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Die Arkanum-Saga: Fantasy
Die Arkanum-Saga: Fantasy
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eBook483 Seiten6 Stunden

Die Arkanum-Saga: Fantasy

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Über dieses E-Book

Im London verschiedener Zeitepochen geraten eine junge Frau und ein Straßenjunge zwischen die Fronten zweier Magierfraktionen, die aus einer Parallelwelt heraus agieren. Die Mehrheit der Magier will die Erde durch magische Brandrodung und globale Umgestaltung in eine Art Kolosseum und ihre Bewohner durch Magie und Manipulation in Gladiatoren verwandeln, um ihrem obsessiven Spieltrieb zu frönen. Weil eine kleine Rebellenfraktion genau das zu verhindern sucht, kommt es zu Kämpfen, in deren Verlauf die junge Frau und der Straßenjunge eine zunehmend wichtige Rolle spielen. Können die beiden das Blatt noch wenden?



Dieser Band enthält folgende Fantasy: Romane:

Arkanum - Das siebte Tor Band 1: Gestrandet (Jo Zybell)

Arkanum - Das siebte Tor Band 2: Im Dschungel der Zeiten (Ansgar Back)
SpracheDeutsch
HerausgeberAlfredbooks
Erscheinungsdatum1. Jan. 2024
ISBN9783745236064
Die Arkanum-Saga: Fantasy

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    Buchvorschau

    Die Arkanum-Saga - Jo Zybell

    Jo Zybell & Ansgar Back

    Die Arkanum-Saga: Fantasy

    UUID: 91e8f3da-4c19-4166-b210-24410c0bac70

    Dieses eBook wurde mit StreetLib Write (https://writeapp.io) erstellt.

    Inhaltsverzeichnis

    Die Arkanum-Saga: Fantasy

    Copyright

    Arkanum – Das siebte Tor Band 1: Gestrandet

    Arkanum – Das siebte Tor Band 2: Im Dschungel der Zeiten

    Prolog

    ERSTES BUCH

    1.

    2.

    3.

    4.

    5.

    6.

    7.

    8.

    9.

    10.

    11.

    12.

    13.

    14.

    15.

    16.

    ZWEITES BUCH

    17.

    18.

    19.

    20.

    21.

    22.

    23.

    24.

    25.

    26.

    DRITTES BUCH

    27.

    28.

    29.

    30.

    31.

    32.

    33.

    34.

    Epilog

    Die Arkanum-Saga: Fantasy

    Jo Zybell & Ansgar Back

    Im London verschiedener Zeitepochen geraten eine junge Frau und ein Straßenjunge zwischen die Fronten zweier Magierfraktionen, die aus einer Parallelwelt heraus agieren. Die Mehrheit der Magier will die Erde durch magische Brandrodung und globale Umgestaltung in eine Art Kolosseum und ihre Bewohner durch Magie und Manipulation in Gladiatoren verwandeln, um ihrem obsessiven Spieltrieb zu frönen. Weil eine kleine Rebellenfraktion genau das zu verhindern sucht, kommt es zu Kämpfen, in deren Verlauf die junge Frau und der Straßenjunge eine zunehmend wichtige Rolle spielen. Können die beiden das Blatt noch wenden?

    Dieser Band enthält folgende Fantasy: Romane:

    Arkanum - Das siebte Tor Band 1: Gestrandet (Jo Zybell)

    Arkanum - Das siebte Tor Band 2: Im Dschungel der Zeiten (Ansgar Back)

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

    Alfred Bekker

    © Roman by Author

    © dieser Ausgabe 2024 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

    Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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    www.AlfredBekker.de

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    Alles rund um Belletristik!

    Arkanum – Das siebte Tor Band 1: Gestrandet

    von Jo Zybell

    Der Umfang dieses Buchs entspricht 314 Taschenbuchseiten.

    Im London verschiedener Zeitepochen geraten eine junge Frau und ein Straßenjunge zwischen die Fronten zweier Magierfraktionen, die aus einer Parallelwelt heraus agieren. Die Mehrheit der Magier will die Erde durch magische Brandrodung und globale Umgestaltung in eine Art Kolosseum und ihre Bewohner durch Magie und Manipulation in Gladiatoren verwandeln, um ihrem obsessiven Spieltrieb zu frönen. Weil eine kleine Rebellenfraktion genau das zu verhindern sucht, kommt es zu Kämpfen, in deren Verlauf die junge Frau und der Straßenjunge eine zunehmend wichtige Rolle spielen. Können die beiden das Blatt noch wenden?

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

    © by Author

    © dieser Ausgabe 2017 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen.

    Alle Rechte vorbehalten.

    www.AlfredBekker.de

    postmaster@alfredbekker.de

    Nichts ist wirklich so, wie es scheint auf der Welt.

    Platon, 427 – 347 v. Chr.

    Prolog

    Irgendwo, irgendwann

    Gegen Abend erreichten sie den Pass. Tief unter ihnen im Tal erhob sich das neue Hypertor aus einem Meer von Mammutbirken und Felsnadeln: eine mächtige, kobaltblaue Kuppel. Elias ließ absitzen, befahl, die Elche abzuzäumen und in den Bergwald zu treiben. Jedem Befreiten teilte er einen Magier von Doxa zu. Alles geschah lautlos, niemand redete. Doch die bleichen und angespannten Gesichter sprachen Bände; die Angst war mit Händen zu greifen.

