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DIE PSI-DROGE: Der Science-Fiction-Klassiker!
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eBook284 Seiten3 Stunden

DIE PSI-DROGE: Der Science-Fiction-Klassiker!

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Über dieses E-Book

Als bei der neuen, eben erst entwickelten Droge Diazo-L, einer pharmazeutischen Zwangsjacke für aggressive Patienten von Nervenheilanstalten, seltsame Nebenwirkungen auftreten, sind die beteiligten Wissenschaftler zunächst irritiert und dann in wachsendem Maße besorgt: Es zeigen sich nämlich Symptome, welche auf die Fähigkeit des Gedankenlesens hindeuten...

Die PSI-Droge ist einer von nur vier Romanen, die der US-amerikanische Drehbuch-Autor und Schriftsteller Mike Dolinsky (eigentlich: Meyer Dolinsky, geboren am 13. Oktober 1923 in Chicago; gestorben am 29. Februar 1984 in Los Angeles) geschrieben hat. Weit bekannter ist er für seine Drehbücher zu TV-Serien wie z. B. Star Trek, The Outer Limits, Bonanza und Science Fiction Theatre.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum21. März 2019
ISBN9783743899995
DIE PSI-DROGE: Der Science-Fiction-Klassiker!

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    Buchvorschau

    DIE PSI-DROGE - Mike Dolinsky

    Das Buch

    Als bei der neuen, eben erst entwickelten Droge Diazo-L, einer pharmazeutischen Zwangsjacke für aggressive Patienten von Nervenheilanstalten, seltsame Nebenwirkungen auftreten, sind die beteiligten Wissenschaftler zunächst irritiert und dann in wachsendem Maße besorgt: Es zeigen sich nämlich Symptome, welche auf die Fähigkeit des Gedankenlesens hindeuten...

    Die PSI-Droge ist einer von nur vier Romanen, die der US-amerikanische Drehbuch-Autor und Schriftsteller Mike Dolinsky (eigentlich: Meyer Dolinsky, geboren am 13. Oktober 1923 in Chicago; gestorben am 29. Februar 1984 in Los Angeles) geschrieben hat. Weit bekannter ist er für seine Drehbücher zu TV-Serien wie z. B.  Star Trek, The Outer Limits, Bonanza und Science Fiction Theatre.

    DIE PSI-DROGE

      »Was ist Wahrheit?«, frug Pilatus im Scherz und harrte keiner Antwort.

    - Francis Bacon, Essays, Bd. I (1625)

      Erstes Kapitel

    Pater Kevin erreichte die riesigen Blumenbeete, die Mosaikspringbrunnen und langen Säulenbauten von Tooeys Haçienda als letzter. Kevin war müde. Er hatte soeben erst seinen allmonatlichen Dienst auf der Intensivstation beendet. Zwar hatte er ausrichten lassen, er könne nicht kommen, doch Tooey war es gelungen, die Klinikverwaltung umzustimmen. Was, so fragte sich Kevin, mochte Tooey von ihm wollen?

    Tooeys hochgewachsener, stets gutgelaunter Hauswart führte Kevin durch den Gesellschaftsraum, der verschwenderisch mit Gegenständen der Schönen Künste ausgestattet war, ins Allerheiligste, worin sich auch die Bar befand, auf der Rückseite des Hauses. Kevin trat ein und blieb wie angewurzelt stehen. Er vermochte seinen Augen nicht recht zu trauen. Die Teakholztäfelung, die wundervoll gemaserten Tische, die weichen Ledersessel, den unzüchtigen elisabethanischen Trinkspruch über der Bar, die vertrauten Gesichter jener Personen, die das Forschungsprojekt mit ihm teilten, bemerkte er nur beiläufig, falls überhaupt. Vom ersten Moment an galt seine Aufmerksamkeit restlos seinem flüchtigen Schützling Bert Roland, der ihn aus einer ziemlich beneidenswerten Stellung angrinste, die er auf dem Schoß von Dr. Sarah Heidt einnahm, der Psychologin des Projekts. Bert hielt Sarahs Hand und führte sie sanft über sein Gesicht. Warum erlaubte Sarah ihm diese berufsfremde Vertraulichkeit? Weshalb stand sie nicht einfach auf und ließ den Paranoid-Schizo auf den Boden rollen?

    »Nenn' mich nicht so!«, wies Bert Roland den jungen Jesuiten verärgert zurecht. »Nenn mich nie wieder so!« Kevin war zu verblüfft, um antworten zu können.

