Tanz im Staudenbeet
Von Coco Eberhardt
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Über dieses E-Book
Nach einem Burn-out zieht Cornelius unverhofft wieder in sein Elternhaus. Schnell wird er dort mit dem Leben seiner unkonventionellen Familie konfrontiert, dem er dachte, entronnen zu sein. Und eigentlich möchte er nur zurück nach Berlin, wo seine Verlobte und sein guter Job in einer Werbeagentur auf ihn warten. In wenigen Monaten will er auf den Seychellen heiraten. Doch dann trifft er beim Spaziergang auf dem Areal einer Staudengärtnerei auf Paula, der er vor zwanzig Jahren das Tanzkränzchen vermasselt hat und die es im Gegensatz zu ihm noch immer nicht vergessen hat. Und mit dieser Begegnung kommt auf einmal sein ganzes Leben noch mehr durcheinander, als es eh schon ist...
Dieser Roman ist in sich abgeschlossen.
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Buchvorschau
Tanz im Staudenbeet - Coco Eberhardt
Teufelskreis
Mein Bein wippte nervös zitternd auf und ab, während ich meine feuchtkalten Hände am Stoff meiner Anzugshose abrieb. Neben mir saß eine Frau, die dauernd niesen musste. Inständig hoffte ich, dass mein Name bald aufgerufen würde. Das Wartezimmer war lediglich durch eine gläserne Wand von den restlichen Räumen abgetrennt. Ich konnte direkt zur Anmeldetheke blicken. Ein moderner weißer Klotz, der durch eine silberfunkelnde Kristalllampe aufgewertet wurde. Im Hintergrund befand sich eine Fototapete, die den Eiffelturm in Schwarz-Weiß-Optik zeigte. Daneben stand ein großgewachsener Gummibaum. Wüsste ich nicht sicher, dass ich in einer Arztpraxis war, man hätte es wohl auch für ein Reisebüro halten können. Was sich der Innenarchitekt wohl dabei gedacht hatte?
So richtig krank fühlte ich mich eigentlich gar nicht. Aber Ines meinte, es wäre besser, wenn ich mich mal vom Doktor durchchecken lassen würde. Etwas widerwillig hatte ich ihren Vorschlag zur Kenntnis genommen. Ich hatte die letzten Wochen ziemlich viel Stress bei der Arbeit gehabt. Wir steckten mitten in einer großen Werbekampagne für einen namhaften Autohersteller. So was erforderte einfach vollen Einsatz. Nicht umsonst hatte ich es beruflich so weit geschafft. Tagsüber war ich etwas müde. Und nachts ließen mich die Grübeleien nicht so richtig los. Ein blöder Teufelskreis. Aber doch nichts, was einen Arztbesuch rechtfertigte. Das hatten doch viele Leute. Und die Schlaftabletten hatten mir schon sehr geholfen. Doch Ines ließ mir keine Ruhe. Sie war besorgt um mich, was ja irgendwie nett war, aber manchmal auch ziemlich anstrengend sein konnte. Also hatte ich schließlich ihrem Bitten nachgegeben und diesen Termin ausgemacht, auch wenn ich mir etwas deplatziert vorkam.
Mittlerweile war das Wartezimmer gut gefüllt, was mich nur noch nervöser machte. Ich wollte mir lieber nicht ausmalen, was die Leute alles an Viren, Keimen und Bakterien hereinschleppten. Auch wenn hier alles klinisch sauber und rein zu sein schien, beschlich mich doch ein Gefühl des Unbehagens. Am liebsten wäre ich einfach wieder gegangen. Um mich abzulenken, blätterte ich in einer Men‘s Health, die auf dem kubischen Tisch in der Mitte des Raumes gelegen hatte.
„Herr Schindelbeck", rief endlich eine kleine hübsche Sprechstundenhilfe asiatischer Abstammung.
Schnell legte ich die Zeitschrift auf den Tisch zurück und verließ, ohne zurückzuschauen das Wartezimmer mit dem darin befindlichen Elend und folgte meiner Erlöserin ins Behandlungszimmer.
„Der Herr Doktor kommt sofort", meinte sie mit einer lieblichen Stimme und platzierte mich auf einem Stuhl vor einem Schreibtisch.
