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IHR NAME WAR CINDY: Der klassische München-Krimi!
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eBook267 Seiten3 Stunden

IHR NAME WAR CINDY: Der klassische München-Krimi!

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Über dieses E-Book

Sie war jung, launisch und verwöhnt. Das Leben war für sie nur ein Spiel. Ein Spiel mit Männern, teuren Kleidern, Schmuck und schicken Autos. Ihr Name war Cindy...

Der letzte Freund schickte ihr zwanzig Rosen ins Haus. Aber da war Cindy bereits tot.

Hauptkommissar Veigl von der Kriminalpolizei in München hat einen neuen Mordfall, der ihn fast an seinem Beruf verzweifeln lässt...

Ernestine Wery (* 21. April 1909 in München als Ernestine Fentsch; † 26. November 1997) war eine deutsche Schauspielerin sowie Drehbuch- und Romanautorin. Nach ihrer Heirat mit dem Schauspieler Carl Wery zog sie sich von der Schauspielerei zurück und schrieb ab 1943 Filmdrehbücher. Auch als Autorin blieb sie häufig dem bayerischen Lokalkolorit verbunden. Mit ihren insgesamt 22 Drehbüchern, von denen 16 verfilmt wurden, trug sie einen nicht unwesentlichen Teil zum Charakter des bundesdeutschen Kinos der 1950er Jahre bei. In späteren Jahren verlegte sie sich auf die Schriftstellerei. Sie schrieb mehrere Romane, insbesondere Kriminalromane, die teilweise ihre Drehbücher für die Krimiserie Tatort als Grundlage haben.

Der Roman Ihr Name war Cindy erschien erstmals im Jahr 1981.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der deutschen Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum12. Mai 2021
ISBN9783748782483
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    Buchvorschau

    IHR NAME WAR CINDY - Ernestine Wery

    Das Buch

    Sie war jung, launisch und verwöhnt. Das Leben war für sie nur ein Spiel. Ein Spiel mit Männern, teuren Kleidern, Schmuck und schicken Autos. Ihr Name war Cindy...

    Der letzte Freund schickte ihr zwanzig Rosen ins Haus. Aber da war Cindy bereits tot.

    Hauptkommissar Veigl von der Kriminalpolizei in München hat einen neuen Mordfall, der ihn fast an seinem Beruf verzweifeln lässt...

    Ernestine Wery (* 21. April 1909 in München als Ernestine Fentsch; † 26. November 1997) war eine deutsche Schauspielerin sowie Drehbuch- und Romanautorin. Nach ihrer Heirat mit dem Schauspieler Carl Wery zog sie sich von der Schauspielerei zurück und schrieb ab 1943 Filmdrehbücher. Auch als Autorin blieb sie häufig dem bayerischen Lokalkolorit verbunden. Mit ihren insgesamt 22 Drehbüchern, von denen 16 verfilmt wurden, trug sie einen nicht unwesentlichen Teil zum Charakter des bundesdeutschen Kinos der 1950er Jahre bei. In späteren Jahren verlegte sie sich auf die Schriftstellerei. Sie schrieb mehrere Romane, insbesondere Kriminalromane, die teilweise ihre Drehbücher für die Krimiserie Tatort als Grundlage haben.

    Der Roman Ihr Name war Cindy erschien erstmals im Jahr 1981.

    Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der deutschen Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

    IHR NAME WAR CINDY

    Erstes Kapitel

    Morgens Rosen

    Fünfmal ließ das Blumenmädchen, eine Göre, die noch schulpflichtig war, die Klingel an der Wohnungstür im siebten Stock schellen, zuletzt durchdringend wie die Feuerwehr – niemand machte auf. Die Göre schaute unwirsch. Da strampelte man sich ab mit dem Job, steckte sich die Ferien an den Hut, und dann waren die doofen Kunden nicht zu Hause. Futsch, das Trinkgeld. Sie machte kehrt. Hülsenenge Jeans; auf der linken Hinterbacke, die klein und fest wie bei einem Jungen war, einen gestickten Schmetterling. Das Blumenpaket wollte sie aber noch loswerden. Wer wohnte denn nebenan?

    Goltz stand da zu lesen.

    Sie läutete.

