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Die Leben des Michael Kassel
Die Leben des Michael Kassel
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eBook226 Seiten3 Stunden

Die Leben des Michael Kassel

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Über dieses E-Book

Ein Mann erwacht nach einem schweren Unfall aus dem Koma. Sein bisheriges Leben, sein Name, sein Gedächtnis scheinen ausgelöscht zu sein, alles ist leer. Verzweifelt begibt er sich auf die Suche nach seiner wahren Identität.
Zwei Bilder - eine Burg und ein Weingut - tauchen in seinen Träumen immer wieder auf.
Obwohl es ihm zunächst nicht gelingt, eine Verbindung zu seiner Vergangenheit herzustellen, beschließt er diesen beiden Anhaltspunkten nachzugehen und sich auf eine ungewisse Reise in die eigene Vergangenheit zu begeben.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum15. Jan. 2020
ISBN9783750220928
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    Buchvorschau

    Die Leben des Michael Kassel - Hannes van de Lay

    1

    Ich spürte ein Feuer von ungeheurer Intensität. Von überall her schlugen mir Flammen entgegen, züngelten um meinen Körper und griffen nach mir. Ich fühlte schneidende Hitze auf der Haut, die sich wie ein Flächenbrand weiterfraß, um sich dann plötzlich in meinem Kopf zu konzentrieren. Er schien erfüllt von einem lodernden und knisternden Inferno. Erst als ich mühsam die Augen aufschlug, begann die Hitze langsam abzuschwellen.

    Was für ein Traum, dachte ich, an die makellos weiße Decke starrend. Doch bereits einen Augenblick später überkamen mich wieder die Schmerzen, die mich zuvor schon gequält hatten. Nicht so stark wie noch vor einigen Sekunden, aber sie waren dennoch da und griffen nach mir mit pulsierender Pein. Es schien fast so, als wollte mein Kopf jeden Moment zerbersten. Ich hatte Mühe mich zu konzentrieren, darüber nachzudenken, wo ich mich befand. Doch dass etwas nicht in Ordnung sein konnte, war mir bewusst.

    Nur ganz langsam wichen die Schmerzen und ließen mir etwas Freiraum zum Nachdenken. Ich ließ die Blicke über die Decke gleiten bis an die Wand zu meiner Linken. Als ich den Kopf drehen wollte, bemerkte ich, dass dieser verbunden war. Ein kräftig angelegter Verband verdeckte wohl den größten Teil meines Gesichts. Mir schien auch, als steckte irgendetwas in meiner Nase, das bis hinunter in den Rachen reichte. Völlig sicher war ich mir nicht, da mein Körper weitgehend taub zu sein schien. Es mochte sein, dass es nur eine Schwellung war, die ich dort im Hals spürte.

    Doch als ich endlich den Kopf gedreht hatte, starrte ich wiederum nur auf Weiß. Hell und steril hüllte mich das Zimmer ein und mir wurde bewusst, dass ich mich in einem Hospital befand.

    Aber was war geschehen? Ich hatte keine Erinnerung daran und je öfter ich darüber nachdachte, was passiert sein konnte, desto brennender war der Schmerz in meinem Kopf. Resigniert schloss ich die Augen und ergab mich diesem Brennen.

    Plötzlich vernahm ich ein Geräusch und ich drehte meinen Kopf schnellstmöglich - mir kam es jedoch wie eine Ewigkeit vor - in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Ich sah, dass die Tür offen stand und eine Schwester rückwärts ins Zimmer kam. Sie zog einen fahrbaren Teewagen hinter sich her. Vorsichtig manövrierte sie ihn durch die Türöffnung, wohl um mich so wenig wie möglich zu stören. Ich betrachtete ihr langes blondes Haar, das zu einem Zopf geflochten war, der bei jeder abrupten Kopfbewegung von Schulter zu Schulter schwang. Die blauweiße Schwesternkleidung saß wie angegossen und betonte ihre hübschen weiblichen Formen.

    Als sie den Wagen ins Zimmer gezogen hatte, drehte sie sich zu mir um.

    Sie mochte Anfang zwanzig sein. Mir fielen ihre geröteten Wangen und eine Haarsträhne auf, die sich aus der Frisur gestohlen hatte und ihr nun in die Stirn hing. Doch da war noch etwas, das meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Diese großen Augen, die kaum ihre Verblüffung verbergen konnten, als sie mich völlig perplex anblickte.

