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IM LETZTEN AUGENBLICK: Der Krimi-Klassiker!
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eBook304 Seiten3 Stunden

IM LETZTEN AUGENBLICK: Der Krimi-Klassiker!

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Über dieses E-Book

In den Zellen der Hinrichtungskandidaten war es ruhig. Cal Baker saß da und las. Er las ununterbrochen. Beinahe bewegungslos, bis er die Schritte vor seiner Zelle hörte. Ein großer, breiter Mann mit einem Stetson auf dem Kopf und zwei Pistolen im Holster stand in dem harten, hellen Schein der Flurbeleuchtung. Der Mann in der Zelle bewegte sich zur Tür, während seine Finger das Buch umklammerten...

Der Roman Im letzten Augenblick von Jack Usher erschien erstmals im Jahr 1958; eine deutsche Erstveröffentlichung folgte 1959.

Der Apex-Verlag veröffentlicht Im letzten Augenblick in seiner Reihe APEX NOIR, in welcher Klassiker des Hard-boiled- und Noir-Krimis als durchgesehene Neuausgaben wiederveröffentlicht werden.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum14. Jan. 2021
ISBN9783748771470
IM LETZTEN AUGENBLICK: Der Krimi-Klassiker!

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    Buchvorschau

    IM LETZTEN AUGENBLICK - Jack Usher

    Das Buch

    In den Zellen der Hinrichtungskandidaten war es ruhig. Cal Baker saß da und las. Er las ununterbrochen. Beinahe bewegungslos, bis er die Schritte vor seiner Zelle hörte. Ein großer, breiter Mann mit einem Stetson auf dem Kopf und zwei Pistolen im Holster stand in dem harten, hellen Schein der Flurbeleuchtung. Der Mann in der Zelle bewegte sich zur Tür, während seine Finger das Buch umklammerten...

    Der Roman Im letzten Augenblick von Jack Usher erschien erstmals im Jahr 1958; eine deutsche Erstveröffentlichung folgte 1959.

    Der Apex-Verlag veröffentlicht Im letzten Augenblick in seiner Reihe APEX NOIR, in welcher Klassiker des Hard-boiled- und Noir-Krimis als durchgesehene Neuausgaben wiederveröffentlicht werden.

    IM LETZTEN AUGENBLICK

    Erstes Kapitel

    Er hatte gerade die Unterlage, auf der die Doppel der Ladepapiere abgeklammert waren, niedergelegt... Dann ging er zu der überdachten Halle im Hof, hob einen unausgefüllten Fahrbefehl auf und begab sich schließlich zu dem großen Anhänger und der Zugmaschine, die müßig neben den Pumpen standen.

    Automatisch stieß er mit den Fußspitzen gegen die Reifen, während er den Lastzug entlangschritt und seine Augen rasch und prüfend über die Begrenzungslichter, die Bremsschläuche und die anderen mehr oder minder lebenswichtigen Teile von Zugmaschine und Anhänger glitten. Mit einem Sprung war er auf einem Trittbrett und händigte dem Fahrer den Fahrbefehl aus. »Das wär’s, Doug.« Der Fahrer nahm das Papier in seine behandschuhte Hand und nickte.

    »Halt dich auf dieser Fahrt dran, der Motor dieser Zugmaschine ist gerade aus der Werkstatt gekommen«, sagte Pelchek und blickte in Richtung der auf den Frachthof führenden Einfahrt. Er bemerkte das Mädchen, als sie über das mit Kies bestreute Gelände kam. Direkt auf die riesige Zugmaschine zu. Von seinem Platz aus sah sie klein und ein bisschen fremdländisch aus. Er wandte sich erneut an den Fahrer.

    »Pass hinter Elgin auf, Doug. Du hast ’ne Ladung Schnaps. Darauf sind die Banditen besonders scharf.«

    »Okay, Steve.«

    »Und dann kümmere dich öfters um die Treibstoffmischung. Das letzte Mal hat’s bei dir mächtig gequalmt.«

    Der große Diesel begann sich knurrend und brummend in Bewegung zu setzen. Ein paar Doppelreifen malmten auf dem rauen Boden, während er den Hof verließ. Mit der Schulter die Gegenwart des Mädchens spürend, wandte er seinen Kopf zu ihr um.

