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SANFT FLÜSTERT DER TOD: Der Krimi-Klassiker aus Schottland!
SANFT FLÜSTERT DER TOD: Der Krimi-Klassiker aus Schottland!
SANFT FLÜSTERT DER TOD: Der Krimi-Klassiker aus Schottland!
eBook211 Seiten2 Stunden

SANFT FLÜSTERT DER TOD: Der Krimi-Klassiker aus Schottland!

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Über dieses E-Book

Der erste »Verkehrsunfall« sah ziemlich echt aus: gestohlenes Fahrzeug, Fahrerflucht - das ist heutzutage keine Seltenheit.

Beim zweiten »Unfall« wurde Inspektor Tilling stutzig. Schließlich waren die Opfer miteinander befreundet. Und einer von ihnen hatte irgendwo 70.000 Pfund versteckt - die Beute aus einem Bankraub...

 

Der Roman Sanft flüstert der Tod aus der Feder des schottischen Schriftstellers John Cassells (ein Pseudonym von Bestseller-Autor William Murdoch Duncan - * 18. November 1909; † 19. April 1975) erschien erstmals im Jahr 1968; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1969 (unter dem Titel Kein Fall für Amateure).

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum21. Juli 2022
ISBN9783755417651
SANFT FLÜSTERT DER TOD: Der Krimi-Klassiker aus Schottland!

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    Buchvorschau

    SANFT FLÜSTERT DER TOD - John Cassells

    Das Buch

    Der erste »Verkehrsunfall« sah ziemlich echt aus: gestohlenes Fahrzeug, Fahrerflucht - das ist heutzutage keine Seltenheit.

    Beim zweiten »Unfall« wurde Inspektor Tilling stutzig. Schließlich waren die Opfer miteinander befreundet. Und einer von ihnen hatte irgendwo 70.000 Pfund versteckt - die Beute aus einem Bankraub...

    Der Roman Sanft flüstert der Tod aus der Feder des schottischen Schriftstellers John Cassells (ein Pseudonym von Bestseller-Autor William Murdoch Duncan - * 18. November 1909; † 19. April 1975) erschien erstmals im Jahr 1968; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1969 (unter dem Titel Kein Fall für Amateure).

    Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

    SANFT FLÜSTERT DER TOD

      ERSTER TEIL

    Erstes Kapitel

    Die Heizkörper, die das Klassenzimmer mit Wärme versorgten, waren an der Wand vor den hohen, schmalen Fenstern installiert. Es kam häufig vor, dass sich Carling während des Unterrichts gegen einen der Heizkörper lehnte. Während des Krieges war er an der Hüfte verwundet worden; im Laufe der Jahre waren rheumatische Beschwerden hinzugekommen. So litt er gelegentlich unter heftigen Schmerzen, die von der Wärme ein wenig gelindert wurden. Die Schmerzen plagten ihn hauptsächlich in den Wintermonaten.

    Und jetzt war es Winter – Anfang Dezember – im unfreundlichen Nordosten mit seinen kalten, schneidenden Stürmen, die vom Kontinent kamen, und den vom Himmel stürzenden Wassermassen, die der Sturm in graue Stahlnadeln verwandelte. Der Regen trommelte an die Fensterscheibe hinter Carlings Rücken. Er musste seine dünne, leicht schnarrende Stimme ein wenig heben, um von seinen Schülern verstanden zu werden.

    »Verfallen Sie nicht dem Irrtum, Larkins«, sagte er, »dass die Geschichte eines Landes immer nur Vergangenheit ist. In Wirklichkeit ist sie es nie. Glauben Sie nur nicht, dass alle Epochen, die wir behandeln, schon so lange zurückliegen, dass sie bedeutungslos geworden sind.« Er blickte herum, ein schwaches Lächeln in seinen sanftblauen Augen. »Ich wurde 1910 geboren, bin also noch gar nicht so alt. Und als ich geboren wurde, gab es in England noch alte Leute, die – als es zur Seeschlacht bei Trafalgar kam – kleine Kinder waren. Ein Jahrhundert davor lebten Männer und Frauen, die sich an die Große Pest im Jahre 1665 und die Feuersbrunst in London im Jahre 1666 erinnern konnten. Einige von ihnen hörten als kleine Kinder ihre Väter von der Hinrichtung Karls I. erzählen – und zu jenem Zeitpunkt gab es wieder alte Leute, die noch die Leuchtfeuer entlang der englischen Küste gesehen hatten, als die spanische Armada im Kanal aufkreuzte.«

    Das Schrillen der elektrischen Klingel ließ ihn seine Ausführungen beenden. Ein paar unruhige Geister begannen auf ihren Plätzen herumzurutschen.