    Mein Verstand funktionierte immer noch nicht richtig, wie mir schien, denn ich begriff absolut nicht, weshalb sie plötzlich aus dem Raum rannte.

    Ich hörte sie draußen den Flur entlanglaufen und nach jemandem rufen, doch ich konnte die Worte nicht verstehen.

    Was war hier los? Was war geschehen? Je mehr ich mich bemühte, das alles zu begreifen, desto deutlicher fühlte ich diese Anstrengung in meinem Kopf. Ich hatte das Gefühl, er müsste gleich platzen. Dann, so fürchtete ich, würde alles, was sich an vorläufiger Orientierung darin befand, verpuffen, als hätte es nicht existiert.

    Dieser Gedankengang enthielt etwas Erschreckendes. Nicht existiert! Ich existierte und fühlte mich doch zugleich wie ausgelöscht. Was hatte ich hier zu suchen? Keine Antwort. Verzweiflung machte sich in mir breit und drohte mich in einen tiefen Abgrund zu reißen. Ich suchte nach einem Halt und rief mir das Bild der Schwester vor mein geistiges Auge zurück, die Erinnerung an die erste Person, die ich seit meinem, ja, … seit meinem… ja, was eigentlich? Unfall, Krankheit, ich wusste es einfach nicht, gesehen hatte. Ich versuchte mich auf sie zu konzentrieren. Sie würde bestimmt gleich wiederkommen, denn der Teewagen stand noch immer mitten im Raum und da gehörte er nicht hin. Was für ein blödsinniger Gedanke, sagte ich mir selbst. Ich war wohl verrückt, vielleicht war das die Erklärung für das Durcheinander in meinem Kopf.

    Die Schwester. Sofort hatte ich ihr Bild wieder vor Augen. Also war doch da oben noch etwas heil geblieben, schlussfolgerte ich. Wie sie wohl hieß, dachte ich und ärgerte mich, dass ich nicht auf das Namensschild gesehen hatte, als sie eben vor mir stand. Sie hatte bestimmt auch einen hübschen Namen! Doch schon wieder erfasste mich eine tiefe Panik. Schlagartig wurde mir bewusst, dass ich mit der Frage nach ihrem Namen etwas zu verdrängen versuchte, nämlich die Frage: Wer war ich selbst? Und wie hieß eigentlich ich? Ich wusste es nicht. Jeder Gedankenvorstoß traf auf eine unüberwindliche Barriere.

    Ich hatte nicht die leiseste Vorstellung, wer ich war. Ich wusste nichts von meiner Vergangenheit. Erst seit meinem Erwachen registrierte ich das Leben. Es war so, als wäre ich gerade erst geboren.

    Noch einmal zwang ich meine Gedanken, nach meiner Identität zu forschen, doch in meinem Kopf herrschte eine beängstigende Leere, und je mehr ich mich anstrengte, desto mehr nahm der Druck in meinem Schädel zu. Aber es war unmöglich aufzugeben, ich musste weitermachen, musste weiter darüber nachdenken, wer ich war, wer ich sein könnte. Plötzlich bemerkte ich, dass ich vor Kopfschmerzen schrie. Erschrocken hielt ich inne und versuchte den Schmerz zu unterdrücken. Mein Blick fiel wieder auf den Teewagen. Zu sehen, dass er noch mitten im Raum stand, und zu wissen, dass daher die Schwester sicher gleich wiederkommen würde, gab mir irgendwie Trost.

    Plötzlich hörte ich Schritte und meine Blicke flogen in Richtung der offenen Tür.

    Ein Arzt im weißem Kittel trat ein, gefolgt von der Schwester, die den Teewagen gebracht hatte.

    Der Mann hatte graues Haar. Sein faltiges Gesicht zierte eine Benjamin-Franklin-Brille, über die er mit seinen stahlblauen Augen blickte. Langsamen Schrittes näherte er sich und gab mir so das Gefühl, als könne er das, was er zu sehen erwartete, kaum glauben. Doch dann fiel plötzlich die Zurückhaltung von ihm ab und ein Lächeln trat auf seine Lippen, als er einen Stuhl an mein Bett zog und sich zu mir setzte.