    »Mr. Pelchek?«

    »Sie müssen lauter reden, Miss«, brüllte er. Er wies mit dem Daumen auf den abfahrenden Lastzug, der gerade anfing, die hügelaufwärts führende Zufahrt zur Hauptstraße emporzuwimmern. Der qualmende Auspuff verpestete die Luft mit dem Gestank verbrannten Dieselöls.

    »Sind Sie Steven Pelchek?«, brüllte sie.

    »Aber sicher, junge Frau. Was kann ich für Sie tun?«, brüllte er zurück.

    »Ich bin Elena Baker – Cal Bakers Frau. Erinnern Sie sich an ihn?«

    Pelchek ergriff das Mädchen am Arm und führte sie zu einer zementierten Rampe, auf der sich drei große Tanksäulen erhoben. Er musterte seine Besucherin mit forschendem Blick.

    Sie war eine jener vollendeten, oft kaum zu beschreibenden Schönheiten, die man manchmal unter Frauen mexikanischer Abstammung trifft. Riesige dunkle, leicht schräge Augen blickten aus einem makellosen, anmutig olivfarbenen Gesicht. Ihre Züge, die von Miguel Cavarrubias gemalt hätten sein können, wurden durch anmutig geschwungene Brauen unterstrichen. Tiefschwarzes Haar, in der Mitte sorgfältig gescheitelt, türmte sich hinter kleinen, delikaten Ohren, um in einer üppigen Krone auf dem Kopf zu enden. Eine vollendet schöne Frau. Er schätzte sie auf ungefähr fünfundzwanzig.

    »So, Sie sind also Cal Bakers Frau. Was in aller Welt macht er in Milwaukee?«

    »Er ist nicht mit, Mr. Pelchek. Er konnte nicht kommen«, sagte das Mädchen, ohne zu zögern.

    Er warf einen Blick auf ihr Gesicht. »Sie sehen etwas angegriffen aus, Mrs. Baker. Wo brennt’s denn?«, fragte er.

    »Sie...« Ihre Worte ertranken neuerlich im Brummen des schwer arbeitenden Diesels. Als der Lastzug endlich auf der nahe liegenden Höhe angelangt war, wurde es in dem Hof verhältnismäßig still. Nackt und klar blieben ihre Worte in der Luft hängen. »...sie werden ihn umbringen!«

    Er schickte sich an, etwas zu sagen, und hielt inne. Er nahm das Mädchen beim Arm und ging mit ihr in das kleine Bürogebäude in der Mitte des Hofes. Mit dem Schließen der Tür verstummten auch die Geräusche des Autohofs. Er nahm den Mantel des Mädchens, setzte sie in einen Stuhl und goss zwei große Whiskey mit wenig Soda ein. Nachdem er ihr eines der Gläser in die Hand gedrückt hatte, durchquerte er das Zimmer und lehnte sich gegen die Kante seines Schreibtisches.

    »Trinken Sie’s aus«, befahl er.

    Sie schlürfte den mit Wasser vermischten Bourbon und schnitt eine Grimasse.

    »Hören Sie«, sagte er. »Was Sie da eben draußen gesagt haben. Ich weiß, dass es Ihnen ernst ist, aber was ist das für eine Geschichte mit Baker? Wer will ihn umbringen und wo?« Er ging um seinen Schreibtisch herum und ließ sich in seinem Schreibtischsessel nieder, sodass er dem Mädchen direkt gegenübersaß.