    Eine weibliche Jammerstimme innen. Was sie rief, war nicht zu verstehen. Es dauerte; eine Frau öffnete. Sechzig oder wie alt; vielleicht war sie auch erst Ende vierzig. Nicht zu schätzen. Uralt, registrierte die Göre. Zerflossen, die ganze Person. Irgendwie verhuscht. Sie knöpfte an einer sackartigen Bluse, die über einer zerknautschten Hose hing und rettungslos ausgeuferte Hüften verbergen sollte.

    »’tschuldigen«, leierte das Mädchen in jenem modulationslosen Singsang, der bei diesen Jahrgängen unter cool läuft, »niemand da nebenan. Nehm’ Sie ab?«

    Sie streckte den eingewickelten Strauß hin. »Karte steckt drin.«

    Die Frau brauchte eine Brille. »Für Cindy«, las sie. »Moment...« Sie nahm die Blumen, überlegte mit leichter Ladehemmung: zumachen die Tür oder offenlassen? »Warten Sie...« Sie schob die Tür zu bis auf einen Spalt, verschwand. Und kam wieder mit einem Geldstück. »Für Sie.«

    Überwältigt bedankte sich die Göre nicht. War nur eine Mark. Das fühlte sie in der Hand, ohne hinzugucken. »Unterschreiben Sie?« Sie hielt ihr das Lieferbuch hin.

    Wieder brauchte die Frau die Brille. »Sie nehmen es aber genau.« Sie unterschrieb: Irene Goltz.

    »Sind ja’n besseres Geschäft. Tach.« Das Buch unter die Achsel geklemmt, verdrückte sich das Mädchen.

    Die Frau lächelte leer hinterdrein. »Für Blumen«, meinte sie, »ist es um die Zeit etwas früh.«

    Das Gör mit dem Schmetterlingspopo stakste zum Lift. Eine Mark! Wert gewesen wäre der Strauß einen Fünfer. Die fette Alte mit ihrem Zu früh! Neun vorbei war’s.

    Das Lichtauge erkletterte die Ziffer sieben, der Lift tat seine automatischen Klappen auf; das Mädchen stieg ein. Ein Käfig, atmungsaktiv wie ein Sarg. Klappen zu, ab ging die Post. Wieviel von den Ferien, fragte sich die Abwärtsgleitende, ging drauf, bis sie den Plattenspieler, den sie haben wollte, mit dem Mistjob herangeschafft hatte?

    Rosen waren es. Zwanzig prachtvolle Baccara, tiefrot mit zinnobrig angehauchten Rändern. Irene Goltz nahm den Strauß aus dem Papier und wickelte ihn in eine nasse Zeitung. Dann würde sie ihn tief in einen Eimer Wasser stecken und den in die kühlste Ecke stellen. Das war der nach hinten gelegene, schuhkartongroße Küchenbalkon.

    Die Frau hatte Erfahrung mit Blumen und deren Empfängerin. Nicht das erste Mal, dass sie einen Strauß für sie abnahm. Cindy pennte bis in den späten Vormittag; Rosen indessen ließen die Köpfe hängen. Das Wasser brauste in den Eimer. Im Grunde verschwendete Mühe. Cindy würde mit den Rosen umgehen wie mit allen Geschenken, die sie mit dem selbstverständlichen Anspruch der Jungen und Verwöhnten hinnahm – achtlos. Es sollte aber nicht heißen, der alten Goltz sei die Arbeit zu viel gewesen. So trug sie den Eimer auf den Balkon.

    Schuhkartons, so sahen sie aus, die Küchenbalkone in den Betonschluchten der riesigen Höfe, hingeklebt dutzendweise. Eine Wohnmaschinensiedlung, anheimelnd wie die Eigernordwand. Ein Sprung hinunter – immer wieder der lockende Gedanke –, und alles wäre überstanden.

    Irene Goltz kehrte in die Küche zurück und beendete ihr unterbrochenes Frühstück. Einen Rest Pulverkaffee, den sie im Stehen austrank, eine Scheibe Knäckebrot, bestrichen mit irgendwas. Frische Semmeln zu holen, hatte sie sich zu schlapp gefühlt. Sie stellte die Tasse ins Spülbecken und ging in ihr sogenanntes Studio.

