie es. Das Internet – sie empfand dieses Medium immer als Fluch und Segen zugleich. Aber dieses Mal war sie dankbar für diese Suchmaschine. Sie fragte sich, was sie wohl vor dieser genialen Erfindung in einer solchen Situation gemacht hätte. Jetzt brauchte sie nur noch ihr Handy und eine funktionierende Netzverbindung. Das war alles. Und dann war alles wieder gut.

    Sie sprang auf. Ihre Blicke schweiften langsam durch ihre sündhaft teure Suite im eleganten Hotel LeMorille, die sie für einige Tage angemietet hatte. Wo war nur ihre Handtasche?

    Julia war bereits vor zwei Tagen in Frankfurt angekommen – direkt aus San Diego. Sie hatte sich eine Woche Auszeit im Hotel Del Coronado in Coronado, einer Insel in der Bucht von San Diego, geleistet und die kalifornische Sonne am hoteleigenen Strand mit einem guten Krimi in der Hand genossen. Oder sie hatte einfach dagesessen und durch die dunklen Gläser ihrer Sonnenbrille den auf der Naval Base Coronado stationierten muskelbepackten, stiernackigen U. S. Navy SEALs, der besten und härtesten Elite-Spezialeinheit der Welt, bei ihrem Training am Strand zugeschaut. Dort hatte sie wieder etwas Kraft tanken können. Und das war bitter nötig gewesen, nach zwei furchtbar kräfteraubenden Wochen in New York und Chicago voll von scheinbar endlosen Terminen. Den Menschen fehlte es einfach an Vorstellungskraft und Entscheidungsmut und das konnte wirklich anstrengend sein – genau das wurde ihr in dieser Zeit wieder so sehr bewusst.

    Julia hatte Innenarchitektur und -design studiert und liebte ihren Job sehr. Sie hatte viel dafür getan und vieles dafür aufgegeben. Der Weg zum Erfolg war gepflastert mit harter Arbeit, eiserner Disziplin, vielen Entbehrungen, etlichen Rückschlägen, die sie verkraften musste, und einer extrem großen Portion Durchhaltevermögen. Sie hatte oft ihre eigenen Grenzen gefühlt. Aber sie hatte nie aufgegeben. Sie hatte immer gewusst, was sie zu bieten hatte. Leidenschaftlich und risikofreudig packte sie alles an, was ihr geboten wurde. Ihre Hingabe für die Sache kannte keine Grenzen.

    Und dann kam der Moment, in dem sich endlich all diese Mühen auszahlten.

    Sie war immer der typische Löwe – ehrlich, loyal, offen gegenüber Unbekanntem. Und sie lernte schnell Menschen kennen, die sie entweder sofort liebten oder gar nicht mochten. Es gab wenige, die ihr gegenüber neutral waren.

    Einer, ein älterer Herr, den sie in einem Restaurant in New York kennenlernt hatte, verliebte sich sofort in die Kämpferin Julia und gab ihr nach einem anregenden Gespräch – ohne sie und ihr Können genauer zu kennen und erst recht nicht beurteilen zu können – die große Chance, sein Domizil in den Hamptons umzugestalten und neu auszustatten. Dafür hatte er ihr eine Card Blanche gegeben – keine Forderungen, keine Wünsche, kein Budget – einfach nur Vertrauen in ihre Fähigkeiten. Entweder war er verrückt oder steinreich. Sie tippte auf letzteres, aber das war Julia in dem Moment egal. In ihren Gedanken hatte sie schon großartige Ideen, von denen sie glaubte, dass er sie mögen würde. Sie war immer gut darin, Menschen richtig einzuschätzen. Eine Eigenschaft, die ihr half, sich ohne Wenn und Aber in die unterschiedlichsten Geschmäcker der Auftraggeber hineinzuversetzen und so die perfekte Auswahl von Einrichtungsgegenständen und Dekoration für sie zu treffen.

