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Geschichten-Bowle: Vorlesegeschichten für Erwachsene
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Geschichten-Bowle: Vorlesegeschichten für Erwachsene
eBook308 Seiten2 Stunden

Geschichten-Bowle: Vorlesegeschichten für Erwachsene

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Über dieses E-Book

Aus einer Idee entstand eine Sammlung von Geschichten – so geschmackvoll und vielseitig wie eine Bowle. Sortiert nach Vorlesezeit sollen die Beiträge Menschen in besonderen Lebenslagen aus dem Alltag entführen und für ein gutes Gefühl sorgen. Die Protagonisten berühren den Regenbogen, retten einen kleinen Hund, besuchen den Jahrmarkt, erinnern sich an die verflossene Liebe, begegnen einer neuen … Ob nachdenklich, lustig oder fantasievoll, die Autoren garantieren stets ein optimistisches Ende. Mit ihren 41 Erzählungen wollen sie Freude schenken und wünschen gute Unterhaltung. 

 

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum13. Juli 2022
ISBN9783755417170
Geschichten-Bowle: Vorlesegeschichten für Erwachsene

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    Buchvorschau

    Geschichten-Bowle - Maria Donner

    Vorwort

    Unseren Vorleserinnen und Vorlesern sowie allen, die dieses Buch in die Hand nehmen, danken wir, dass Sie sich für diese Geschichten entschieden haben. Aus über 140 Einsendungen haben wir als Herausgebende diejenigen Erzählungen ausgewählt, die Menschen in besonderen Lebenslagen aufbauen.

    Egal ob angehört oder selbst gelesen: Jede Geschichte zeigt eine Wendung zum Guten und bietet einen Ausblick, der Mut macht. Wir möchten damit das Leben bei Schicksalsschlägen, Trauer, Krankheit oder auch nur schlechter Laune erträglicher machen und zusammen mit den Protagonisten für einen hoffnungsvollen Blick in die Zukunft sorgen.

    Im Durchschnitt lassen sich in einer Minute 1.000 Zeichen lesen. Vor jeder Geschichte ist die Dauer der Vorlesezeit vermerkt. Im Inhaltsverzeichnis finden Sie die Vorlesezeit ebenfalls. Planen Sie trotzdem ­etwas mehr Zeit ein, der Vortrag führt oft zu weiteren Gesprächen.

    Allen Autorinnen und Autoren, die sich am Projekt beteiligt haben, danken wir herzlich. Auch, wenn ihre Geschichten den Weg ins Buch nicht gefunden haben.

    Maria Donner

    Sabine Reifenstahl

    Michael Kothe

    Sabine Reifenstahl

    Mein Nikolauswunder

    Das Weihnachtsfest steht bevor und wird zum ersten Mal kein Fest der Freude sein. Voller Schwermut erinnere ich mich. Wie sehr ich die köstlichen Düfte mochte: gebrannte Mandeln, Lebkuchen, Zimt, Rum und Anis. Tagelang buk ich Stollen und Pfefferkuchen. Gebratene Äpfel und die gefüllte Gans mit Rotkohl. Beim Anblick der Leckereien leuchteten Andrejs Augen. In ihnen spiegelten sich die Wärme der Kerzenflammen und seine Liebe.

    All das gehört der Vergangenheit an. Er ist fort. Obwohl ich ihn so oft warnte, nicht vor mir zu gehen. »Wie sollte ich wohl ohne dich leben, Elisa?«, lautete stets seine Antwort. Und sie bewahrheitete sich auf furchtbare Weise.

    Wie soll ich ohne dich leben? In diesem Jahr bleibt die Weihnachtsdekoration verpackt im Keller. Sie erinnert zu stark an Andrej, an die guten wie auch schweren Zeiten. Die Tannenbaumspitze hatte er mir zu unserem ersten Weihnachtsfest geschenkt. Trotz des inzwischen angeschlagenen Engels landete sie immer wieder auf dem Baum. Unser persönlicher Höhepunkt, der die Feiertage einläutete. Viel haben wir gemeinsam durchgemacht und konnten uns stets aufeinander verlassen. Einer stützte den anderen.

