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Kaputter Nebel
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eBook168 Seiten2 Stunden

Kaputter Nebel

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Über dieses E-Book

Während eines schweren Sturms verschwindet die sechsjährige Tiiu spurlos. Jahrzehnte später taucht sie nicht gealtert wieder auf und die Welt gerät aus den Fugen. Die Menschheit beginnt hinter dem Nebel nach Antworten zu suchen und findet sprechende Schweine, winzige Drachen und Substanzen, die ihn in neue Sphären schweben lässt. Der Nebel, der die Welten voneinander getrennt hatte, ist verschwunden und die Gesellschaft muss sich neuen, übernatürlichen Herausforderungen stellen.
Welche Magie darf verwendet werden? Wie gefährlich sind die Tränke und Stoffe der wilden Hexen? Welche Rechte haben sprechende Tiere?
»Kaputter Nebel« ist eine Märchendystopie zwischen dem Menschsein und Nichtsein. Es treffen »Rotkäppchen«, »Des Nebelbergs König«, »Blaubart« und viele andere Märchen aus der ganzen Welt aufeinander. Sie suchen nach ihrem eigenen Sein und ihrem Platz zwischen den Menschen.
SpracheDeutsch
HerausgeberAmrûn Verlag
Erscheinungsdatum20. Juni 2022
ISBN9783958694934
Kaputter Nebel

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    Buchvorschau

    Kaputter Nebel - Carolin Gmyrek

    Kapitel 1

    Jede Nacht trifft sich das Rudel unter den Brücken der Stadt.

    Über ihnen rauscht der Lärm des Lebens und darunter fressen sich die Würmer satt.

    Das Feuer wärmt ihre Körper und Flaschen machen sie kalt.

    Zwischen Endorphinen und Testosteron grinst das Elend der Gewalt.

    Wenn einer lacht, dann lachen alle mit; tritt einer zu, bleibt keiner zurück.

    Sie schnaufen und stampfen und heulen zum Mond.

    In dieser Nacht wird niemand verschont.

    Und dann läutet die Glocke.

    Und es erklingt der Schrei.

    Es beginnt mit einem Sturm und es ist niemals vorbei.

    Katharina erzählte ihre Geschichte, als hätte sie ihr langes Leben nichts anderes getan. Peter war sich sicher, dass dies auch der Fall war. Geübt begann sie an den richtigen Stellen zu weinen, verwandelte ihre Trauer innerhalb von Sekunden in Wut und Hass und verfiel am Ende in eine scheinheilige Resignation. Das Theater war perfekt und die Anwesenden konnten gar nicht anders, als für die rundliche Witwe Mitleid zu empfinden.

    Ähnlich wie bei Tiiu war Katharinas Geschichte durch die Presse gegangen. Die Bilder des von einem Rudel Wölfe zerfleischten Jungen hatten die Nation schockiert. Die Entschleierung war erst ein paar Tage her und noch nicht wahrnehmbar gewesen. Bis auf ein paar aufgetauchte Riesen und eine verendete Meerjungfrau in einem Fischernetz, hatten die Menschen nicht viel, worüber sie nachdenken mussten. Ihr Leben ging einfach weiter.

    Und dann verschwand dieser Junge und tauchte als Gulasch wieder auf. Zuerst dachten die Menschen nicht, dass etwas Übernatürliches daran beteiligt gewesen sein könnte. Mit der Vernichtung des Königs war in ihren Augen alles unerklärlich Böse aus ihrer Welt verschwunden. Da die Überreste des Jungen in einem Wald gefunden worden waren, schlussfolgerten Idioten daraus, dass Wölfe sich ein leckeres Festessen gegönnt hatten. Und da es keine andere Erklärung gab, begann die Jagd. Hunderte Menschen waren mit Knüppeln, Bögen und Schusswaffen in den Wald gestürmt, um das Monster und sein Rudel zu suchen. Sie fanden sie und schossen sie nieder; ein Wolf nach dem anderen, während sich Mama und Papa Gulasch im Hintergrund die Hände rieben.

    Vermutlich hätten die Menschen jedes einzelne Raubtier getötet, wenn nicht einer der Wölfe um sein Leben zu flehen begonnen hätte und damit offenbart hatte, dass er über eine gewisse Intelligenz verfügte.