    Sie war aufgeregt gewesen und ihr Herz raste wie wild. Die Hamptons auf Long Island, Kosename von Southampton, dem Tummelplatz der Reichen und Schönen. Julia ahnte sofort, dass sich sein Anwesen an der sechs Kilometer langen Meadow-Lane am Südwest-Strand von Southampton befand. Die Meadow-Lane, die von der Zeitschrift Forbes als Billionaires Lane, Straße der Milliardäre, getauft wurde, und die von Villen mit bis zu fünfzehn Zimmern und acht Bädern gesäumt war. Wo allein die Gästehäuser eine Größe von 500 Quadratmeter aufwiesen. Häuser von Finanzmoguln und Wirtschaftskapitänen wie Leon Black, Gerald J. Ford oder wie von dem Modezar Calvin Klein und anderen wohlhabenden New Yorkern. Große Anwesen, die meistens nur als Feriendomizil genutzt wurden.

    Southampton, die Herzkammer des alten Geldes, im Süden und Osten an den offenen Atlantik angrenzend, einmalige Strände, im Inneren eine Bucht nach der anderen. Auch die Meadow-Lane war umspült von Wasser. Hier bekam man eine Prachtvilla nicht unter einem zweistelligen Millionenbetrag. Und Julia sollte genau hier ein Anwesen komplett neu stylen. Was für eine Riesenchance, auf die sie so lange hingearbeitet hatte. Endlich. Die Erfüllung ihres Traums war plötzlich greifbarer als je zuvor. Würde sie endlich für diese vielen Stunden harter Arbeit belohnt werden?

    Julia hatte mit ihrer Einschätzung ins Schwarze getroffen. Als sie sein Anwesen zum ersten Mal besichtigte, konnte sie erkennen, wie vermögend er war. Und auf dem – wie er sich ausdrückte – kleinen Empfang mit einhundertachtzig Gästen, den er ihr zu Ehren gab, sah sie auf einen Blick, wie vermögend auch alle seine Freunde in Wahrheit waren. Er stellte sie denen als ‚seine absolute Stilikone des Innendesigns‘ vor. Und sie spürte sofort den Druck, der damit auf ihr lastete. Für eine Sekunde hinterfragte sie ihre Fähigkeiten. War sie wirklich gut genug für diese Gesellschaft? Nein, sie zweifelte nicht an sich. Sie war selbstbewusst genug und wusste genau, was sie konnte. Und sie mochte ihn und durfte ihn keinesfalls enttäuschen. Es wäre wie ein Verrat an seinem Vertrauen, das er ihr ohne Wenn und Aber entgegenbrachte, gewesen.

    Und sie gab alles – für sich und für ihn. Sie wollte unbedingt die ihr gebotene Chance nutzen, es allen beweisen, und übertraf sich selbst. Ihre Inspirationen trugen sie über Grenzen hinweg auf eine völlig neue Ebene ihre Schaffenskunst – und das Endergebnis konnte sich wirklich sehen lassen.

    Die Arbeit trug zwar nach wie vor ihre typische Handschrift – alles lief harmonisch in einem Gesamtbild zusammen – aber zum ersten Mal konnte man ihr komplettes Herz in jeder einzelnen ihrer umgesetzten Ideen spüren. Sie erschuf ein Kunstwerk – ein sehr gekonntes und aufeinander abgestimmtes Farb- und Lichtkonzept, elegante ‚männliche‘ Möblierung mit einem Hauch von Moderne, Finesse und Weiblichkeit und eine ultraschöne Auswahl an Kunst, sowohl Gemälde als auch Skulpturen.

    Aber ihr Hauptaugenmerk galt dem riesigen Garten – eine Oase der Ruhe, ideal für intime Stunden, vertrauliche Geschäftsbesprechungen, festliche Empfänge und rauschende Feste.

    Sie engagierte einen der bekannten Gartenbauarchitekten aus New York, der sich austoben durfte. Mit außergewöhnlichen exotischen Sträuchern und Bäumen, Scharen von Cortaderia selloana, dem amerikanischen Pampasgras, einem Meer von blühenden Bougainvilleas, Magnolien, früchtetragenden Zitronenbäumen, mexikanischen Orangenblumen und chinesischen Losbäumen, deren cremefarben-rote Duftblüten die Luft verführerisch aromatisierten. Der Duft von Rosen, Lavendel, Hibiskus und anderen blühenden Pflanzen war betörend.

    Ein aquafarbener, nierenförmiger Pool, ausgestattet mit modernster Technologie, und ein speziell für ein vollkommenes Hydromassage-Erlebnis entwickelter Whirlpool, bequem bedienbar per App, ummantelt von sandfarbenen Natursteinen und Rotschwingel, der aufgrund seine feinen, dichten Rasennarbe auch Golfrasen genannt wurde, rundeten das Bild ab. Und selbstverständlich durfte die für die Hamptons so typische drei Meter hohe Ligusterhecke nicht fehlen, die das riesige Grundstück umsäumte.