    Jetzt bin ich allein und vermisse meinen Mann derart, dass mir oft die Luft zum Atmen fehlt. Ohne ihn ist mir das Haus fremd. Jedes Möbelstück ist mit Erinnerungen verknüpft, meist wunderbaren. Und doch versetzen sie mir schmerzhafte Stiche, lassen mich meinen Verlust umso mehr fühlen. Er ist nicht mehr da und hat mich einsam zurückgelassen. Manchmal hasse ich ihn dafür, weiß jedoch, wie unsinnig dieses Gefühl ist. Andrej hatte keine Schuld an seinem Unfall. Nicht einmal Zeit zum Abschied blieb uns. Wie soll ich ohne ihn leben?

    Kurz entschlossen fliehe ich am Nikolaus-Tag und fahre aufs Geradewohl los. Anfangs ohne festes Ziel, doch ein Entschluss kristallisiert sich aus der Trauer. Noch einmal will ich dorthin, wo wir so wunderbare Erlebnisse teilten. Kap Arkona, Rügens nördlichster Zipfel. Dieser Ort besitzt eine besondere Form von Magie. Erneut möchte ich mich von ihr verzaubern lassen.

    Meine Kinder reagieren verständnislos und meinen, ich solle die Vorweihnachtszeit bei ihnen verbringen. So würde ich die Einsamkeit weniger spüren. Als ob das ginge! Ich weiß, sie meinen es gut. Daher erkläre ich ihnen, dass ich Zeit zum Nachdenken brauche an einem Platz, der ihrem Vater und mir gleichermaßen viel bedeutet hat. Eine Notlüge.

    Entgegen meiner Gewohnheit nehme ich das Auto, obwohl ich in den vergangenen Jahren höchstens den Weg zur Arbeit oder zum Einkaufen damit erledigte. Die ersten Kilometer zittere ich vor Anspannung. Kleine Ortschaften, wunderschöne Alleen und unzählige Seen bannen meine Aufmerksamkeit. Ich beruhige mich und folge vertrauensvoll der weiblichen Stimme des Navigationsgeräts.

    »Du und deine Kirchturmtouren!«, frotzelte Andrej oft im Bemühen, mich zum Autofahren zu bewegen.

    Seine Neckereien fehlen mir. Früher schalt ich ihn oft einen närrischen Kerl. Jetzt vergeht kein Augenblick, ohne mir zu wünschen, er wäre noch da – oder ich bei ihm. Alles, nur nicht dieses Leben allein. Tränen rinnen mir übers Gesicht.

    Nun stehe ich am Rand der Steilküste und blicke aufs Meer hinaus. Der Weg nach Kap Arkona lohnt sich zu allen Jahreszeiten. Wir kamen oft hierher, liebten die Aussicht. Und wir liebten einander hier oben, als wir jung waren.

    Ein Bild erscheint vor meinem inneren Auge. Leidenschaftlich umschlungen liegen wir im Gras. Andrej küsst und streichelt mich zärtlich. Der Wind trägt fremde Stimmen heran, die uns innehalten lassen. Glücklicherweise ziehen sie vorbei. Genau wie die wunderbare Erinnerung. Ich öffne die Augen und schaue mich um. Seltsamerweise ist mir mein Mann an diesem Ort näher als irgendwo sonst, und ich spüre weniger Traurigkeit.

    Auf den Bäumen glitzert Raureif. Sonnenstrahlen brechen sich in den Eiskristallen und lassen jene gleich Brillanten funkeln. Die Ostsee liegt wie ein Spiegel unter mir und verströmt Ruhe. Ich atme tief ein und setze einen Fuß vor.

    Eine leichte Brise streicht über die Wasseroberfläche. Wellenkämme reflektieren das Licht, das Gleißen blendet mich. Vor der Pracht muss ich die Lider schließen. Dann hebe ich sie wieder und erschaue – gefühlte tausend Meter tiefer – die Herrlichkeit des Vergessens.