    Auf dem Plateau am Ausgang des Passes kauerten sie zwischen Felsbrocken und mannshohem Brombeergestrüpp. Unten im Tal leuchteten die Birkenwipfel und die Felsspitzen im düsteren Blau der Torkuppel. Elias nickte dem hünenhaften Trouban und dem einäugigen Tenjas zu, neben ihm die erfahrensten Magier unter seinen Gefährten. Beide erhoben sich. Zusammen mit vier Doxanern ihrer magischen Kohorte huschten sie hangabwärts ins Dickicht.

    Ihre Aufgabe: So viele Wächter des neuen Tores überwältigen wie irgend möglich, und dann das Kuppelportal für die Flüchtlinge öffnen.

    Elias deutete hinüber zum Kamm auf der anderen Talseite und wandte sich nach den Doxanern und Niedermenschlichen um. „Achtet auf den Himmel über der Bergkuppe. Wenn ihr dort das Feuerzeichen sehen werdet, könnten wir es schaffen."

    In den stolzen Zügen der Doxaner las er Anspannung und Entschlossenheit, in den Mienen der befreiten Niederwesen weiter nichts als nackte Angst. Manche kauten an ihren Fingernägeln, andere hatten die Augen geschlossen und bewegten stumm die Lippen. Ein zerlumpter Greis mit langem weißem Bart zitterte und stützte sich auf einen ebenso zerlumpten Halbwüchsigen; dem bebte der Unterkiefer. Eine rothaarige Frau in edlem blauem Kleid verhüllte ihr Gesicht mit einem dunkelroten Schleier und öffnete die Arme einem wimmernden Mädchen.

    „Erschreckt nicht, wenn ihr gleich den Himmel brennen seht!, rief Elias. „Nehmt es als gutes Zeichen. Grund zum Schrecken habt ihr nur, falls dieses Zeichen ausbleibt. Dann flieht in die Wälder und rettet euch, wenn ihr könnt. Denn dann ist alles verloren.

    Halb verkrochen in den Armen und am Busen der Frau wandte das Mädchen sich nach ihm um. Aus großen furchtsamen Augen schaute es ihn an. Eigenartiges Kind. Der jüngste Niedermenschliche unter den befreiten Gefangenen. War die Frau seine Mutter? Beide steckten in ähnlich schönen Kleidern. Die Frau trug eine weiße Blume aus sichtbar edlem Stoff über ihrem Herzen. Dass dieser Schmuck all die Strapazen der vergangenen Wochen überstanden hatte ...

    Elias riss sich los vom Anblick der beiden. In seinen Träumen hatte das Mädchen ihm das Leben gerettet. Dreimal schon. Lächerlich im Grunde. Warum aber vergaß er dann diese Träume nicht einfach?

    Gleichgültig. Jetzt gab es Dringenderes als nächtliche Illusionen. Erst einmal jedoch hieß es: warten. Der nächste Schritt – der vorletzte in einer langen Reihe unumkehrbarer Schritte – der nächste Schritt hing ganz von Zarah und Batseba ab: Gelang es den Magisterinnen und ihren magischen Kohorten, den zweiten Schlüssel zum neuen Hypertor zu zerstören, würde er den Befehl geben, ins Tal hinab zu steigen und die Kuppel zu stürmen. Schafften sie es nicht, war es ganz und gar sinnlos, durch das neue Tor gehen zu wollen. Die Kohorten des Erzmagisters würden ihnen einfach folgen; und sie dann auf Arkanum Sieben vernichten, statt schon hier, auf Doxa.

    Elias spähte hinüber zum Bergkamm auf der anderen Talseite. In einer Höhle irgendwo dort oben bereiteten Zarah und Batseba und ihre magische Kohorte in diesen Minuten die Attacke auf den Zweitschlüssel vor. Falls man sie nicht aufgespürt hatte.

    Das fahle Blau des Abendhimmels erschreckte ihn. Wie ein alter Bluterguss, dachte er. Und die zerklüftete Silhouette der Bergkuppe erinnerte ihn an das Gebiss jener gefräßigen Fische, deren Schwärme jedes Lebewesen in Sekundenschnelle in ein Skelett verwandeln konnten. Wie fremdartig und bedrohlich ihm der Himmel seiner Heimat heute Abend erschien! Jetzt, wo er sie für immer verlassen wollte. Ob es den anderen auch so ging?

    Elias blickte sich um: An die fünfzig Magier hatten beschlossen, das Gesetz von Doxa zu brechen und ihm durch das neue Tor zu folgen. Zwei Dutzend von ihnen knieten oder hockten hinter ihm zwischen Felsen und Brombeerhecken. Lauter Rebellen, lauter Todgeweihte. Ihre kantigen Gesichter schienen aus weißem Marmor gemeißelt zu sein. Manchen bebten die Wangenmuskeln, manche hatten feuchte Augen, einige wirkten ungeduldig; sie wollten es endlich hinter sich bringen. Keinem Magister und keiner Magisterin war nach Scherzen zumute. Oder gar nach Wetten. Die Zeit des Spielens war vorüber. Schon lange. Ob einer von ihnen seine Entscheidung bereute? Er jedenfalls bereute sie nicht. Gar nichts bereute Elias.

    Zwischen den Gefährten kauerten etwa zwanzig Niedermenschliche beiderlei Geschlechts, jeden Lebensalters und jeder Schicht aus der Ankerraumzeit auf Arkanum Sieben. Wenige nur waren ähnlich edel angezogen und frisiert wie die Rothaarige in dem meerblauen Kleid oder wie das Kind.