    Sein Grundstück lag nahe der Road D und somit nahe an einem der wenigen Zugänge zu einem besonders schönen Strand entlang der Meadow Lane. Selbst an heißen Sommerwochenenden im August hatte man diesen Traumstrand fast für sich alleine. Der Grund hierfür waren die viel zu geringe von der Stadt genehmigte Anzahl der Parkplätze. Genau achtundvierzig Autos passten auf die Stellplätze der Road D, und so verliefen sich die Insassen von gerade einmal vier Duzend Fahrzeugen und die Handvoll Glücklichen, die hier ihr Haus hatten, am endlosen Strand.

    Julia schuf daher in Höhe der Road D im hinteren Teil des Gartens einen gesicherten Zugang auf das Anwesen. Nach einem Strandbesuch konnte er sich direkt bei Betreten unter einer Designer-Außendusche vom Strandsand befreien. Und was gab es Schöneres als eine prickelnde Dusche im Freien an heißen Sommertagen? Sie entschied sich für eine exklusive Bodendusche in Natur und Anthrazit, natürlich UV-beständig, die sich formschön in den Außenbereich einfügte. Achtzehn Düsen sorgten für eine gleichmäßige Verteilung des Wassers. Die Höhe der Fontäne, die von zwei bis vier Meter variable einstellbar war, konnte ganz einfach durch Fußdruck auf einen kleinen, in der rutschfesten Standfläche installierten Knopf reguliert werden. Neben der Pooleinheit ein weiteres Highlight im Garten, das er, und das wusste sie, bald nicht mehr missen wollen würde. Was für ein toller Sommerspaß.

    Ein Gartenpalais von zweihundert Quadratmetern, vielleicht auch etwas größer, aus Holz und getöntem Glas, das sich ebenso wie die Außendusche ohne Anstrengung in die natürliche Umgebung eingliederte, bot fast mehr als ein professionell ausgestattetes Wellness-Hotel – eine Oase für das Wohlbefinden. Hometrainer, Dampfbad, eine weitere innenliegende Dusche, Massagestuhl, Ruheliege, begehbarer Kleiderschrank … Alles, was das Herz nach einem anstrengenden Tag am Strand oder Pool begehren könnte. Und völlig separat vom Haupthaus.

    Es war Julia wichtig, dass er das Leben unter freiem Himmel vollends genießen konnte. Für die Entspannung bei einem guten Glas Wein auf der Terrasse entschied sie sich daher für Outdoor Möbel eines ihrer Lieblingsdesigner – Roche Bobois Paris. Sie liebte die minimalistische, aber gleichzeitig verspielte Art der Linie Mah Jong, die zum ersten Mal auch als Outdoor-Version erhältlich war. Das modulare System bot einen unendlich anpassungsfähigen Charakter – perfekt für dieses Anwesen. In einer neuen Harmonie aus eleganten und üppigen Stoffen gekleidet, würde diese Lounge-Garnitur zum Aushängeschild werden. Um dem Gesamtbild Rechnung zu tragen, wählte sie aus den exklusiv für Roche Bobois kreierten floralen Stoffen Bezüge in Tönen der Farbpalette Türkis, Aqua, Flieder, Himmelblau und Mintgrün, die sich je Modul in Struktur und Muster unterschieden. Mal das typische Missoni-Muster, mal Zickzack-Streifen, mal farblich ineinander verlaufende gerade Streifen. Sie entschied sich für vier Muster, die trotz völliger Unterschiedlichkeit optisch zusammen eine Einheit bildeten. Passend bezogene Sitzhocker und weiße Tische aus Metall mit einem zufälligen Lochmuster gehörten ebenso zu dieser extravaganten Sitzlandschaft wie die dazu passenden Sonnenliegen nahe der Poollandschaft.