    »Er weiß nicht, dass ich nach Milwaukee gefahren bin.« Sie trank den Whiskey aus und stellte dann das Glas auf den Schreibtisch, wobei sie mit dem Finger sinnlose kleine Kreise auf der polierten Oberfläche machte. »Vielleicht erwarte ich zu viel. Cal hat so oft von Ihnen gesprochen, und da dachte ich...«

    »Schon gut!«, unterbrach er ungeduldig. »Warten Sie damit noch einen Augenblick. Darüber werden wir später reden. Erst mal möchte ich wissen, was passiert ist.« Er griff über den Schreibtisch und drückte auf einen Knopf der Sprechanlage. »Miss Gray...! Nehmen Sie alle Gespräche an.« Er stellte den Lautsprecher wieder ab und wandte sich an das Mädchen. »Okay. Also los. Und erzählen Sie mir alles.«

    Elena Baker hatte ihn mit ungeschmälerter Aufmerksamkeit betrachtet. Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und begann fast mechanisch.

    »Sie wissen natürlich eine Menge über Cal. Dass er, seit er erwachsen ist, fast die ganze Zeit mit dem Familienunternehmen zu tun hatte. Er fing unmittelbar nach der Schule dort an und kehrte nach seiner Entlassung aus der Armee zurück.«

    Pelchek nickte.

    »Er hatte bestimmte Vorstellungen von der Modernisierung der Firma. Es hatte irgendetwas mit Wohnungsbau zu tun.

    Jedenfalls einige Leute, darunter der Generalmanager, wurden wütend. Es gab eine Anzahl von Auseinandersetzungen, und man erzählte mir, Cal habe gedroht, ihn umzubringen.« Sie schöpfte anhaltend, aber nervös Atem. »Mein Mann sitzt im Staatsgefängnis und soll hingerichtet werden. Er ist wegen Mordes an Arthur Walker, Generalmanager der Baker Land Corporation, verurteilt worden. Der Anwalt legte Berufung gegen das Urteil ein, und die Berufung wurde abgewiesen. Ich habe versucht, den Distrikt-Staatsanwalt zu einem Wiederaufnahmeverfahren zu bewegen, aber er sagte, er habe jetzt keinen Einfluss mehr auf das Verfahren.«

    Er wartete schweigend.

    »Niemand da unten will mich hören, Mr. Pelchek! Wenigstens keiner von denen, die etwas zu sagen haben. Ich war in der Staatshauptstadt, und sie haben mich von einer Stelle zur anderen geschickt. Ich kriege sie nicht einmal dazu, zuzuhören. Gleichgültig, was ich sage, sie...« Sie zögerte, blickte aus dem Fenster auf das Treiben im Autohof und schloss dann bitter: »Sie behaupten, er hätte diesen Mann wegen mir umgebracht.«

    Pelchek trommelte leicht auf die Tischplatte. »Was sagte er?«, fragte er.

    »Er schwört, dass er damit nichts zu tun hat.«

    »Und Sie glauben ihm?«

    »Natürlich glaube ich ihm!« Sie machte Anstalten, aufzustehen. »Wenn Sie glauben, ich bin so weit hergekommen...«

    »Setzen Sie sich, Mrs. Baker.« Pelchek streckte seine Hand abwehrend aus und zog dann ein Paket Zigaretten aus seiner Hemdtasche. Er bot dem Mädchen eine an, die ablehnend mit dem Kopf schüttelte, zündete sich selbst eine an und beugte sich auf seinem Sessel vor. »Was soll ich von der Sache halten? Nach dem, was Sie mir bis jetzt erzählt haben, sind die Gerichte, Staats- wie Grafschaftsgerichte, überzeugt, dass er schuldig ist.«

    Ihr Gesicht welkte, und Tränen quollen ihr aus den Augen, während sie auf ihren Stuhl zurücksank.

    »Sie sind also genau wie die anderen, Mr. Pelchek. Sie glauben auch an seine Schuld.«

    »Hören Sie um Himmels willen auf, mich Mr. Pelchek zu nennen. Ich heiße Steve. Und habe mit keinem Wort gesagt, dass ich nicht helfen will. Finster konsultierte er den Kalender auf seinem Schreibtisch. »Wieviel Zeit hat er noch?«

    »Das Datum für seine... es sind noch fünf Tage, Mr. Pel... Steven. Am 10. Juli.« Rasch begann sie sich wieder zusammenreißen und tupfte die Augen mit ihrem Taschentuch.