    »Bitte, Kevin, nehmen Sie Platz«, forderte Sarah ihn mit sanfter Stimme auf. Dunkel und wohlgestaltet, gekleidet in Khaki und weichen weißen Jersey, wies sie auf eine Ledercouch.

    Bert jedoch sprang auf die Füße und starrte ihr aus unmittelbarer Nähe ins Gesicht. »Ich hasse dich! Du denkst, ich sei ein Kind! Also gut, dann verhalte ich mich wie ein Kind!« Er schob den Daumen in den Mund und begann daran zu lutschen.

    »Bitte nicht«, bat Sarah.

    »Du kannst mich!« Anklagend deutete Bert mit dem Finger auf Kevin. »Du möchtest ihn auf deinem Schoß sitzen haben und dass er so... so Dinge mit dir macht! Ja, so ist es! Du... du bist verdorben!« Bert schrie aus vollem Hals. »Hör' auf, daran zu denken, oder ich bekomme auf der Stelle einen neuen Anfall!«

    Sarah errötete, schwieg jedoch. Kevin begriff nicht, was hier vorging. Mit trübsinniger Miene ließ er sich auf der Ecke der ledernen Couch nieder und schaute in die Runde. Was war los? Seine Kollegen starrten in dumpfem Schweigen auf den Boden oder an die Decke und warfen Bert Roland nur verstohlen Blicke des Ärgers zu. Wie konnte ein Ausreißer und Schizo wie Bert sie alle so einschüchtern, und was tat er überhaupt auf Tooeys Haçienda?

    Bert grinste selbstzufrieden, wandte ruckartig den Kopf und schielte Kevin an. Das Rosa der Wangen in Berts runzligem, ledrigem Gesicht wirkte, als sei er für eine Aufführung von Marat/De Sade geschminkt. »Pater!« Berts Stimme klang scharf. »Sie müssen pissen. Also gehen Sie pissen!«

    Kevin, den Umgang mit Psychopathen gewöhnt, wusste genau, dass man auf so etwas nicht antwortete; allerdings verspürte er in der Tat starken Harndrang. Deshalb war er nervös. Bert gehörte zu jenen Schizophrenen, an denen man ein neuartiges Medikament erprobte: Diazo-L. Kevin hatte ihn niemals sonderlich feinfühlig oder fantasievoll gefunden.

    Bert kicherte rücksichtslos. Priester oder nicht - Kevin empfand das Bedürfnis, ihn zu schlagen; doch er bereute seine Schwäche sofort. Irgendwie bemerkte Bert es. Er schüttelte eine Faust gegen Kevin. Dann, in plötzlich völlig veränderter Stimmung, trat er zu einer Vase voller Blumen, nahm eine Tulpe heraus und reichte sie der anmutigen Psychologin. »Sarah, bitte... bitte, Doktor... so darfst du nicht von mir denken. Es tut mir leid. Du kannst nichts für deine Gefühle, und ich kann nichts für meine!«

    Sarah wandte sich ab. In ihren Augen standen Tränen. Kevin blickte hinüber zu Phil Langner. Der hagere, gutaussehende Biochemiker, der die neue Droge entwickelt hatte, schloss die Augen und nagte angestrengt am Mundstück seiner Pfeife.

    Und zum ersten Mal verzichtete Tooey Thomas, Herr der Thomas Pharmaceuticals, auf sein Vergnügen, Sarah mit lachenden Augen und Kennergrinsen in seiner Vorstellung ihrer Kleidung zu entledigen, Er musterte Kevin mit einem Anflug von Mitgefühl. »Ich glaube, Sie können jetzt einen anständigen Schluck vertragen«, sagte er und zog an seiner Zigarre. Seine Stimme hatte einen seltsam gepressten Klang, der Kevin beunruhigte. Er entschied sich für Brandy. Er benötigte etwas, um seinen Adrenalinfluss zu regulieren.

    Während Tooey sich hinter der hohen Bar mit dem Kupfergeländer ebenfalls ein Glas füllte, begann Rolands dünne, knabenhafte Stimme plötzlich wieder zu kreischen. »Aufhören! Was soll das?« Er meinte Sarah.