    Selbstverständlich gab es auch einen außenliegenden Essbereich – ein viereinhalb Meter langer, aber dennoch sehr transparent wirkender Esstisch aus Aluminium und Glas, an dem viele Gäste Platz hatten, sehr bequeme weiße Stühle und ein außenliegender offener Kamin waren hier die Stars. Sie verzichtete bewusst auf einen Barbecue-Grill und sonstigem Schnickschnack. Die wenigen edlen Möbel und Accessoires sprachen eine eigene Sprache, die einfach ausreichte. Aber das absolute Glanzstück gelang ihr durch ein ausgeklügeltes Lichtkonzept, das das gesamte Anwesen sehr pointiert in Szene setzte. Man konnte einfach nicht anders, als sich wohl zu fühlen.

    Das erkannten auch seine Freunde, die von Julias Arbeit begeistert waren. Und Folgeaufträge ließen nicht lange auf sich warten. Über Nacht wurde sie aufgrund ihrer Stilsicherheit und ihres ausgeprägten und untrüglichen Sinns für Ästhetik zum absoluten Geheimtipp weit über die Grenzen der Hamptons hinaus. Sie hatte es geschafft. Sie war endlich am Ziel ihrer Träume.

    Julia hatte vor fünfzehn Jahren nach einem Komplettzerwürfnis mit ihren Eltern die Koffer gepackt und ihrer Heimat Deutschland den Rücken gekehrt. Es zog sie schon immer nach New York, in die Stadt, die niemals schlief. Jetzt hatte sie die Möglichkeit, dort neu anzufangen. Sie war immer eine sehr entschlossene Person, die nicht lange zögerte, bevor sie eine Entscheidung traf. Also richtete sie auch in dieser Situation den Blick starr nach vorne, nahm den erstbesten Billigflug und war weg.

    Sie hatte einen genauen Plan, der, wie sie heute wusste, erst nach einigen Jahren, und nur dank ihm, aufging. Ohne ihn wäre sie immer noch auf der Suche nach ihrem Glück. Und es würde ihr sicherlich finanziell nicht so fantastisch gehen. Heute bekam sie sehr viel Anerkennung für ihre Leistungen, verdiente jede Menge Geld, flog in der Weltgeschichte herum und führte ein traumhaftes Leben auf der Achterbahn, um das sie viele Menschen beneideten. Heute hatte sie Zugang zu den Reichen, den Prominenten aus Funk und Fernsehen, zu Schauspielern, Musikern und Politikern. Sie konnte sich ihre Kunden aussuchen, die Häuser und Wohnungen in jedem Winkel dieser Welt besaßen. Das war nicht immer so gewesen.

    Sie genoss jeden Augenblick ihres Lebens. Und sie mochte ihr Weltenbummler-Dasein – diese Freiheit, diese Ungebundenheit. Für sie war alles ein großes Abenteuer. Sie hatte gute Freunde auf der ganzen Welt und einen extrem großen Bekanntenkreis. Und sie hatte mittlerweile ein recht hohes Vermögen angehäuft. Sie konnte es sich leisten, ein Luxusleben zu führen. Aber der Preis, den sie für ihren Erfolg zahlte, war hoch.

    Sie wollte sich lange nicht eingestehen, dass sie im Grunde genommen einsam war. Nicht zu Tode betrübt, aber ihrem Herzen fehlte etwas. Erst viel später, lange nach dieser schicksalhaften Begegnung mit ihm, wurde ihr klar, wie sehr sie – trotz allem, was sie geschafft hatte – eine Familie brauchte. Er füllte diesen Platz aus und dafür war sie ihm dankbar. Aber irgendwann fing sie an, die alten Freunde von zu Hause zu vermissen.

    Mit ihrem Neustart vor nunmehr fünfzehn Jahren hatte sie sämtlich Kontakte zu ihrer Familie und ihren Freunden abgebrochen, mit Ausnahme ihrer vier Mädels, mit denen sie, wann immer es zeitlich möglich war, stundenlange Videosessions abhielt. Und da war auch noch ein sehr kurzes Treffen vor ungefähr zwölf Jahren. Sie hatte die Bande am Ende ihres kurzen Besuches einer Internationalen Konsumgüter- und Innenarchitekturmesse in Frankfurt treffen können. Ein Treffen, was eigentlich nicht zählte, denn sie hatte nur etwa fünfundvierzig Minuten, bevor sie zurück zum Flughafen hetzen musste. Ihr Flug zum nächsten Auftrag in Monterey hatte nicht gewartet. Das war das letzte Mal, dass sie die vollständige Truppe gesehen hatte. Das war schon so lange her. Und ihre Mädels waren so weit weg.

