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Wege vieler Helden: Von Zwergen Orks und Elben: 2000 Seiten Fantasy Paket
Wege vieler Helden: Von Zwergen Orks und Elben: 2000 Seiten Fantasy Paket
Wege vieler Helden: Von Zwergen Orks und Elben: 2000 Seiten Fantasy Paket
eBook3.141 Seiten33 Stunden

Wege vieler Helden: Von Zwergen Orks und Elben: 2000 Seiten Fantasy Paket

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Über dieses E-Book

Wege vieler Helden: Von Zwergen Orks und Elben: 2000 Seiten Fantasy Paket

von Alfred Bekker

 

Über diesen Band:

 

Dieses Buch enthält die  Romane:

Alfred Bekker: Gefährten der Magie

Alfred Bekker: Der Magier der Elben

Alfred Bekker: Das Höllentor in eine andere Welt

Alfred Bekker: Angriff der Orks

Alfred Bekker: Der Fluch des Zwergengolds

Alfred Bekker:  Die Drachen-Attacke

Alfred Bekker: Sturm auf das Elbenreich

Alfred Bekker: Überfall der Trolle

Alfred Bekker: Die Magie der Zwerge

Alfred Bekker: Die Zauberaxt der Zwerge

Alfred Bekker: Die Dracheninsel der Zwerge

Alfred Bekker: Der Kristall der Zwerge

Alfred Bekker: Das Elbenkrieger-Profil

Alfred Bekker: Lirandil - der Fährtensucher der Elben

Alfred Bekker: Die Drachenreiter von Dharioona

Alfred Bekker: Kerlock - Welt der Trugbilder

 

 

 

 

 

Geschichten um Elben, Orks und  Zwerge – in unserer und in anderen Welten.

Eine einzigartige Fantasy-Abenteuer Sammlung von Alfred Bekker, dem Autor der Zyklen um DAS REICH DER ELBEN, die ELBENKINDER, GORIAN, die DRACHENERDE-SAGA und viele andere mehr.

Sein Name ist Branagorn von den Elben, Krieger und Magier aus dem Zwischenland der Elben. Er suchte die Seele seiner verlorenen Liebe Cherenwen und führte magische Experimente durch, die ihn in andere Welten verschlugen. In einer dieser Welten trifft er auf den Wikinger Gunnar und dessen wilde Horde nordländischer Barbaren. Die Suchen nach einem mächtigen Artefakt führt sie beide durch ein magisches Tor und in ein Land jenseits der Zeit...

 

 

Das Zwischenland ist in großer Gefahr. Um sie abzuwenden, folgt der Elbenkrieger Lirandil einer alten Prophezeiung. Drei Zwergenkinder muss er finden: Eines ist ein Zauberlehrling, eines kennt die Zukunft und eines hat die Kraft und das Geschick eines Schmieds. Diese drei ahnen noch nicht, dass nur sie allein die Macht haben, ihre Welt vor dem Untergang zu bewahren. Wird ihnen das gelingen?

SpracheDeutsch
HerausgeberAlfred Bekker
Erscheinungsdatum27. März 2022
ISBN9798201911287
Wege vieler Helden: Von Zwergen Orks und Elben: 2000 Seiten Fantasy Paket
Autor

Alfred Bekker

Alfred Bekker wurde am 27.9.1964 in Borghorst (heute Steinfurt) geboren und wuchs in den münsterländischen Gemeinden Ladbergen und Lengerich auf. 1984 machte er Abitur, leistete danach Zivildienst auf der Pflegestation eines Altenheims und studierte an der Universität Osnabrück für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen. Insgesamt 13 Jahre war er danach im Schuldienst tätig, bevor er sich ausschließlich der Schriftstellerei widmete. Schon als Student veröffentlichte Bekker zahlreiche Romane und Kurzgeschichten. Er war Mitautor zugkräftiger Romanserien wie Kommissar X, Jerry Cotton, Rhen Dhark, Bad Earth und Sternenfaust und schrieb eine Reihe von Kriminalromanen. Angeregt durch seine Tätigkeit als Lehrer wandte er sich schließlich auch dem Kinder- und Jugendbuch zu, wo er Buchserien wie 'Tatort Mittelalter', 'Da Vincis Fälle', 'Elbenkinder' und 'Die wilden Orks' entwickelte. Seine Fantasy-Romane um 'Das Reich der Elben', die 'DrachenErde-Saga' und die 'Gorian'-Trilogie machten ihn einem großen Publikum bekannt. Darüber hinaus schreibt er weiterhin Krimis und gemeinsam mit seiner Frau unter dem Pseudonym Conny Walden historische Romane. Einige Gruselromane für Teenager verfasste er unter dem Namen John Devlin. Für Krimis verwendete er auch das Pseudonym Neal Chadwick. Seine Romane erschienen u.a. bei Blanvalet, BVK, Goldmann, Lyx, Schneiderbuch, Arena, dtv, Ueberreuter und Bastei Lübbe und wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt.