    Verlegen drehte sie sich um, schüttelte den Kopf und zog es erneut vor zu schweigen. Ein merkwürdiges Kribbeln kroch durch Kevins Schläfen. Warum hatte er sich jemals von Dean Frisch beim Loyola Med dazu überreden lassen, als Berater an diesem Projekt mitzuarbeiten!? Sein Fachgebiet war Innere Medizin und nicht Psychiatrie. Aber der Dekan wollte das kleine Loyola-Institut für Medizin in die Großforschung einbezogen haben und suchte die Zusammenarbeit mit Tooeys Pharma-Konzern. Kevin war der Repräsentant des Instituts beim Projekt.

    Dean Frisch hatte es sich ziemlich einfach gemacht. Waren Priester nicht seit jeher erfahrene Psychiater? Kevin, so hatte er sich wohl gedacht, müsste etwas davon verstehen, zumal die Welt heutzutage ohnehin so etwas war wie ein großes Irrenhaus. Kevin, einer der besten Männer seines Absolventenjahrgangs, würde diesen kleinen Sonderauftrag selbstverständlich ohne große Schwierigkeiten meistern. Nur keinen Kleinmut!

    »Lassen Sie's, ja, Pater?« Bert schien am ganzen Körper Juckreiz zu verspüren. Er kratzte sich mit grimmiger Selbstvergessenheit unter den Armen und im Nacken. »Was haben Sie schon zu jammern? Nichts! Nichts!«

    Wieder! Das war doch unmöglich! »Meinst du mich? Ich habe nichts gesagt.« Kevin versuchte eine unbeteiligte Miene zu ziehen.

    »Aufrichtigkeit vor Gott? He, piss nicht in die Hosen. Schon einmal in die Hosen gepisst?« Bert kicherte wiederum höhnisch und verstummte urplötzlich. Sein Kopf ruckte mit knappen, hektischen Bewegungen nach allen Seiten. Anscheinend vermochte er seiner Meinung nach nicht genug auf einmal zu erfassen und wünschte sich Augen im Hinterkopf. Er drückte einen imaginären Abzug, als halte er eine Pistole in der Hand, in Langners Richtung. »Wollen Sie nicht endlich den Fleischfetzen aus Ihren Zähnen holen? Sie machen mich verrückt!«

    Langner massierte seine Augenhöhlen; ein leises Stöhnen der Verzweiflung entfuhr ihm. Kevin war dankbar für Tooeys Brandy. Die Situation wurde allmählich unerträglich. Was auch mit Bert los sein mochte, er hatte ihn noch nie so gereizt erlebt. Seine Lippen, sein ganzes Gesicht zitterten, als leide er an der Parkinson'schen Krankheit. Beständig stocherte er mit den Fingern in den Ohren, rieb sich die Lider, kratzte sich am Kopf. »Sie vollgefressener fetter Sack!«, schrie er Tooey an. »Rühren Sie sie an, und ich gieße Ihnen Arsen in das eine Loch und Strychnin ins andere! Lachen Sie nicht, ich kenne mich aus mit Gift! Sie wissen das genau!«

    Tooey massierte langsam seinen Nacken, aber er wandte tatsächlich seinen Blick von Sarah.

    »Saufen Sie nur!« Plötzlich kehrte Bert seinen Zorn erneut gegen Kevin. Dann zog er - ohne ersichtlichen Grund - eine Fliegerkappe und eine Schutzbrille aus seiner Jackentasche und streifte beides trotzig über den Kopf.

    Kevin fiel auf, dass eben erst eine lächerliche Vorstellung durch sein Bewusstsein gezuckt war, nämlich die, wie Bert auf seinem Motorrad zurück in die Klinik fuhr, gekleidet in die ölbefleckte Cordhose und die ausgebeulte Lederjacke, die er im Sommer wie im Winter trug, mit zugeknöpfter Kappe, die Schutzbrille über den Augen.

    »Besser als das Hundehalsband und das schwarze Gelumpe, in dem Sie jeden Tag herumlaufen!«, kreischte Bert zu Kevin hinüber.

    Kevin fragte sich, was er wohl - zum Teufel! - in Berts Gegenwart noch denken durfte oder ob er wohl besser zu denken aufhörte. Er blickte Sarah an, weil es ihn nach Rückversicherung, nach Verständnis und nach einer Erklärung verlangte.

    Sie schüttelte betrübt den Kopf. Zögernd wandte sie sich an Bert. »Ich glaube, du verhältst dich nicht fair gegenüber Pater Kevin.«

    »Halt den Mund!« schnauzte er sie an.

    »Du solltest ihm wenigstens sagen...«

    »Ich will ihm aber nichts sagen!« Bert drehte sich um und forschte in Sarahs Augen. »Du... du warst es... wirklich. Wenn ich... ich... ihnen sagte...! Du... ich glaube dir nicht!« Er streckte ihr die Zunge heraus und vollführte eine obszöne Geste. Hilflos musterte sie ihn.