    Deshalb war sie so dankbar, dass sie ihn hatte. Er war da und gab ihr Nähe. Und er war so warmherzig. Julia liebte ihn, denn er gab ihr eine Art neue, zweite Familie. Er nahm ihr die Einsamkeit. Er wurde ihr väterlicher Freund, ihr größter Fan, ihr Beschützer und Unterstützer.

    Vor sechs Monaten war er gestorben und hatte ihr ein Vermögen hinterlassen. Aber kein Geld der Welt konnte ihren furchtbaren Schmerz im Herzen lindern. Kein Geld der Welt würde ihn ihr zurückbringen. Die tiefe Trauer lähmte sie komplett. Jeder noch so kleinste Gedanke an ihn rief schiere Verzweiflung in ihr hoch. Sie zog sich mehr und mehr in sich zurück. Sie brauchte sein verdammtes Geld und sein Anwesen in den Hamptons nicht. Sie brauchte ihn, aber er war weg.

    Sie tat in ihrer tiefen Trauer das, was sie am besten konnte. Sie stürzte sich noch intensiver in ihre Arbeit, auch wenn sie merkte, dass sie nicht vollends bei der Sache war. Sie hatte ihre Kraft und ihren Elan verloren, war nicht mehr die alte Julia. Und sie fühlte sich alleine gelassen und fing an, nach so vielen Jahren wieder diese Einsamkeit zu spüren. War das der Grund, warum sie ihre alten Freunde unbedingt wiedersehen wollte? Warum sie jetzt in dieser überteuerten Suite in Frankfurt dem ersten Treffen mit ihnen auf dem Weihnachtsmarkt so entgegenfieberte? Bald war es soweit – sie hatten sich für 18:30 Uhr verabredet und wollten sie genau da treffen, wo sie sich schon früher immer getroffen hatten – am Glühweinstand gegenüber dem Römer.

    Sie hoffte so sehr, dass sich ihr verdammter Aberglaube, die Zahl 13 würde nichts Gutes bringen, in den nächsten Tagen nicht bewahrheitete. Wo war nur ihre verdammte Handtasche.

    KAPITEL 2

    Erster Kriminalhauptkommissar Tom Rothe aus Frankfurt, ein durchtrainierter, gutaussehen- der Mann in den Mitte Vierzigern, mit kurzem dunkelbraunem Haar und dunklem Teint, leicht angegrauten Schläfen und einem verschmitzten Lächeln, saß an seinem Schreibtisch und wartete. Es war in den letzten Tagen ungewöhnlich ruhig im Kommissariat – keine Einsätze, keine Vernehmungen, noch nicht einmal Anrufe. Wenn ein Mensch getötet wurde, klingelte das Telefon. Aber auch heute blieb es still.

    Er als einer der Chef-Ermittler in der Frankfurter Mordkommission, Kriminalinspektion 10 Kapitaldelikte, sollte eigentlich froh darüber sein. Seit mittlerweile zwanzig Jahren schaute er tagein, tagaus in menschliche Abgründe. Und er war sich sicher, dass er auch in jeden Abgrund der Stadt Frankfurt geblickt hatte. Eine Pause würde ihm, nein, dem gesamten K10-Team guttun. Während er durch die offenen Bürotüren Kommissare in Akten blättern oder Zimmerpflanzen gießen sah, hing er seinen Gedanken nach. Seine Kollegen erinnerten ihn an Sachbearbeiter, deren Arbeitstag beschaulich wie in jedem anderen Amt verlief. Doch mit diesem Trott konnte es jederzeit vorbei sein. Die Ruhe beunruhigte ihn. Er hoffte, dass es nicht die Ruhe vor dem großen Sturm war. Er hatte ein ungutes Gefühl.

    Sein Blick fiel durch die offene Tür auf das durchgesessene, polizeiblaue Sofa im Zimmer seiner Kollegin Oberkommissarin Merker, auf dem er manchmal schlief, wenn es sich nicht lohnte, abends nach Hause zu fahren. Gestern war exakt so ein Abend gewesen – er arbeitete an der Komplettierung der liegengebliebenen Ermittlungsakten und damit wollte er fertig werden. Also arbeitete er bis spät in die Nacht. Und zu Hause wartete ja ohnehin niemand auf ihn.

