Psychotherapeutische Identität
Von Gerd Rudolf
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Buchvorschau
Psychotherapeutische Identität - Gerd Rudolf
Vorwort zur Reihe
Zielsetzung von PSYCHODYNAMIK KOMPAKT ist es, alle psychotherapeutisch Interessierten, die in verschiedenen Settings mit unterschiedlichen Klientengruppen arbeiten, zu aktuellen und wichtigen Fragestellungen anzusprechen. Die Reihe soll Diskussionsgrundlagen liefern, den Forschungsstand aufarbeiten, Therapieerfahrungen vermitteln und neue Konzepte vorstellen: theoretisch fundiert, kurz, bündig und praxistauglich.
Die Psychoanalyse hat nicht nur historisch beeindruckende Modellvorstellungen für das Verständnis und die psychotherapeutische Behandlung von Patienten hervorgebracht. In den letzten Jahren sind neue Entwicklungen hinzugekommen, die klassische Konzepte erweitern, ergänzen und für den therapeutischen Alltag fruchtbar machen. Psychodynamisch denken und handeln ist mehr und mehr in verschiedensten Berufsfeldern gefordert, nicht nur in den klassischen psychotherapeutischen Angeboten. Mit einer schlanken Handreichung von 60 bis 70 Seiten je Band kann sich der Leser schnell und kompetent zu den unterschiedlichen Themen auf den Stand bringen.
Themenschwerpunkte sind unter anderem:
–Kernbegriffe und Konzepte wie zum Beispiel therapeutische Haltung und therapeutische Beziehung, Widerstand und Abwehr, Interventionsformen, Arbeitsbündnis, Übertragung und Gegenübertragung, Trauma, Mitgefühl und Achtsamkeit, Autonomie und Selbstbestimmung, Bindung.
–Neuere und integrative Konzepte und Behandlungsansätze wie zum Beispiel übertragungsfokussierte Psychotherapie, Schematherapie, Mentalisierungsbasierte Therapie, Traumatherapie, internetbasierte Therapie, Psychotherapie und Pharmakotherapie, Verhaltenstherapie und psychodynamische Ansätze.
–Störungsbezogene Behandlungsansätze wie zum Beispiel Dissoziation und Traumatisierung, Persönlichkeitsstörungen, Essstörungen, Borderline-Störungen bei Männern, autistische Störungen, ADHS bei Frauen.
–Lösungen für Problemsituationen in Behandlungen wie zum Beispiel bei Beginn und Ende der Therapie, suizidalen Gefährdungen, Schweigen, Verweigern, Agieren, Therapieabbrüchen; Kunst als therapeutisches Medium, Symbolisierung und Kreativität, Umgang mit Grenzen.
–Arbeitsfelder jenseits klassischer Settings wie zum Beispiel Supervision, psychodynamische Beratung, Arbeit mit Flüchtlingen und Migranten, Psychotherapie im Alter, die Arbeit mit Angehörigen, Eltern, Gruppen, Eltern-Säuglings-Kleinkind-Psychotherapie.
–Berufsbild, Effektivität, Evaluation wie zum Beispiel zentrale Wirkprinzipien psychodynamischer Therapie, psychotherapeutische Identität, Psychotherapieforschung.
Alle Themen werden von ausgewiesenen Expertinnen und Experten bearbeitet. Die Bände enthalten Fallbeispiele und konkrete Umsetzungen für psychodynamisches Arbeiten. Ziel ist es, auch jenseits des therapeutischen Schulendenkens psychodynamische Konzepte verstehbar zu machen, deren Wirkprinzipien und Praxisfelder aufzuzeigen und damit für alle Therapeutinnen und Therapeuten eine gemeinsame Verständnisgrundlage zu schaffen, die den Dialog befördern kann.
Franz Resch und Inge Seiffge-Krenke
Vorwort zum Band
Identität ist das zentrale Lebensthema des spätmodernen Subjekts. Auch in der politischen Diskussion spielt Identität eine sich zunehmend laut artikulierende Rolle. Identität als reflexive Fähigkeit und Identität als Zugehörigkeit ergänzen einander zu einem janusköpfigen Begriff, der historisch gewachsen und aktuell durchdekliniert jeden Entwicklungskontext beherrscht. Auch die psychotherapeutische Identität erhebt sich als Frage, was Psychotherapie im Wesentlichen ausmacht und wie viele unterscheidbare psychotherapeutische Identitäten es geben könnte.
Gerd Rudolf hat sich in einer feinsinnigen Analyse des Themas angenommen und Erfahrungen aus einem breiten Spektrum therapeutischer Tätigkeiten, als Therapeut, Supervisor, Gutachter und Klinikdirektor, einbezogen. Es kann heute nicht mehr darum gehen, dass sich der einzelne Therapeut, die einzelne Therapeutin, mit dem identifiziert, was die jeweilige therapeutische Organisation oder Gemeinschaft als wahr, richtig und verbindlich definiert hatte. Verschiedene Aspekte des Identitätsbegriffs werden zu Beginn hervorgehoben und historisch hergeleitet. In einem zweiten Teil wird die lebensgeschichtliche Entwicklung der Identität beleuchtet, wobei der Entwicklungsstörung von Identität besonderes Augenmerk gewidmet wird. In Teil drei wird hervorgehoben, wie sich die psychotherapeutische Identität herausbildet, welche Motive zur Berufswahl führen, wie verschlungen oftmals der Weg aus verschiedenen Grundberufen in die psychotherapeutische Ausbildung ist und welchen Einfluss Lehranalyse, Selbsterfahrung und Supervision für die Ausbildung der therapeutischen Identität haben. Den grundsätzlichen Wertvorstellungen der Psychotherapie gilt ein eigener Fokus. Anspruch und Wirklichkeit geraten im Alltag manchmal in Widerspruch, wenn Wissenschaftlichkeit, Empathie und psychoanalytische Verantwortung aufeinandertreffen. Ein entscheidendes Novum ist der Weg von der Ich-Identität zur Selbst-Identität eines Therapeuten, indem eine individuelle, passende therapeutische Identität angenommen und Abhängigkeiten von Institutionen und Organisationen reflektiert werden können. Das Wesen der therapeutischen Selbst-Identität artikuliert sich in Beziehungsgestaltung, Haltungen und kultureller Einbindung. Den Abschluss bildet die Frage, was einen guten Therapeuten oder eine gute Therapeutin kennzeichnet, denn »eine psychotherapeutische Identität zu haben, bedeutet nicht, alles richtig zu machen«, wie Rudolf ausführt.
Dieser facettenreiche Streifzug durch das Identitätsthema bringt uns zum Nachdenken und ist für Therapeuten ebenso wie für Patienten oder andere Interessierte ein großer Gewinn, sind wir doch alle Menschen auf der Suche nach uns selbst.
Inge Seiffge-Krenke und Franz Resch
Vorwort des Autors
Diesem Text liegt ein Vortrag zugrunde, den ich im April 2016 zur Eröffnung der Lindauer Psychotherapiewochen halten durfte. Ich habe mich entschlossen, in dem Buch die persönliche Anrede meiner psychotherapeutischen Kolleginnen und Kollegen beizubehalten, anstatt das Thema ausschließlich versachlichend zu erörtern.
Identität ist ohnehin kein Gegenstand, der in vielen Studien wissenschaftlich untersucht worden ist und zu dem zahlreiche Befunde vorliegen. Er ist vielmehr ein schillernder Begriff, den unterschiedliche Gruppen auf verschiedene Weise mit Inhalt füllen und den sie als Argument in inneren und äußeren Diskussionen benutzen