Konzeptuelle Kompetenz in der Psychotherapie
Von Timo Storck
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Buchvorschau
Konzeptuelle Kompetenz in der Psychotherapie - Timo Storck
Vorwort zur Reihe
Zielsetzung von PSYCHODYNAMIK KOMPAKT ist es, alle psychotherapeutisch Interessierten, die in verschiedenen Settings mit unterschiedlichen Klientengruppen arbeiten, zu aktuellen und wichtigen Fragestellungen anzusprechen. Die Reihe soll Diskussionsgrundlagen liefern, den Forschungsstand aufarbeiten, Therapieerfahrungen vermitteln und neue Konzepte vorstellen: theoretisch fundiert, kurz, bündig und praxistauglich.
Die Psychoanalyse hat nicht nur historisch beeindruckende Modellvorstellungen für das Verständnis und die psychotherapeutische Behandlung von Patienten und Patientinnen hervorgebracht. In den letzten Jahren sind neue Entwicklungen hinzugekommen, die klassische Konzepte erweitern, ergänzen und für den therapeutischen Alltag fruchtbar machen. Psychodynamisch denken und handeln ist mehr und mehr in verschiedensten Berufsfeldern gefordert, nicht nur in den klassischen psychotherapeutischen Angeboten. Mit einer schlanken Handreichung von 70 bis 80 Seiten je Band kann sich die Leserin, der Leser schnell und kompetent zu den unterschiedlichen Themen auf den Stand bringen.
Themenschwerpunkte sind unter anderem:
–Kernbegriffe und Konzepte wie zum Beispiel therapeutische Haltung und therapeutische Beziehung, Widerstand und Abwehr, Interventionsformen, Arbeitsbündnis, Übertragung und Gegenübertragung, Trauma, Mitgefühl und Achtsamkeit, Autonomie und Selbstbestimmung, Bindung.
–Neuere und integrative Konzepte und Behandlungsansätze wie zum Beispiel Übertragungsfokussierte Psychotherapie, Schematherapie, Mentalisierungsbasierte Therapie, Traumatherapie, internetbasierte Therapie, Psychotherapie und Pharmakotherapie, Verhaltenstherapie und psychodynamische Ansätze.
–Störungsbezogene Behandlungsansätze wie zum Beispiel Dissoziation und Traumatisierung, Persönlichkeitsstörungen, Essstörungen, Borderline-Störungen bei Männern, autistische Störungen, ADHS bei Frauen.
–Lösungen für Problemsituationen in Behandlungen wie zum Beispiel bei Beginn und Ende der Therapie, suizidalen Gefährdungen, Schweigen, Verweigern, Agieren, Therapieabbrüchen; Kunst als therapeutisches Medium, Symbolisierung und Kreativität, Umgang mit Grenzen.
–Arbeitsfelder jenseits klassischer Settings wie zum Beispiel Supervision, psychodynamische Beratung, Soziale Arbeit, Arbeit mit Geflüchteten und Migranten, Psychotherapie im Alter, die Arbeit mit Angehörigen, Eltern, Familien, Gruppen, Eltern-Säuglings-Kleinkind-Psychotherapie.
–Berufsbild, Effektivität, Evaluation wie zum Beispiel zentrale Wirkprinzipien psychodynamischer Therapie, psychotherapeutische Identität, Psychotherapieforschung.
Alle Themen werden von ausgewiesenen Expertinnen und Experten bearbeitet. Die Bände enthalten Fallbeispiele und konkrete Umsetzungen für psychodynamisches Arbeiten. Ziel ist es, auch jenseits des therapeutischen Schulendenkens psychodynamische Konzepte verstehbar zu machen, deren Wirkprinzipien und Praxisfelder aufzuzeigen und damit für alle Therapeutinnen und Therapeuten eine gemeinsame Verständnisgrundlage zu schaffen, die den Dialog befördern kann.
Franz Resch und Inge Seiffge-Krenke
Vorwort zum Band
Im Rahmen unserer Reihe Psychodynamik kompakt ist es uns eine besondere Freude, Ihnen den Band von Timo Storck zur konzeptionellen Kompetenz präsentieren zu können. Er hat »konzeptuelle Kompetenz« als Gelenkstück zwischen Fähigkeit und Fertigkeit bezeichnet, also zwischen den Möglichkeiten und ihren Realisationen. Timo Storck greift ein klinisch bedeutsames Phänomen auf, um das wir uns viel zu wenig Gedanken machen: wenn wir Patienten zugewandt zuhören und uns ein Konzept in den Sinn kommt (wie in Freuds Bemerkung, »sie fallen einem ein wie ungebetene Gäste ins Haus«) und wir dann entsprechend diesem Einfall eine Intervention planen und auch durchführen. Für diesen Prozess gibt Timo Storck gleich zu Beginn eindrucksvolle Beispiele.