Noch ehe ich die minimalistische Einrichtung, bei der die Farbe Weiß dominierte, richtig begutachten konnte, ging schwungvoll die Tür auf und ein großer hagerer Mann Ende 40 betrat den Raum. Er streckte mir seine Hand zur Begrüßung entgegen, die ich reflexhaft annahm.
„Sie sind also Herr Schindelbeck. Ich glaube, Sie waren noch nie hier, meinte er mit einem Zahnpastalächeln zu mir. „Was kann ich denn für Sie tun?
„Meine Verlobte findet, dass ich mich mal durchchecken lassen soll von Ihnen", meinte ich recht gelassen zu dem Doktor.
„Aha. Was fehlt Ihnen denn?", hakte er recht interessiert nach und schaute mich über die Gläser seiner Brille hinweg musternd an.
„Ich bin tagsüber ein bisschen müde, während ich nachts nicht so gut schlafen kann. Blöde Sache. Sollte aber mit ein paar Schlaftabletten wieder in den Griff zu bekommen sein."
„Oh. Sie haben also schon einen Behandlungsplan erstellt, meinte der Doktor mit leicht ironischem Unterton zu mir. „Na, dann lassen Sie uns mal schauen, ob ich zum gleichen Ergebnis komme. Machen Sie den Oberkörper frei.
Der wollte doch jetzt nicht das komplette Programm durchziehen? Etwas widerwillig zog ich mein Jackett aus, das ich noch von der Arbeit trug, löste meine Krawatte und knöpfte mein Hemd auf.
„Wo arbeiten Sie?", wollte er neugierig wissen, während er sein Stethoskop aus einer Schublade aus dem Schreibtisch zog.
„In einer Werbeagentur, antwortete ich cool, aber mit einer Portion Stolz in der Stimme. „Wir arbeiten gerade an einem Großauftrag. Dem gebe ich auch die Schuld an meiner Müdigkeit. Das wird schon wieder.
Kurz blickte er mich mit großen Augen an, sagte aber nichts darauf und drückte mir das kalte Bruststück seines Stethoskops an meinen Oberkörper, der sich dank regelmäßiger Fitnessclubbesuche auch mit 37 Jahren noch gut sehen lassen konnte.
„Machen Sie mal Aaaaahhhhh", forderte er mich weiter auf, bevor er mir so ein Holzplättchen auf die Zunge legte und mit einer Lampe meinen Hals ausleuchtete.
Ich kam mir vor wie ein Zehnjähriger beim Kinderarzt. Danach holte er auch noch das Blutdruckmessgerät hervor und quetschte mir pumpend den Oberarm kurzzeitig ab. Artig ließ ich das Prozedere über mich ergehen, welches abgerundet wurde vom obligatorischen Messen und Wiegen. Aber auch hier hatte ich nichts zu befürchten.
„Sie können sich wieder anziehen", meinte der Doktor schließlich zu mir und ich war erleichtert, dass die Untersuchung nun hoffentlich bald ein Ende haben würde.
Konzentriert hackte der Doktor etwas in seinen Computer. Hoffentlich das Rezept für meine Schlaftabletten.
„Hm, meinte er schließlich und sah wieder zu mir auf. „Herr Schindelbeck, ich fürchte, ich kann da nichts mehr für Sie tun.
Ich fiel aus allen Wolken und wusste nicht so recht, was er damit sagen wollte. War ich etwa unheilbar krank? Das konnte doch nicht sein.
„Was soll das heißen?"
Völlig perplex schaute ich ihn an.
„Ähm. Also, so war das jetzt nicht gemeint, stammelte er vor sich hin. „Ich meine, Sie müssen da zu einem anderen Arzt.
„Einem Facharzt?", hakte ich nach.
„Sozusagen, erwiderte er. „Sie sollten sich einen guten Psychiater suchen. Alles deutet auf einen zumindest im Anfangsstadium befindlichen Burn-out hin.
Diese Worte muss ich erst einmal sacken lassen. Ich und einen Psychiater? Ein leises Lachen kroch meine Kehle herauf, welches sich immer weiter steigerte.
„Damit ist nicht zu scherzen", meinte der Doktor mit ernster Miene.