    Manche Frauen trugen unansehnliche Kleider, grau und lang, die Männer einfache Gehröcke über farbigen Westen oder taillierte bunte Mäntel, halblang und mit flügelartigen Schößen. Einer steckte in einer Art Uniform; allerdings hing ihm nur eine leere Klingenscheide am Brustgurt. Und zwei hatten sich seltsame Hüte auf den Kopf gestülpt: schwarz, steif, konusförmig und mit schmaler Krempe.

    Der weißbärtige Greis und sein Enkel sahen schmutziger aus als alle anderen. Als einzige liefen sie barfuß. Fleckige Jacken, fadenscheinige Hemden und löchrige Hosen hingen ihnen in Fetzen von den dürren Leibern. Aus leeren Augen stierten sie vor sich hin.

    Der Erzmagister hatte all diese Menschlichen verschleppen lassen, um sie zu studieren. Nichts Außergewöhnliches: Vor jedem neuen Großsprung wurden Ureinwohner herübergeholt, um ihre Eigenarten kennenzulernen; das gehörte nun einmal zur Routinevorbereitung eines neuen Arkanum-Projektes. Doch diesmal entwickelte sich alles anders als sonst. Ganz anders. Elias ballte die Fäuste. Diesmal lehnten fast fünfzig Magister das neue Arkanum-Projekt ab. Fünfzig Magister hatten beschlossen, das neue Hypertor zu zerstören! In den Annalen von Doxa las man von keinem vergleichbaren Vorgang.

    Elias spähte wieder über das Tal hinweg zum nächsten Bergkamm. Hatte Zarahs und Batsebas Kohorte es unentdeckt bis hinauf zur Höhle geschafft? Von dort aus konnte man ins nächste Tal sehen – und bis zu der Festung, wo der Erzmagister den zweiten Schlüssel bewachen ließ. Der Abendhimmel war dunkler inzwischen. Grau und von violetten Schlieren durchzogen. Im Südosten schimmerte ein rötlicher Lichtfleck über den Gipfeln – der Mond ging auf.

    Elias schloss die Augen, atmete tief. Noch spürte er seine Kraft. Noch fühlte er sich stark genug, auch die letzten beiden Schritte zu tun. Unter seinem weißblonden Langhaar tastete er nach der warmen weichen Wölbung in der Kuhle hinter dem rechten Ohr. Dort schlief sein Symbiont – sein engster Verbündeter, seine magische Rüstung.

    Mehr als die Hälfte der Magier mussten die Flucht durchs neue Tor mit fremdem Symbionten wagen. Einige mussten ganz ohne ihr zweites Gehirn leben seit dem Streit mit dem Erzmagier. Der Uralte hatte allen, die er der Rebellion verdächtigte, den Symbionten rauben lassen. Manche darbten in Erdlöchern und unterirdischen Höhlen seitdem. Sie waren verloren.

    Elias aber gehörte zu jenen mächtigen Magistern, die dem Uralten über jeden Verdacht erhaben zu sein schienen. Er war der Sohn des Erzmagisters. Bis zum Aufstand war er auch sein designierter Nachfolger gewesen.

    Die Erde bebte, ein Raunen ging hinter ihm durch die Reihen der Gefährten. Er öffnete die Augen – und schloss sie sofort wieder, weil gleißendes, blaues Licht jenseits der Bergkuppe ihn blendete.

    „Sie haben es geschafft! Jemand klopfte ihm auf die Schulter. „Zarah und Batseba haben es geschafft!

    Elias hielt die Hände schützend vor die Augen, blinzelte durch die Finger ins grellblaue Flammenmeer über dem Bergkamm – dort schien der Abendhimmel zu brennen. Weiße Blitze zuckten durch loderndes Licht, ein Feuerball in ständig wechselnden Blautönen blähte sich auf. Von fern grollte Donner, die Erde bebte heftiger.

    „Ja, murmelte er, „sie haben es geschafft. Kaum konnte er fassen, dass es tatsächlich geschehen war; das Herz schlug ihm in der Kehle, das Blut rauschte ihm in den Schläfen. Jetzt erst gestand er sich ein, dass er insgeheim gezweifelt hatte am Erfolg der beiden Magierinnen. Er blinzelte nach rechts, von wo der junge Hioban ihm noch immer auf die Schulter klopfte. „Sie haben es tatsächlich geschafft."

    Elias’ Rechte fuhr zu seinem Gurt hinab, wo in einer Schatulle der Originalschlüssel steckte, der erste Stringformer. Er selbst hatte ihn seinem Vater geraubt. Nun zog er ihn heraus und sprang auf. „Jetzt gibt es keinen Weg zurück mehr! Er deutete zur Torkuppel hinunter. „Jetzt geht es nur noch in dieses Tal hinab und dann durch das Tor. Ihr erreicht die Kuppel oder ihr sterbt! Der Erzmagister kennt keine Gnade. Elias reckte den Stringformer in die Höhe und wandte sich an die Niedermenschlichen. „Damit führe ich euch in die Freiheit und zurück in eure Heimat."

    Wie eine halbringförmig angeordnete Multiflöte sah der Stringformer aus. Er bestand aus acht blau schimmernden Hypergoldröhren unterschiedlicher Länge und Dicke, die größte zwei Finger lang und daumendick. Alle mündeten in ein breites, schnabelartiges Mundstück. Wer die Funktion des magischen Instrumentes nicht kannte, vermochte seinen Wert nicht einmal zu erahnen.