    Unwillkürlich mache ich einen weiteren Schritt, verharre ein Stück vom bröckeligen Rand entfernt und richte die Augen auf den Horizont. Ohne Andrej umklammert die Höhenangst mich mit eisigen Klauen.

    Mir fällt ein anderes Ereignis ein. Einige Jahre nach unserem frivolen Stelldichein auf den Klippen. Damals tobte ein Unwetter und ich wollte schnellstmöglich zurück ins Hotel. Andrej hielt mich jedoch fest und deutete auf die regenschweren Wolken. »Wir lassen uns diesen Tag nicht vermiesen!«, brüllte er trotzig gegen den Sturm an. Eine Böe rupfte mir den Schal vom Hals. Geschickt fischte er das bunte Tuch aus der Luft und schüttelte triumphierend die Faust.

    Der Rückblick bringt mich zum Lächeln. So war Andrej, die Liebe meines Lebens. Stets kämpferisch und optimistisch, mein Halt zu jeder Zeit. Ohne ihn hat die Welt ihre Farbe verloren. Der berückende Anblick des blauen Himmels und der funkelnden Winterpracht prallt von meinem einsamen Herzen ab wie von einem Eisklumpen. Ich fühle mich allein und vom Frost zu einer reglosen Statue gefroren.

    Wir teilten fast unser ganzes Leben, ein glückliches, wenn auch kein leichtes. Im letzten Jahr feierten wir goldene Hochzeit. Während des Abendessens meinte er: »Schatz, du hast da einen Fleck auf der Bluse!« Als ich nach unten blickte, schnippte er mir gegen die Nasenspitze und grinste spitzbübisch.

    Er brachte mich stets zum Lachen, egal was uns widerfuhr.

    Krampfhaft wische ich mir übers Gesicht und nähere mich der Steilküste weiter. Dort lockt der Strand, tief genug … Die Höhenangst weicht der Sehnsucht.

    Du fehlst mir so!

    Nieselregen setzt ein, vermischt sich mit winzigen Eiskristallen. Kühl netzen sie meine Wangen und sinken lautlos zu Boden. Ich trete von einem Bein aufs andere, lausche dem Rascheln des herabgefallenen gefrorenen Laubes unter den Stiefelsohlen und beobachte das sachte Flockenspiel. Wassertröpfchen reflektieren das Sonnenlicht und zaubern einen bunten Farbenreigen in die Luft.

    Fasziniert verfolge ich, wie ein Regenbogen an Pracht gewinnt, sich über den Himmel spannt und dabei an eine Brücke erinnert.

    »Ein Wunder!«, höre ich eine Stimme hinter mir und fahre herum.

    Ein seltsam gekleideter Mann steht einige Schritte entfernt. Auf dem Kopf trägt er eine Mitra, in der Hand führt er einen Krummstab wie der Heilige Nikolaus. Unter dem schlohweißen Bart gewahre ich ein Lächeln. Mein Herz setzt aus. Diese Augen! Sie lassen den Eispanzer, der mein Herz umklammert, aufbrechen.

    »Komm vom Rand weg!« Eine weiß behandschuhte Hand streckt sich mir entgegen.

    Vertrauensvoll versuche ich, sie zu ergreifen. »Bist du es wirklich?« Eiskristalle werden vom Wind aufgewirbelt und stechen mir in die Augen. Nur ganz kurz schließe ich die Lider.

    Als ich sie wieder öffne, liegt die Welt hinter einem Tränenschleier verborgen. Was auch immer ich gesehen habe, es ist fort. Suchend schaue ich umher, finde weder Fußabdrücke noch sonst einen Hinweis auf die seltsame Erscheinung. Doch ich erinnere mich deutlich an die Forderung, von der Steilküste zurückzutreten. Gehorsam folge ich ihr. Mein Herz rattert immer noch wie die alte Nähmaschine von Singer, die ich noch benutze, obwohl sie inzwischen in die Jahre gekommen ist. Damit gleicht sie mir. Aus diesem Grund brachte ich es nicht über mich, sie gegen eine elektrische einzutauschen. Vielleicht sollte ich wieder zu nähen anfangen. Zum Beispiel ein Nikolaus-Kostüm. Brachte er nicht immer Geschenke? Heute ist der 6. Dezember, und mir scheint es, als hätte der Heilige Nikolaus mich reich bedacht. Seine Gabe an mich war Hoffnung.