    Bert, ihren Blick zu ertragen außerstande, sprang auf, presste die Ballen der Hände gegen seine Schläfen, begann ziellos durch den Raum zu laufen, trat gegen Möbelstücke, kippte Gläser um, spuckte auf die Bar. Er nahm eine Statuette, einen trunkenen Satyr, und warf sie in eine Reihe alter Bierkrüge. Während Porzellanscherben und Bierkrüge zu Boden krachten, fuhr er herum und begann erneut unter Einsatz aller Lungenkraft zu brüllen. »Aufhören! Alle aufhören! Ihr täuscht euch in mir! So einer bin ich nicht, ihr Lumpen, so nicht!« Bevor Kevin und die anderen ihn zu packen vermochten, brach er unverständlicherweise in Tränen aus. »Ich halte es nicht aus«, murmelte er und verbarg sein Gesicht an einer Sessellehne.

    Tooey, der nicht nur den Babyspeck eines Millionärs aufwies, sondern tatsächlich einer war, beugte sich über Kevin. »Pater, ist es nicht ergreifend? Ein Stück des Himmels auf der Erde. Ein Fußabdruck Gottes auf seinen rätselhaften Wegen.«

    Eine für Tooey typische Äußerung. Kevin reagierte nicht. Er sah zu, wie Sarah zu Bert ging, sich neben ihn setzte und eindringlich zu ihm flüsterte.

    Dennoch beherrschte Bert aufgrund seiner Launenhaftigkeit und Unberechenbarkeit die bizarre Situation völlig, wie ein abwegiger Corrigan oder Sirhan Sirhan, und es war unmöglich, ihn zu ignorieren. Die Atmosphäre im Zimmer glich der eines OP-Wartesaals.

    Kevin suchte Zuflucht in Berts Krankengeschichte. Er hatte sie noch gut in Erinnerung. Darin hatte er nachschlagen müssen, als er nach Berts Verschwinden das Polizeiformular ausfüllte. Berts Mutter war eine ehrgeizige Hochschullehrerin gewesen, sein Vater ein freundlicher, tölpelhafter Hilfsgärtner im Dienste des Forstamts.

    Kevin hegte die feste Überzeugung, dass Berts Wahnsinn ein Resultat der mütterlichen Erziehung war, falls man das so nennen durfte, und dessen war er keineswegs sicher. Berts Mutter hatte das schlichte Gärtnerdasein ihres Ehepartners entschlossen dadurch ausgeglichen, dass sie Klein-Bertie in ein Genie verwandeln wollte. Sobald er reden konnte, begann sie ihn zwangsweise mit Wissen zu füttern. Mit vier Jahren vermochte Bert das halbe Handbuch der Technik aufzusagen - Logarithmen, Härtewerte, Schmelztemperaturen; außerdem das menschliche Skelett beschreiben, die wesentlichen Grundlagen der Zoologie darstellen und die wichtigsten Erkenntnisse der Biologie ausführen. Die Mutter führte ihr programmiertes Wunderkind vor - dem Kolonialwarenhändler, dem Milchmann und dem Briefträger sowie allen anderen Personen, denen sie regelmäßig oder zufällig begegnete.

    »Gottloser Pfaffe!«, brüllte Bert herüber. »Was wissen Sie schon? Wer das eigene Licht unter den Scheffel stellt und nicht den Schnabel aufreißt, muss das größte Arschloch aller Zeiten sein! Sie könnten nicht mal im Zirkus auftreten, also schweigen Sie von meiner Mutter!«

    »Nicht, Bert«, unterbrach Sarah.

    »Meine Mutter war schön. Sie hat aus mir gemacht, was ich bin, und darüber gibt's nichts zu lachen. Ja, gut, ich höre Stimmen, aber in unserer Familie haben viele Stimmen gehört. Na und?! So ging's der Hälfte aller Heiligen, oder? Sogar einigen Priestern!«

    »Du wolltest das Zanken unterlassen«, mahnte Sarah leise, aber nachdrücklich. »Du hast selbst gesagt, dass niemand für seine Gedanken kann, auch du nicht.«

    »Ja, sicher, aber er ist ein Priester. Er hat kein Recht auf unverschämte Gedanken über dich! Kein Recht! Du bist mein. Sag's ihm! Sag ihm, dass ich gesund werde und dich heirate!«

    Er war so naiv, so entwaffnend einfältig. Kevin durchlitt einen moralischen Schrumpfprozess.

