Aus C.G. Jungs letzten Jahren
Von Aniela Jaffe
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Über dieses E-Book
In diesem Buch - eine Neuerscheinung von Aufsätzen zur Psychologie C G. Jungs - finden sich biographische Beiträge zur Persönlichkeit und zum Wirken C.G. Jungs. Aniela Jaffé beschreibt die Eranos-Tagungen, wo Jung alljährlich mit bedeutenden Wissenschaftlern aus verschiedenen Fachrichtungen zusammentraf, und gibt Einblick in die besondere Atmosphäre dieser interdisziplinären Gespräche. In einem weiteren Teil beleuchtet sie die letzten Lebensjahre C.G. Jungs. Die Ausführungen, die auf persönlichen Erfahrungen der Autorin beruhen, vervollständigen in einfühlsamer Weise ihre Jung-Biographie.
In vier weiteren Beiträgen geht sie mehr auf bestimmte Bereiche des Jungschen Gedankengutes ein. Erläuterungen zur Parapsychologie, Alchemie, zum Aberglauben aus psychologischer Sicht folgen in diesem zweiten Teil. Abgerundet wird er durch eine Diskussion des Begriffes einer Einheitswirklichkeit.
Aniela Jaffe
Biografie: Aniela Jaffé (1903–1991) war Analytikerin in Zürich und langjährige Mitarbeiterin C.G. Jungs. Als Herausgeberin von "Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung" ist sie einem großen Leserpublikum bekannt geworden. Sie hat mit ihren zahlreichen Publikationen maßgeblich dazu beigetragen, dass seine Psychologie einem breiteren Kreis näher gebracht wurde. Ihr Interesse galt nicht nur der Analytischen Psychologie, wie viele ihrer Bücher bezeugen, sondern auch der Literatur und Parapsychologie. Biography: One of the most distinguished interpreters of C.G. Jung’s ideas today, Aniela Jaffé was born in Berlin and studied psychology at the University of Hamburg. With the outbreak of World War II, she emigrated to Zürich, where she later trained with the psychiatrist/analyst C.G. Jung. Frau Jaffé’s reputation as a lucid and authoritative writer has been substantiated through her collaboration with Jung on the biographical work, "Memories, Dreams, Reflections", her editing of his collected "Letters", and numerous independent works, including The Myth of Meaning. She practiced as an analyst in Zürich until her death in 1991.
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Buchvorschau
Aus C.G. Jungs letzten Jahren - Aniela Jaffe
Vorwort
Ich bin dem Daimon Verlag zu Dank verpflichtet, daß er es unternommen hat, einige bereits vergriffene oder verstreut erschienene Aufsätze von mir im vorliegenden Band neu herauszugeben und zugänglich zu machen.
Die einleitenden Bemerkungen über „Aberglauben erschienen in der Zeitschrift „Ex Libris
im März 1968.
Die Aufsätze über „Parapsychologie, „Die Alchemie
und „Aus Jungs letzten Jahren" entstammen dem vergriffenen Buch Aus Leben und Werkstatt von C.G. Jung (Rascher Verlag 1968, später Walter-Verlag).
Es gehörte zu C.G. Jungs wissenschaftlichem Vorgehen, daß er in seinen Schriften auf wesentliche Probleme zurückkam, sie von verschiedenen Gesichtspunkten aus betrachtete, alte Fragen neu durchdachte und neue und differenziertere Antworten erteilte. Das macht die Lektüre seines umfangreichen Werks zu einem spannenden Erlebnis, erschwert jedoch die gründliche Kenntnis eines einzelnen Fragenkomplexes. So ist es nur natürlich, daß an Jungs Mitarbeiter und Schüler immer wieder die Bitte gerichtet wurde, ein einzelnes Thema seiner Psychologie darzustellen.
1965 wurde ich von Professor J. R. Smythies, M. D., University of Edinborough, aufgefordert, für einen Sammelband Science and ESP (Naturwissenschaft und außersinnliche Wahrnehmungen) im Rahmen der „International Library of Philosophy and Scientific Method einen Beitrag über C.G. Jungs Erfahrungen und Forschungen auf dem Gebiet der Parapsychologie zu liefern. Der hier vorliegende Aufsatz „Parapsychologie: Erfahrungen und Theorie
ist eine erweiterte Fassung jenes Beitrags.