    »Was macht seine Familie? Das Geld der Bakers?« Er griff nach der Sprechanlage. »Miss Gray? Bitte kommen Sie zu mir.« Er blickte das Mädchen erneut an und wartete auf ihre Antwort.

    »Cal arbeitet nicht mehr für die Baker Land Corporation«, sagte sie, »obwohl er vor der ganzen Geschichte vierteljährlich seinen Anteil am Gewinn erhielt.«

    »Was ist mit seinem Bruder und seiner Schwester. Wenn ich mich recht erinnere, hatte er einen älteren Bruder und eine jüngere Schwester, stimmt’s?«

    »Ja. Seit wir verheiratet sind, haben wir wenig von ihnen gehört. Allen versucht, die Schnapsläden von Las Milpas leerzusaufen und so zu tun, als ob nichts geschehen sei. Christine ist nicht da. Während des Prozesses wohnte sie in New York, und unmittelbar nach Cals Verurteilung reiste sie nach Europa.«

    »Nach Europa? Während ihr Bruder in der Todeszelle saß?«

    Elena nickte, während ihre Finger am Taschentuch zupften und zwirbelten.

    »Wie steht’s mit Geld?«

    »Da ist nichts mehr übrig. Frank McCreery – er ist der neue Generalmanager der Baker Land – hat die Anwälte dazu bekommen, Cals Anteile unter Treuhandverwaltung zu stellen. Sie haben es sogar so hingekriegt, dass ich nicht einmal unseren privaten Besitz verkaufen kann. Unser Anwalt sagt, er könnte einen Prozess gegen sie gewinnen, aber es würde Monate dauern.«

    »Das ist ein Schwesternabzeichen, was Sie da tragen, nicht?«

    »Ja«, sie blickte auf ihren beigen Pullover herunter. »Ich habe meine Ausbildung abgeschlossen, während Cal beim Militär war, und habe eine Zeitlang im Allgemeinen Krankenhaus von Las Milpas gearbeitet. Seit der Geschichte bin ich wieder dort und arbeite als Schwester.«

    »Im selben Krankenhaus?«

    »Ja, ich habe jetzt nur einen ganz kurzen Urlaub.«

    »Fühlen Sie sich in der Lage, zurückzufahren?«

    »Natürlich«, sagte sie. »Warum?«

    »Weil ich glaube, dass Sie in Ihr Krankenhaus zurückfahren werden«, sagte Pelchek kurz.

    Die Tür öffnete sich, und eine Frau mittleren Alters, den Stenoblock in der Hand, betrat das Büro. Pelchek sah zu ihr auf.

    »Miss Gray, dies ist Mrs. Baker«, sagte er. Die beiden Frauen nickten sich zu. »Ich fahre in einer persönlichen Angelegenheit weg. Ich weiß noch nicht, wie lange ich wegbleiben werde. Einige Anweisungen diktiere ich später. Wenn irgendetwas passiert, wenn Sie und die Männer nicht klarkommen, erreichen Sie mich bei Mrs. Baker. Sie wird Ihnen ihre Adresse hinterlassen.« Er wandte sich an das Mädchen. »Wo ist Ihr Gepäck?«

    »Ich habe eine Tasche an der Busstation.«

    »In einem Schließfach?«

    »Ja.«

    »Geben Sie mir den Schlüssel.«

    Sie zog einen Schlüssel aus der Tasche und gab ihn ihm. Er reichte ihn seiner Sekretärin weiter. »Geben Sie ihn einem von den Stückgutfahrern und lassen Sie ihn die Tasche abholen. Und jetzt nehmen Sie besser Mrs. Baker mit in Ihr Büro, damit sie sich ein bisschen frisch machen kann.«

    »Gut, Mr. Pelchek. Wenn Sie bitte mitkommen wollen, Mrs. Baker.« Die beiden Frauen warteten.

