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Psychodynamische Körperpsychotherapie
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eBook101 Seiten1 Stunde

Psychodynamische Körperpsychotherapie

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Über dieses E-Book

Nicht alles muss durch das Nadelöhr der Sprache. Nonverbale Ausdrucks- und Kommunikationselemente sind zwar oft von sprachlichen Prozessen begleitet, enthalten aber unabhängig davon Bedeutungen, die in den Affekten, Gesten und Körperbewegungen zum Ausdruck kommen. Die Analyse der körperlichen Interaktion ist ein Mittel, um Ängste, Verletzungen, tabuisierte Bedürfnisse und daraus resultierende Selbsteinschränkungen bewusst zu machen. Peter Geißler verfolgt das Ziel, die körperliche Dimension zwischen Patient und Therapeut psychoanalytisch zu erschließen. Er demonstriert den Einsatz aktiver Techniken auf dem Hintergrund der analytischen Reflexion von Übertragung und Gegenübertragung und unter Bezugnahme auf das implizite Beziehungswissen.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum12. Juni 2017
ISBN9783647998480
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    Buchvorschau

    Psychodynamische Körperpsychotherapie - Peter Geißler

    1Vorbemerkungen

    Blicke ich auf meine eigene Selbsterfahrung zurück, stelle ich fest, dass sich im nachträglichen inneren Erleben körperpsychotherapeutische und psychoanalytische Zugangsweisen als unterschiedlich, in der Gesamtschau jedoch gleichwertig niedergeschlagen haben. Waren es in der bioenergetischen Lehranalyse und in Bioenergetikgruppen unvergessliche unmittelbar körperliche regressive Erfahrungen von hoher emotionaler Intensität, so wurden mir in der psychoanalytischen Einzelerfahrung vollkommen neue Verstehensweisen vormals unbewusster Prozesse eröffnet. Daraus ist innerhalb der letzten 25 Jahre die Idee entstanden, die körperliche Erfahrung innerhalb einer Psychoanalyse im offenen Setting theoretisch und methodisch zu integrieren. Im Kern geht es dabei um zweierlei: erstens um einen ganzheitlichen Zugang zum Erleben unserer Patientinnen und Patienten; zweitens um Möglichkeiten des Zugangs zu ihren Affekten mithilfe aktiver Techniken, sofern dies indiziert ist.

    Das auf diese Weise entstandene Vorgehen ist in keiner Weise einheitlich. Einzelne Autoren nehmen unterschiedliche Schwerpunktsetzungen vor. Es spiegelt sich darin die mittlerweile vielfach betonte Pluralität psychoanalytischer Auffassungs- und Vorgehensweisen wider. Die Mehrzahl der Kolleginnen und Kollegen steht jedoch einer intersubjektiv-relationalen Sichtweise auf psychisches Geschehen nahe. Ein weiterer Aspekt betrifft die Bedeutsamkeit der Theorie in der konkreten klinischen Arbeit. Kennzeichnend für unser Vorgehen ist eine Grundhaltung des »Nicht-Wissens« (Geißler, 2007a, S. 101). Eine solide psychoanalytische Ausbildung einschließlich körperpsychotherapeutischer Selbsterfahrung und diagnostischen Wissens vorausgesetzt, ist psychodynamische Körperpsychotherapie in der Begegnung im »Hier und Jetzt« nicht speziell theoriegeleitet. Theoretische Voreingenommenheiten im Kontakt mit dem Patienten werden beiseitegelassen, ausgehend davon, dass sich das Lebendige ohnehin nie exakt in theoretische Kategorien hineinpressen lässt. Man könnte die Leitidee in folgender Weise formulieren: »Nicht alles muss somit durch das Nadelöhr der Sprache gehen« (Geißler, 2013, S. 9).

    2Historische Wurzeln und gegenwärtiger Stand

    2.1 Ferenczi und seine Nachfolger

    Es war Ferenczi, der erkannte, dass der Bewegung, dem konkret-körperlichen Handeln und der Interaktion im Hinblick auf begünstigende Bedingungen, um traumatische Situationen therapeutisch wiederherzustellen, ihre eigene Qualität innewohnt. Die komplexen Hintergründe der psychischen Erkrankung müssen in der Behandlung erst einmal wahrnehmbares psychisches Faktum werden, erlebbare Präsenz annehmen. »Natürlich hat Freud recht, wenn er uns lehrt, dass es ein Triumph der Analyse ist, wenn es gelingt, Agieren durch Erinnerung zu ersetzen; ich meine aber, es ist auch von Vorteil, bedeutsames Aktionsmaterial zu beschaffen, das man dann in Erinnerung umsetzen kann« (Ferenczi, 1931/1972, S. 278). Ferenczi war offen für technische Experimente, für körpernahe und regressive Erlebens- und Verhaltensweisen, für eine »elastische Technik«, für eine »Kinderanalyse mit Erwachsenen« – allesamt Versuche, Beziehungsformen herzustellen, die für einige Patienten geeigneter waren als die von Freud empfohlene klassische analytische Situation.