Jungs parapsychologische Forschungen gehören zu den schwierigsten, vom naturwissenschaftlichen Gesichtspunkt aus jedoch wichtigsten Kapiteln seines Werks. Das von ihm aufgestellte, die Kausalität ergänzende Erklärungsprinzip der Synchronizität ermöglichte die wissenschaftliche Einordnung und das Verständnis zahlreicher bisher unerklärt gebliebener Phänomene. Aufgrund seiner Einsichten wurde die Parapsychologie zur Brücke zwischen der Psychologie des Unbewußten und der Mikrophysik.
Mit Vorliebe wandte Jung sein Interesse abseitigen und darum beunruhigenden Problemen zu, was er damit begründete, daß in Sicherheit, Gewißheit und Ruhe keine Entdeckungen gemacht werden. Ein abseitiges Thema war die Parapsychologie und ist es in vieler Augen auch heute noch. Das gleiche gilt von der Alchemie. Jung erkannte aber, daß in den Bemühungen der alten Alchemisten nicht nur die Anfänge der Chemie liegen, sondern daß der Inhalt ihrer Texte auch als eine dem Unbewußten entstiegene mystisch-religiöse Bilder- und Gedankenwelt betrachtet werden müsse. In diesem verborgeneren Aspekt liegt ihre Bedeutung für die tiefenpsychologische Forschung.
Die „Bollingen Foundation", New York, später Princeton, beauftragte mich, für den Bücherkatalog The Mellon Collection of Alchemy and the Occult ein Vorwort zu schreiben, das dem Thema „Der Einfluß der Alchemie auf das Werk von C.G. Jung gewidmet sein sollte. Der in diesem Band enthaltene Aufsatz „Die Alchemie
ist dessen erweiterte Fassung.
Der Aufsatz „Die Einheitswirklichkeit und das Schöpferische" bildete meinen Beitrag in der Festschrift Kreativität des Unbewußten zum 75. Geburtstag von Erich Neumann (1905 – 1960), herausgegeben von der Zeitschrift „Analytische Psychologie (Karger-Verlag). Den Ausgangspunkt bilden Neumanns Gedanken zur „großen Erfahrung
des Menschen angesichts des schöpferischen Werkes, in welchem das Transzendente symbolisch dargestellt und ahnend erfaßt werden kann. Der Vergleich mit entsprechenden Gedanken C.G. Jungs vermittelt einen Einblick in Ähnlichkeit und Verschiedenheit beider Weltanschauungen.
Über „C.G. Jung und die Eranos-Tagungen" sprach ich an der Eranos-Tagung 1975 in Ascona, die im Zeichen von Jungs 100. Geburtstag stand (Eranos-Jahrbuch 44, 1975). Der Aufsatz enthält Erinnerungen an gemeinsames Erleben der Tagungen, bei welchen Jung das geistige und menschliche Zentrum bildete. Seine Beziehung zur Gründerin der Tagungen, Olga Froebe-Kapteyn (1881 – 1962) wird kurz dargestellt
Der Aufsatz „Aus C.G. Jungs letzten Jahren" beruht auf meinen persönlichen Erinnerungen. Ich schrieb ihn auf Bitten zahlreicher Menschen, die die wissenschaftlichen Gedanken Jungs kannten und sich auch ein Bild von seiner Persönlichkeit machen wollten. Ihre Bitte war verständlich, da Jung schon während Lebzeiten zu einer Legende geworden war – eine seltsame Tatsache, an der auch das nach seinem Tod veröffentlichte Buch Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung nichts änderte. In diesem Erinnerungsbuch ist fast ausschließlich die Rede von den Erfahrungen und Entwicklungen des „inneren Menschen – Jung nannte ihn „Nr. 2
–, aber nur wenig von seiner Persönlichkeit „Nr. 1, die im Außen wurzelte und Mensch unter Menschen war. Mein Aufsatz will nichts anderes bringen als eine lose Folge von Momentaufnahmen der Persönlichkeit „Nr. 1
, Streiflichter aus den letzten Lebensjahren von C.G. Jung. Ihnen müßten allerdings noch zahlreiche andere Aufnahmen beigefügt werden, um das Bild des Menschen abzurunden.