    »Was haben Sie vor?«, fragte das Mädchen Pelchek.

    »Ich fahre hinunter«, sagte er kurz. »Wir haben zu wenig Zeit, um von hier aus etwas unternehmen zu können.«

    Sie starrte ihn mit großen Augen an.

    »Gehen Sie mit Miss Gray.« Er warf einen Blick auf seine Uhr. »Ich habe hier noch ungefähr eine Stunde zu tun.«

    Als die Frauen gegangen waren, schwang Pelchek auf seinem Drehstuhl herum und starrte aus dem Fenster. In was für eine Geschichte hatte Cal Baker sich zum Teufel bloß hineingebracht! Ein harter, kleiner Mann, dieser Cal Baker, aber nicht der Typ, der herumläuft und friedliche Mitbürger umbringt. Er drehte sich wieder um und öffnete eine Schreibtischschublade. Nach einigem Herumkramen zog er eine Fotographie heraus und legte sie auf die Schreibtischplatte.

    Sergeant Calvin Murrow Baker und Sergeant Stephano Ivar Pelchek. Was für ein Paar! Er betrachtete das Foto. Zwei Männer im Kampfanzug, die Helme verkehrt auf dem Kopf, den Karabiner von den Schultern baumelnd, überaus schmutzig und überaus betrunken. Mit gegenseitig um die Schulter gelegten Armen standen sie knöcheltief im Dreck, direkt vor einem defekten Panzerspähwagen.

    Was waren sie doch für ein Team gewesen. Der feinknochige Baker mit der sanften Stimme. Der reiche Junge. Zuerst hatten einige Männer in der Gruppe gedacht, er sei ein wenig weibisch. Pelchek zog eine Grimasse. Baker war so weibisch wie ein Bär in der Brunft und genauso gefährlich. Ein Mann, der von wütendem, aber beherrschtem Zorn bewegt wurde, ein rücksichtsloser Schütze, dickschädelig und hinterhältig, wenn es um die Wurst ging.

    Pelchek betrachtete den anderen Mann auf dem Foto und brummte. Der große Steve Pelchek. Er war immer noch groß. Seine Erscheinung hatte etwas von der Härte und Schärfe verloren, aber es waren auch immerhin sechs Jahre her, und drei davon hatte er hinter dem Schreibtisch verbracht. Er warf das Foto in die Schublade zurück und blickte dann finster den Papierberg auf seinem Schreibtisch an. Er klingelte nach seiner Sekretärin. Sie kam herein und blieb an seinem Schreibtisch erwartungsvoll stehen.

    »Wie kommt sie zurecht, Miss Gray?«

    »Gut! Sie ist hinten und macht sich zurecht.«

    »Hat Sie Ihnen ihre Adresse gegeben?«

    »Ja, Sir.«

    »Okay, passen Sie auf, ich möchte jetzt folgendes.« Er lehnte sich zurück und blickte zu seiner Angestellten auf. »Rufen Sie das Flugkartenbüro an und besorgen Sie uns einen Platz in der ersten Maschine nach der Hauptstadt. Dann rufen Sie bitte die Bank an und verbinden mich. Ich werde möglicherweise etwas Geld brauchen, und ich brauche dementsprechend genügend auf meinem persönlichen Konto. Möglicherweise müssen wir etwas vom Konto der Firma auf mein persönliches Konto übertragen.«

    »Ja, Sir.«

    »Hat sie Ihnen irgendetwas erzählt?«

    »Ein bisschen.«

    »Ihr Mann sitzt in der Tinte. Deswegen ist’s so eilig. Wenn’s eine andere Möglichkeit gegeben hätte...« Er zuckte die Schulter.