    Er musste sich eingestehen, dass er auch einfach nicht alleine in seiner zweihundertdreiundzwanzig Quadratmeter großen leeren Penthouse-Wohnung im Loft-Stil mit Blick auf die Frankfurter Skyline sein wollte. Er hatte zurzeit ganz und gar nicht das Verlangen, sich mit seiner inneren Einsamkeit auseinanderzusetzen. Alleine in seiner Wohnung zu sein, würde unweigerlich dazu führen. Dann übernachtete er lieber im Büro. Hier war er nie alleine. Hier fühlte er seine Einsamkeit nicht.

    Seine ehemalige Lebensgefährtin hatte sich vor einigen Monaten von ihm getrennt. Sie konnte sich plötzlich mit seinem Beruf, den ungewissen, nicht planbaren Arbeitszeiten, den stets unter Vorbehalt stehenden Verabredungen und den Gefühlsirritationen, die automatisch während jeder Ermittlung eines Tötungsdeliktes aufkamen, nicht mehr arrangieren. Sie verstand einfach nicht, dass die offenen Fragen, die bei der Suche nach einem Mörder zu beantworten waren, ihn selbst im Bett nicht losließen. War sie wirklich so unsensibel?

    Eigentlich hatte er sofort gewusst, dass das alles nur vorgeschobene Gründe für die Trennung waren. Er ging schon damals davon aus, dass ein anderer Mann dabei eine Rolle spielte, ein Verdacht, der sich im Laufe der Zeit erhärtete. Aber er hatte nie gefragt. Was hätte ihm das auch gebracht? Es hätte sich nichts geändert. Es wäre für beide nur unangenehmer geworden. Er stellte auch nicht die Frage, was er in ihren Augen hätte tun sollen. Ihre Entscheidung stand doch ohnehin schon felsenfest. Hatte sie erwartet, dass er von sich aus seinen Job aufgeben würde, um Tag und Nacht bei ihr zu sein? Schon alleine die Vorstellung ließ ihn den Kopf schütteln. Niemals würde er aufhören, sich für die gewaltsam Getöteten einzusetzen. Einen solchen Tod hatte niemand verdient.

    Sein Arbeitsplatz im Polizeipräsidium auf der Adickesallee wurde allerdings durch seinen derzeitigen Gemütszustand mehr und mehr zu seinem zweiten Zuhause. Er wusste, dass das nicht gut war. Jeder Mensch, vor allem ein Polizeibeamter, der nur mit der negativen Seite des Lebens konfrontiert wurde, brauchte einfach den frischen Wind und die Harmonie des Privatlebens. Aber warum seine merkwürdige Gefühlsduselei? Er hatte schon lange einen Strich unter diese unschöne Angelegenheit gezogen. Sie fehlte ihm nicht. Die Liebe zwischen ihnen war schon seit vielen Monaten erkaltet, nur die Bequemlichkeit hatte sie noch davon abgehalten, den endgültigen Schritt zu gehen. Es war eine Frage der Zeit. Sie war ihm einfach nur zuvorgekommen. Aber wo war dann seine alte Gelassenheit? War er einfach nur beleidigt, dass er verlassen wurde? Brauchte er einfach jetzt nur die Zeit, seine Ego-Wunden zu lecken? Verletzte männliche Eitelkeit und so? Egal. Er war zuversichtlich, dass sich alles von ganz allein regulieren und er dann automatisch zu seinem alten Ich zurückkehren würde. So war es immer gewesen. Im Verdrängen der eigenen Gefühle war er ein wahrer Meister.

    Sein Blick durch die offene Bürotür fiel auf ein Foto, das im Dezember 2002 am Tag der Einweihung dieses Polizeipräsidiums gemacht wurde. Fein säuberlich gerahmt hing es an einer Wand im Flur und zeigte seine gesamte, bis über beide Ohren strahlende Mannschaft gemeinsam mit der Frankfurter Politprominenz vor diesem wuchtigen Bau posierend. Alle liebten IHR neues Polizeipräsidium, noch bevor sie die neuen Büros bezogen hatten. Es zählte nun mal zu den wichtigsten Bauwerken der Frankfurter Architekturgeschichte seit der Jahrtausendwende und war immerhin, nach Anzahl der Mitarbeiter, das größte der sieben Flächenpräsidien der hessischen Polizei. An diesem Tag waren alle irgendwie stolz, Teil der Crew zu sein. Heute war in den sehr kahl eingerichteten Arbeitszimmern vom Geist dieses Einweihungstages nicht mehr viel zu spüren. Der Alltag hatte sie alle eingeholt. Dennoch fühlte er sich wohl hier.