    Unter der Tür fiel ihr noch ein: Von wem waren denn die Rosen? Sicher von Robert Lennen. Sie sah nach der Karte, die auf dem Kühlschrank lag. Nicht Lennens Schrift. Ein Neuer in Cindys Galerie? Wer schickt einem jungen Mädchen rote Rosen? Ein Mann natürlich.

    Studio nannte Irene Goltz nicht ohne Ironie das Zimmer, in dem sie tippte. Sie lebte von Schreibarbeiten. Freiberuflich. Ein Balanceakt, bei dem ihr oft schwindlig wurde. Aber ihr blieb nichts anderes übrig. Ihre Stellung als Sekretärin hatte sie nach einem Betriebsunfall verloren. Die Firma konnte nicht warten, bis sie wiederhergestellt war; wollte auch nicht. Genaugenommen waren sie froh, sich ihrer entledigen und eine Junge, Attraktive einstellen zu können. Nur gut, dass es ein Werksaufzug gewesen war, der mit ihr in die Tiefe stürzte; so kam sie an eine Unfallrente. Schäbig, wie Versicherungen sind, wenn’s ans Zahlen geht, bekam sie für eine lädierte Wirbelsäule und deren schmerzhafte Folgen nur so viel, dass es gerade für die Miete reichte. Immerhin, die war mal da. Das andere musste sie sich auf freier Wildbahn verdienen. In ihrem Alter nahm sie keiner mehr; und die Angestelltenrente, dafür war sie noch zu jung. Sie kaufte sich von der sparsamen Abfindung, die ihr die Firma gab, eine Schreibmaschine und ein paar gebrauchte Möbel. Die trimmte sie mit Farbe ein bisschen auf Pop; die Wände tapezierte sie mit Posters, am Fenster wucherte das Grün ihrer Blattpflanzen. Den Leuten gefiel das; der Laden lief auch ganz nett. Laufen tat er, weil sie billiger als die anderen war und trotzdem saubere Arbeit lieferte. Sie schrieb relativ fehlerfrei. Wie lang sie dazu brauchte, ging niemand was an. Rechnete sie nach Stunden, verdiente sie miserabel. Aber das war ihr Bier.

    Sie setzte sich an die Maschine und klapperte weiter, wo sie gestern Nacht aufgehört hatte. Eine »Dissertation zur Erlangung des Grades des Doktors der Naturwissenschaften^ Auf Seite 31 war sie. Engzeilig und mit Durchschlägen. Eine Würgerei, an der sie seit Tagen saß. Der Rücken tat ihr weh. Sie las den nächsten Abschnitt aus dem Manuskript:

    »Die Aufarbeitung des Reaktionsgemisches nach Beendigung der Belichtung mit Hilfe von Codestillation und IR- Spektroskopie ergibt folgendes Ergebnis: Neben den Ausgangsstoffen ist das Hauptprodukt der Belichtung Trifluormethylchlorid neben geringen Mengen von Bisftrifluormethyljdisulfan und Dischwefeldekafluorid, außerdem werden die üblichen Hydrolyseprodukte Siliciumtetrafluorid, Schwefelhexafluorid und Thionylfluorid identifiziert.«

    Was für ein Satz!

    Schon bei der Codestillation und IR-Spektroskopie verhaute sie sich zweimal und musste ausbessern. Ihre Finger waren nicht zielsicher an diesem Morgen.

    Sie brauchte einen Schluck.

    Hinter den Falten des Vorhangs stand er: billiger französischer Dessertwein, etwas besser als Wermut dieser Preisklasse. Sie trank gleich aus der Flasche.

    Nein, sie war keine Trinkerin. Sie betrank sich nie, steigerte auch ihren Konsum nicht. Eine Flasche pro Tag, verteilt auf viele kleine Schlucke. So ging das, seit sie Freiberuflerin war. Es half. Hielt die kreisenden Wölfe der Angst im Zaum, verbreitete angenehme Gleichgültigkeit. War nur schlecht für die Figur. Aber wer schaute noch nach ihr! Und die eigenen ästhetischen Maßstäbe, du liebes bisschen; vorbei. Alles war vorbei. Geblieben die Erkenntnis, dass das Leben sinnlos und nahezu alles Zufall war. Es hatte eine Zeit gegeben, da war sie von dieser Erkenntnis noch erschüttert worden. Auch vorbei.