    Carling richtete sich auf und sagte: »Das wär’s für heute. Auf Wiedersehen.«

    Die Schüler verließen geräuschvoll das Klassenzimmer.

    Carling blickte hinter ihnen her und kehrte langsam zu seinem Pult zurück. Er hatte Hüftschmerzen und atmete auf bei dem Gedanken, dass heute Freitag war. Er ermüdete in letzter Zeit leicht und dachte verdrießlich: Ich werde alt. Nun, man konnte die Jahre nicht ewig übersehen, dennoch war es ihm – bis vor kurzem – ziemlich gut gelungen.

    Vor allem waren es diese Schmerzen in der Hüfte, die ihm zu schaffen machten; er fürchtete auch, sein Rheumatismus könne chronisch werden. Der Arzt hatte ihm vorgeschlagen, zwecks Ruhe und Behandlung für einige Zeit das Krankenhaus aufzusuchen, aber das ließ sich nicht so einfach in die Wege leiten. Nicht wenn man Englisch- und Geschichtslehrer in einem Gymnasium war, das unter Personalmangel litt, und wo eine ganze Anzahl Sorgenkinder und beunruhigter Eltern von einem abhängig waren.

    Carling hatte sich mit dem Hinweis herausgeredet: Vielleicht im Sommer, wenn das Abitur vorbei ist... So ungefähr. Aber er würde auch dann kaum ins Krankenhaus gehen. Er hatte noch eine Menge anderer Dinge zu tun, zu viele andere Angelegenheiten, um die er sich während der Sommermonate kümmern musste.

    Das Klassenzimmer war jetzt völlig leer. Wie ein Leichentuch schien sich die Kälte des Wochenendes darin auszubreiten.

    Carling griff nach einem Stapel Aufsatzhefte, streifte ein Gummiband herum und machte daraus ein rechteckiges Päckchen. Er streckte seine steif gewordenen dünnen Beine aus und entspannte sich einen Augenblick.

    Ein rundes Stück Kreide rollte, von den Aufsatzheften in Bewegung gesetzt, übers Pult. Er beobachtete es und wollte zugreifen, aber da zersplitterte es schon auf dem Fußboden. Carling überlegte einen Moment, ob er die Kreidefragmente auflesen solle. Er war von Natur aus ein ordnungsliebender Mann, doch er war zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch müde und beschloss, diese Arbeit den Putzfrauen zu überlassen. Er lehnte sich zurück und betrachtete den gegen das Fenster trommelnden Regen.

    Es war ein Jammer, dass es regnete, zumal er heute abends noch nach Cadby musste. Er schob seine Finger in die innere Jackettasche, brachte einen billigen weißen Umschlag zum Vorschein und entnahm ihm ein einzelnes Blatt liniertes Briefpapier. Er faltete es auseinander und las:

    Lieber Mr. Carling,

    vielen Dank für Ihren Brief bezüglich der Nachlassregelung für den armen Tommy. Es war eine schreckliche Tragödie, über die ich noch immer nicht hinweggekommen bin. Ja, es ist mir angenehm, dass Sie am Freitagabend gegen acht Uhr in meine Wohnung kommen wollen, um in Tommys Zimmer nach dem Rechten zu sehen. Ich selbst möchte einstweilen nichts anrühren und bin froh, dass Sie sich dazu bereit erklärt haben.

    Ihre ergebene

    Martha Wetherall.

    Er faltete das Blatt zusammen, steckte es wieder in den Umschlag und den Umschlag in seine Tasche.

    Armer Tommy!