    Tom glaubte, dass es nicht nur ihm so ging. Er war sich sicher, dass viele seiner Kollegen ähnlich fühlten. Nicht umsonst fanden sich so viele private Gegenstände in den einzelnen Büros. Tom hatte dafür keinen Platz. Sein Schreibtisch war unter Akten begraben. Aber auch an seiner Wand hing ein großes Plakat des von Francis Ford Coppola im Jahr ´72 verfilmten Klassikers ‚Der Pate‘. Was für ein schlauer Schachzug, den Mafiaboss Don Vito Corleone von diesem grandiosen Marlon Brando spielen zu lassen. In seinen Augen eine meisterhafte Wahl. Sein Kollege und Freund Siegfried (Suzie) Schrei beispielsweise hatte sein Zimmer voll dekoriert mit Bildern von Szenen aus seinem Lieblingsfilm ‚Das indische Halstuch‘ von Edgar Wallace. Besonders Fotos mit dem völlig irre blickenden Klaus Kinski hatten es ihm angetan. Offenbar hegte er eine gewisse Sympathie für unangepasstes Verhalten. Und da gab es noch Guido Kuperne, ebenfalls Mordkommissar, der sich zunächst vom Dalai Lama und Richard Gere inspiriert gefühlt, diese beiden aber bereits nach kurzer Zeit durch den schrulligen Inspektor Columbo und Dr. Quincy ausgetauscht hatte. Der Dalai Lama lag jetzt eingerollt neben seinem Metallspind.

    Was für eine Truppe. Alle mit ihren eigenen Charakterzügen und Eigenheiten. Aber so unterschiedlich sie auch waren, wenn es darauf ankam, konnte sich jeder Einzelne blind auf den anderen verlassen. Eine große und großartige Familie eben.

    Erneut blickte Tom skeptisch auf sein Telefon. Es klingelte immer noch nicht. Es war fast schon unheimlich ruhig. An dem kalten Winterwetter lag es nicht. Davon war er überzeugt. Mord und Totschlag passierte in jeder Jahreszeit. Er erinnerte sich an die Einschätzung eines ehemaligen Kollegen aus dem K20, der davon überzeugt war, dass Art und Anzahl der Verbrechen von der Mondphase beeinflusst wurden. Er führte sogar Statistiken über die Verbrechensquote vor den Vollmondnächten und danach und behauptete, dass es in dieser Zeit besonders viel zu tun gab. Na ja, jeder hatte das Recht, an das zu glauben, was ihn glücklich machte. Tom allerdings hielt es für großen Quatsch. Er hatte keinen Sinn für Esoterik oder irgendeine andere Form von Spiritualität. Und er glaubte erst recht nicht an Einflüsse, egal ob vom Mond, der Sonne oder den Sternen, auf das Verhalten von Straftätern. Dafür war er zu rational denkend, zu sehr tatsachenfokussiert. Diese Klarheit brauchte er für seinen Job.

    In seinem Büro hing eine mit Nadeln gespickte Frankfurt-Karte, auf der die Schauplätze der Verbrechen dieses Jahres, die die Kommissare bearbeitet hatten, verortet waren. Sie ermittelten in ganz Frankfurt, ob im Hotspot Bahnhofsviertel oder im eleganten Holzhausenviertel. Mord war ganz klar ein klassenloses Verbrechen, das zu jeder Zeit und an jedem Ort stattfinden konnte. Für ihn passierten Verbrechen entweder völlig zeitunabhängig im Affekt oder wurden dann begangen, wenn sich die beste Gelegenheit dazu bot, wobei in beiden Fällen die Motive immer noch dieselben wie vor hundert Jahren waren. Liebe, Geld und Gier. Er wusste, dass über die Hälfte aller Tötungsdelikte Beziehungstaten waren. Der Täter stammte in über 80 Prozent der Fälle aus dem direkten persönlichen Umfeld des oder der Getöteten, unabhängig von der

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