    Sie tippte weiter. Vertippte sich. Besserte aus. Als sie auch das Trifluormethylchlorid verhaute, nahm sie Seite 31 samt Durchschlägen aus der Maschine, legte neu ein und schrieb das Ganze noch einmal.

    Mittlerweile war es nach zehn geworden. Allmählich Zeit, bei Cindy zu läuten. Irene Goltz erhob sich steif, musste sich aufstützen, um ihre nagenden Rückenwirbel zu entlasten, und ging hinüber zu ihrer jungen Nachbarin.

    Sie klingelte. Vergeblich.              

    Diese Mädchen! Irene kehrte an ihre Arbeit zurück, schrieb. Nebenher dachte sie an Robert Lennen. Schien eine ernsthafte Geschichte bei ihm. Und nun zwanzig Baccararosen von einem anderen? Wieder so ein tastenschockendes Wort, sie buchstabierte laut mit: Bis(trifluormethyl)disulfan. Aber sie waren selbst schuld, die Männer. Schmückten sich mit Mädchen, die ihre Töchter sein konnten. Lennen hätte sie es zwar nicht zugetraut. Einer der wenigen Schauspieler, der früher nie in Klatschspalten gestanden hatte; ein stiller Mann, und verliebt sich – wie alt mochte er sein? Nein, dieser Chemiker mit seiner Doktorarbeit! Ein Wort, bei dem sich die Schreibmaschine sträubte; Irene klopfte die Buchstaben einzeln aufs Papier: Methyljodid Methyltrifluormethylsulfan CH3SCF3 Wie alt Lennen war: ein Fünfziger, wie? Und Cindy einundzwanzig. Hielt sich und ihre Schönheit, hinter der sie wie die hechelnden Hunde her waren, noch für unvergänglich. Aber was ging sie’s an! Schreib, befahl sie sich. Dir wird nichts geschenkt. Sie ackerte, kam endlich in Schwung, schaffte drei Seiten ohne größere Korrekturen. Der Rücken schmerzte. Sie stand auf und schaute noch mal hinüber zu Cindy.

    Wieder umsonst, ihr Läuten.

    »Hallo, Cindy?«, rief sie leise an den Türspalt und klopfte mit vertraulichem Fingerknöchelschlag ein paarmal gegen das Holz. Alles blieb still.

    Irene Goltz ging zurück in ihre Wohnung, und nun fand sie, dass sie anrufen und das Mädchen wecken musste. Sie wählte Cindys Nummer.

    Cindy meldete sich nicht.

    Dass sie weggefahren wäre? Wer fütterte dann die Katzen? In dem Augenblick überkam die Frau ein unruhiges, im Magen flimmerndes Gefühl...

    Cindys Katzen!

    An die hatte sie bis jetzt nicht gedacht. Die Katzen, die Cindy nie unversorgt ließ, wenn sie wegfuhr. Immer brachte sie ihr, der Nachbarin, die Schlüssel. Ein praktisches Möbel, die alte Goltz, konnte man wie eine Oma bitten: Sehen Sie doch nach Pusch und Slender!

    Die Katzen! Irene brauchte wieder einen Schluck, griff nach der Flasche. Dann suchte sie mit etwas fahrigen Fingern die Nummer der Funkstreife. »Ich weiß ja nicht, ob das richtig ist, was ich mache«, stotterte sie ins Telefon, nachdem sie ihren Namen und die Adresse genannt hatte, »aber ich hab’ so ein sonderbares... Ja, Goltz; mit tezet. Irene Goltz. Siebter Stock.«

    Sie kamen sehr schnell. Es waren zwei nette Bärtige in Uniform. Jung noch, mein Gott, und jeder mit Schießeisen und Dienstgesicht.

    »Sind Sie die Frau, die angerufen hat?«, fragten sie. Und mit Blick hinüber: »Und das die Wohnung?«

    Es dauerte nur Sekunden. Sie läuteten Sturm bei Cindy. Als sich nichts rührte, öffneten sie die Tür. Sie ging im Handumdrehen auf.

    »Nicht abgesperrt?« Die Polizisten waren erstaunt.

    Zu zweit drangen sie ein.

