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SATAN IN SATIN: Der Krimi-Klassiker!
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eBook250 Seiten3 Stunden

SATAN IN SATIN: Der Krimi-Klassiker!

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Über dieses E-Book

Wer Cora in die Hände fällt, ist so gut wie tot.

So tot wie Crispin in dem einsamen Gartenhaus; wie Sydney unter dem U-Bahn-Waggon; wie Little Ernie in dem dunklen Torweg.

Und immer noch reißen sich die Männer darum, für Cora in den Tod zu gehen. Auch George, der Träumer, ist Wachs in ihren Händen. Ihr zuliebe wird er ein Gangster, wird zum Schrecken von Soho.

Bis er eines Tages vor dem blutigen Bündel steht, das einmal sein bester Freund war: Leo.

Leo, den Cora noch nie hatte leiden können...

Der Roman Satan in Satin von James H. Chase (* 1906 in London; † 1985 Corseaux/Schweiz) erschien erstmals im Jahr 1946; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1967.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum15. Apr. 2020
ISBN9783748736226
SATAN IN SATIN: Der Krimi-Klassiker!

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    Buchvorschau

    SATAN IN SATIN - James H. Chase

    Das Buch

    Wer Cora in die Hände fällt, ist so gut wie tot.

    So tot wie Crispin in dem einsamen Gartenhaus; wie Sydney unter dem U-Bahn-Waggon; wie Little Ernie in dem dunklen Torweg.

    Und immer noch reißen sich die Männer darum, für Cora in den Tod zu gehen. Auch George, der Träumer, ist Wachs in ihren Händen. Ihr zuliebe wird er ein Gangster, wird zum Schrecken von Soho.

    Bis er eines Tages vor dem blutigen Bündel steht, das einmal sein bester Freund war: Leo.

    Leo, den Cora noch nie hatte leiden können...

    Der Roman Satan in Satin von James H. Chase (* 1906 in London; † 1985 Corseaux/Schweiz) erschien erstmals im Jahr 1946; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1967.

    Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

    SATAN IN SATIN

    Für Sylvia.

      Erstes Kapitel

    Sie waren alle da - Capone, Dillinger, Nelson, Karpis und Charlie Lucky. Sie hielten die Pokerkarten in den Händen. Vor jedem lag ein Haufen Chips. Über dem Tisch, auf dem Whiskyflaschen und Gläser kaum mehr Platz hatten, hing tief eine Lampe mit grünem Schirm. Ihr kaltes Licht fiel auf die Gesichter der Männer.

    Im Schatten, fast unsichtbar durch die Schwaden von Zigarettenrauch, standen mehrere Männer; kleine Männer, mit Augen, die glitzerten wie nasse Steine; Männer, mit harten dunklen Gesichtern.

    Die Gruppe am Tisch und die Männer im Schatten erstarrten, als George Fraser den Raum betrat. Wenige Schritte vom Tisch entfernt blieb er stehen, die Hände in den Taschen, das Kinn vorgeschoben, die Augen kalt und drohend.

    Keiner sprach; keiner rührte sich.

    »Wenn einer von euch Sperenzchen macht«, sagte George Fraser nach langem Schweigen, »kann er sich die Radieschen von unten besehen.«

    Sehr langsam, sehr vorsichtig legte Capone seine Karten auf den Tisch. »Hallo, George«, flüsterte er heiser.

    George Fraser musterte ihn mit eisigem Blick. Wenige Männer nur hätten die Kaltblütigkeit besessen, sich allein in dieses Hinterzimmer zu wagen, um fünf der gefährlichsten und mächtigsten Gangster entgegenzutreten. Doch George Fraser hatte keine Nerven.

    »Die Zeit ist reif«, stellte er schneidend fest. »Ihr Burschen habt hier lange genug das Regiment geführt. Damit ist endgültig Schluss. Von heute an gilt hier nur noch mein Wort, und ich dulde keine Einmischung.«

    Wieder folgte eine lange Pause. Dann blickte Dillinger mit zornfunkelnden Augen auf. »Wer sagt das?«, knurrte er.

    Georg Fraser lächelte. »Ich«, erwiderte er kalt und ätzend.

    Dillinger schnaubte vor Wut. Seine Hand flog zur Hüfttasche. Capone, der neben ihm saß, packte ihn hastig am Handgelenk. Sein Gesicht war grau vor Furcht.