    Er saß auf dem unbequemen Stuhl und dachte beiläufig an den verstorbenen Tommy Strutt. Er hatte ihn in den ersten Kriegstagen kennengelernt. Das war in einem Armeelager an der Ostküste Schottlands gewesen. Carling war damals Leutnant, sehr flott und unternehmungslustig, eben von einem Offiziersanwärterlehrgang im Süden gekommen. Er war kaum eine Woche bei seiner neuen Einheit, als Soldat Strutt sich zum Rapport melden musste und wegen eines Vergehens von Captain Smithers, dem Kompanieführer, zu sieben Tagen Arrest verdonnert wurde.

    Als Strutt das Arrestlokal verlassen durfte, hatte Smithers müde gesagt: »Einer der Unverbesserlichen, Carling. Verbringt den größten Teil seiner Freizeit in Kneipen und so weiter. Ich kann nicht viel mit ihm anfangen.«

    »Wer ist das, Sir?«

    Smithers rieb seine ziemlich lange Nase bei den Worten: »Strutt – Tommy Strutt. Trotzdem würde er gar nicht mal so schlecht sein, wenn wir ihn nüchtern halten könnten. – Wo kommt Strutt eigentlich her?«, fragte er den Feldwebel.

    Der Feldwebel sagte es ihm.

    »Ich auch«, murmelte Carling betroffen.

    »Wirklich?« Smithers dachte nach. »Nun, vielleicht wäre es keine schlechte Idee, wenn Sie mit ihm reden würden. Möglich, dass Sie etwas erreichen, obwohl ich es bezweifle.«

    »Ich werde mit ihm sprechen, Sir«, sagte Carling.

    Das tat er zwei Tage später vor dem Green Flag in der Widnor Street, als Strutt auf den Eingang zuschwankte mit dem Vorsatz, seine Kehle mit Bier anzufeuchten. Carling sah ihn und blieb stehen.

    »Sie heißen Strutt, nicht wahr?«

    Strutt nahm stramme Haltung an. »Ja, Sir. Strutt. Reserveregiment Nummer 197...«

    »Schon gut«, sagte Carling. »Man erzählte mir, dass Sie und ich aus derselben Stadt sind. – Welche Gegend?«

    »Cadby, Sir.«

    Carling musterte ihn. Was er sah, war ein blasser, irgendwie traurig wirkender Mann, der zu Fettansatz neigte, ein fleischiges Gesicht und mausgraues Haar hatte. Anscheinend hatte er versucht, seine Ginfahne mit Pfefferminz zu tarnen, aber ansonsten hatte der Alkohol bereits seine Schuldigkeit getan.

    »Verheiratet?«

    Strutt blinzelte. »Nein, Sir. Wer will mich schon haben?« Er grinste beim Sprechen. »Ich wurde im Institutskrankenhaus in der Mentcave Street geboren.«

    Carling nickte. Dieses Krankenhaus hatte, wie jeder wusste, eine Entbindungsstation für ledige Mütter. »Auch Sir Henry Flack wurde dort geboren«, sagte er.

    Strutt schien ein wenig überrascht zu sein.

    »Kennen Sie ihn, Strutt?«, fragte Carling.

    »Ja, Sir. Ein großer Geschäftsmann, nicht wahr?«

    »Einer der größten«, ergänzte Carling. Er betrachtete mit seinen klugen blauen Augen den jüngeren Mann und traf eine rasche Entscheidung. »Mr. Rigby und ich suchen einen Burschen. Er hat es mir überlassen, den geeigneten Mann zu finden. Wollen Sie diesen Posten übernehmen?«

    Strutts Gestalt straffte sich. »Ich, Sir? Ich -«

    »Gut«, sagte Carling. »Dann stellen Sie sich um sieben Uhr bei mir vor – nüchtern!« Er ging weiter.

    So begann dieses Arbeitsverhältnis. Es dauerte, bis Strutt bei der Invasion in der Normandie verwundet wurde. Es war nicht allzu schlimm gewesen – eine zerschmetterte Kniescheibe –, doch für ihn war der Krieg beendet.