    »Ich heiße Dr. Gajewski. Wie fühlen Sie sich?«

    Seine Stimme überraschte mich, sie passte nicht zu ihm. Sie wirkte erstaunlich jung für sein Alter.

    »Was ist passiert?« Meine Stimme klang heiser, sie war belegt und ich begann mich zu räuspern, was schließlich in ein Husten umschwang. Mir kam es vor, als hätte ich eine Ewigkeit nicht mehr gesprochen.

    »Nur die Ruhe!« Dr. Gajewski tätschelte mir den Arm, er schien meinen Gemütszustand zu begreifen. »Sie sind nach einem Autounfall zu uns gekommen.«

    »Nach einem Autounfall?«, krächzte ich. Wenn noch ein Funken Hoffnung in mir gewesen war, mich vielleicht zu erinnern, sobald mich jemand auf die Vergangenheit stoßen würde, so war dieser spätestens jetzt erloschen. In meinem Gedächtnis existierte weder ein Bild von einem Auto noch die Erinnerung an einen Unfall.

    Schweigend sah der Arzt mich an.

    »Ich kann mich nicht erinnern«, flüsterte ich, da meine Stimme noch immer nicht zurückgekehrt war.

    »Beruhigen Sie sich«, sagte er und musterte mit kurzem, geschultem Blick meinen Gesichtsverband. »Es kommt öfter vor, dass bei Kopfverletzungen Erinnerungslücken auftreten.«

    Erinnerungslücken? Wovon redete der Mann? Lücken? Ich hatte meine Erinnerungen vollkommen verloren. Mit Lücken hätte ich im Moment gut leben können.

    »Ich kann mich an gar nichts erinnern!«, brachte ich hervor. Die Panik und Wut, die ich fühlte, ließen meine Stimme fester klingen. Jedoch machte mir irgendetwas im Hals Schwierigkeiten. Dann begriff ich plötzlich, dass es der Schlauch einer Magensonde oder etwas Ähnliches sein musste.

    Dr. Gajewski ignorierte meinen Gefühlsausbruch. »Wie ich schon sagte«, wiederholte er sich mit nüchterner Freundlichkeit, »kommt eine vorläufige Amnesie bei Kopfverletzungen häufiger vor. Das wird sich mit der Zeit wieder geben.«

    Sollte ich ihm das glauben? Irgendwo in meinem Hirn tat sich ein Spalt der Erinnerung auf und es schien mir, dass ich davon schon einmal gehört hatte, aber das konnte auch alles Einbildung sein. Ich war einfach nur verwirrt.

    »Was ist passiert?«, fragte ich den Arzt abermals. Der Doktor begann sich das Kinn zu reiben und rückte schließlich die Brille zurecht. »Sie sind ein ungewöhnlicher Fall.« Er machte eine Pause. Das ging mir alles zu langsam. Ich hätte gerne nachgeholfen, so begierig war ich, mehr über meinen „ungewöhnlichen Fall" zu erfahren.

    »Können Sie mir Ihren Namen sagen?« Nun war die Katze aus dem Sack: Der Mann in Weiß wusste nicht viel mehr als ich auch!

    »Und Sie? Können Sie ihn mir sagen?«, entgegnete ich ihm etwas bissig.

    Anstatt Ärger trat ein verständnisvolles Lächeln in sein Gesicht und sein Blick gab mir irgendwie Trost.

    »Ich kann mir vorstellen, wie Sie sich fühlen. Sie sind verunsichert und Sie haben keine Ahnung, warum Sie überhaupt hier sind. Ich will versuchen Ihnen zu helfen. Beginnen wir damit, dass ich Ihnen erzähle, was ich weiß.«

    Um ihn bloß nicht aufzuhalten, schwieg ich und sah ihn erwartungsvoll an. Er rückte seine Brille zurecht und räusperte sich.

    »Vor knapp vier Monaten wurden Sie mit starken Verbrennungen im Gesicht und unzähligen Prellungen hier bei uns ins St. Michael Hospital in Kassel eingeliefert. Der Grund Ihrer Verletzungen war ein Autounfall auf der A 49, einige Kilometer vor Kassel. Sie können von Glück sagen, dass Sie mit dem Leben davongekommen sind. Es grenzt fast an ein Wunder.«

    Dr. Gajewski machte eine Pause und sah mich an. Er beobachtete, wie ich es aufnahm.

