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Das Blut der Rose
Das Blut der Rose
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eBook214 Seiten2 Stunden

Das Blut der Rose

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Über dieses E-Book

Das war ihr Zimmer, Schwester“, riss die Magd Elisabeth aus ihren Gedanken. „Hier geht es zu ihrem Salon. Dort fand man sie, als…“

Die Magd brach ab. Elisabeth hielt inne, die Hand bereits am Türknauf.

Mochtest du sie?“, fragte sie leise.

Rose? Jeder mochte sie. Sie war so jung und süß, so unbeschwert und leicht; eine Blume, die mitten in der Blüte gebrochen wurde“, antwortete die Magd und drehte sich um. Im Gehen vergrub sie ihr Gesicht in den Händen und Elisabeth hörte ihr Schluchzen.

Kloster Altenhohenau, Anno Domini 1604:

Das Leben von Schwester Elisabeth könnte so ruhig verlaufen.

Wären da nicht die Äbtissin, die sie als neue Verwalterin des Klosters vorgesehen hat, oder ihre alte Freundin Agatha, die unter Tränen und mit gebrochenem Herzen von Wolgast nach Altenhohenau geflohen ist.

Als eines Tages auch noch ein Bote des Grafen von Eiselfing vor den Toren des Klosters steht, ist es mit der Beschaulichkeit und dem frommen Leben voller Andachten und Gebete für Elisabeth vorbei. Denn Rose von Eiselfing, die Grafentochter, wurde enthauptet. Und ausgerechnet Elisabeth soll ihren Mörder finden.

Anfangs noch widerwillig beginnt sie gemeinsam mit Agatha zu ermitteln – und muss sich bald fragen, ob Wahrheit und Gerechtigkeit immer den richtigen Weg darstellen.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum26. Apr. 2019
ISBN9783748701583
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    Buchvorschau

    Das Blut der Rose - Sophie Heinig

    Wichtige handelnde Personen

    Im Kloster Altenhohenau:

    Schwester Elisabeth

    Schwester Barbara, ihre beste Freundin

    Mutter Johanna, die Äbtissin des Klosters

    Agatha Magdalena von Wiek, eine Fürstin

    Auf der Festung Eiselfing:

    Linhard von Eiselfing, ein Graf

    Albrecht Sebald, ein Medicus

    Benedikt von Österreich, Sohn des Kaisers Rudolf II.

    Krista, eine junge Magd

    Sonstige Personen:

    Zita, eine Waise

    Prolog

    Kühle empfing sie, als sie den Raum betrat, sodass sie am ganzen Körper zitterte. Dabei war es eine laue Sommernacht. Sie blinzelte, doch in der Dunkelheit konnte sie nichts erkennen.

    „Ihr habt mich gerufen?", sagte sie leise.

    Sorgfältig schloss sie die Tür hinter sich und spürte dabei, wie sie ein Luftzug streifte, der ihr einen Schauder über den Rücken jagte. Es roch modrig, aber daran hatte sie sich längst gewöhnt. In den Fluren und Gemächern roch es immer so: nach altem Holz, mottenzerfressenen Vorhängen - und dem seltsamen Hauch des Todes, der ihr an schlechten Tagen allgegenwärtig schien.

    „Ich habe eine wichtige Aufgabe für dich", flüsterte eine merkwürdig raue Stimme und riss sie aus ihren Gedanken.

    „Ja."

    Sie versuchte, das Gesicht der Gestalt vor ihr zu erahnen, doch es war zu dunkel. Die schmale Sichel des abnehmenden Mondes spendete nur einen dünnen Streifen Licht, der durch das Fenster fiel.

    Ihr Gegenüber schwieg noch immer.

    „Was passiert hier?", flüsterte sie verwirrt.

    Ein Geräusch hinter ihr ließ sie herumfahren, ein Husten vielleicht, ein lauter Atemzug – sie wusste es nicht. Plötzlich bemerkte sie eine weitere Silhouette, den Schatten einer menschlichen Gestalt vor der geschlossenen Tür. Obwohl das Mondlicht direkt an die Wand schien, konnte man nichts erkennen, Sie wich zurück, bis sie gegen die Person hinter ihr stieß, die eigenartig steif dastand.