    Elias wandte sich an die Doxaner. „Und uns, meine Gefährten, ist dies hier der Schlüssel zu einem ganz neuen Leben! Obwohl er genau wusste, dass niemals alle überleben konnten, blieb seine Stimme kraftvoll und fest. „Vergesst, was hinter euch liegt! Folgt mir ins Tal hinunter! Folgt mir durchs siebte Tor!

    Er lief los, erreichte bald den Steilhang. Am Beginn des Serpentinenpfads blieb er stehen, sah zurück, winkte. In einer langen Kolonne folgten Doxaner und Niedermenschliche. Sie stiegen in den Pfad ein, tasteten sich Schritt für Schritt durchs Geröll, ließen Kehre um Kehre hinter sich. Eine Stunde würden sie brauchen bis zur neuen Torkuppel, mindestens; Zarahs und Batsebas Kohorte hatten einen kürzeren Weg ins Tal hinunter. Und Trouban und der einäugige Tenjas öffneten hoffentlich bald das Portal zum neuen Hypertor, zum siebten.

    Ungeduld befiel Elias, denn sie kamen langsamer voran als erhofft. Der Greis stolperte, vertrat sich den Fuß. Der junge Hioban musste ihn Huckepack nehmen. Das Mädchen weinte, fürchtete sich vor dem blauen Leuchten der Torkuppel; der einsetzenden Dämmerung wegen sah man das flirrende Licht immer deutlicher. Elias setzte sich das Kind auf die Schulter. Es weinte lauter, sträubte sich, doch er kümmerte sich nicht darum.

    Das Gelände wurde flacher, sie drangen in den Birkenwald ein, endlich ging es schneller der Kuppel entgegen. Das Weiß der Birkenstämme schimmerte gespenstisch, denn je näher sie dem neuen Tor kamen, desto dunkler wurde die Nacht und desto intensiver reflektierten Bäume und Felsen das bläuliche Licht. Das Kind jammerte und wand sich auf Elias’ Schultern. Er herrschte es an und gebot ihm, Ruhe zu geben. Keine tausend Schritte trennten sie mehr von der Kuppel.

    Plötzlich rauschte es über ihnen in den Mammutbirken. Das Mädchen hörte auf zu weinen. Elias blieb stehen, spähte ins Laubdach; alle blieben stehen und sahen hinauf. Vogelschwärme erhoben sich aus den Baumkronen, flatterten in den dunklen Himmel. Zu allen Seiten sprangen auf einmal wilde Tiere aus dem Unterholz. Schreckensrufe wurden laut. Elias sah eine große Birkenkatze die Flucht ergreifen, sah eine Schweineherde durchs Vorjahrslaub pflügen, sah Bären, Elche, Hasen, sogar Waldechsen. Das Wild stieb nach allen Seiten davon. Der ganze Birkenwald schien in Aufruhr. Und dann schwebte ein mächtiger Schatten über die Mammutkronen heran. Zweige splitterten, Äste brachen, Laub segelte herab und etwas landete zwischen den Mammutbirken auf einer Felssäule.

    „Ein Greif!, schrie hinter ihm eine Magierin, „Die Kohorte des Erzmagisters!, eine andere, und plötzlich riefen alle durcheinander: „Isabelle! Flieht! Isabelles Echsengreif!"

    Einen Atemzug lang stand Elias wie betäubt, hörte kaum das gellende Geschrei des Mädchens über sich, starrte nur zum Felsturm hinauf – tatsächlich: Isabelle! Seine Halbschwester. Er weckte seinen Symbionten.

    „Ruhe!, donnerte er. „Keiner flieht auf eigene Faust! Er atmete tief, schüttelte die Betäubung ab. „Alle bleiben bei mir! Keiner geht allein! Herrisch klang seine tiefe Stimme, hart war sein Gesicht. Nach allen Seiten blitzte sein strenger Blick. „Keiner, sag ich!

    Er war der Erste, er war ein Primarmagister – zeigte er Angst, würden alle scheitern; strahlte er Ruhe und Entschlossenheit aus, würde einigen die Flucht gelingen. Wenigstens einigen.

    „Hioban! Salome! Bewusst sprach er die Magier mit Namen an. „Ihr sorgt für Ruhe! Keiner geht allein! Er nahm das schreiende Mädchen von seiner Schulter, drückte es irgendjemandem gegen die Brust, zog seinen Umhang über das weißblonde Haar. Darunter breitete sein Symbiont sich über seinem Scheitel aus. Bereit zum Kampf ging Elias ein paar Schritte auf den Felsturm zu. Sein Mund war trocken, er achtete nicht darauf. Ein Kloß schwoll in seiner Kehle, er wollte nichts davon wissen. Seine Miene sah aus wie aus Eisen geschmiedet, Kälte strömte ihm durch Brust und Hirn.

    Er blieb stehen, sah hinauf zu seiner Halbschwester. Sie stand im Sattel ihrer schwarzen Greifenechse und spähte auf ihn herab. Ihr schwarzes Gewand und ihr weißblondes Langhaar wehten im einsetzenden Nachtwind. Ein roter Helm bedeckte Kopf und Symbionten. Elias glaubte, den Hass in ihren Augen funkeln zu sehen.

    „Was willst du?", rief er. Dunkel und hart hallte seine Stimme aus dem Birkenwald zurück.