    Langner schüttelte den Kopf, sah Kevin an und hob sein Glas. Die beiden tranken aus. Dem armen Bert entging nichts. Er bedeckte sein Gesicht mit einer Hand. »Ich bin ein Wurm«, stöhnte er, »nur ein elender Wurm!«

    Kevin sann über die Gabe des Freien Willens nach, einer der Säulen des Katholizismus, und begriff plötzlich, wie begrenzt die menschliche Entscheidungsfreiheit war. Er bemühte sich, seine Überlegungen anderen Dingen zuzuwenden, aber unweigerlich kehrten seine Gedanken zurück zu Bert.

    Ihm fiel ein, dass Bert es trotz seiner geistigen Erkrankung geschafft hatte, ein Laborantendiplom zu bekommen, und in der Tat hatte er einmal für die Thomas Pharmaceuticals gearbeitet. Langner, der sämtliche Labors leitete, war gezwungen gewesen, ihn zu entlassen, als er zu halluzinieren begann und ein lebensgefährliches Gebräu zur Produktion empfahl, das hauptsächlich aus Tetrazyklenol bestand, einem Antibiotika, das man zur Infektionsbekämpfung einsetzte.

    Zum Unglück für Bert gab es keine Möglichkeit, diese psychopathischen Anwandlungen vorauszusehen. Die Polizei griff ihn regelmäßig am South Broadway auf, wo er umherirrte und gebärdenreich mit seinem imaginären Peiniger schalt, Bodo dem Balsamierer, einer Art von Schatten, dem er sich zu entziehen suchte. Natürlich beförderte man Bert jedes Mal zum Psychiater, und dort bekam er stets eine neue Serie von Elektroschocks verpasst.

    Der Gedanke an diese Heilbehandlung des Schreckens erzürnte Kevin. Er betrachtete sie als Verstoß gegen göttliches Gesetz, und zwar als grobschlächtigen Verstoß.

    »Ausnahmsweise haben Sie einmal Recht!« Bert, der Sarahs Hand hielt, näherte sich Kevin. »Man wacht auf und weiß nicht, wer oder was man ist, ob alle Knochen noch beieinander sind. Man ist niemals der gleiche wie vorher; lassen Sie sich nichts anderes einreden.«

    Unglaublich, aber wahr - Sarah hatte Bert zu beruhigen vermocht. Er stand vor Kevin wie ein Schuljunge, der Unbehagen verspürt, weil er sich rechtfertigen soll. Bert musterte Kevin und kochte offenbar in seinem Innern, aber irgendwie gelang es ihm, sich zu bezähmen.

    »Du musst Pater Kevin erzählen, wie es anfing«, drängte Sarah ihn ruhig. »Es ist wichtig, dass er es von dir hört.«

    Bert zögerte; Priester brachten Bodo den Balsamierer zurück. Doch schließlich setzte sein Redebedürfnis sich durch. Obwohl er die Geschichte vor einer Stunde schon einmal erzählt hatte, begannen seine Kiefer auch diesmal zu beben, und die Zunge glitt über seine Oberlippe.

    »Ich wusste nicht, was es war. Während der Nacht fühlte ich mich komisch... schwindlig; mein Herz klopfte so - dann stachen Nägel und Nadeln in meinen Körper, zahllose, immer wieder. Trotzdem schlief ich irgendwie ein, denn plötzlich war es heller Morgen, ich rieb mir die Augen, und ringsum war alles erfüllt mit verrückten Gedanken, irrem Zeug, flüchtigen Gefühlen und dann Befehle an Muskeln, überall Schmerzen, Weinen und Lachen, halbe Begriffe und eine Art unfertiger Bilder - alles aus den Köpfen von fremden Leuten. Bekam ich da einen Schreck! Obwohl gerade niemand hinter mir her war, dachte ich, das sei eine neue Gemeinheit, bis ich mich auf Mrs. Deseverio einstimmte, diese nette alte Einwanderin. Zuerst wurde ich nicht schlau aus ihr - nur Fetzen von gespenstischem Kram, kuriose, fremdartige Einfälle und so etwas wie ein Gefühl von Garn oder ähnlichem. Dann fing ich an zu begreifen. Sie saß im Gemeinschaftsraum und strickte und hatte einen Tagtraum von Pasta- und Lasagne-Zubereitung für die Totenfeier ihres Mannes - ganz Sizilien schwirrte da herum. He, Dr. Sarah, wie viele Leute werden zu meiner Beerdigung kommen?« Bert wandte sich um und starrte sie an, entsog ihrem Bewusstsein die begehrte Antwort.