    „Was passiert hier?", wiederholte sie angsterfüllt, als sie sah, wie der Schatten vor ihr die Hand hob.

    Ein Schlag traf ihren Kopf und sie fiel in sich zusammen. Vor ihren Augen wurde es noch dunkler, den dröhnenden Schmerz fühlte sie kaum noch. 

    Sie spürte, dass sich jemand über sie beugte, während vor ihren flatternden Lidern grelle Lichter zu tanzen begannen. Der warme Atem kitzelte ihre Wangen.

    Von weither, wie ein fernes Echo, drang eine Stimme zu ihr. War sie weiblich oder männlich? Sie wusste es nicht.

    „Es tut mir so leid, Kleine… Ich kenne ja nicht einmal deinen Namen."

    Sie wollte etwas sagen, wollte rufen, schreien, doch ihre Kehle war staubtrocken. Ein metallischer Geruch erfüllte die Luft.

    Sie blinzelte mehrfach, um die flimmernden Lichter zu vertreiben und die verschwommenen Umrisse vor ihren Augen klar zu erkennen, doch es half nichts.

    Was geschah hier? Sie schaffte es nicht, ihre Gedanken zu ordnen.

    Und doch spürte sie keine Panik, nur Überraschung und Erstaunen. Und eine leise Stimme in ihrem Kopf, die ihr zuhauchte, sich gegen die Kraft zu wehren, die sie unaufhaltsam ins Nichts zog. Doch sie war zu schwach.

    Sie verengte die Lider mehrfach merkwürdig benommen, bis sie ihr schließlich zufielen. Ihr Schädel fiel schwer wie Blei nach hinten, schlug vielleicht auf dem Boden auf - sie fühlte es nicht mehr. Um sie herum gab es nur noch die kalte Leere, der sie sich noch immer zu entziehen versuchte. Aber sie wusste, dass der Kampf bereits verloren war. 

    Das Letzte, woran sie dachte, war die wunderliche Tatsache, dass der Schlag von hinten gekommen war. Aber womöglich hatte sie es sich nur eingebildet. Es war ohnehin nicht mehr wichtig.

    Dann fiel sie, fiel tiefer und tiefer in das bodenlose, schwarze Loch unter sich.

    Kapitel 1

    Kloster zu Altenhohenau, im Spätsommer Anno Domini 1604

    Die Glocken der Klosterkirche begannen zu läuten und Elisabeth öffnete die Tür ihrer Zelle.

    Sie trat heraus und hielt einen Moment inne, sog die köstliche, frische Luft in ihre Lungen. In diesen Tagen duftete es überall nach Sommer. Die Grillen zirpten, die Blumen blühten und die Felder färbten sich gelb. Das war der Inbegriff des Himmels auf Erden!

    Elisabeth strich sich kurz über die helle Ordenstracht, rückte ihr Skapulier, ihr weißes Schulterkleid, zurecht und stieg dann langsam die Treppe hinab, die vom oberen Kreuzgang in den Klosterhof führte.

    Von überall strömten die Ordensschwestern in die Kapelle.

    „Guten Morgen, Schwester Devota, begrüßte Elisabeth die Leiterin des Gästehauses, die sich zu ihr gesellte. „Wo ist Schwester Barbara?

    „Sie kommt gleich", erwiderte die ältere Nonne.

    Elisabeth blinzelte lächelnd gegen die Sonne und blickte sich um. Schwester Barbara kam auf sie zugeeilt. Wie immer lugten ihre kurzen blonden Haare unter dem schwarzen Schleier hervor.

    Sehnsüchtig dachte Elisabeth an die Zeit zurück, als sie beide noch Novizinnen gewesen waren. Als sie an freien Tagen gemeinsam lachend und träumend auf den Wiesen gelegen und die Sonne genossen hatten. Nach Elisabeths eher bewegten ersten Wochen in Altenhohenau, in denen sie beinah ums Leben gekommen war und zudem einen Mord aufgeklärt hatte, war ihr Alltag gewöhnlich entspannt geworden.

    Gebete, Andachten und ihre Arbeit in der Bibliothek bestimmten von nun ihre Zeit und selbst wenn sie sich anfangs fast ein wenig gelangweilt hatte, war sie bald vollkommen auf ihr neues Leben an Gottes Seite fixiert gewesen.