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    Buchvorschau

    Wege vieler Helden - Alfred Bekker

    Wege vieler Helden: Von Zwergen Orks und Elben: 2000 Seiten Fantasy Paket

    von Alfred Bekker

    Über diesen Band:

    Dieses Buch enthält die  Romane:

    Alfred Bekker: Gefährten der Magie

    Alfred Bekker: Der Magier der Elben

    Alfred Bekker: Das Höllentor in eine andere Welt

    Alfred Bekker: Angriff der Orks

    Alfred Bekker: Der Fluch des Zwergengolds

    Alfred Bekker:  Die Drachen-Attacke

    Alfred Bekker: Sturm auf das Elbenreich

    Alfred Bekker: Überfall der Trolle

    Alfred Bekker: Die Magie der Zwerge

    Alfred Bekker: Die Zauberaxt der Zwerge

    Alfred Bekker: Die Dracheninsel der Zwerge

    Alfred Bekker: Der Kristall der Zwerge

    Alfred Bekker: Das Elbenkrieger-Profil

    Alfred Bekker: Lirandil - der Fährtensucher der Elben

    Alfred Bekker: Die Drachenreiter von Dharioona

    Alfred Bekker: Kerlock - Welt der Trugbilder

    Geschichten um Elben, Orks und  Zwerge – in unserer und in anderen Welten.

    Eine einzigartige Fantasy-Abenteuer Sammlung von Alfred Bekker, dem Autor der Zyklen um DAS REICH DER ELBEN, die ELBENKINDER, GORIAN, die DRACHENERDE-SAGA und viele andere mehr.

    Sein Name ist Branagorn von den Elben, Krieger und Magier aus dem Zwischenland der Elben. Er suchte die Seele seiner verlorenen Liebe Cherenwen und führte magische Experimente durch, die ihn in andere Welten verschlugen. In einer dieser Welten trifft er auf den Wikinger Gunnar und dessen wilde Horde nordländischer Barbaren. Die Suchen nach einem mächtigen Artefakt führt sie beide durch ein magisches Tor und in ein Land jenseits der Zeit...

    ––––––––

    Das Zwischenland ist in großer Gefahr. Um sie abzuwenden, folgt der Elbenkrieger Lirandil einer alten Prophezeiung. Drei Zwergenkinder muss er finden: Eines ist ein Zauberlehrling, eines kennt die Zukunft und eines hat die Kraft und das Geschick eines Schmieds. Diese drei ahnen noch nicht, dass nur sie allein die Macht haben, ihre Welt vor dem Untergang zu bewahren. Wird ihnen das gelingen?

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

    Alfred Bekker (https://www.lovelybooks.de/autor/Alfred-Bekker/)

    © Roman by Author / COVER MICHAEL SAGENHORN

    © dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

    Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

    Alle Rechte vorbehalten.

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    Alles rund um Belletristik!

    Gefährten der Magie

    Gefährten der Magie

    Alfred Bekker

    Published by Alfred Bekker, 2019.

    Table of Contents

    UPDATE ME

    Gefährten der Magie

    von Alfred Bekker

    Das Zwischenland der Elben zur Regierungszeit von König Daron:

    Die Ebenheilerin Emwén wird mit einem wichtigen Auftrag nach Aratania geschickt, die Stadt der Rhagar. Dort findet sie Thobin, einen jugendlicher Dieb, den ein Geheimnis umgibt. Thobin ist oft unvorsichtig, wagemutig, gerät von einer schwierigen Situation in die andere. Doch er besitzt besondere Fähigkeiten, die mit einer magischen Begabung zu tun haben. Gemeinsam mit Emwén und dem Abenteurer Faragan brechen sie auf, um die Verborgene Stadt zu finden.

    ––––––––

    Alfred Bekker ist Autor zahlreicher Romane und Erzählungen mit einer Gesamtauflage von über 4,5 Millionen Exemplaren. Seine Fantasy-Zyklen um Elben, Orks, Zwerge, Drachen und den Magier Gorian machten ihn einem großen Publikum bekannt.

    Alfred Bekker schrieb auch unter den Pseudonymen Jonas Herlin, Henry Rohmer, John Devlin, Neal Chadwick.

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress E-Book

    © by Author /Cover Werner Öckl

    © der Digitalausgabe 2019 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

    www.AlfredBekker.de

    www.postmaster@alfredbekker.de

    Kapitel 1: Thobin, der Dieb

    „Da ist er!"