    »Können Sie nicht einen Anwalt runterschicken. Gerade jetzt können Sie schlecht weg.«

    »Nein, Miss Gray. Ich muss schon selber fahren«, sagte Pelchek gereizt. »Ich habe einen bestimmten Grund. Was auch immer passiert, ich muss selbst fahren. Und Sie haben recht. Eine verdammt ungeschickte Zeit, um wegzufahren.«

    »Ist sonst noch was?«

    »Im Augenblick nicht. Erledigen Sie das mit den Flugbilletts und das mit der Bank, und... ach, ja. Mrs. Baker soll in ungefähr einer Stunde zum Essen fertig sein. Kommen Sie nachher bitte wieder. Ich werde dann meine Anweisungen diktieren.«

    »Ja, Sir«, sagte die Sekretärin und verließ das Büro.

    Pelchek zog den Stoß Papier auf dem Schreibtisch zu sich her und starrte ihn an. Fünf Tage! Was für ein Stolz hatte Baker wohl abgehalten, sich mit ihm in Verbindung zu setzen, und warum hatte das Mädel nur bis zur letzten Minute gewartet? Er wollte sie beim Essen danach fragen.

    In den Zellen der Hinrichtungskandidaten war es ruhig. Cal Baker saß da und las. Er las ununterbrochen. Beinahe bewegungslos, bis er die Schritte vor seiner Zelle hörte. Ein großer, breiter Mann mit einem Stetson auf dem Kopf und zwei Pistolen im Holster stand in dem harten, hellen Schein der Flurbeleuchtung. Der Mann in der Zelle bewegte sich zur Tür, während seine Finger das Buch umklammerten.

    »Sie brauchen mir nichts zu erzählen«, sagte er.

    »Tut mir leid, mein Junge. Der Gouverneur hat abgelehnt.« Es klang, als ob der große Mann sich etwas ungemütlich und traurig fühlte. Er blieb einen Augenblick stehen, suchte nach Worten und fand keine. Er zog an seinem Pistolengürtel und drehte sich um, um zu gehen.

    »Hat jemand angerufen? Es ist jetzt schon über eine Woche.«

    »Kein Anruf, mein Junge. Tut mir leid.« Der Wärter ging den Flur entlang, bis er aus dem Gesichtsfeld verschwand.

    Der Verurteilte ging noch einen Schritt näher an die Tür und umkrampfte die Stahlstäbe, bis seine Knöchel weiß wurden. Seine Augen folgten dem Geräusch der sich entfernenden Schritte.

    Hoch in der Wüstenluft über ihm, an jenem Stück Himmel, das er sehen konnte, zog ein Geier immer engere Kreise.

    Elena Baker saß vor einem kleinen Toilettentisch und beseitigte die Spuren von Tränen und jene einer viertägigen Reise in einem transkontinentalen Bus. Während sie eine widerborstige Haarsträhne zurechtrückte, blickte sie in den Spiegel. Die Sekretärin stand hinter ihr und lächelte.

    »Ist Mr. Pelchek reich?«, fragte Elena.

    »Reich?«, murmelte die ältere Frau. »Ich nehme an, er besitzt eine ganze Menge Fahrzeuge. Wieso?« Sie begab sich auf die andere Seite des Zimmers und setzte sich auf die Liege aus Korbgeflecht.

    »Mein Mann hat mir erzählt, dass er ein paar Lastwagen hat, aber sicher hatte er keine Ahnung, dass die Firma so groß ist.« Sie drehte sich auf dem schmalen Bänkchen um und begann, ihre Strümpfe glattzuziehen.

    »Vor fünf Jahren besaß er nicht viel mehr als ein paar abgetakelte Militärlastwagen und ziemlich viel Nerven. Er erbluffte sich sozusagen in seinem ersten großen Vertrag und musste sich dann für die Fahrzeuge und das Zeug, das er brauchte, um den Vertrag zu erfüllen, Geld borgen. Seither sind wir jedes Jahr ein bisschen größer geworden. Jetzt könnte man uns, glaube ich, ein mittelgroßes Unternehmen nennen, was das Transportgeschäft anbetrifft.«

    »Ich wundere mich, dass er alles stehenlässt, um uns zu helfen.«

    »Steve Pelchek ist ein ziemlich rauer Bursche und tut manchmal das Unerwartete. In dieser Branche blieb ihm gar nichts anderes übrig. Aber ich nehme an, in diesem Fall hat er seine Gründe.« Die Sekretärin stand auf. »Er geht mit Ihnen um eins zum Essen. Wollen Sie sich nicht hier inzwischen ein bisschen auf der Liege ausruhen?«

    »Vielen Dank, Miss Gray. Gerne.« Sie stand auf und ging durchs Zimmer auf die geflochtene Couch zu. »Ist er verheiratet?«, fragte sie, während sie ihre Schuhe auszog und sich niederlegte.