    „Gib auf, Elias! Auch ihre Stimme klang feindselig und rau. „Der Erzmagister schickt mich, das Gesetz der Welten! Höre seine Botschaft: ‚Auch du mein Sohn?’ Sie rief lauter. „‚Auch du unter den Verrätern des Gesetzes von Doxa? Hat denn dieses Niederweib dich derart bezaubert, dass du die Überlieferung mit Füßen treten musst?’ Ihre Stimme gellte über die Birkenwipfel. „‚Hat diese Wilde dir denn den Liebeswahnsinn so tief ins Hirn gefickt, dass du sogar das Reich und meine Nachfolge aufs Spiel setzt?’ Elias zuckte zusammen, und oben auf dem Felsturm streckte Isabelle die Rechte aus. „Vater wartet auf deine Antwort, Elias! Und auf den geraubten Stringformer – her damit!"

    Heiß schoss ihm der Zorn durch Glieder und Schädel. „Lundis! Elias brüllte den Namen heraus, den der Erzmagister zu nennen verboten hatte. Nur einen Atemzug lang drohte er die Fassung zu verlieren, dann beherrschte er sich wieder. „Lundis hat mir die Augen geöffnet, jawohl! Allen hier hat sie die Augen geöffnet! Für uns ist das Spiel zuende, wir steigen aus. Arkanum Sieben wird es nicht geben, das siebte Tor wird erlöschen!

    „Das ist deine Antwort?! Isabelles kreischende Stimme hallte über die Wipfel und überschlug sich schier. „Das soll ich dem Erzmagister sagen, dem Gesetz der Welten? Das glaube ich nicht, Elias, mein Bruder!

    „Das ist meine Antwort! Elias fasste Isabelles Greifenechse ins Auge, jagte einen mentalen Schock hinauf in ihr Nervensystem. „Glaube es oder lasse es bleiben! Das riesige Tier riss den Rachen auf, blökte gellend, schlug mit den mächtigen Schwingen. Seine Halbschwester ließ sich in den Sattel fallen, um nicht abzustürzen.

    Im gleichen Moment schrien einige Befreite auf, und alle drängten sich plötzlich um Elias und die anderen Magier zusammen. Flammen züngelten aus dem Unterholz, ein magischer Brand loderte auf. Der Feuerring erfasste Birkenstämme und Gestrüpp und kesselte Elias, seine Gefährten und die Befreiten ein. Einige gingen zu Boden, weil Pythons sich um ihre Beine wanden und sie umrissen. Selbst Magier stürzten unter dem Angriff der großen Schlangen. Die noch aufrecht standen, schlugen zurück und griffen die Pythons an, ließen ihre Köpfe platzen oder ihre Augen und ihr Blut sieden.

    Im nächsten Moment erfüllte Tschilpen und Zwitschern den Abendhimmel. Ein riesiger Vogelschwarm hüllte Isabelle und ihre blökende und kreischende Greifenechse ein.

    „Zarah! Die Erleichterung weitete Elias die Brust. Diese Art zu kämpfen trug eindeutig Zahras Handschrift. Er winkte den jungen Hioban zu sich. „Zarah und Batseba greifen ein!, zischte er. „Noch können wir es schaffen! Er deutete auf die näherrückende Feuerwalze. „Schlagt dort eine Bresche in den Flammenring! Salome und du! Führt die Hälfte der Magister und Befreiten von Osten her zur Torkuppel! Ich breche nach Westen hin durch! Dann müssen auch Isabelles Magier sich teilen! Hioban wollte protestieren, Elias verbot es ihm mit strenger Geste und schickte ihn zur schönen Salome.

    In den Kronen der brennenden Mammutbirken krachte und rauschte es. Äste stürzten zu Boden, schlugen im Unterholz und in der Feuerwalze ein. Die Greifenechse eines Magisters aus Isabelles magischer Kohorte stürzte samt ihrem Reiter mitten in den Brand. Batseba sprang über den Sterbenden und die Flammen hinweg in den Kessel herein, rollte sich ab, stand gleich wieder auf den Beinen. „Hierher!"

    Die Befreiten schrien ihre Angst heraus. Elias fuhr sie an, sammelte die Hälfte von ihnen hinter sich und verdichtete die Luft über den Mammutbirken. Ein Orkan schüttelte die mächtigen Bäume, glühendes Geäst stürzte herab. Ein Luftwirbel fauchte hinter Batseba in den Feuerring, erstickte die Flammen über einem Korridor von mindestens zehn Schritten.

    „Mir nach! Elias packte das schreiende Kind bei der Rechten und die rothaarige Frau bei der Linken. „Dort hindurch!, befahl er und stürmte Batseba entgegen. Die stand schon in der Lücke des Feuerrings inmitten von rauchendem und verkohltem Gehölz und wehrte eine angreifende Herde wilder Schweine ab.

    Isabelles Wutschreie gellten durch den finsteren Wald. Sie gingen Elias durch und durch. Sammelte sie ihre Kohorte zum nächsten Angriff? Über den brennenden und sich im magischen Orkan schüttelnden Birkenwipfeln stand blutrot der Mond. Hinter sich hörte Elias den Greis nach seiner Mutter rufen.

    Erstes Buch

    Der Wal

    1

    Island, Spätsommer 1838

    Der Südwind jagte Regenwolken ins Innere der Insel. Immer, wenn sein Heulen und Brausen sich für kurze Zeit legte, hörte Ragnar das Schaf blöken. Er lauschte – ein Mutterschaf, irgendwo jenseits des Hügelkamms. Ragnar winkte seine Söhne heran, lenkte sein Pferd herum, trieb es hangaufwärts, pfiff den Hunden. Kläffend hetzten sie an ihm vorbei den Hügel hinauf.

    Hinter dem Kamm, nach einem sanft abfallenden Hang, weitete sich das Meer. Und unten, wo kurz vor den Klippen das Grasland jäh abbrach, stand das Schaf – das Tier, das sie seit gestern vermissten. Es blökte jämmerlich.