    Kevin empfand Mitleid für Sarah. Die gesamte Belastung des Umgangs mit Bert ruhte auf ihr. Bert erhielt seine Antwort und stieß ein selbstverächtliches Kichern aus. »Niemand... niemand! Nicht einmal du.«

    Es schmerzte ihn. Sie tat ihr Bestes, um ihm zu versichern, so werde es keineswegs sein. Er schob den Daumen in den Mund und beschimpfte sie in Worten und mit Gesten, dann, gerührt von ihrer Reaktion, brach er erneut in Tränen aus. Sie brauchte zehn Minuten, um ihn mit Entschuldigungen und Beteuerungen wieder aufzurichten. Dann erging er sich in einer albernen, sinnlosen Abschweifung über Statistiken.

    Schließlich entlockte Sarah ihm den Rest der Geschichte.

    »Dazu hätte es nicht kommen dürfen.« Bert stampfte mit einem Fuß auf den Parkettboden. »Als ich anzugeben anfing, wäre es mir fast dreckig gegangen. Ich tastete mich mit meinem Gehirn zu diesem Psychiater, diesem dürren Burschen mit dem schwarzen Schnurrbart, der wie eine Fahrradlenkstange aussieht, wie heißt der Kerl doch gleich, Bill Soundso, Bill Fawcett, so heißt er! Er beschäftigte sich gerade mächtig damit, wie er noch mehr Leute in seine Football-Wetten verwickeln könnte. Also rufe ich ihn und sage, ich würde gerne wetten, dass SC gewinnt, aber nicht beide Spiele. Na, Sie hätten seine Miene sehen sollen und wie sein Schnurrbart zitterte. Er sagt zu mir, er wisse gar nicht, wovon ich rede. Ich lache nur und sage, er finde sicher genug Blödmänner in der Klinik, denen er mit seinen Wetten gutes Geld aus der Tasche ziehen könne. Er wird ganz verrückt und schreit, ich sei wohl zu heiß gebadet worden. Er würde nichts dergleichen machen.« Bert knetete Sarahs Hand in der seinen, dann berichtete er weiter. »So lächle ich nur und sage, er stehe vor einem der klügsten Patienten des Hauses. Ich kann Gedanken lesen, kein Witz. Er überlegt, ob er mich in die Schnauze hauen oder bestechen soll, denn die Wetten sind verboten. Dann zweifelt er daran, ob er einem Dummkopf wie mir trauen kann. Falls ich den anderen Psychos von seinen Wetten erzähle, kann es böse für ihn ausgehen. Er wurde verdammt sauer!

    Sie hätten seinen Kopf sehen sollen; darin wirbelte es wie in einer Waschmaschine. Dieser Bertie kommt mir in die Quere... muss ihm die Rübe zurechtrücken... vorbelastet... Arger will, kann er ihn haben. Kann gar nicht schaden... hat schon so viel Saft in die Knochen bekommen, dass er nachts leuchtet... einmal mehr kann nicht schaden. Niemand wird davon erfahren... er halluziniert... Gedankenlesen, wie? Werden sehen, wie ein kleiner Stromstoß dem Arsch die Birne ausputzt. Na, ich konnte mir nicht recht vorstellen, wie er das arrangieren wollte.« Bert blickte zu Kevin auf. »Doch andererseits hat er viele Freunde, und warum etwas riskieren. Ich versteckte mein Gesicht im Kissen. Als er es endlich satt war, mich anzugaffen, und mich allein ließ, stand ich auf, sagte an der Pforte, ich wolle mir eine Zuckerstange holen, ging hinaus und kehrte nicht mehr zurück.«

    »Hätte ich nur davon gewusst«, sagte Kevin. »Wohin bist du gegangen?«

    »Jemand nahm mich zur Heilsarmee mit, in der Nähe der Stadtbibliothek, ich bekam eine Mahlzeit - Würstchen mit Bohnen - und wanderte dann durch die Stadt. Die erste Nacht schlief ich in einem Lastwagen. Ich hatte ein paar gute Ideen, wie etwa nach Vegas zu gehen und die Tricks der großen Kasinobesitzer auszuspionieren oder irgendwelche Trottel ausfindig zu machen und durch sie leicht zu Geld zu kommen. Vielleicht hätte

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