Es sind zeitlose oder archetypische Themen, mit denen sich die einzelnen Kapitel befassen. Aus diesem Grunde ist ihr Inhalt heute noch ebenso aktuell wie zur Zeit ihrer ersten Publikation.
November 1981
Aniela Jaffé
Da der Band „Aufsätze zur Psychologie C.G. Jungs inzwischen vergriffen ist, freue ich mich, daß die darin enthaltenen Beiträge nun wieder erscheinen unter dem neuen Buchtitel „Aus C.G. Jungs letzten Jahren
.
Im Frühjahr 1987
A.J.
Aberglaube
„Aberglaube ist der Glaube an die Wirkung und Wahrnehmung naturgesetzlich ungeklärter Kräfte, soweit diese nicht in der Religionslehre selbst begründet sind, so lautet die Definition im „Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens
, das nicht weniger als zehn Bände in Lexikonformat umfaßt. Seit dem letzten Jahrhundert zieht man vielfach den Ausdruck „Volksglaube vor, doch widerspricht diese Umschreibung den Tatsachen, wenn unter „Volk
die breite Schicht der Nichtintellektuellen verstanden wird. Welcher moderne Intellektuelle nimmt es gleichgültig hin, wenn er als dreizehnter Gast zur Tafelrunde erscheint?, wenn er, den eben vollendeten Roman in der Tasche, vor der Tür des Verlegers stolpert?, wenn sein Wagen auf dem Weg zur Freundin streikt? Welcher Gebildete überspringt das Horoskop im Wochenblatt? Christophorus-Plaketten, Stofftiere, alraunenhafte Figürchen und andere Mascottes sollen – nicht nur in Volkswagen – einen Abwehrzauber gegen Unfall und Gefahr ausüben. Daß die vielfältigen Erscheinungen modernen Aberglaubens in allen sozialen Schichten, bei Männern wie bei Frauen, eine Rolle spielen, entgeht keiner aufmerksamen Beobachtung.
Manches galt gestern noch als Aberglaube, was heute Gegenstand wissenschaftlicher Forschung ist. „Er fürchtet, sein Stolpern habe eine üble Vorbedeutung! Er glaubt sogar an Träume, dieser lächerliche, abergläubische Mensch! Wer so urteilt und verurteilt, weiß nicht, daß Sigmund Freud schon vor mehr als einem halben Jahrhundert auf den Sinn von Fehlleistungen gewiesen hat, und dazu gehören Versprechen, Vergessen ebenso wie Stolpern, Fallen usw. Auch geht er an der Tatsache vorbei, daß die Sprache der Träume von der modernen Tiefenpsychologie entziffert wurde. Allerdings offenbaren Träume ihren Sinn nur einer sorgfältigen Deutung. Das „Uralte Chaldäische Traumbuch
, in dem es heißt: „von Soldaten träumen bedeutet Geldgewinn und „von Rosen träumen bedeutet Liebe
, vermittelt keine Wahrheit. Solange man sich an solch billige „Traumschlüssel hält, ist das Verdikt „Aberglaube
am Platz. Meist steigert sich die Entrüstung der Aufgeklärten, wenn von Wahrträumen und Vorahnungen die Rede ist, obwohl die Echtheit dieser Phänomene schon längst festgestellt wurde und die Fähigkeit des Menschen, Zukünftiges zu „wissen", in Laboratoriumsversuchen nachgeprüft worden ist. Wahrträume ebenso wie verwirklichte Vorahnungen sind aber relativ seltene, irregulär auftretende Ereignisse, und keine Wissenschaft hat es vermocht, ihnen den Charakter des Wunderbaren zu nehmen. Dies verführt immer wieder dazu, ihre Echtheit zu bezweifeln und sie ins Gebiet des Aberglaubens zu verbannen.