    Ragnar hätte jedes seiner Schafe unter tausend fremden erkannt. Das Mutterschaf da unten sogar unter zehntausend, denn das Lamm, das es beklagte, war unverwechselbar mit seiner schwarzen Fellfärbung auf der linken Schädelseite. Es lag unter seiner Mutter im Gras und rührte sich nicht.

    Ragnar trieb sein Pferd den Hang hinunter. Ihm schwante Böses. Die Hunde liefen voraus, beschnüffelten den Kadaver und den Boden in seiner Umgebung. Als er zwischen ihnen im Gras niederkniete und das tote Lamm betrachtete, galoppierten auch schon seine Söhne über den Kamm.

    „Die gleiche Eisbärenscheiße wie am Sonntag?", rief Sigur von weitem. Ragnar fuhr mit dem Zeigefinger über die nackte Hautstelle am Hals des Lammes und nickte.

    Hufschlag donnerte heran, die Jungens rissen an den Zügeln, sprangen aus den Sätteln. Sigur war größer als Ragnar und ähnlich stämmig und bärtig. Dagur, der jüngere, reichte seinem Vater kaum bis zur Nasenspitze, war auch erheblich hagerer; blonder Flaum wucherte ihm um das Kinn.

    Sigur verscheuchte die Hunde, Dagur stieß das Mutterschaf zur Seite, dann knieten sie neben ihrem Vater und beugten sich über den Kadaver.

    „Ausrasiert. Sigur deutete auf die nackte Hautstelle inmitten des Halsfells. „Genau über der Schlagader ausrasiert. Wie das Lamm vom Sonntag. Der gleiche Schnitt und um ihn herum der gleiche Bluterguss. Ekel verzerrte sein breites Gesicht. „Ausgesaugt! Er hob den struppigen Schädel und stierte nach links und rechts. „Gebissen und ausgesaugt. Widerliche Scheißkerle!

    „Das war der Deubel selbst! Dagur sprang auf und schluckte. „Oder ein Vampir! Aschfahl wurde er unter seinem blonden Bartflaum.

    „Teufel gibt’s jede Menge auf unserer schönen Insel, seit die Dänen gelandet sind, brummte Ragnar. „Vampire nur in Ammenmärchen. Fröstelnd zog er die Schultern hoch.

    „Solche, die rasieren, bevor sie zubeißen, gibt’s nicht einmal in Ammenmärchen. Sigur lachte schallend. Ragnar kannte seinen Ältesten: Je mehr Angst er hatte, desto lauter lachte er. „Gottverdammte Dänen waren das!, tönte Sigur. „Die Drecksäcke sind zu allem fähig!"

    Zwei Schiffe mit Soldaten hatte der König von Dänemark geschickt. Angeblich, um beim Wiederaufbau der Siedlungen zu helfen, die der Vulkan und das anschließende Seebeben im letzten Jahr zerstört hatten. Die dänischen Truppen hatten sich drei Tagesritte weiter nördlich im Dorf Reykjavik einquartiert und machten die Gegend dort unsicher.

    „Schon möglich, sagte Ragnar mit heiserer Stimme. „Vielleicht ist es aber auch irgendein türkischer Bastard von den Westmännerinseln, der so etwas tut. Er sagte das nur, um vor sich selbst zu verbergen, wie erschrocken er war. Natürlich wusste er, dass kein Mensch auf Island Lämmern das Blut aussaugte, auch kein Nachfahre türkischer Piraten. Das war ja der Grund seines Schreckens.

    Er stand auf und ging zu den Hunden. Die pflügten ein paar Schritte abseits mit den Schnauzen durchs Gras, hatten wohl eine Witterung aufgenommen. Der Boden war noch weich vom nächtlichen Regen, und Ragnars Hoffnung, nichts zu finden, wurde schnell enttäuscht: Die Fußspuren waren nicht zu übersehen.

    „Ein einzelner Kerl, sagte Dagur. Gemeinsam untersuchten sie die Abdrücke der Stiefelsohlen. „Weder besonders schwer noch besonders groß. Und seht nur dieses kreuzförmige Profil! Er schluckte schon wieder und wurde noch bleicher. „Ein Troll?"

    Sigur feixte. „Ein gestiefelter Troll – ich scheiß mir gleich in die Hosen vor Angst." Er warf den Kopf in den Nacken und lachte wiehernd.

    „Aber ja! Dagur war längst überzeugt von seinem Verdacht. „Bestimmt ist ein Troll vom Hofsjökull zurückgekehrt und hat unsere lieben Elfen vertrieben. Und jetzt macht er sich über unsere ...

    „Halt’s Maul! Ragnar blitzte seinen Jüngsten an. Er stand auf, ging zu seinem Pferd, zog seine Flinte aus dem Sattelhalfter und lud sie durch. „Lade lieber dein Gewehr. Du reitest mit mir. Und dann an die Adresse seines Ältesten: „Und du machst, dass du zurück zur Herde kommst!"

    „Warum darf Dagur dich begleiten? Sofort brauste Sigur auf. „Ich will mit dir reiten!

    „Du tust, was ich sage. Du bist der Ältere, du wirst mich bei den Knechten, Hunden und Schafen vertreten. Er hütete sich, den wahren Grund seiner Wahl nennen: Dagur war der bessere Schütze. „Nimm das Mutterschaf und den Kadaver mit. Schick ihn mit einem Knecht zu den anderen Herden im Hinterland. Sieht so aus, als bräuchten wir Hilfe.

