Liebesküsse des Schicksals
Von Sophia Timm
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Buchvorschau
Liebesküsse des Schicksals - Sophia Timm
Magie am Tejo
***
Ines schob die kurzen Ärmel ihres T-Shirts hoch. Die zarte Brise, die vom Tejo heraufwehte, konnte der Gluthitze nichts anhaben. Sie saßen vor einem leicht heruntergekommen wirkenden Café, tranken gekühlten Vinho Verde, aßen Tomaten mit Zwiebeln und goldenem Olivenöl. Dazu köstliches Brot mit weicher Kruste. Erholten sich von der Kletterei hinauf zum Castelo de Sao Jorge, wo Wanda wieder einmal Zirkus gemacht hatte - diesmal mit den Pfauen. Sie sollten gefälligst malerisch Rad schlagen fürs Foto. Wanda hatte die Vögel angekreischt und zu scheuchen versucht, um sie in Rage zu bringen. Blasiert und unbeeindruckt pickten die Pfauen vor sich hin, schienen die echauffierte Touristin keines Blickes zu würdige. Ines erinnerte sich, wie sie sich in Begleitung ihres ersten Mannes vor Jahren in einem der schwarzen Taxis mit pastellgrünem Dach zum Kastell hatte chauffieren lassen. Den ganzen Urlaub hatten sie sich gegenseitig vorgehalten, zu faul zum Laufen gewesen zu sein... 15 Jahre war das schon her.
Wandas ansteckendes Lachen hatte etwas Unwiderstehliches, aber es wirkte nicht immer ganz echt. Hingegossen lag sie in einem schäbigen Gartenstuhl, die Füße hochgelegt, daneben dieser Jüngling, der sich seit einer Stunde nicht mehr abschütteln ließ. Antonio hieß er, er hatte das Gesicht eines schläfrigen Fauns und Haare wie schwarze Federn. Er klebte wie eine Zecke an Wanda, sein Lächeln wirkte bezaubernd verschlagen, er war höchstens 20, halb so alt wie seine vermeintliche Eroberung.
„You beautiful woman..."
Wanda schüttete sich aus vor Vergnügen. Sie streifte ihre Sandaletten ab und wackelte mit den Zehen, die Nägel glutrot lackiert.
„You foot I like", Antonio schaltete schnell.
Ines kicherte: „Er mag nur einen, meint er links oder rechts?"
Statt einer Antwort quiekte Wanda angeheitert, Antonio bezog das offenbar auf sich und grinste geschmeichelt. Er rauchte wie ein Schlot, Zigaretten mit weißem Mundstück, offenbar der letzte Schrei in Lissabon.
Aus den Augenwinkeln sah Ines, dass sie beobachtet wurden. Ein paar Tische weiter saßen zwei Männer, beide um die 30, einer weizenblond, der andere dunkelhaarig. Zwar schienen sie in ein angeregtes Gespräch vertieft zu sein, aber dennoch war es nicht zu übersehen, dass sie immer wieder zu ihrem Tisch herüberspähten. Ines vermutete, dass es Niederländer waren. Antonios Singsang überdeckte ihre Stimmen, so konnte sie nicht genau hören, in welcher Sprache sich die beiden auffallend attraktiven Männer unterhielten.
Wanda grinste. „Hast du die beiden Süßen da drüben auch schon entdeckt?"
Dann erzählte sie Antonio die Geschichte eines Künstlers, der Portugal mehr liebte als sein Leben und in Lissabon sterben wollte. Ihr Cambridge-Englisch war zu hoch für ihn, der Rauchwolken ausstoßende Faun wandte sich erneut ihren Füßen zu, die sich ihm einladend entgegenreckten.
„May I touch you foot?"
„Why?"
„Because I like."
„Na dann, lachte Wanda. „Go ahead!
Sie verdrehte die Augen und ließ es geschehen. Antonio streichelte ihren Fuß, beugte sich zum Vergnügen der Frauen vor und hauchte einen Kuss auf die gebräunte Haut von Wandas linkem Spann.
„Die beiden sind übrigens ziemlich interessiert an uns, Wanda verrenkte sich den Hals. „Die kriegen sich überhaupt nicht wieder ein vor Neugierde. Hol sie doch mal her zu uns, Ines. Könnte doch lustig werden, der Kleine hier geht mir schon ein bisschen auf die Nerven.
„Ich probier's."
Ines stand auf, strich ihren Jeansrock glatt und bahnte sich einen Weg durch die Gartenstühle. Die Männer verstummten, als sie näherkam.
„Goeden dag, grüßte sie kurz, verschwand in der Toilette. Der Dunkle hatte mit „Dag
geantwortet und sie auf eine Art angeguckt, die sie unter Strom setzte. Ihr fiel vor lauter Nervosität nicht ein, was sie auf dem Rückweg Einladendes sagen sollte. Doch da sah sie die beiden bereits an ihrem Tisch sitzen, Wanda hielt Hof. Antonio hatte ihren rechten Fuß auf seinem Schenkel liegen und bearbeitete ihn mit allen zehn Fingern. Die Niederländer guckten lachend zu.
„Where do you come from?", fragte der Dunkle, als sich Ines setzte.
Ihr war es peinlich, dass drei leere Weinflaschen auf dem Tisch herumstanden.
„Warum räumt das hier keiner ab?"
„Ihr seid aus Deutschland, zwei deutsche Hausfrauen, der Blonde sprach fast akzentfrei.
Wir sind Maarten und Ari."
Maarten sprach mit einem starken niederländischen Akzent. „Das mit die Hausfrauen hab ich gesagt, Ari."
Er hatte diesen typischen niederländischen Tonfall, der Ines gefiel.
„Hausfrauen? Sehen wir etwa aus wie Hausfrauen?"
Wanda spielte glaubhaft die Empörte. Antonio hörte auf zu lächeln, hielt seine Kippe wie ein Ganove im Mundwinkel eingeklemmt und quetschte etwas wie „You trouble, man?" heraus.
„Der Kleine soll mal still sein, wenn Erwachsene sich unterhalten. Aber wir reden lieber Englisch, damit er überhaupt was mitkriegt", meinte Ari. Und erzählte, er sei Kameramann und begleite einen Journalisten, der einen holländischen Boxer interviewen wollte, der in Lissabon im Knast saß. Er erzählte gut, aber er ließ offenbar kein Detail aus. Wanda gähnte.
Ines musste aufstehen, weil ihr der Kopf schwirrte. Vom Wein, vor allem aber von Maartens Blicken, die immer intensiver und fragender wurden. Sie ahnte bereits, dass sie ihm nicht widerstehen konnte. Es war Nachmittag, sie fühlte sich verschwitzt, die Klamotten klebten ihr am Leib. Sie stützte die Ellenbogen auf