    Anderthalb Jahre war es inzwischen her, dass sie gemeinsam mit Barbara zur Nonne geweiht worden war. Der Tag ihrer Profess, der traditionellen Weihe, war der glücklichste ihres Lebens gewesen, obwohl sie ihrem langen, blonden Haar, das während des Gelübdes abgeschnitten wurde und ihr jetzt kaum bis über die Ohren reichte, ein wenig hinterhertrauerte. Dabei spielte das Aussehen im Kloster keine Rolle mehr. Wichtig war nur ihr Bekenntnis zu Gott, das sie mit ganzem Herzen ausgesprochen und nie bereut hatte.

    Noch Wochen danach schwebte sie wie auf Wolken.

    Und jetzt das… Längst war sie wieder auf dem Boden der Tatsachen gelandet.

    „Elisabeth?"

    Sie schreckte auf. Barbara lächelte sie an.

    „Kommst du?"

    Elisabeth nickte abwesend.

    „Was ist los?, wollte ihre Freundin wissen. „Hat es etwas mit dem Gespräch zu tun, das du gestern mit der Ehrwürdigen Mutter geführt hast?

    „Nein… alles in Ordnung, erwiderte Elisabeth schnell. „Es war nicht wichtig.

    „Du weißt, dass du nicht lügen sollst", wies Barbara sie gespielt streng zurecht.

    Der Duft von Weihrauch empfing sie, als sie die Kapelle betraten.

    „Hast du immer noch keine Nachricht von deinem Vater erhalten?", fragte Barbara leise und setzte sich in die hinterste Reihe.

    Elisabeth schüttelte nachdenklich den Kopf.

    Ihr Vater war Herzog Johann Kasimir von Sachsen-Coburg. Er hatte sie immer geliebt, wenngleich sie ein uneheliches Kind war. Deshalb hatte er auch nur das Beste für sie gewollt. Nur leider waren er und Elisabeth sich nicht einig gewesen, was das Beste für sie war: Während Johann Kasimir sie mit Philipp Julius von Pommern verheiraten wollte, war sie ins Kloster Altenhohenau geflohen.

    Erst vor wenigen Wochen hatte sie sich getraut, ihn in einem Brief endlich über das aufzuklären, was er schon längst wissen musste. Seitdem hoffte Elisabeth Tag für Tag auf eine Antwort – vergeblich.

    Die Frage, warum er ihr seinerseits nicht längst geschrieben hatte, quälte sie oft und ließ sie nachts kaum ein Auge zumachen. Hasste er sie für die geplatzte Heirat und die Täuschung so sehr?

    Denn statt ihrer war ihre Schwester Karolina zu Philipp nach Wolgast in Pommern gegangen, gemeinsam mit Elisabeths ehemaliger Zofe und Freundin Agatha. Der Herzog jedoch hatte sich geweigert, Karolina zu heiraten, und so war sie inzwischen mit dem Baron Immanuel von Gützkow getraut.

    Und Agatha… ach, Agatha. Zu lange hatte Elisabeth nichts mehr von ihrer Freundin oder Philipp gehört. Die letzte Nachricht stammte aus Leipzig, wo der baldige Herzog von Pommern zum Rektor der Universität ernannt worden war. Das war inzwischen schon wieder zwei Jahre her.

    Agatha hatte Philipp auf seiner Bildungsreise durch Europa begleitet, nachdem sie sich vor drei Jahren das letzte Mal in Altenhohenau getroffen hatten. Allein bei dem Gedanken daran wurde Elisabeths Herz schwer.

    „Ich weiß nicht, ob mein Vater mir das jemals verzeihen wird, sagte sie leise. „Es hat ihn Jahre gekostet, die Obrigkeit zu überzeugen, dass ich als Tochter - noch dazu unehelich – sein Erbe antreten darf. Und nun… Wenn er mit seiner neuen Frau Margarethe keine Kinder bekommt, dann fällt das Erbe an meinen Oheim, seinen Bruder. Und das wäre undenkbar für ihn.

    „Aber wieso würde das Erbe an diesen Bruder gehen?", wollte Barbara wissen.

    „Ich als Nonne darf nichts Weltliches besitzen und Karolina… Soweit ich gehört habe, hat mein Vater meine Schwester enterbt und aus der Familie gestoßen."