    Carling hatte ihn danach nie wiedergesehen. Zwar hatte er ein- oder zweimal an Strutt geschrieben, doch weil er nie Antwort bekam, wusste er nicht, ob Strutt die Briefe erhalten hatte. Jahre später, als er in Manchester arbeitete, hatte er einen Sergeanten von seiner alten Kompanie getroffen, der ihm erzählte, dass Strutt eine Gefängnisstrafe abgesessen und sich anschließend nach Süden abgesetzt habe. Jemand war ihm in einer Kneipe in Fulham begegnet, ein anderer hatte ihn in einem Wagen in der Nähe des Leicester Square gesehen.

    Carling war in seine Geburtsstadt zurückgekehrt und in seiner alten Schule Englisch- und Geschichtslehrer mit erweitertem Aufgabenbereich geworden. Er hatte nie geheiratet. Viele Leute fragten sich, woran das lag. Manchmal fragte er sich das selbst, und manchmal glaubte er, den Grund zu wissen.

    In seinem Leben hatte es einmal ein Mädchen gegeben: Anne Kane, Sergeant beim weiblichen Hilfskorps. Sie war seiner Einheit zugeteilt worden. Vielleicht hätte etwas daraus werden können, doch Anne war eine Woche vor Kriegsende bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Er besaß noch ein kleines Foto von ihr, das er in einem Plastiketui in einem Fach seiner Brieftasche aufbewahrte. Gelegentlich betrachtete er das Foto und fragte sich, was für eine Wendung sein Leben wohl genommen hätte, wenn Anne nicht so früh gestorben wäre.

    Auch Tommy Strutt war in seine Heimatstadt zurückgekehrt.

    Carling hatte das erst gewusst, als er vor einigen Tagen in der Lokalzeitung auf eine kurze Meldung stieß, die folgenden Wortlaut hatte:

    Thomas Strutt, 54, wohnhaft Ryle Terrace 27, der gestern Nacht in der Benton Lane von einem noch flüchtigen Autofahrer schwer verletzt wurde, starb im Ambulanzwagen auf dem Weg zum Wilton-Krankenhaus. Die Polizei bittet um Hinweise bezüglich des Unfalls, der am Freitag gegen 23.30 Uhr stattfand. Personen, die mit zweckdienlichen Angaben die Ermittlungsarbeit der Polizei unterstützen können, wollen sich bei Inspektor Tilling im Präsidium melden.

    Das war alles gewesen.

    Carling hatte sich darüber seine Gedanken gemacht und war dann zur Ryle Terrace 27 gefahren. Ein graues, recht baufällig aussehendes Haus im Werftviertel. Ein fleckenlos poliertes Messingschild an der morschen Tür trug die Aufschrift J. Wetherall, doch die Fenster waren dunkel, und ein gefälliger Nachbar hatte ihm gesagt, dass Mrs. Wetherall ausgegangen sei.

    Mrs. Wetherall, eine ältere Frau, war Witwe. Strutt hatte zwei oder drei Jahre bei ihr gewohnt. Die Trauerfeier fand am Donnerstagnachmittag im Aufbahrungsraum des Beerdigungsunternehmens statt.

    Carling hatte an der Trauerfeier teilgenommen und war dem Sarg zum grauen, sturmumtosten Friedhof gefolgt. Als die sterblichen Überreste Tommy Strutts zur letzten Ruhe gebettet waren und die wenigen Leidtragenden wieder auf das große Eisentor zugingen, hörte er hinter sich eine Stimme sagen: »Verzeihen Sie, spreche ich mit Major Carling?«

    Carling drehte sich um.

    Ein kleiner, untersetzter Mann, in feierliches Schwarz gekleidet, blickte zu ihm auf.

    Carling lächelte. »Ich war Major Carling... vor langer Zeit.«

    Der kleine Mann streckte seine plumpe, weiche Hand aus. »Das dachte ich mir, das dachte ich mir... Ich habe Sie bei einigen Versammlungen der Philosophischen Gesellschaft gesehen. Gilder ist mein Name – Adrian Gilder von Hawley, Brent und Gilder.«

    Carling erkannte ihn. Hawley, Brent und Gilder war eine Anwaltsfirma, die am anderen Ende der Stadt praktizierte, obwohl er zu wissen glaubte, dass Mr. Gilder das einzige verbliebene Mitglied dieses Dreigestirns war. »Ja, natürlich, Sir. Jetzt kenne ich Sie.« Er fragte sich beiläufig, was ein Anwalt mit der Beerdigung Tommy Strutts zu tun haben könne.