    »Bist du lebensmüde?«, rief er. »Gegen Fraser hast du keine Chance.«

    Dillinger versuchte fluchend, sich aus Capones Umklammerung zu befreien. Der Tisch schwankte, und eine Whiskyflasche fiel klirrend zu Boden, wo sie in tausend Scherben zersprang.

    »Lass ihn, Al!«, befahl Fraser. »Wenn er's unbedingt so haben will, braucht er seine Hände.«

    Capone streifte George Fraser mit einem Blick unverhüllten Entsetzens. Das bleiche, unbewegte Gesicht und die eiskalten Augen entnervten ihn. Stolpernd, hastig, entfernte er sich von Dillinger.

    »Passt auf«, schrie er. »Fraser wird schießen.«

    Die Männer am Tisch stießen ihre Stühle zurück und sprangen auf, während einige der schattenhaften Gestalten im Hintergrund sich zu Boden warfen. Dillinger allein blieb am Tisch sitzen und starrte George Fraser aus wutblitzenden Augen an.

    »Okay, Johnny«, forderte ihn Fraser in spöttischem Ton auf. »Zieh! Worauf wartest du noch?«

    Langsam stand Dillinger auf. Mit dem Fuß schleuderte er seinen Stuhl zur Seite, dann duckte er sich.

    »Hundert Dollar, dass ich fünf Schuss anbringe, noch ehe du deine Knarre gezogen hast«, höhnte George Fraser. Lässig stand er da. Seine Hände hingen locker zu beiden Seiten seines Körpers herab.

    Dillinger stieß einen Fluch aus. Blitzschnell fuhr seine Hand zur Waffe. Und plötzlich lag eine schwere, kurzläufige Automatic in George Frasers Faust. Der Raum dröhnte vom Widerhall der Schüsse.

    Mit weit aufgerissenen, blinden Augen stürzte Dillinger zu Boden.

    »Guten Morgen, Mr. Fraser«, sagte Ella und stellte eine Tasse dünnen Tee auf den Nachttisch. »Habe ich Sie aufgeweckt?«

    »Hm?«, fragte George Fraser und blickte geistesabwesend zu Ella auf, die in ihrem blauen Kittel, mit dem lächerlichen Häubchen auf dem fahlbraunen Haar, vor ihm stand. »Ach du meine Güte! Sie haben mich ganz schön erschreckt, Ella. Ich hab' Sie gar nicht gehört.«

    »Ich räum' ein bisschen auf«, erklärte Ella und zog die Jalousie hoch.

    George Fraser schloss, vom Strahl der Morgensonne geblendet, die Augen und seufzte. Schade. Er würde das Hinterzimmer verlassen müssen, den Geruch nach Pulver, die entsetzten Gesichter Capones, Nelsons, Karpis' und Charlie Luckys verbannen müssen. Erst wenn Ella gegangen war, konnte er seine Geschichte weiterspinnen.

    »Meinetwegen«, sagte er und setzte sich auf. »Aber machen Sie möglichst keinen Krach. Ich hab' einen Brummschädel.«

    Ella sah ihn hoffnungsvoll an. »Haben Sie gestern Abend wieder etwas Tolles erlebt?«

    George widerstand der Versuchung, seiner Phantasie freien Lauf zu lassen und Ella mit einem wildromantischen Bericht über die Abenteuer des vergangenen Abends zu unterhalten. Erst am Tag zuvor hatte er ihr eine Geschichte erzählt, die alles bisher Dagewesene übertroffen hatte; er fürchtete jetzt, durch einen schwächeren Versuch den glänzenden Eindruck zu verpatzen.

    »Ich darf jetzt noch nichts erzählen«, erklärte er. »Später vielleicht. Im Augenblick ist es streng geheim.«

    Ella war enttäuscht. Fast jeden Morgen, vorausgesetzt, er hatte keinen Kater, schlug George sie mit seinen blutrünstigen Erzählungen über Revolvermänner, Gangster und ihre Liebchen in Bann. Er hatte sie alle gekannt, als er noch in den Staaten gelebt hatte. Sein Name war berühmt und berüchtigt bei den Herren der Unterwelt, und er hatte genug Abenteuer erlebt, um ein Dutzend Bücher schreiben zu können.

    Diese Geschichten, die George so zungenfertig erzählte, waren alle die Ausgeburten seiner ungewöhnlichen Phantasie. Er war niemals in den USA gewesen, hatte nie in seinem Leben einen Gangster zu Gesicht bekommen. Doch seit Jahren verschlang er gierig die amerikanischen Revolverheftchen, hatte sich jeden Gangsterfilm angesehen, der jemals produziert worden war, und sich auf diese Weise ein erstaunliches Wissen über die amerikanische Verbrecherwelt angeeignet, die ihn bis zur Besessenheit faszinierte.