    „Warum das?"

    „Er meint, sie sei eine Schande für die Wettiner, antwortete Elisabeth kopfschüttelnd. „Vollkommen unter ihrem Stand verheiratet, hat den Vater betrogen… Ich nehme an, Margarethe hat auf ihn eingeredet: Lieber hat er keinen Erben, als dass sein gesamtes Hab und Gut, und vor allem das Herzogtum, an einen bedeutungslosen Baron fällt.

    Barbara lauschte mit mitleidig zusammengezogenen Brauen.

    „Arme Karolina. Irgendwie tut sie mir leid", meinte sie dann.

    „Mir auch, mir auch, seufzte Elisabeth. „Aber mein Vater hört ja nicht mehr auf mich.

    „Ist sie denn glücklich?", wollte Barbara wissen.

    „Sie hat mir seit Ewigkeiten nicht mehr geschrieben, erwiderte ihre Freundin und strich sich eine kurze Strähne hinters Ohr, die unter ihrem Schleier hervorlugte. „Baron Immanuel von Gützkow ist bereits verwitwet und nicht mehr jung. Nach allem, was ich in Erfahrung bringen konnte, ist er recht gütig, hat aber große Schulden bei seinem Fürsten. Ich hoffe, Karolina geht es gut bei ihm.

    Aus den vorderen Reihen kam ein warnendes Zischen. Barbara zog verlegen lächelnd den Kopf ein. Elisabeth zuckte mit den Schultern und stimmte in den lateinischen Gesang ein, der die Kapelle erfüllte.

    Die Sonne strahlte ihr ins Gesicht, als Elisabeth gemeinsam mit den anderen Schwestern die Kapelle nach der Morgenandacht verließ.

    Das Frühstück wurde im Refektorium eingenommen und bestand traditionell aus mit Honig gesüßtem Getreidebrei.

    „Schwester Elisabeth?"

    Die junge Nonne schreckte auf.

    „Ehrwürdige Mutter", begrüßte sie die Leiterin des Klosters. Sofort spürte sie ein dumpfes Pochen in der Magengegend, senkte den Kopf und legte den Holzlöffel weg.

    „Hast du über unser gestriges Gespräch nachgedacht?", wollte die Äbtissin fordernd wissen.

    „Ehrwürdige Mutter, ich… Elisabeth schluckte nervös. „Ich habe Euch gesagt, was ich davon halte.

    „Ich weiß, aber ich bleibe bei meiner Entscheidung", erwiderte die Leiterin des Klosters fest.

    „Bitte, Mutter!"

    „Muss ich dich an den Gehorsam erinnern, den du bei deiner Weihe gelobt hast?", wies die Äbtissin sie zurecht.

    „Ich weiß, flüsterte Elisabeth demütig. „Ich erbitte mir lediglich etwas Bedenkzeit, um Eure Entscheidung vollends zu akzeptieren.

    „Das sei dir gewährt, aber du weißt…"

    „Ja, es eilt, ich weiß", beendete Elisabeth den Satz niedergeschlagen.

    Mit starren Blick fixierte sie die halbvolle Schale vor sich, während sich die festen Schritte hinter ihr eilig entfernten.

    „Was wollte sie von dir?", flüsterte Barbara ihr zu, als die Äbtissin gegangen war.

    „Nicht so wichtig, antwortete Elisabeth mit zusammengepressten Lippen und erhob sich. Ihre Hände zitterten leicht. „Mir ist der Appetit vergangen.

    „Aber…", versuchte es Barbara noch einmal, doch da hatte Elisabeth schon den Saal verlassen.

    Betrübt schlich die junge Nonne über den Klosterhof. Die Sonne, die ihr vorhin noch wie aus purem Gold erschienen war, hing nun wie eine matte Scheibe am Himmel. Selbst ihre Wärme und der glückbringende Duft hatten nachgelassen.

    „Wieso, Gott?", murmelte sie verzweifelt. „Ich kann das nicht. Ich will das nicht!"

    „Schwester Elisabeth?"

    Sie blickte hoch. Schwester Juliana, die Pförtnerin, betrachtete sie besorgt.

    „Ist alles in Ordnung?", wollte sie wissen.