    Erneut schaue ich über die Ostsee und atme tief ein. Mir ist, als könnte ich Andrejs Nähe spüren. Eine aufkommende Brise spielt mit meinem offenen Haar. Ganz so, wie er es häufig tat.

    »Ein Wunder«, wiederhole ich seine Worte und glaube, eine Antwort zu hören. »Das Leben ist ein Wunder!«

    Der Wind wird stärker und trägt einen nur allzu vertrauten Duft heran. Trotz des kalten Wetters wird mir heiß. Ich kann meinen Mann riechen, als stünde er direkt hinter mir. Beinah spüre ich den geliebten Körper, die haltgebende Umarmung. Wie konnte ich je an seinem Versprechen zweifeln?

    »Wohin ich auch gehe«, sagte er, »ich werde bei dir sein! Wenn du an mich denkst, wirst du meine Gegenwart fühlen. Es endet nicht mit dem Tod. Unsere Seelen sind auf ewig verbunden – und sie finden stets zueinander.«

    Ich bin nicht gläubig, doch ist dies nicht eine besondere Zeit? Andrej ist noch bei mir, tief eingepflanzt in mein Inneres wie ein zweites Herz. Und er will nicht, dass ich den nächsten Schritt gehe. Irgendwo am Ende des Regenbogens wartet er auf mich, das weiß ich mit Gewissheit. Jener leuchtet in voller Pracht und bringt mich zum Lächeln. Er überbrückt die Entfernung zwischen meinem Liebsten und mir, vermag meinen Leib zwar nicht zu tragen, wohl aber unsere Liebe.

    Ein letztes Mal blicke ich in die Tiefe. Sie hat ihren Reiz verloren.

    Mit neuem Mut trete ich vollends von der Steilküste zurück und banne den Anblick dabei auf meine innere Leinwand. Leuchtende Farben, die das Meer berühren und sich darin spiegeln, eine Regenbogenbrücke direkt in den Himmel. Ganz am Ende sehe ich jemanden in einem goldenen Gewand und mit einer spitz nach oben auslaufenden Kopfbedeckung. Ausgerechnet als Nikolaus? Aber man muss die Wunder nehmen, wie sie kommen.

    Auf dem Heimweg suche ich bereits nach den passenden Worten, um davon zu erzählen. Mir wird klar, warum ich herkommen musste und was mich nach Hause begleiten wird. Die Hoffnung, die mir hier geschenkt wurde, will ich weitergeben und möchte von diesem magischen Moment berichten.

    [zurück zum Inhaltsverzeichnis]

    Ulrike Krug

    Stadt der Liebe

    Ich bin nach Paris gekommen, um zu studieren. Politik und Geschichte, Freiheit, Gleichheit, Brüderlich – nun ja. Außerdem bin ich hier, um möglichst weit von zu Hause weg zu sein.

    Zuhause, das ist ein winziges Dorf im Süden, weitab von der nächsten Großstadt. Im Sommer duftet es dort nach Lavendel, der auf riesigen Feldern rundherum wächst. Die Häuser sind aus hellem Sandstein, auf den Straßen findet man noch überall Kopfsteinpflaster. Jeder kennt jeden – und jeder redet über jeden. Besonders gern redet man über mich: älteste Tochter des Pfarrers; gescheit, war auf der höheren Schule. Trägt aber die Haare zu kurz, läuft immer in Hosen herum. Sie interessiert sich nicht für den Haushalt, hat keine Ahnung von guter Küche, sie redet zu laut, sitzt nie anständig. Kommt nicht mit den anderen Mädchen aus der Gemeinde zurecht. Gibt Widerworte.