    Nun, die hatten die Wölfe auch schon vor der Jagd gehabt, genauso wie Gefühle und Gedanken. Aber Menschen sind nicht sonderlich klug und sprechen erst dann einem Lebewesen eine Seele zu, wenn dieses in leichtverständlichen Worten zu reden beginnt.

    Und auf einmal wurden sich die Menschen bewusst, dass sie darauf nicht vorbereitet gewesen sind. Was sollten sie tun? An ein weiteres Totprügeln war nicht mehr zu denken. Andererseits konnten sie die restlichen Wölfe schlecht vor Gericht zerren. Und am Ende fing man die letzten drei Welpen ein, sperrte sie in einen Zoo und ließ sie dort vor sich hin vegetieren.

    Es dauerte fünf Jahre, bis die ersten Gesetze zur Regulierung der Übernatürlichen verabschiedet wurden. So durfte keine offensichtliche Magie verwendet werden, keine Wahrnehmungen beeinflusst oder Gegenstände verändert werden.

    Nach weiteren fünf Jahren entschieden die Gerichte, dass Tieren, die zu sprechen begannen, menschenähnliche Rechte zustanden. Das bedeutete zwar nicht, dass sie wählen durften, aber immerhin durften sie weder gegen ihren Willen festgehalten, geschlachtet oder anderweitig missbraucht werden. Die Zoos verloren ihre Ausstellungsstücke, die Bauern ihre Milchkühe und die Schlachter ihre Schweine.

    Doch leider galten diese Gesetze nicht für alle nichtmenschlichen Lebewesen. Egal, ob ein Huhn zur Familie eines sprachbegabten Federviehs gehörte oder nicht, solange es nicht selber Worte aus seinem Schnabel kreischte, wurde es weiter zur Eierablage gezwungen. Gefangene blieben Gefangene, Tiere ohne Sprache blieben … eben Gegenstände. Und das ist bis heute so.

    Im Endeffekt war es egal. Die drei Wolfswelpen hatten die Zeit im Zoo ohnehin nicht überlebt.

    Doch wie ging es für Katharina weiter? Die mediale Aufmerksamkeit, die diese Frau erhielt, schien den Verlust ihres Sohnes gut zu ersetzen. Während sie durch Spenden und Auftritte Geld verdiente, brach das Herz ihres Mannes. Peter wusste nicht, was damals wirklich geschehen war. Es hieß, dass der Vater des Jungen unter der Last nicht mehr leben konnte, aber auch seine Frau nicht im Stich lassen wollte. Deshalb verkaufte er sein Herz an einen Holzriesen und lebte noch ein paar herzlose Jahre als emotionsloses Arschloch, bevor er sich von einem Hochhaus in die Tiefe stürzte.

    Natürlich war das ein schreckliches Schicksal für die liebe Katharina. Erst der Sohn, dann der Mann … hatte sie überhaupt nur ein einziges Mal deren Namen genannt? Nun ja, vielleicht konnte es ihr verkohltes Stück Herz nicht ertragen, die Namen ihrer verlorenen Familie auszusprechen.

    Und Peter machte es wütend. Jedes Wort dieser Frau brachte sein Blut zum kochen. Jedes Schluchzen hätte er am liebsten mit seinen eigenen Händen in wohliges Röcheln verwandelt. Doch er konnte nicht. Nicht, solange die beiden anderen Männer noch anwesend waren.

    Tillmann hörte der Frau aufmerksam zu und stellte ab und an eine Frage, die Katharina nur zu gerne leidvoll beantwortete. Sie schniefte und weinte und Hagen – der zweite männliche ›Patient‹ neben Peter – reichte ihr ein mit Stickereien verziertes Taschentuch.

    Der große, bärtige Mann mit den Tattoos hatte seine Geschichte bisher noch nicht erzählen können, aber Peter ahnte, dass diese ebenso tragisch wie lächerlich sein würde. Eigentlich wusste er nicht viel von Hagen, außer dass er nach einem Nibelungen-Verräter benannt worden war. Vermutlich hatte er entweder seinen Job oder seine Frau oder gar beides an die Übernatürlichen verloren. Vielleicht hatte er magische Drogen genommen oder sich in eine Wasserfrau verliebt. Egal, was es gewesen war, es hatte ihn irgendwann in den Knast und dann – angeblich rehabilitiert – hier auf Tillmanns Stuhl gebracht. Und da saß er nun und flirtete mit einer gierigen Qualle, während er jedes Wort von ihren Lippen

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