    »Geschieden.« Die ältere Frau blieb einen Augenblick zwischen den Vorhängen der Türöffnung stehen. »Der Krieg in Korea hat wohl sechs Monate zu lange gedauert. Soviel ich weiß. Sagen Sie bloß nicht, dass ich Ihnen etwas erzählt habe. Er ist bei diesem Thema sehr empfindlich. Machen Sie Ihre Augen zu und ruhen Sie sich aus.« Sie ging hinaus und schloss leise die Tür.

    Elena verschränkte ihre Hände unter dem Kopf und lauschte auf die Geräusche aus dem Autohof.

    Was war er doch für ein hässlicher großer Mann. Er sah genauso barsch aus wie auf den Bildern, die Cal ihr gezeigt hatte. Nur dass er in Wirklichkeit noch größer zu sein schien. Sein Gesicht war fast unverändert – vielleicht ein bisschen voller und besser genährt. Dieselbe breite Stirn unter dem rabenschwarzen, wie Rosshaar wirkenden Haar. Dieselben hohen, flachen Backenknochen, welche die ebenen Gesichtspartien aller Leute von slawischer Herkunft unterstreichen.

    Er machte nicht den Eindruck eines Mannes, der lediglich auf eine Eingebung hin handelte. Im Gegenteil, er sah aus wie jemand, der im Grunde reserviert und schwer zu etwas zu bewegen war. Was veranlasste ihn, ihnen zu helfen? Während die Motoren brummten und irgendetwas Metallenes gegen Zement schlug, schloss sie die Augen.

    Der Mann winkte der Kellnerin ab und begann Zucker und Sahne in seinen Kaffee zu schütten. Sein Kollege saß schweigend in der dunklen Nische ihnen gegenüber.

    »Nun, Romero, wo ist sie?«, fragte der Mann ruhig und rührte in seinem Kaffee.

    »Ich weiß es nicht.«

    »Sie sollten doch auf sie aufpassen.«

    »Habe ich auch. Sie ging in ein Dutzend Büros, bevor sie fertig war, und ich war die ganze Zeit hinter ihr her. Als sie zur Busstation zurückging, dachte ich, sie würde hierherkommen. Ich konnte nicht zu nahe ran. Sie würde mich sonst gesehen haben.«

    »Es ist jetzt schon vier Tage her, und sie ist immer noch nicht zurück.« Der Mann schlürfte seinen Kaffee und starrte quer über den Tisch. »Sie hätten sie aufhalten sollen.«

    »Wie hätte ich das tun sollen. Selbst wenn ich es gewusst hätte, dass sie nicht hierher zurückkommt, was hätte ich tun können?«

    »Ich weiß nicht«, erwiderte der Mann ungerührt. »Mich interessiert nur, was sie im Augenblick macht. Und wo sie ist. Auch darum sollten Sie sich kümmern. Auch davon hängt Ihre Zukunft ab.«

    »Es tut mir leid.«

    »Schön. Es ist eben passiert, und wir werden uns über sie den Kopf zerbrechen, wenn es soweit ist. Nun, was ist mit dem Mann? Ist er immer noch da draußen?«

    »Ja.«

    »Nüchtern, hoffe ich.«

    »Ich glaube.«

    »Sie glauben?« Der Mann stellte seine Kaffeetasse weg. »Was – Sie glauben? Mit nur noch fünf Tagen können wir uns nicht leisten, Ratespiele zu veranstalten. Er ist Ihnen einmal durch die Lappen gegangen. Entsinnen

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