    Ich hörte seinem Monolog mit einer Gelassenheit zu, als wäre nicht ich die Person, über die da gesprochen wurde. Erst als ich mich zwang, diese Geschichte so zu akzeptieren - was blieb mir auch anderes übrig, außerdem klang sie wahrheitsgetreu - erst da stellten sich allmählich Emotionen bei mir ein. Vier Monate ohne Bewusstsein, dachte ich.

    »Im Koma?«, murmelte ich vor mich hin und starrte zur Decke.

    »Ja, Ihre Kopfverletzungen hatten diesen Zustand ausgelöst. Aber machen Sie sich deshalb keine Sorgen mehr. Sie sind auf dem Wege der Besserung.« Der Arzt tätschelte mir abermals den Arm, wohl um mir Mut zu machen, dann sagte er irgendetwas von … Ruhe, ich bräuchte noch etwas Ruhe … wir könnten uns morgen weiter unterhalten … bis dann also … Er verließ mit der Schwester den Raum.

    Ich reagierte nicht, konnte nichts sagen, ich war zu sehr mit meinen Gedanken beschäftigt. Es gab bedeutendere Dinge, über die ich nachsinnen musste, als diesen Doktor zu verabschieden.

    Koma, ein Wort, das ich kannte. Es war offensichtlich aktiver Bestandteil meines Sprachschatzes. Ich wusste jedenfalls etwas damit anzufangen.

    Vier Monate hatte ich einfach dahinvegetiert und konnte von Glück reden, dass dieser Zustand nicht ewig angehalten hatte. Aber plötzlich schoss mir ein aberwitziger Gedanke durch den Kopf: Was war, wenn ich immer noch im Koma lag und das hier nur Gespinste eines geplagten und erschütterten Gehirns waren!

    Angestrengt versuchte ich, meinen rechten Arm zu bewegen. Kraftlos schien er neben mir zu liegen und nur mühsam gehorchten die Muskeln meinem Befehl. Doch dann bewegte er sich langsam zu meinem Gesicht. Es geschah wie in Zeitlupe, wie im Traum. Ich brauchte Gewissheit, ob dies die Realität war. Meine Finger tasteten sich vor bis zum Schlauch der Magensonde. Leicht zog ich an ihm, aber es rührte sich nichts. Dann fühlte ich den Klebstreifen, mit dem der Schlauch an dem Verband befestigt war, und ich begann ihn zu lösen. Abermals zog ich leicht an dem Schlauch und dieses Mal bewegte er sich. Ich spürte einen geringen Schmerz in meiner Nase und das genügte mir. Vorsichtig schob ich den Schlauch zurück und befestigte ihn wieder mit dem Klebstreifen. Ich war wach, konnte nur wach sein. Das schien mir nun gewiss.

    Dieser Schmerz war real gewesen. In Träumen kam Schmerz so konkret nicht vor, das wusste ich. Woher? Einige grundsätzliche Erinnerungen waren mir wohl geblieben und doch war ich voller Zweifel. Immer neue Gedanken und Überlegungen kreisten durch mein Gehirn – ohne jedes Ergebnis. Die Zeit musste Aufschluss bringen, sagte ich mir, und schloss mich damit Dr. Gajewski an. ‚Erinnerungslücken kommen bei Kopfverletzungen häufiger vor.’ Na schön, es würde sich also alles aufklären. Doch dann bedrängte mich eine andere Stimme, die mir sagte: Wer weiß, ob es sich jemals aufklären wird. Und vielleicht willst du es ja gar nicht. Vielleicht würdest du gar nicht vermissen, was du vergessen hast. Stimmen über Stimmen drangen auf mich ein und fast glaubte ich, dass ich nicht nur an Amnesie, sondern auch an Schizophrenie litt. Ich atmete tief durch und versuchte mich abzulenken. Diese verdammten Stimmen!