    Wie so viele Menschen, die sich in ihre eigene, geheime Welt zurückziehen, litt George unter einem starken Minderwertigkeitskomplex. Sein ganzes Leben hatte es ihm an Selbstvertrauen gefehlt; was er auch angefangen hatte, war in seinen Augen von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen.

    Dieser Minderwertigkeitskomplex war die unmittelbare Folge der Behandlung, die ihm in seiner Kindheit von seinen Eltern widerfahren war. Seine Eltern – Varieté-Künstler - hatten sich kein Kind gewünscht, und als er zur Welt gekommen war, hatten sie ihn als eine Belastung empfunden. Sie ließen es ihn spüren, und sobald er kein Säugling mehr war, gaben sie ihn bei einem ältlichen Ehepaar in Pflege. Das Paar, dem es nur darum ging, das magere Einkommen aufzubessern, war zu alt für ein so kleines Kind, und es dauerte nicht lange, bis George sich klar wurde, dass sie ihn nur als unvermeidliches Übel betrachteten.

    Das Dasein eines Unerwünschten machte aus George einen ungewöhnlich schüchternen und empfindsamen Menschen. Als er älter wurde, zog er sich immer mehr in sich zurück und kapselte sich ab. Er schloss keine Freundschaften, hatte nie jemanden, bei dem er sein Herz ausschütten, mit dem er über seine Wünsche und Hoffnungen sprechen konnte. Um Einsamkeit und Unsicherheit zu bekämpfen, vertiefte er sich in Geschichten über Abenteuer und Gewalt, wobei er sich stets mit dem Helden der Erzählung identifizierte.

    Eine Zeitlang hatte sich George Fraser damit begnügt, in seinen Träumen die Rolle des Gangsters zu spielen. Doch die Bilder, die seine Phantasie ihm vorgaukelte, wurden so lebendig und erregend, dass er sich anderen mitteilen musste.

    Vorsichtig hatte er begonnen, die Wirkung seiner Vorstellungen an Ella zu erproben, und war glücklich, in ihr eine dankbare Zuhörerin zu finden.

    Ella war tief beeindruckt, obwohl George Fraser wahrhaftig nicht der Mensch war, der bei anderen einen nachhaltigen Eindruck hinterließ. Er war groß und kräftig und ungelenk. Sein Teint war gelblich blass, die Augen blau und traurig. Trotz seiner Körpergröße konnte er seine Schüchternheit nicht vertuschen. Wenn ihn jemand ansprach, schoss ihm die Röte ins Gesicht, er erstarrte vor Verlegenheit und vermied es peinlich, der Person, die das Wort an ihn gerichtet hatte, ins Gesicht zu sehen.

    Trotz seiner linkischen Art jedoch war Ella von den Geschichten, die er ihr zu erzählen hatte, fasziniert. Es kam ihr gar nicht in den Sinn, dass er sie belügen könnte.

    Und doch war es so. Bis vor vier Monaten war George Fraser in Wirklichkeit Bankangestellter gewesen. Vor zehn Jahren, als er siebzehn gewesen war, hatte er bei dieser Bank als Lehrling angefangen und hätte nichts dagegen gehabt, bis zu seiner Pensionierung dort zu bleiben. Doch es sollte anders kommen.

    Eines Abends hatte er kurz vor Geschäftsschluss ein Gasthaus besucht und dort die Bekanntschaft eines auffallend gekleideten Mannes gemacht, der offensichtlich bereits den ganzen Abend in dem Lokal verbracht hatte. Dieser Fremde hatte in einer Anwandlung von Menschenfreundlichkeit George einen todsicheren Tip für das Pferderennen gegeben, das am folgenden Tag um zwei Uhr gelaufen werden sollte.

    George war keineswegs eine Spielernatur; er interessierte sich nicht für Pferderennen, doch es schmeichelte ihm, dass sein Trinkkumpan ihn für einen Sportsmann hielt. Er beschloss, die Wette zu wagen. Das Pferd siegte überlegen, und George erhielt von einem verärgerten Buchmacher zwanzig Pfund. Leider kam er danach zu dem voreiligen Schluss, er könnte sich beim Pferderennen ein Vermögen verdienen. Es dauerte nicht lange, bis er bis zum Hals in Schulden steckte. In seiner Not wandte er sich an einen Geldverleiher. Als er dessen Wucherzinsen nicht bezahlen konnte, hörte die Bank von der Sache. George wurde entlassen.