Es geht also um die Konzepte und Theorien, die letztlich unser therapeutisches Handeln leiten. Die Prozesse der Verwendung von Konzepten und Theorien laufen oftmals unbewusst oder vorbewusst ab, und je nach persönlicher Entwicklungsgeschichte sind die Konzepte und Theorien unterschiedlich libidinös besetzt; insofern ist der Vorschlag eines regelmäßigen Checkups der eigenen Konzepte, der von Joachim Küchenhoff stammt, sicher sehr sinnvoll.
Wir haben es seit einigen Jahren mit einem »competency movement« zu tun, das viele professionelle Bereiche und so auch die psychodynamische Psychotherapie betrifft. Psychodynamische Theorie, ist, wie Bohleber 2019 in dem Band »Von der Orthodoxie zur Pluralität – Kontroversen über Schlüsselbegriffe der Psychoanalyse« der Reihe Psychodynamik kompakt darstellt, inzwischen pluralistisch geworden. Der Kompetenzbegriff wird durchaus kritisch gesehen, wie an Storcks Ausführungen zur negativen Kompetenz deutlich wird: Es geht darum, auf das zu hören, was nicht gesagt wird, aber durch das Umkreisen, das Reden in Assoziationen, Fantasien und anderem mehr markiert wird. Kompetenzen umfassen also auch die erforderliche psychoanalytische Haltung von Rezeptivität und Resonanz. Nicht-Handeln kann also dazu führen, einen Fall zu verstehen und zu konzeptualisieren.
Konzepte und Theorien spielen in der Psychotherapie eine wichtige und offenkundig zumindest in Teilen eine andere Rolle als in anderen Wissenschaften. So ist sogar von einer »holding function« der theoretischen Kompetenz die Rede, ihrer Hilfe bei der Fallkonzeption und der Behandlungsplanung. Daher ist die Beziehung von Analytiker*innen zur Theorie ein dynamisches und beständiges Abbild der persönlichen Geschichte der Aneignung von Psychoanalyse. Timo Storck greift die großen Schlüsselkontroversen auf (Menschenbild, Krankheits- und Veränderungsstheorien) und unterstreicht die große Bedeutung von Wörterbüchern der Psychoanalyse mit Begriffen wie »Übertragung«, »Abwehr«, »Deutung« etc.
Es geht darum, »die Theorie in uns arbeiten zu lassen«, das heißt, psychoanalytische Konzepte zum besseren Verständnis der Sitzung und des unbewussten Geschehens einzusetzen, die gewählte Behandlungstechnik zu reflektieren, unterschiedliche theoretische Perspektiven einzunehmen und schließlich geht es um die Selbstreflexion, also die Fähigkeit, unterschiedliche innere Arbeitsmodelle, die den Patienten bzw. die Patientin, den Behandlungsprozess, die Wirksamkeit der Interventionen betreffen, zu reflektieren.
In kenntnisreichen und historisch fundierten Kapiteln werden die grundlegenden Konzepte und ihre Einflüsse auf das Denken, Handeln, Nicht-Handeln und die Behandlungspraxis dargelegt. Es wird deutlich, dass es die Konzepte und Theorien sind, die letztlich dazu führen, das wir etwas verstehen, und die so unsere Wahrnehmung schulen und bereichern. Schließlich werden in weiteren Kapiteln dieses Bandes nicht nur die Bedeutung der psychodynamischen Konzepte in der Aus- und Weiterbildung erläutert, sondern auch Bereiche der psychodynamischen Konzeptforschung benannt.
Timo Storck hat ein theoretisch sehr anspruchsvolles Büchlein vorgelegt, das die Leser und Leserinnen von Psychodynamik kompakt sicher mit viel Gewinn für das Nachdenken über allgemeine und private Theorien und ihren Einfluss auf die Behandlungspraxis lesen werden.
Inge Seiffge-Krenke und Franz Resch
1Einführung: Von der Konzeption der Profession
Situationen wie die beiden folgenden treten in einer Psychotherapie nicht selten auf:
1.Der 32-jährige Herr