    Thobin wirbelte herum. Er sah, wie sich die Männer der Stadtwache von Aratania durch die enge Gasse drängten. Ein mit Stoffballen überladener Karren, der von einem vierarmigen zylopischen Riesen gezogen wurde, kam ihm entgegen.

    „Vorsicht, Vorsicht!", rief der gerade mal hüfthohe Gnom, der oben auf dem Wagen saß.

    „Aus dem Weg!", riefen die Stadtwachen.

    Thobin sprang zur Seite, geradewegs in eine Türnische hinein während der zylopische Riese den Karren an ihm vorbeizog. 

    Dass die Männer ihn verfolgten hatte seinen Grund. Thobin presste die Hand an die Brust. Unter dem Gewand aus grober Wolle, das ihm bis über die Hüfte reichte und von einem  breiten Gürtel zusammengehalten wurde, verbarg er einen Schatz.

    Ein Schatz allerdings, der ihm nicht gehörte.

    Und das war auch der Grund dafür, dass die Stadtwachen ihn verfolgten.

    Thobin schnellte aus der Türnische heraus und rannte weiter die Gasse entlang. Der breite Karren des Riesen versperrte nun seinen Verfolgern den Weg.

    Gut so!, dachte er.

    Thobin trug weiche Fellstiefel, die ihm bis zu den Knien reichten. In diesen Stiefeln hatte er kleine Werkzeuge und einen Dolch verborgen. Alles, was ein richtiger Dieb so brauchte, um die Schlösser von Türen und Truhen zu öffnen. Am Gürtel trug er einen etwas längeren Dolch, eine kleine Ledertasche, in der er neben ein paar gestohlenen Münzen noch ein paar Kleinigkeiten aufbewahrte und einen Wurfhaken am Seil.

    Thobin hetzte in Richtung des Endes der Gasse. Dort musste er auf den Markt am Hafen stoßen. Auf diesem Markt war stets so viel los, dass er leicht in der Menge untertauchen konnte.

    Doch dann bogen mehrere bewaffnete Stadtwachen genau von dort um die Ecke.

    „Packt den elenden Dieb!", rief einer von ihnen.

    Thobin blieb stehen. Er riss den Wurfhaken aus dem Gürtel, schleuderte ihn kurz entschlossen empor, sodass er sich an  einem Dächer festhakte. Das Seil, das am unteren Ende des Hakens befestigt war, reichte gerade. Er fasste es mit beiden Händen, zog es kurz stramm und überprüfte, ob es ihn halten konnte. Der Haken saß. Thobin schwang sich empor. Mit den Füßen stieß er sich an der Wand ab, während er am Seil hinauf kletterte. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Die pure Angst trieb ihn in die Höhe und ließ ihn auch die schmerzenden Arme vergessen.

    Selbst das wertvolle Buch unter seinem Wams war plötzlich nicht mehr so wichtig.

    Thobin hatte immer schon ein großes Klettertalent gehabt. Solange er sich erinnern konnte, war das so gewesen. Schwindelgefühl oder Ermüdung kannte er dann kaum. Wenn er Wände empor kletterte, kam er sich manchmal vor wie eine Spinne. Es erschien ihm einfach, und er fühlte sich leicht, und er hatte nie verstanden, weshalb anderen das so viel schwerer fiel.

    Als die Wächter sich genähert hatten, befand sich Thobin bereits ein ganzes Stück über ihnen. Unerreichbar für ihre Spieße und Hellebarden. Er hatte das untere Ende des Seils zu sich heraufgezogen, so dass keiner der Verfolger es ergreifen konnte.

    Thobin hörte sie fluchen.

    „Warte nur, wir kriegen dich noch, du elender Dieb! Und dann geht es dir schlecht!"

    Er zog sich bis hinauf auf das Dach, wickelte das Seil auf und löste den Wurfhaken, den er daraufhin wieder an seinem Gürtel befestigte. In einem der feucht-kalten Kerker von Aratania hatte er bereits mal eine kurze Zeit zubringen müssen, ehe ihm sein Geschick bei der Öffnung von Schlössern schließlich zur Flucht verhalf. Dorthin wollte er auf jeden Fall nie wieder zurück.

    Thobin blickte sich kurz um. Von hier oben hatte man einen Blick bis zum Hafen, in dem hunderte von Schiffen aus aller Herren Länder angelegt hatten. Aratania – die Hauptstadt des  Reiches Aratan – erstreckte sich so weit das Auge reichte. Die Stadt war einziges Gewirr aus Straßen, Mauern und Häusern. Und in der Mitte erhob sich der Palast des Großkönigs. Thobin kannte hier jeden Winkel, jede Gasse, jede Straße und jedes Tor in den verschiedenen Stadtmauern. Und so schwer es manchmal auch für einen ehrlichen Dieb war, sein Auskommen zu finden und den Wächtern zu entkommen, so wenig konnte er sich vorstellen, irgendwo anders zu leben. Die Straßen dieser Stadt waren sein Zuhause. Thobin hetzte behände über die rutschigen Schindeln, sprang auf das Dach des nächsten Hauses, lief weiter und überwand auf diese Weise innerhalb kurzer Zeit fast ein ganzes Stadtviertel.