    Sigur murrte ein bisschen herum, gehorchte aber. Dagur blieb stumm und bleich und stieg in den Sattel. Ihm wäre es lieber gewesen, sein älterer Bruder hätte den Alten begleitet. Ragnar jedoch kümmerten die Vorlieben seiner Söhne nicht. Er trieb sein Pferd an und ritt seinen Hunden hinterher.

    Zuverlässige Hütehunde waren das, beide mit langem Pelz, der größere mit grauem, der kleinere mit rotem. Sie scheuten auch vor Seeadlern und Polarfüchsen nicht zurück, und der graue war sogar schon einmal auf einen Eisbären losgegangen.

    Die Hunde verloren die Witterung nicht und verfolgten die Fährte entlang des Klippenweges und eine Stunde später den Serpentinenpfad zur Robbenbucht hinab. Manche Seefahrer und die wenigen Fischer der Gegend hatten die kleine Bucht früher als natürlichen Hafen benutzt – bis zum Seebeben im vergangenen Sommer. Seitdem versperrten Geröll und das Wrack eines dänischen Kriegsschiffes die Zufahrt.

    „Ein Wal!, rief Dagur, als sie knapp die Hälfte des Steilhanges hinter sich hatten. „Ein pechschwarzer Finnwal! Aufgeregt deutete er nach unten.

    Weil er schlechtere Augen hatte als sein Sohn, entdeckte Ragnar den Wal erst auf den zweiten Blick. Der Koloss lag etwa dreißig Schritte von der Küste entfernt vor dem Wrack im Wasser. Die Wellen der abziehenden Flut überrollten seinen wuchtigen Schädel bis zum Ansatz der Rückenflosse.

    „Hast du je von einem Finnwal mit einem dermaßen großen Kopf gehört?, rief Ragnar über die Schulter hinweg. „Kommt mir eher vor wie ein Grönlandwal. Doch so nahe an der Küste? Das Tier war mindestens sechzig Fuß lang. Seine untypisch große Rückenflosse ragte etwa fünf Fuß hoch aus dem Wasser.

    „Viel zu groß, sagte Dagur. „Und hast du jemals von einem Grönlandwal mit Rückenflosse gehört?

    Nein, hatte Ragnar nicht. Er brummte sich einen Fluch in den Bart und stierte grimmig hinunter zu dem schwarzen Biest. „Warum rührt der Bursche sich denn gar nicht? Es kam schon hin und wieder vor, dass Wale an der Küste strandeten, doch eher oben an der Nordwestküste, und dann waren sie meistens kleiner als der da unten. „Sieht aus, als würde er das Wrack belauern. Der alte Hirte richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den Serpentinenpfad. Der rote Hund wartete zwei Kehren weiter unter ihnen im Steilhang, den grauen sah Ragnar schon nicht mehr.

    „Gütiger Gott! Aus feuchten Augen stierte Dagur auf die Bucht hinunter. „Sieh doch, Vater! Er deutete zum Wrack.

    Ragnar blinzelte wieder in die Tiefe. Die große Galeone lag auf der Backbordseite. Die Gezeiten wechselten gerade, und die zurückweichende Flut warf Wellen gegen ihren in Richtung Bucht gerichteten Kiel. Der abgeknickte Hauptmast ragte zwischen von Wogen umtosten Felsbrocken schräg in den Himmel wie der Finger eines toten Riesen. Gischtwolken sprühten über dem Schiffsrumpf auf.

    „Was zum Deubel gibt es da zu sehen? Ragnar platzte der Kragen, denn der Wal machte ihn nervös. Er drehte sich nach seinem Sohn um. „Ich sehe das Wrack eines verdammten dänischen Kriegsschiffes! Und mein freies isländisches Herz freut sich an diesem herrlichen Anblick. Was also gibt es da zu glotzen, als würde der Leibhaftige selbst dort unten aus der Hölle kriechen!?

    „Das Wrack brennt", sagte Dagur kleinlaut.

    Rangar fuhr herum, spähte wieder zur blockierten Buchteinfahrt hinunter. Er sah das Wrack zwischen Felsbrocken eingeklemmt, er sah schäumende Wellen sich an Reling und Kiel brechen, er sah Gischt über dem Wrack aufspritzen und wassergeschwängerte Luft hochsteigen. Sonst sah er nichts. Außer dem verdammten Wal.

    „Schwachkopf! Im Sattel drehte er sich wieder zu seinem Sohn um. „Wie kann ein mit Wasser vollgelaufenes Wrack brennen! Wie kann ein Schiffsrumpf brennen, den die Flut eben erst freigibt? Wenn ich heute noch einmal einen derartigen Schwachsinn von dir höre ...! Obwohl Dagur eine Pferdelänge hinter ihm auf seinem Tier hockte, holte Ragnar mit dem Handrücken aus, als wollte er ihm ins Gesicht schlagen. „Halt jetzt endlich das Maul! Verstanden?"

    Dagur nickte, sie ritten weiter. Kein Wort wechselten sie mehr während der halben Stunde, die sie brauchten, bis sie den Serpentinenpfad hinter sich und das Ufer der Robbenbucht erreicht hatten.

    Die Hunde liefen weit voraus. Kurz bevor beide außer Sichtweite zu geraten drohten, blieb jedes Mal einer stehen – meistens der rote –, wedelte mit dem buschigen Schwanz und wartete, bis seine Herren zu ihm aufgeschlossen hatten.