    Ferenczi und Rank (1924/1995) hoben in »Entwicklungsziele der Psychoanalyse« die Bedeutsamkeit des Erlebens im »Hier und Jetzt« hervor und vollzogen eine Abkehr von einem medizinischen Behandlungsmodell, indem sie Grunderfahrungen wie Güte, Authentizität, Bescheidenheit und Takt als therapeutische Haltung in den Vordergrund rückten. Insofern gelten Ferenczi und Rank gemeinsam mit Adler als Vorreiter einer intersubjektiv-relationalen Haltung, einer Zwei-Personen-Psychologie. Nicht der Therapeut schreibt ein bestimmtes Behandlungssetting vor, sondern dieses wird zwischen Patient und Therapeut ausgehandelt. Das Setting ist ein Teil der miteinander hergestellten Szene.

    Balint (1968), der bei Ferenczi in Analyse war, berichtet von einer Patientin, die während der Analyse einen Purzelbaum schlug, was einen Neubeginn in der Behandlung einleitete. Es deutet sich in diesem Beispiel eine neue Einstellung gegenüber dem »Agieren« und der Regression an, die nun nicht mehr nur als Umweg, sondern als »Königsweg« betrachtet werden können. Als Schmelztiegel in der Diskussion um neue analytische Zugangsmöglichkeiten gilt eine britische Gruppe, die unter der Bezeichnung »Independent Mind of British Psychoanalysis« bekannt geworden ist (Rayner, 1991) und zu der Pioniere wie Winnicott, Khan, Bowlby, Klauber, Jones, Sharpe, Strachey und Fairbairn gehörten. Winnicott bot bestimmten Patientinnen und Patienten wiederholt körperliche Berührung an. Little (1981, 1994), die bei Winnicott in Analyse war, äußert sich wiederholt zu körperlicher Berührung und zu körpernahen Formen von Regression (ausführlichere historische Bezüge bei Geißler, 1998, 2001). Insgesamt war der Einfluss der Pioniere auf die psychoanalytische Community mehrere Jahrzehnte lang ein geringer.

    Ferenczis Arbeiten beeinflussten gemeinsam mit der empirischen Säuglings- und Kleinkindforschung ab den 1980er Jahren die Technikdebatte in der Psychoanalyse, u. a. hinauslaufend auf Überlegungen, die Rolle des Agierens neu zu bedenken, das heißt, Agieren nicht automatisch in einen Zusammenhang mit Widerstand zu bringen. Hatte Freud (1916–1917, S. 9) die Standardbehandlung so definiert: »In der analytischen Behandlung geht nichts anderes vor als ein Austausch von Worten zwischen dem Analysierten und dem Arzt«, so befreiten Klüwer (1983, 1995) und Jacobs (1986) den (unbewussten) Handlungsdialog bzw. das Enactment endgültig aus seiner negativen Konnotation. Klüwer, der an das szenische Verstehen von Argelander (1970) und Lorenzer (1970) anschloss, sprach im Hinblick auf den Handlungsdialog vom »vielleicht wichtigsten Ort psychischer Transformation« (Klüwer, 1995, S. 65), also von einer entscheidenden Erfahrungs- und Erkenntnisquelle neben dem Austausch von Worten.

    2.2 Der Steißlinger Kreis

    Die Neubewertung des Agierens hatte zur Folge, unbewusste Handlungsdialoge in der therapeutischen Beziehung als potenziell fruchtbares therapeutisches Material zu betrachten. Die Grenze »beginnt dort, wo der Analytiker nicht nur mit inneren und äußeren Wahrnehmungen und deren Verarbeitung in verbalen Reaktionen reagiert, sondern aktiv körperliche Handlungen initiiert oder beantwortet« (Worm, 2008, S. 223). An dieser Grenze kommt die psychodynamische Körperpsychotherapie in der Psychoanalyse ins Spiel.

    Für Körperpsychotherapeuten ist eine »aktive Technik« (z. B. in Form von Übungen) selbstverständlich und bedarf keiner grundsätzlichen Reflexion; anders in der Psychoanalyse, in welcher Handeln ursprünglich als gegen den therapeutischen Fortschritt gerichtetes »Agieren« betrachtet wurde. In Österreich entwickelte sich Anfang der

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