Als Aberglaube gilt das bekannte Deuten und Berücksichtigen äußerer „Zeichen. Schicksal und Charakter werden aus dem Stand der Sterne, den Linien der Hand, der Lage von Tarotkarten gedeutet. In der Antike verkündeten Priester das Orakel nach dem Flug der Vögel oder aus den Gedärmen geschlachteter Opfertiere. Vor allem gelten ungewöhnliche Ereignisse – Kometen, eine Fledermaus am hellichten Tag, die zweite Blüte eines Fruchtbaumes – als Omen, als schicksalskündendes Zeichen. Als Goethe nach dem Tod Christianes noch einmal zu Marianne von Willemer reisen wollte, brach unterwegs der Wagen. Goethe nahm es als „Zeichen
, kehrte um und ließ den Plan des Besuchs für immer fallen. Sein Tun erscheint als purer Aberglaube, aber was ihn leitete, war der Glaube an unfaßliche Schicksalsmächte, und es war ihm innerstes Bedürfnis, ihre „Zeichen zu beachten, sich mit ihnen in Einklang zu wissen. Dabei verlor er jedoch niemals das Gefühl eigener Freiheit, nie das Bewußtsein der Distanz. Aberglaube galt ihm als „die Poesie des Lebens
. Nur wo eine zwanghafte Bindung an die „Zeichen" besteht, wo sie angsterfüllt berücksichtigt werden, treten Enge und Fessel des Aberglaubens an die Stelle eines Weltgefühls, das im Innen und Außen, in Mensch und Kosmos bedeutsame Analogien ahnt.
Als C.G. Jung in Zentralafrika bei dem Stamm der Elgonyi weilte, beobachtete er, daß sie allmonatlich die schmale Sichel des Neumonds begrüßten und den Augenblick seines Aufgangs heiligten: sie streckten ihm die mit Speichel befeuchteten Hände entgegen, womit sie ausdrücken wollten: ich biete Dir meine Seele dar. Jung übernahm den Ritus. Wann immer die Sichel des Neumonds am klaren Himmel sichtbar wurde, begrüßte er sie nach Art der Elgonyi. War das Aberglaube? Nein, denn es geschah in spielerischer Freiheit und war getragen vom Wissen über den Sinn der symbolischen Geste. Er übernahm sie als Ausdruck der Verehrung für die Größe einer Macht, die uns unfaßlich umgibt und ebenso unfaßlich in uns lebt.
Parapsychologie: Erfahrungen und Theorie
Okkultismus und Spiritismus
Für C.G. Jung war die Parapsychologie nicht nur Gegenstand wissenschaftlicher Forschung, Experiment und Theorie, sondern sein Leben war reich an eigenen Erfahrungen auf dem Gebiet der spontanen, akausalen, oder – wie es im allgemeinen heißt – okkulten Phänomene. Er schien mit einer ungewöhnlichen „Durchlässigkeit" für die Vorgänge des psychischen Hintergrunds begabt. Aber das allein erklärt den Reichtum an Erfahrung noch nicht: zu der sensiblen Beeindruckbarkeit durch die Manifestationen des Unbewußten kam eine ständige Beobachtung der Natur, der Objekte und der Menschen in seiner Umgebung. Einer solchen, dem Innen und Außen gewidmeten Aufmerksamkeit erschließen sich sinnvolle Zusammenhänge zwischen Hüben und Drüben, die von einem geringeren Interesse gar nicht wahrgenommen würden. Wahrträume und Präkognitionen waren in Jungs Leben keine Seltenheit, aber auch alles andere als Gewohnheit; wenn sie sich ereigneten, wurden sie jedesmal mit Staunen, man möchte fast sagen, mit der dem Wunder gebührenden Ehrfurcht zur Kenntnis genommen. In dem Erinnerungsbuch¹, das in seinem neunten Jahrzehnt entstand, ist ausführlich von ihnen die Rede.