„Deswegen lache ich auch gar nicht", sagte ich kopfschüttelnd und immer noch von einer Ungläubigkeit gepackt.
„Weswegen denn dann?", wollte der Arzt wissen.
„Meine Mutter ist Konstanze Sen, falls Ihnen das etwas sagt", erklärte ich ihm kurz und knapp.
Nun war er es, der komisch schaute.
„Sie sind der Sohn von Konstanze und Navin Sen? Dem berühmten Psychologenehepaar?"
„Genaugenommen nur der Sohn von Konstanze."
„Ah, meinte er kurz. „Na, da sind Sie ja in besten Händen. Ich habe einige Bücher von Ihrer Mutter gelesen und bin absolut begeistert von ihr.
Sofort schritt er zu einem Regal hinter mir und zog drei mir wohlbekannte Bücher heraus. Allerdings musste ich ehrlich zugeben, dass ich noch nie eines davon gelesen hatte, obwohl sie regelmäßig in den Bestsellerlisten der Republik zu finden waren. Auch sonst hatte ich es die letzten Jahre ganz gut geschafft, mich aus dem Schatten meiner ruhmreichen Mutter zu befreien und war von der schwäbischen Provinz in die Bundeshauptstadt Berlin gezogen, wo ich mir mittlerweile auch ohne ihre Hilfe einen respektablen Lebensstandard aufgebaut hatte.
Vor wenigen Jahren hatte ich mir ein Loft in einem alten Industriedenkmal in Berlin Mitte gekauft, wo ich nun zusammen mit Ines wohnte. Außerdem flog ich dreimal im Jahr in den Urlaub und hatte bisher nichts vermisst. Woher sollte ich nun also einen Burn-out haben? Mir fehlte doch nichts.
Burn-out
Burn-out. Die Worte des Doktors hallten wie ein Mantra in meinem Kopf. Wie sollte ich das bitte meiner Mutter erklären? Der Sohn der großartigen berühmten Psychologin Dr. Konstanze Sen hatte Burn-out. Schwermütig fläzte ich mich in der freistehenden Badewanne, von wo aus man durch eine große Panoramascheibe einen wunderbaren Blick in die Stadt hatte. Die Sonne war nur noch ein orangefarbener Lichtstreifen am Horizont. Der Schaum in der Wanne hatte sich längst aufgelöst und das Wasser war bereits kalt. Doch ich war nicht in der Lage aufzustehen. Mir fehlte es an Kraft und Motivation. Derweil kreisten meine Gedanken immer wieder um dieses Unwort, welches mir der Arzt heute um die Ohren geknallt hatte.
Er hatte mich eine Woche krankgeschrieben, meinte aber gleichzeitig, dass es damit noch lange nicht getan wäre und ich mir dringend professionelle Hilfe suchen müsse. Ich konnte doch jetzt nicht einfach eine Woche krank machen. Wir steckten in der Agentur mitten in diesem Großprojekt, welches von mir geleitet wurde. Wusste er eigentlich, was er mir damit antat? Außerdem tat ich mir schwer damit, diese Schwäche einzugestehen. Nein, ich musste morgen auf jeden Fall bei der Arbeit erscheinen. Ich würde das schon hinbekommen. Wenn das Projekt abgeschlossen war, könnte ich mir ein paar Tage Urlaub gönnen. Dann würde sich das mit der Müdigkeit auch ganz schnell wieder legen. Burn-out. Das war doch sowieso bloß ein Modewort. Kaum war mal einer nicht ganz auf der Höhe, bekommt er gleich den Burn-out attestiert. In Gedanken versunken, hatte ich vor mich hingegrummelt und dabei gar nicht realisiert, dass Ines sich ins Badezimmer geschlichen hatte. Ich erschrak kurz, als sie sich neben die Wanne kniete.
„Willst du nicht langsam mal rauskommen? Das Wasser ist ja schon eiskalt", meinte sie vorwurfsvoll zu mir.