    Irene Goltz blieb auf der Schwelle. Gern hätte sie sich jetzt in ihre Wohnung hinübergerettet. Aber das hätte nicht gut ausgesehen.

    Aus Cindys Diele, flott eingerichtet und viel größer als nebenan, die ganze Wohnung war größer, auch teurer, eine Südwohnung mit Loggia, kam ein abgestandener Geruch zwischen Parfüm und Katzenpisse.

    Die Polizisten machten alle Türen auf, schauten hinein und verschwanden durch eine. Es war die vom Schlafzimmer. Ein weißer Fellknäuel entwischte durch den Spalt und wollte zur Wohnung hinaus – eine Katze.

    »Pusch!«

    Die Goltz fing sie. »Na, komm...« Sie nahm sie auf den Arm und streichelte sie. Der Körper des Tiers zitterte wie unter Stromstößen. »Was ist denn, Puschi...« Die Katze verkrallte sich an der Schulter und steckte den Kopf in ihr Haar.

    Einer der Polizisten kam aus dem Schlafzimmer.

    »Ja – hier ist eine Tote«, sagte er zu der Frau vor der Tür. Ganz kalt schien ihn die Entdeckung nicht zu lassen. Er eilte zum Lift und fuhr hinunter.

    Irene Goltz ging, als habe sie einen Schlag vor den Kopf bekommen, in ihre Wohnung zurück. An ihrer Schulter klammerte die Katze.

    Mittags tot

    Die Mordkommission findet eine selten klare Situation. Das Mädchen namens Cindy wurde erwürgt.

    »Mord«, konstatiert Veigl.

    Veigl ist der Chef; ein Schwergewicht, das nach Gemütlichkeit aussieht und Humor erwarten lässt, soweit er in diesem Beruf drin ist. Aus dem gutmütig gepolsterten Gesicht schauen nur recht gegensätzliche Augen.

    »Mord«, sagt auch sein Assistent Brettschneider, und »Mord«, sagt Assistent Lenz. Mord, darüber sind sich alle Polizeileute einig, die an diesem Tatort zu tun haben.

    Es muss im Schlaf geschehen sein. Das Mädchen liegt in einem völlig ordentlichen Bett, um den Hals ein Elektrokabel, das schwarzweiß übersponnen ist. Es sieht aus, als wäre die Schlafende nicht mehr dazu gekommen, sich zu wehren. Das Gesicht ist nicht entstellt, auch kaum verfärbt; nur der Mund steht leicht offen. Der Tod muss sie überrascht haben. Die Kabelschnur wurde mit großer Kraft zugezogen und verknotet. Merkwürdig, dass die Augen geschlossen sind.

    Aber das kann der Mörder besorgt haben.

    Ein Mörder, der durch die Wohnungstür kam. Zu der er die Schlüssel gehabt haben muss.

    Irgendetwas erinnert Veigl an den Chrysanthemen-Mord. Eine Frau, die von ihrem pathologisch eifersüchtigen Liebhaber im Bett erschossen und aufgebahrt worden war. Er hatte die Tote gewaschen, frisiert, mit einem frischen Hemd bekleidet, das Bett bezogen, und auf die Decke hatte er Chrysanthemen gelegt. Danach hatte er sich im Bad eine Kugel in den Gaumen gejagt. Er lag auf der blutigen Wäsche, und ihm fehlte ein Stück Hinterkopf.

    Irgendetwas an dieser nicht entstellten Toten ist ähnlich. Hat sie der Mörder auch hin gebettet? Ihr die Augen zugedrückt? Und ist dann der geheimnisvolle Friede, den das Verlassen des Unsterblichen aus der sterblichen Hülle bei manchen bewirkt, über das junge Gesicht gekommen?

    Irgendetwas an dem Tod hier berührt auch die abgebrühten Männer der Polizei.

    »Das Haar«, sagt Assistent Lenz. »Echt.«

    Ein helles Kupferrot.

    Der Polizeiarzt hatte das Mädchen bei der Untersuchung aufgedeckt; dabei wurde der mit einem kurzen Hemdchen bekleidete Körper sichtbar. Kupferfarben ist auch das Haar auf dem kleinen Hügel über den Schenkeln.

    Warum wurde sie umgebracht? Raubmord?