Eine Begabung und ein Interesse für „Übersinnliches war schon bei Jungs Mutter (Emilie Jung, geb. Preiswerk, 1849-1923) vorhanden. Sie hinterließ ein Tagebuch, in dem sie ausschließlich selbsterlebte Spukphänomene, Vorahnungen und andere „Seltsamkeiten
aufgezeichnet hatte. Ihr Vater war der Basler Antistes (Vorsteher der reformierten Geistlichkeit) Samuel Preiswerk (1799-1870), und als Kind war ihr häufig die Aufgabe zugefallen, ihn vor „Geistern zu schützen: Wenn er seine Predigten schrieb, mußte sie sich hinter ihn setzen, denn er konnte es nicht leiden, so erzählte man sich, daß hinter seinem Rücken „Geister
vorbeigingen und ihn störten. Jede Woche pflegte er zu einer bestimmten Stunde mit dem „Geist seiner verstorbenen ersten Frau vertraute Zwiesprache zu halten, sehr zum Kummer der zweiten! Er habe an „Wachhalluzinationen
gelitten, lautete Jungs psychiatrische Diagnose, die er jedoch zugleich als „bloßes Wort verwarf. Samuel Preiswerks zweite Frau Augusta, geb. Faber (1805-1862), C.G. Jungs Großmutter, hatte ebenfalls „das zweite Gesicht
, wie man zu sagen pflegt, auch sie konnte „Geister" sehen. Die Familie führte ihre Begabung darauf zurück, daß sie einmal als junges Mädchen während 36 Stunden scheintot gewesen war. Ihre Fähigkeiten halten aber auch strengerer Beurteilung stand: es konnte vorkommen, daß sie Erscheinungen von ihr unbekannten Persönlichkeiten wahrnahm, deren historische Existenz sich später nachweisen ließ.
Jungs Interesse an der Parapsychologie als Wissenschaft begann zur Zeit seines Medizinstudiums, also in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts. Damals brauchte man noch mit Vorliebe den aus der Romantik stammenden Ausdruck Somnambulismus, oder man sprach von Spiritismus. Jungs Studienfreund Albert Oeri² erzählt darüber in seinem Aufsatz „Ein paar Jugenderinnerungen³, den er C.G. Jung zum 60. Geburtstag widmete: „Ich möchte nicht verschweigen, daß Jung eine Hohe Schule persönlichen Mutes durchgemacht hatte, indem er ausgiebig spiritistische Literatur studierte, spiritistisch experimentierte und zu seinen Überzeugungen, die er dadurch gewann, auch stand, solange sie nicht durch sorgfältigere psychologische Studien korrigiert waren. Ihn empörte vorweg, daß die damalige offizielle Wissenschaft die okkulten Phänomene einfach leugnete, statt sie zu erforschen und sie zu erklären. So wurden Spiritisten wie Zöllner und Crookes, von deren Lehren er einem stundenlang erzählen konnte, für ihn zu heroischen Märtyrern der Wissenschaft. Unter Freunden und Verwandten fand er Teilnehmer für spiritistische Seancen … Es war herrlich, sich von Jung darüber vordozieren zu lassen, wenn man bei ihm auf der Bude saß. Sein niedlicher Dackel schaute einen dann so ernst an, wie wenn er alles Gesprochene verstände, und Jung verfehlte nicht, mir mitzuteilen, daß das empfindsame Tierchen manchmal jämmerlich winsle, wenn sich im Haus eine okkulte Kraft betätigte.
Wie Oeri andeutet, ließ es Jung nicht bei der Lektüre „okkultistischer Literatur bewenden, sondern begann mit eigenen Experimenten und veranstaltete regelrechte Seancen während der Jahre 1899 und 1900. Das Medium war eine seiner Cousinen, ein Schulmädchen von 15 Jahren. Zu Beginn dieser Tätigkeit ereigneten sich in der Wohnung, die er mit seiner verwitweten Mutter und seiner Schwester teilte, zwei „okkulte
Phänomene: ein schwerer Tisch aus Nußbaum, ein altes Erbstück, spaltete sich mit lautem Krachen, und bald darauf zersprang ein in einem Schubfach verwahrtes Brotmesser auf