Ines war gerade mal 29 und somit ein paar Jahre jünger als ich, was mir ganz recht war, denn so fühlte auch ich mich irgendwie jünger. Die grauen Haare, die ich zunehmend zwischen dem Braun in meinem Bart und an meinen Schläfen registrierte, versuchte ich dezent zu ignorieren. Wir hatten uns in der Agentur kennengelernt. Ines war schlank, durchtrainiert und hatte blondes langes Haar. Schon allein ihretwegen konnte ich mir keine Schwächen leisten. Nicht auszudenken, wenn das bei der Arbeit die Runde machen würde.
Mit einem apathischen Knurren signalisierte ich ihr, dass ich meine Ruhe wollte. Aber hartnäckig, wie sie nun mal war, ließ sie sich davon nicht abschrecken und machte munter weiter.
„Du solltest mit deiner Mutter reden. Sie kennt sich doch mit so was aus", goss Ines Öl ins Feuer und schaute mich mit ihren ozeanblauen Augen unschuldig an.
„Boah, Ines", meinte ich gequält und tauchte einfach komplett mit dem Kopf unter Wasser, als könne ich damit meinen Problemen entkommen.
Der Wasserdruck in den Ohren ließ mich Ines Stimme nur noch gedämpft wahrnehmen. Ich wünschte mir, ich könnte für immer hier abtauchen und einfach alles vergessen. Aber schon nach wenigen Sekunden zwang mich das Sauerstoffdefizit wieder aufzutauchen.
„Sorry Cornelius, aber du kannst das doch nicht einfach so abtun. Du tust so, als wäre nichts", machte sie augenblicklich weiter mit ihrer Standpauke.
„Was ist denn auch schon? Ich bin ein bisschen müde. Ist das verwunderlich? Ich habe gerade echt Stress bei der Arbeit. Aber das geht auch wieder vorbei", herrschte ich sie etwas unsanft an.
„Wir hatten schon seit Wochen keinen Sex mehr", konfrontierte sie mich mit der bisher ungesagten und unangenehmen Wahrheit.
„Ich bin ja auch kein Zuchtbulle, Ines. Ich habe einfach ein bisschen Stress. Mehr nicht. Alles andere kommt dann schon wieder, wenn das Projekt abgeschlossen ist. Ich verspreche es dir. Wir machen dann einen schönen Urlaub. Du darfst dir auch aussuchen, wo wir hinfahren", versuchte ich sie zu beruhigen.
„Magst du mich überhaupt noch, konterte sie mit der Killerfrage schlechthin. „Du musst mir bloß sagen, wenn du mich nicht mehr magst.
Als sie das sagte, zog sie eine Schnute wie eine 13-Jährige, der man gerade das Smartphone abgenommen hatte.
„Ines. Bitte. Es ist nur ein bisschen Stress. Ja."
Schmollend blickte sie zu mir, ließ sich aber dennoch durch mein gutes Zureden etwas besänftigen.
„Soll ich uns Sushi bestellen?", lenkte sie schließlich ein.
„Mach das", stimmte ich zu, obwohl ich eigentlich keinen großen Hunger hatte, aber so würde ich wenigstens wieder meine Ruhe bekommen.
Mein Plan ging auf. Ines verließ das Badezimmer. Die Sonne war mittlerweile komplett untergegangen. Lediglich der schwache Schein einer LED-Kerze beleuchtete noch den Raum. Noch einmal ließ ich meinen Kopf unter das kalte Wasser gleiten. Burn-out. So ein Schwachsinn.
Moralpredigt
„Du solltest wirklich zu Hause bleiben, Cornelius. Hör auf den Arzt", mahnte mich Ines.
Es war noch dunkel draußen. Ich trug bereits meinen Anzug und ließ mir eine Tasse Espresso aus meiner roten italienischen Siebträgermaschine. Hunger hatte ich keinen. Stattdessen spülte ich den kleinen starken Kaffee zusammen mit einer Schmerztablette hinunter. Mein Kopf pulsierte und es fühlte sich bereits grenzwertig zu einer Migräne an. Doch ich konnte mir jetzt keine Schwächen leisten. Es stand ein Meeting an mit hochrangingen Vertretern der Marketingabteilung unseres Großkunden. Doch Ines begriff ganz offensichtlich nicht so recht, was das für die Agentur und letztlich auch für mich bedeutete.