    Gilder lächelte ebenfalls. »Selbstverständlich kennen Sie mich«, sagte er selbstgefällig, »und sicher wundern Sie sich auch, weshalb ich hier bin.« Er lächelte breiter. »Tatsache ist, dass ich Ihnen bereits geschrieben habe. Wahrscheinlich werden Sie mein Schreiben in Ihrem Briefkasten vorfinden. Ich bitte Sie darin, sich baldmöglichst mit mir in Verbindung zu setzen. Es handelt sich um die Erblassenschaft des verstorbenen Thomas Strutt.«

    »Erblassenschaft?«, fragte Carling hölzern.

    Gilders Augen zwinkerten in ihren runden Fetthöhlen. »Mr. Strutt hinterließ auf seinem Sparkonto ungefähr sechsundzwanzig Pfund. Das und noch einigen persönlichen Besitz, den ich bereits gesehen habe. Nichts von Wert und Bedeutung. Ein paar Fotos aus seiner Armeezeit, ein paar Kleidungsstücke, die meisten davon in vernachlässigtem Zustand. Dann gibt es auch noch einen Koffer, dessen Inhalt genauso wertlos ist...« Er spreizte die Hände. »Nichts von Wert, tut mir leid. Wenn Sie mich morgen in meinem Büro aufsuchen, könnten wir es vielleicht so einrichten, dass Sie zu seiner Wirtin gehen und sich mit ihr über die Weiterverwendung dieser Utensilien unterhalten. Soviel ich weiß, will sie alles so rasch wie möglich loswerden.«

    Carling war gegangen. An jenem Abend hatte er einen kurzen Brief mit einer Erklärung an Mrs. Wetherall geschrieben und ihr mitgeteilt, dass er sie heute Abend aufsuchen würde, falls es ihr angenehm sei.

    Der Regen trommelte noch immer gegen die Fensterscheibe.

    Carling seufzte, erhob sich steif und ging, ein wenig müde wirkend, zum Lehrerzimmer. Alle waren schon weg – bis auf Morrow, den Literaturgeschichtslehrer, der seine Schuhe gegen ein Paar Stiefel vertauschte, die er im Winter auf dem Nachhauseweg zu tragen pflegte.

    Er war ein großer, hagerer Mann, der sich dem sechzigsten Lebensjahr näherte. Eben streckte er einen Fuß aus, und Carling konnte sehen, dass die Ferse seines Strumpfes fein säuberlich gestopft worden war. Er nickte Carling zu und sagte: »Wieder eine Woche hinter uns gebracht. Bald ist Weihnachten, wie? Nun, mir soll’s recht sein. Ich habe während dieses Quartals wahrhaftig geleistet, was ein Mensch nur leisten kann. Gar nicht so leicht, eine Horde Jungen zum Arbeiten zu bringen, wenn die Burschen gegen die Arbeit eine Abneigung haben.«

    »Sicher haben Sie recht, Morrow.«

    Dieser schloss seine Aktenmappe und schlug mit der Handfläche darauf. »Wie wäre es, Carling, wenn Sie mich nach Hause begleiten und mit uns essen würden?«

    Carling errötete leicht. Morrow war ein freundlicher Mann, und seine Frau, eine hilfsbereite Seele, war fest davon überzeugt, dass Carling als Junggeselle nur von Konservensuppen, Bohnen und gekochten Eiern lebte. »Ich danke Ihnen«, sagte er, »aber vielleicht begleite ich Sie ein andermal. Unglücklicherweise habe ich heute Abend noch eine Verabredung einzuhalten.« Er zögerte einen Moment. »Ein Bekannter kam bei einem Unfall ums Leben. Er wohnte möbliert, und ich habe mit seiner Wirtin noch eine Nachlassangelegenheit zu regeln. Doch wie gesagt, ich komme auf Ihre Einladung gern zurück.«

    »Gut, dann ein andermal«, sagte Morrow und schwenkte seinen Hut. »Auf Wiedersehen, Carling. Wir

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