    Zwei Wochen lang war er arbeitslos und musste bald erfahren, dass niemand es für empfehlenswert hielt, einen Bankangestellten einzustellen, der aus zweifelhaften Gründen an die Luft gesetzt worden war. Georges Aussichten waren nicht rosig. Er rannte sich die Hacken ab, um eine Stellung zu finden, und als er schließlich nahe daran war, die Hoffnung aufzugeben, war er bei dem Verlag World-Wide Publishing Company untergekommen. Er hatte mit beiden Händen zugegriffen, als man ihm die Stellung als Vertreter bot, obwohl ihn der Gedanke schreckte, von Haus zu Haus wandern zu müssen, um den Leuten das vierbändige Werk Mehr Wissen für Ihr Kind aufzuschwatzen.

    George besaß keinen Funken Vertrauen in sein Verkaufstalent. Doch er schöpfte etwas Mut, als er mit Edgar Robinson bekannt gemacht wurde, dem das Gebiet, in dem er künftig tätig sein sollte, unterstand. Robinson, ein selbstsicherer Mensch mit schwarzem Haar und fleckigem Teint, versicherte George, es wäre ein Kinderspiel, die Bücher an den Mann zu bringen; keiner der Vertreter seines Gebiets brächte wöchentlich weniger als zehn Pfund nach Hause.

    Eine Woche später versuchte George zum ersten Mal sein Glück und stellte fest, dass Robinsons Behauptungen nichts als Geschwätz gewesen waren. Am Ende der Woche hatte er ganze drei Pfund und zehn Shilling verdient. Doch er wusste, dass er wenig Aussicht hatte, eine andere Stellung zu finden. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als durchzuhalten.

    Es versetzte Georges Stolz täglich einen neuen Schlag, von Tür zu Tür gehen zu müssen. Zu Beginn machte ihm seine Schüchternheit schwer zu schaffen. Off pflegte er so lange vor einem Haus zu stehen, um seinen Mut zusammenzuraffen, dass die Leute argwöhnisch wurden. Einmal hatte eine alte Dame sogar die Polizei angerufen. Viele Leute schlugen ihm kurzerhand die Tür vor der Nase zu, während andere ihn unhöflich und herablassend behandelten. George litt Qualen, und es gab Augenblicke, in denen er so deprimiert war, dass er nicht mehr aus noch ein wusste. Er verkroch sich noch mehr in sich selbst, flüchtete in seine Welt des Abenteuers und der Gewalttätigkeit, um sein schwer angeschlagenes Selbstbewusstsein aufzurichten.

    Während Ella das Zimmer säuberte, trank George den dünnen Tee.

    »Haben Sie Leo heute Morgen schon gesehen?«, fragte er, nur um etwas zu sagen.

    »Er hat sich irgendwo verkrochen«, meinte das Mädchen gleichgültig. Sie machte keinen Hehl aus ihrer Enttäuschung über Georges Wortkargheit an diesem Morgen. »Das Vieh hat doch vor jedem Menschen Angst, außer vor Ihnen, Mr. Fraser. An Ihnen scheint es wirklich einen Narren gefressen zu haben.«

    Georges Gesicht hellte sich auf. »Ja, Tiere mögen mich«, versetzte er schlicht. »Der arme Leo. Dem ist es sicher nicht gut ergangen, als er noch klein war.«

    Ella schnaubte verächtlich.

    Sobald sie verschwunden war, glitt George aus dem Bett und öffnete die Tür einen Spalt. Dann holte er sich seine Zigaretten von der Kommode und legte sich wieder hin. Jeden Morgen, wenn Ella gegangen war, lehnte er seine Tür an und wartete auf Leo.

    Als George in die Familienpension eingezogen war, hatte Leo vor ihm ebensolche Angst gehabt wie vor allen anderen. Sobald ein Mensch sich ihm näherte, war der Kater blitzschnell verschwunden, um sich irgendwo zu verkriechen.

    George hatte das Tier leidgetan. In einem Augenblick der Selbsterkenntnis hatte er gesehen, wie sehr Leo ihm selbst glich. Der Kater war groß und kräftig, doch ebenso scheu wie George. Der Mann hatte Verständnis für die Furcht des Tieres vor Fremden und beschloss, sein Vertrauen zu gewinnen.