„Bitte hör auf, mir eine Moralpredigt zu halten, Ines. Ich bin 37 und weiß selber, was gut für mich ist", knurrte ich leicht genervt zu meiner Freundin, die bereits an dem Stehtisch aus Akazienholz in der Küche lehnte und ihr veganes Chiasamen-Müsli frühstückte.
„Sei doch nicht gleich so gereizt. Ich meine es ja bloß gut", meinte sie schnippisch zu mir.
„Wenn du es gut mit mir meinst, dann sei am besten ruhig mit deinen Hobbypsychologenratschlägen, motzte ich genervt zurück. „Und beeil dich lieber mit dem Essen, wir müssen heute wirklich pünktlich sein.
„Ist ja schon gut", meinte sie zu mir und verdrehte kurz ihre Augen.
Schnell schob sie die leere Müslischüssel in die Spülmaschine der lindgrünen Designerküche des Lofts und spurtete zu mir. Ich hatte mir bereits meinen Trenchcoat angezogen und wartete ungeduldig an der schweren Metalltür, um endlich Richtung Arbeit fahren zu können.
Im Laufschritt hechtete ich die Betontreppe des Industriebaus hinunter in die großzügige Parkgarage, wo mein Porsche Cayenne auf mich wartete. Wortlos stieg Ines auf den Beifahrersitz und ich startete den tief brummenden Motor meines Autos.
Um diese frühe Uhrzeit war der Stadtverkehr noch recht human. Wie auf Autopilot lenkte ich den Wagen durch die Großstadtstraßen der aufgehenden Sonne entgegen. Drei Parkplätze hatte die Werbeagentur angemietet. Einer davon war für mich reserviert, was ein großes Privileg war. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass Ines das alles viel zu locker sah. Erfolg war nichts, was einem einfach in den Schoß fiel. Es war harte Arbeit.
„Beeil dich", trieb ich sie an.
„Nerv mich nicht", konterte sie eingeschnappt, während wir nebeneinander in die Agentur gingen.
Ohne weitere Worte eilte ich in mein Büro, wo ich augenblicklich den Computer hochfuhr. Ein Hauch von Schmerz hämmerte sich langsam durch meinen mit Medikamenten vollgepumpten Kopf. Nervös tastete ich nach der Tablettenschachtel in meiner Hose. Nein, mir ging es wirklich alles andere als gut, aber das durfte ich mir jetzt einfach nicht anmerken lassen. Nicht jetzt. Nicht hier. Alles wird gut, redete ich mir ein und hackte wild auf meinen Computer ein.
„Herr Schindelbeck, die Kundschaft ist soeben eingetroffen", riss mich schließlich meine Sekretärin aus meinen Gedanken.
„Jetzt schon?", meinte ich erstaunt.
„Also bitte. Die sind immerhin schon eine viertel Stunde zu spät, Herr Schindelbeck", widersprach mir meine Kollegin mit strengem Blick.
„Echt?", fragte ich verwundert nach und ein Blick auf die Uhr meines Laptops sagte mir, dass sie recht hatte.
Wie hatte mir das entgehen können?
„Ich komme sofort", meinte ich etwas verwirrt zu ihr und kramte hastig meine Unterlagen zusammen, bevor ich in den Besprechungsraum mit dem großen Glasfenster hetzte, das Ausblick auf den Fernsehturm gab.
„Herr Schindelbeck. Guten Tag", begrüßte mich sofort einer der Herren mit Anzug und Krawatte und streckte mir seine Hand entgegen.
„Guten Tag", meinte ich zu ihm und mir wollte und wollte nicht mehr sein Name einfallen, obwohl ich ihn kannte und schon mehrere Male mit ihm zu tun gehabt hatte.
Derweil war mein Namensgedächtnis normalerweise wirklich gut ausgeprägt und hatte mich noch nie im Stich gelassen. Eine Delegation von Marketingexperten saß bereits auf den Designerbürostühlen um den großen Besprechungstisch und blickte erwartungsvoll zu mir. Zum Glück kam in diesem Moment meine Sekretärin mit einem Tablett Kaffeetassen und einer Thermoskanne herein. Nervös steckte ich meinen Laptop an den Beamer an und suchte die Dateien für die Präsentation. Mein Chef war mittlerweile auch dazugestoßen. Er war nur wenige Jahre älter als ich.