    Meine Vermieterin im Quartier Latin ist eine ältere Dame. Ihr gehört ein kleines Zweifamilienhaus nicht weit von der Sorbonne entfernt. »Das hier ist ein anständiges Haus«, sagt sie bei der Schlüsselübergabe. »Keine Partys, keine Drogen. Und nachts ist Ruhe.«

    »Ist mir ganz recht«, antworte ich. Ruhe will ich auch haben.

    Die ersten Wochen sind hart. Ich bin in meinem ganzen Leben noch nie in einer so gewaltigen Stadt gewesen. Ja, Paris ist wunderschön und voller Geschichte, eine öffentlich begehbare Schatzkammer, an jeder Ecke ein neues Kunstwerk. Trotzdem fühle ich mich überwältigt. Der Lärm juckt in meinen Ohren. Die Luft ist so voller Abgase, dass ich kaum atmen kann. Wenn ich das Haus verlasse, ziehe ich mir die Kapuze meines Pullovers tief in die Stirn. Die Menschenmengen in der Metro, die endlosen gekachelten Gänge sind nur mit Kopfhörern zu ertragen, Heavy Metal bis zum Anschlag. Nur gegen die Gerüche – Schweiß, Knoblauch, intensive Parfums – habe ich noch kein Gegenmittel gefunden.

    Die Universität ist ein Labyrinth; sie erinnert mich an ein altrömisches Graffiti, das in meinem alten Latein-Lehrbuch abgedruckt war. Hic habitat Minotaurus hatte ein Witzbold an die übertrieben gewaltige Villa eines Kaufmanns geschrieben. Ich lächle, wäre aber nicht überrascht, wenn in den Kellern unter meinem Institut tatsächlich der Minotaurus hauste.

    Einige Wochen später liege ich auf meinem Bett. Mit Kopfhörern auf den Ohren bin ich in ein Buch über Napoleons Feldzüge vertieft. Die Worte machen keinen Sinn. Ich blättere, gehe wieder zurück, nur um drei Zeilen weiter festzustellen, dass immer noch kein Wort des Textes in meinem Gehirn angekommen ist. Die Buchstaben beginnen zu verschwimmen. Mir wird kalt, trotz der Decke um meine Schultern. Etwas tropft auf das Papier vor mir. Ich begreife, dass ich weine und verstehe nicht, warum.

    Ich bin in Paris, der Stadt meiner Träume seit frühester Kindheit, und studiere Geschichte, wie ich es immer wollte. Ich bin weg von … von … von all den Menschen, die ich verabscheue, und die mich verabscheuen. Und trotzdem fühle ich mich elend.

    Ich will es verdammt noch mal nicht zugeben, aber ja – ich habe Heimweh. Und ich bin einsam.

    Wütend pfeffere ich das Buch vom Bett, schnappe mir meinen Lieblings-Hoodie, schwarz, mit dem Logo meiner Lieblingsband, schlüpfe in meine Schuhe und gehe hinaus. Die Tür knallt angenehm laut ins Schloss.

    Draußen fegt nass-kalter Wind zwischen den Häusern hindurch und nimmt die letzten Blätter von den Bäumen mit. Es ist schon dunkel. Die antiken Laternen malen Kegel, in denen Nieselregen tanzt. Ich ziehe mir die Kapuze über den Kopf, vergrabe die Hände in den Taschen und stapfe los. Ein Ziel habe ich nicht, nur das Bedürfnis, mich zu bewegen.

    Die Kälte tut gut, trotzdem gibt mein Kopf keine Ruhe. Dass mich Paris nicht mit Liveband und Feuerwerk begrüßen würde, war mir klar – zumindest meinem rationalen Teil. Aber dass es so hart werden würde? Ich fühle mich verloren, ganz allein in einer kalten und chaotischen und anonymen Millionenstadt. Stadt der Liebe, am A…

    Irgendwann verliere ich das Gefühl für Zeit und Ort. Ich bin immer noch im Quartier Latin, soviel weiß ich, doch in diesem Abschnitt war ich noch nie. Ich sehe mich

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