    Zwei Monate lang warb George geduldig um Leos Zuneigung. Er kaufte Fisch und ließ ihn unter seinem Bett stehen. Er vergaß niemals, sein Zimmer langsam und ohne Lärm zu betreten, und wenn der Kater in seiner Anwesenheit einmal ins Zimmer schlich, verhielt er sich stets reglos. Es dauerte lange, bis Leo so viel Zutrauen gewonnen hatte, dass er überhaupt im Zimmer blieb. Und selbst dann noch pflegte er auf und davon zu rennen, sobald sich George ihm näherte. Doch Georges Geduld war unerschöpflich, und schließlich war es ihm gelungen, gut Freund mit dem Kater zu werden.

    Es war eine Stunde des Triumphs für George gewesen, als das Tier sich zum ersten Mal von ihm hatte streicheln lassen. Er war nicht nur stolz auf seinen Erfolg; aus seinem Mitleid wurde tiefe Liebe zu der Katze, die ihm half, endlose Stunden der Einsamkeit und Langeweile zu vertreiben. Leo war sein einziger Freund, das einzige Wesen, an das er seine verdrängte Liebe verströmen konnte.

    Während er an die Katze dachte, spürte er plötzlich ein Gewicht auf seinem Bett. Er schlug die Augen auf und sah Leo, der sich auf der Bettdecke streckte und ihn ansah. Er war ein großer schwarzer Hauskater mit riesigen gelben Augen.

    »Heut hab' ich nicht lange Zeit, alter Junge«, sagte George und strich ihm über den Kopf. »Ich muss arbeiten. Komm her, leiste mir ein bisschen Gesellschaft.«

    Er zog die Katze neben sich, strich mit zarten Fingern über das seidenweiche Fell, zufrieden und glücklich, dankbar für das Zutrauen des Tieres, das sich seiner Liebe nicht verschloss.

      Zweites Kapitel

    Zehn Minuten vor eins betrat George die Bar des King's Arms. Er schritt zu seinem Stammplatz am Ende der langen Bartheke und lehnte sich an die Wand.

    »Wie geht's?«, erkundigte sich Gladys, das Barmädchen, mit einem freundlichen Lächeln und schenkte George ein Glas Bier ein.

    George tippte sich an den Hut und lächelte zurück. Er mochte Gladys gern. Er kam gern in das King's Arms und fühlte sich geschmeichelt, wenn Gladys ihm sein Bier hinstellte, ohne dass er es ausdrücklich bestellt hatte. Ihre kleinen Aufmerksamkeiten gaben ihm das Gefühl, als ein besonderer Gast betrachtet zu werden, fühlte sich in dem Lokal wie zu Hause.

    »Mir geht's gut«, erwiderte er. »Nach Ihrem Befinden braucht man ja nicht zu fragen. Sie sehen immer hübsch aus.« Er bezahlte sein Bier. »Wie machen Sie das nur?«

    Gladys lachte. »Das macht die Arbeit«, bemerkte sie mit einem Blick in den großen Spiegel hinter der Bar. »Ach, gestern Abend war übrigens Mr. Robinson hier. Wer ist denn sein neuer Freund? Ein junger Kerl, blass, mit einer Narbe. Er war noch nie hier.«

    George schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Robinson gabelt immer neue Bekanntschaften auf. Anscheinend kann er seine eigene Gesellschaft nicht ausstehen.« Er zwinkerte.

    »Na, ich weiß nicht«, meinte Gladys und wischte die Theke ab.

    »Der Bursche sah jedenfalls übel aus. Ich hab' gleich die Gänsehaut gekriegt.«

    »So was.« Georges blaue Augen weiteten sich.

    »Ja, bei dem ist irgendetwas faul. Ich möchte ihm nicht im Dunklen begegnen.«

    »Ach, kommen Sie«, sagte George ein wenig neugierig. »Das bilden Sie sich ein.«

    Das Trommeln ungeduldiger Finger auf der Theke erinnerte Gladys, dass sie ihre Pflichten vernachlässigte.

    »Ich komme gleich wieder«, erklärte sie. »Mr. Henry wartet. Der hat's immer eilig.«

    George nickte verständnisvoll. Während Gladys sich entfernte, vertiefte er sich in seine eigenen Gedanken.

    Wenig später zupfte ihn Edgar Robinson am Ellbogen.

    »Wie geht's, wie steht's? Sie sehen

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