    Allmählich gelang es mir, mich in den Griff zu bekommen und Ruhe kehrte ein. Ich starrte einfach zur Decke und versuchte an nichts zu denken. Wie durch ein Wunder funktionierte es und ein friedliches Gefühl erfüllte mich. Ich spürte noch, wie mich eine tiefe Müdigkeit umfing, und schlief ein.

    Ich hörte die Wellen, wie sie am steinigen Ufer rieben. Sah den Fluss, der sich durch das Tal schlängelte. Ich sog den Duft von Tannen in mich ein, bis er mich berauschte. Ich genoss den Wein in vollen Zügen und sah die Reben, die ihn hervorgebracht hatten.

    Ich war zu Hause. Ein Glücksgefühl! Geborgenheit!

    Plötzlich befand ich mich in einem Raum, der aussah wie eine Bibliothek, und ich wusste, dass dieser Raum nur einer von unzähligen Räumen war. Ich war in einer Villa.

    Sie war mir vertraut. Aber ein nicht zu beschreibendes Gefühl der Angst lastete schwer auf mir und ich vermochte nicht es abzuschütteln. Ich schlich durch die Bibliothek, schaute auf die unzähligen Bücher, die ordentlich in Regalen und Schränken standen. Dann erblickte ich das Fenster, ein riesengroßes Fenster, das gleißendes Licht in den Raum warf, und ich hielt darauf zu. Meine Augen brannten und ich kniff sie zusammen. Dann öffnete ich das Fenster und sah hinaus auf meine Heimatstadt. Wie im Nebel lag sie zu meinen Füßen, nur schemenhaft waren die Häuser zu erkennen. Zunehmend verschwamm das Bild vor meinen schmerzenden Augen..

    »Hallo!«, hörte ich eine weibliche Stimme sagen und jemand berührte meine Hand.

    Erschreckt schlug ich die Augen auf und sah in das lächelnde Gesicht der Schwester.

    Ich brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, wo ich mich befand.

    »Sie haben im Schlaf gestöhnt und Ihren Kopf von einer Seite zur anderen geworfen. Ich hielt es für besser, Sie zu wecken. Außerdem wird Dr. Gajewski gleich nach Ihnen sehen.«

    Sie behielt ihr Lächeln auf den Lippen und hätte mein Verband nicht gestört, ich hätte zurückgelächelt, so wohltuend war es.

    »Haben Sie schlecht geschlafen?«

    »Nein, im Gegenteil«, antwortete ich. »Geschlafen habe ich ausgezeichnet, nur der Traum war etwas merkwürdig.« Meine Stimme hörte sich schon besser an als gestern. Zumindest schien es mir so.

    »Wie heißen Sie?«, fragte ich die Schwester und sie zeigte auf ihr Namensschild.

    »Ich bin Schwester Judith.«

    Wie dumm von mir, dachte ich. »Tut mir Leid, dass ich mich nicht vorstellen kann, aber ich bin inkognito hier.« Ich wunderte mich selbst über meinen schwarzen Humor. Schwester Judith fand meine Bemerkung offensichtlich amüsant. »Nun, dann wollen wir hoffen, dass Sie uns Ihren Namen bald preisgeben.« Sie zog die Bettdecke zurecht, lächelte mir noch einmal zu und verließ das Zimmer.

    Es dauerte keine fünf Minuten, bis die Tür schwungvoll aufgestoßen wurde und Dr. Gajewski eintrat. »Guten Morgen, der Herr, und wie geht es uns heute?«

    »Besser«, entgegnete ich und es war noch nicht einmal geschwindelt.

    Die Depression war von mir abgefallen. Natürlich war ein bitterer Nachgeschmack geblieben und die Verstimmungen würden vielleicht auch zurückkehren, aber im Moment fühlte ich mich einigermaßen gut.

    »Das freut mich.« Der Arzt zog einen Stuhl heran und setzte sich. Lächelnd begann er den Gesichtsverband abzutasten. »Den machen wir heute Nachmittag ab!«, stellte er etwas salopp in Aussicht.

    »Was ist mit den Verbrennungen?« Ich sah ihn erwartungsvoll an.

    Dr. Gajewski hielt meinem Blick stand, nahm jedoch einen tiefen Atemzug, bevor er mir antwortete.

    »Nun, Sie haben Verbrennungen dritten Grades erlitten, das heißt, dass eine

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