    „Das ist kein Wal, sagte Dagur kurz nach der letzten Kehre, und seine Stimme klang so heiser, dass Ragnar sich erschrocken nach ihm umdrehte – sein Sohn war so bleich wie einer, der zuviel Branntwein getrunken hatte und jeden Moment kotzte. „Kein Wal treibt so reglos im Meer, krächzte Dagur, „und ein gestrandeter Wal liegt viel näher am Ufer. Und sieh nur, das riesige Auge!"

    Ragnar sah es, und das Herz schlug ihm plötzlich in der Kehle. Er hielt sein Pferd an, und nun war er es, der zu dem vermeintlichen Wal hinüber stierte, als würde er den Leibhaftigen selbst dort über das Wasser schreiten sehen.

    „Bei der Seele meiner Mutter ...!" Das Tier oder Ding oder Wesen sah aus wie aus schwarzem Eisen geschmiedet. Große Zeichen prangten in roter Farbe an der Seite des schwarzen Kolosses, und hatte man jemals einen Wal gesehen, dem einer Zeichen auf die Haut gemalt hatte?

    Ragnar musste an jene gusseisernen Wagen denken, die der Kapitän der Myrdal im vorletzten Winter geschildert hatte. Dieser weitgereiste Seefahrer segelte alle paar Jahre mit einer Ladung Waltran nach England hinüber und hatte dort einen Wagen gesehen, der sich ohne Zugpferde über einen eisernen Weg bewegte; wie eine unendlich lange Leiter habe der Weg ausgesehen. Angeblich reichten ein Kohlefeuer, ein Kessel voller Wasser und ein bisschen Dampf aus, um solche Wagen aus Eisen anzutreiben; und angeblich fuhren sie schneller, als ein junges isländisches Pferd galoppieren konnte.

    Schwindelerregende Geschichten waren das, und Ragnar glaubte sie nur, weil der Kapitän der Myrdal ein vertrauenswürdiger Mann war, den selbst er noch nie unter den Tisch getrunken hatte; und das wollte schon etwas heißen.

    Ragnar blinzelte zu dem schwarzen Ding hinüber, das da einen Steinwurf weit entfernt aus den Wogen ragte, betrachtete die roten Zeichen – vom Lesen verstand er immerhin genug, um die Zeichen als Buchstaben zu erkennen –, betrachtete das riesige Glotzauge, das wie ein rundes Fenster aussah, und zweifelte erst an seinen Sinnen und dann an seinem Verstand.

    „Verflucht noch mal!" Ragnar spuckte aus und trieb sein Pferd näher ans Ufer der Bucht heran. Dort angekommen überfiel ihn der nächste Schrecken, denn er musste einsehen, dass sein Sohn recht gehabt hatte: Rauchwolken stiegen aus dem Ankerloch und den zertrümmerten Decksaufbauten der gekenterten Galeone und sammelten sich über dem Wrack zu dünnen, von Gischt durchsprühten Schwaden. Im Inneren des Wracks schien es tatsächlich zu brennen! Und als ob das nicht schon des Ungeheuren genug gewesen wäre, brodelte auf der Buchtseite entlang seines Kiels auch noch das dampfende Meerwasser, als würde es kochen.

    Ragnars Zunge und Gaumen fühlten sich auf einmal an wie getrocknete Robbenhaut. Seine Kehle war wie zugeschnürt, seine Augen tränten und auf seinen Armen und seinem Rücken richteten die Härchen sich auf.

    „Ich muss pissen", krächzte er und glitt aus dem Sattel. Sein Sohn hockte wie festgefroren auf seinem Pferd, hatte wohl die Sprache verloren, stierte einfach nur zum Wrack und zum schwarzen Finnwal, der nie im Leben ein Finnwal war. Weder Vater noch Sohn achteten auf die Hunde: Entlang der Felsböschung jagten sie in die Bucht hinein.

    Der alte Hirte wankte ein paar Schritte weg von seinem Pferd, seine Knie fühlten sich an wie mit heißem Waltran gefüllt. Was um alles in der Welt geschah hier eigentlich? Wieder und wieder blinzelte er zum rauchenden Wrack an der Buchteinfahrt und in das siedende Meerwasser. War er denn besoffen? Unablässig schüttelte er den Kopf, während er sich an einem Felsbrocken entleerte. Plötzlich schlugen die Hunde an.

    „Da!, rief Dagur. „Da sitzt er!

    „Wer sitzt da? Ragnar packte sein Gemächte ein, band die Hose zu und schluckte den Kloß im Hals hinunter. „Wer da sitzt, hab ich dich gefragt! Er stolperte zurück zu seinem Pferd und riss seine Flinte aus dem Sattelhalfter. Hätte Dagur jetzt auch nur ein Wort von einem Vampir, einem Kobold oder gar vom Teufel selbst geschwafelt – Ragnar hätte ihm ohne zu zögern den Kolben über den Rücken gezogen. Doch sein Jüngster blieb stumm – unheimlich stumm geradezu –, glotzte nur weiß Gott wohin.

    Das Hundegebell verstummte jäh. Ragnar stolperte an Dagur und seinem Pferd vorbei und äugte in die Bucht hinein. „Wer zum Deubel sitzt wo?" Und dann sah er den Mann – ein schmächtiges Kerlchen in langem Offiziersrock und mit einer Art dunkelblauem Turban auf dem langen, weißen Haar. Das Kerlchen trug etwas wie eine Brille. Oder war das eine Augenmaske?

    „Verflucht ..." Ragnar spuckte aus und legte die Flinte an. Das Kerlchen winkte und rief irgendwas.

    Ein Brite? Die

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