    Sieht nicht danach aus. Zumindest nicht auf den ersten und zweiten Blick. Das Mädchen hat einen Ring am Finger; einen Reifen, der rundum mit Brillanten besetzt ist und aus Platin sein dürfte. Ihre Handtasche – Kroko, auch kein Tinnef – ist da. Geld drin. Schubfächer und Schranktüren sind geschlossen. Schlamperei mit Sachen, die herumliegen, aber nirgendwo gewaltsame Unordnung. Es ist nichts durchwühlt.

    Das im Einzelnen bleibt die Arbeit der Spurensucher.

    Sexualmord? Danach sieht es auch nicht aus.

    Eifersucht?

    »Würd’ ich eher sagen.«

    Veigl bewegt sich mit seinen Assistenten durch die Wohnung. Beherrschend, der Wohnraum. Scheint aus zwei Zimmern entstanden; eine Wand herausgenommen bis auf einen Mauerbogen. Eingerichtet das Ganze: Donnerwetter. Hell und schick und jung. Couch mit Fell bezogen, Glastisch, tiefe Sitzwürfel aus Leder, senfgelber Spannteppich, dick wie Moos; lautlos jeder Schritt. Billig war das nicht. Schlampiges auch hier. Herumgestreut Illustrierte, Kosmetika usw. Ein vor sich hin welkender Blumenstrauß, dessen schlammige Brühe seit Tagen auf frisches Wasser gewartet hat. Aber aufgebrochen nichts.

    Es gibt noch ein drittes, kleineres Zimmer; das besteht aus Schränken und duftet. In den Schränken Kleider und Zeug – Veigl kommt es vor wie der Bestand eines ganzen Modehauses. Pelzmäntel darunter. Mit Fellen kennt sich Veigl nicht aus, er sieht nur: Kaninchen sind’s nicht.

    Assistent Lenz, ein Stück jünger als der Chef und durch wechselnde Damenbekanntschaften modisch besser beschlagen, identifiziert einen hellen Pelz mit Tupfen als Luchs. Den dunklen, da legt er sich nicht fest. Nerz aufwärts.

    Die Wand vis-a-vis von den Schränken ist mit überlebensgroßen Fotos bestückt. Alles Cindy.

    »Fotomodell, hm?«

    Ein Gesicht, fotogen aus jedem Blickwinkel. Ferne, unbeteiligte Augen, eine sehr kleine Nase und der Mund eines verzogenen, trotzigen Kindes. Dazu die kupfrige Mähne. Ein paar Aufnahmen zeigen das Mädchen halb ausgezogen. Einmal steht sie da wie ein störrischer Junge, der sich trollen will und noch mal umschaut; einziges Kleidungsstück ein zu kurzes, quergestreiftes T-Shirt, das da endet, wo der blanke Popo anfängt. Auf einem anderen Foto schleift sie einen Pelzmantel nach; der helle ist es mit den Tupfen. Bis auf einen Ärmel ist sie herausgeschlüpft, darunter hat sie nichts an. Das Mädchen auf diesen Bildern ist nicht, was man unter schön versteht, aber es hat etwas beunruhigend Reizvolles.

    »Katzengesicht«, findet Lenz.

    »Apropos Katzen«, Veigl sieht sich an den Geruch draußen in der Diele erinnert: »Hier muss es doch eine Katze geben. Wo steckt’n die?«

    Veigl ist Tierfreund; er befürchtet, die Katze könnte im Durcheinander des Kommens und Gehens in dieser Wohnung entlaufen. Zu dritt suchen sie nach ihr, entdecken sie aber nicht. Bad, Küche, alles derselbe Eindruck; erstaunlich gut eingerichtet. Schlampereien, doch nirgendwo etwas aufgebrochen und durchwühlt. Und keine Katze.

    In der Diele, ganz und gar mit gestreiftem Chintz bespannt wie eine Schachtel, zieht Veigl den Vorhang an der Garderobennische zurück – ein wilder Schrei, und etwas springt aus der Ecke der Hutablage herunter, vorbei an Veigls Brustkasten, und saust unter ein Möbel.

    Die Katze. Blaugrau ist sie.

    Der scharfe Geruch nach Pisse kommt aus der durchnässten Streu im Katzenklo, das die drei auf der Jagd nach dem Tier in einer

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