    „Ja, ja… alles… in O-Ordnung", flüsterte Elisabeth und kämpfte mit den Tränen.

    „Junge Nonnen hegen oft Zweifel an Gott oder ihrem Leben, sagte die Pförtnerin so verständnisvoll, dass Elisabeth sich fragte, wie viel sie wusste. „Du kannst dich jederzeit vertrauensvoll an eine der älteren Schwestern wenden. Sie werden dir mit Rat und Tat zur Seite stehen. Und auch ein langes Gebet kann so manche Probleme lösen.

    „Ich danke dir, murmelte Elisabeth. „Aber du suchst sicher nicht deshalb nach mir. Was ist los?

    „Du hast Besuch", eröffnete Schwester Juliana ihr.

    Elisabeth sah sie überrascht an, vergaß für einen Moment sogar ihren Kummer und folgte ihr zum Tor des Klosters.

    „Das…", begann sie, doch ihre Stimme versagte.

    Das konnte nicht sein!

    Am Tor stand eine attraktive, junge Frau mit tiefschwarzen Haaren und strahlenden, moosgrünen Augen. Das langen, ebenso grünen Seidenkleid, das mit goldenen Fäden und weißer Spitze veredelt war, wehte im Wind. Die Ärmel waren aufgebauscht und der Spitzenkragen lag flach an. Die hübsche Frau war einer Adligen gleich und doch erkannte Elisabeth die Züge, die sie vor drei Jahren in der groben Kluft einer Magd zum ersten Mal erblickt hatte.

    Das konnte doch nicht möglich sein!

    Die junge Frau schaute müde lächelnd zu ihr auf.

    „Schön, dich wiederzusehen, Elisabeth", flüsterte sie mit aufleuchtenden Augen.

    Die Nonne schüttelte den Kopf, fassungslos vor Glück.

    „Agatha", stieß sie leise aus und schloss die Freundin in ihre Arme.

    „Agatha, wiederholte Elisabeth. „Das ist doch... Was machst du hier? Wieso… wieso bist du nicht in Wolgast?

    Agatha löste sich aus dem Griff der Älteren und trat einen Schritt zurück.

    „Kann ich mit dir reden, Elisabeth?", fragte sie leise.

    „Natürlich, deshalb bist du doch hoffentlich da, erwiderte die Nonne lächelnd, doch als sie den ernsten Ausdruck in den Augen der Besucherin sah, nickte sie nüchtern. „Lass uns in meine Zelle gehen. Ich werde schon eine Ausrede finden, warum ich später in die Bibliothek komme.

    Zögernd folgte Agatha ihr über den Klosterhof. Die Sonne ließ ihre Haare glänzen.

    Schweigend betrachtete Elisabeth ihre Freundin von der Seite. Das kostbare Kleid musste sie von Philipp haben. Ihre ehemals eng anliegende Frisur war zerzaust, ihr Gesicht fast ungepudert, als wäre sie mehrere Tage lang unterwegs gewesen, ohne sich um ihr Äußeres zu kümmern.

    Agatha war älter geworden, viel älter als die drei Jahre, die seit ihrem letzten Treffen vergangen waren. Ihr Gesichtsausdruck und die harten Fältchen um ihre Augen zeugten von Niedergeschlagenheit, Erschöpfung und Trauer.

    Was war bloß geschehen?

    „Setz dich, forderte Elisabeth die Jüngere auf, als sie in die Zelle eintraten. „Und dann erzähl.

    „Vor etwa einem Jahr sind wir nach Wolgast zurückgekehrt, begann Agatha heiser und blickte aus dem Fenster. „Kurz darauf hat Philipp sein Amt als Herzog angetreten.

    „Davon habe ich gehört, warf Elisabeth ein. „Aber was ist daran schlimm?

    „Daran ist nichts schlimm", erwiderte Agatha und schüttelte den Kopf. „Eine seiner ersten Amtshandlungen war, dass… Er hat mich in den Adelsstand erhoben. Ich heiße jetzt offiziell Fürstin Agatha Magdalena von Wiek. Philipp hat irgendwelche Urkunden erstellt, die mich als Nachfahrin einer ehemaligen, ausgestorben geglaubten Adelsfamilie auszeichnen.

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