    Zwischendurch tastete er nach dem Buch unter seinem Wams.

    Es muss sehr wertvoll sein, ging es ihm durch den Kopf. Wie sonst war es zu erklären, dass die Stadtwache ihn so hartnäckig verfolgte?

    Geschahen nicht jeden Tag in den unübersichtlichen, oft sehr engen Gassen von Aratania viel schlimmere Verbrechen? Wurden nicht wertvollere Dinge gestohlen, als ein altes Buch, das nun wirklich nicht zu den prächtigsten Exemplaren in der Bibliothek gehört hatte!

    Wenn es wenigstens einen Einband mit Goldrand gehabt hätte! Dann hätte Thobin es verstehen können, dass man ihn so hartnäckig jagte.

    Aber irgend etwas besonderes musste es mit diesem Buch auf sich haben. Schließlich hatte Thobin es nicht aus eigenem Antrieb gestohlen, sondern dafür einen Auftrag erhalten. Und sein Auftraggeber hatte ihm so viel Silber dafür versprochen, dass Thobin davon das ganze nächste Jahr hätte leben können.

    Er erreichte das Ende des Daches und blickte auf eine menschenleere Gasse herab. Sie war so schmal, dass kaum zwei erwachsene Männer nebeneinander gehen konnten. Thobin ließ sich mit Hilfe seines Seiles und des Wurfhakens an der Mauer hinab. Dann rollte er das Seil um den Haken und steckte beides wieder hinter den Gürtel.

    Am Ausgang der winzigen Gasse wurde es plötzlich dunkel. Ein Soldat der Stadtwache stand dort.

    Er hielt einen Speer in der Linken und griff mit der Rechten zu einer Einhand-Armbrust, die er am Gürtel trug. Der Soldat richtete die Waffe auf Thobin. „Stehen bleiben, elender Dieb!", rief er.

    Thobin wirkte einen Moment wie erstarrt. Er sah auf der rechten Seite die Abzweigung zu einem schmalen Gang. Er  wusste zwar nicht, wohin der führte, aber das war ihm im Augenblick auch gleichgültig. Hauptsache so schnell wie möglich weg von hier!

    Drei, vier Schritte waren es bis dort. Die Gedanken rasten nur so in Thobins Kopf. Konnte er es bis dorthin schaffen, ohne dass ihm der Soldat mit dem Bolzen seiner Einhand-Armbrust traf?

    „Kommt hier her!", rief dieser seinen Leuten zu. Dabei drehte er halb den Kopf. Diesen Augenblick nutzte Thobin aus. Er rannte los. Drei Schritte, das musste doch zu schaffen sein! Der Soldat drückte die Einhand-Armbrust ab. Es machte klack und der Bolzen zischte genau in Kopfhöhe durch die Luft. Thobin erreichte gerade die Stelle, an der der kleine Gang abzweigte, drehte sich halb herum und sah aus den Augenwinkeln heraus etwas auf sich zufliegen.

    Doch der Bolzen veränderte plötzlich seine Flugbahn. Er stieg etwas empor und zischte haarscharf über seinen Kopf hinweg und prallte dann gegen das Gemäuer auf der rechten Seite.

    Thobins Augen waren in diesem Moment vollkommen schwarz geworden. Pure Finsternis füllte sie und nichts Weißes war darin noch erkennbar.

    Der Soldat erschrak sichtlich.

    Thobin selbst konnte natürlich nicht sehen, was mit seinen Augen geschehen war. Er sah nur das Entsetzen im Gesicht des Wächters.

    Mit einem Satz war der junge Dieb dann in dem noch schmaleren Gang verschwunden. Er rannte vorwärts. Es war finster hier. Er trat auf etwas Weiches. Mit einem durchdringenden Miauen stob eine Katze zwischen seinen Füßen davon, die sich hier wohl auf die Lauer nach Beute gelegt hatte.

    Hinter sich hörte er Lärm, der von den Soldaten der Stadtwache herrührte, die ihm nach wie vor auf den Fersen waren. Jenes Buch, das er unter seinem Wams trug, musste wirklich von äußerst großer Bedeutung sein und er verfluchte sich schon dafür, diesen Auftrag überhaupt angenommen zu haben. Es war das erste Mal gewesen, das er nicht für sich selbst, sondern im Auftrag eines anderen gestohlen hatte. Etwas, das eigentlich dem Ehrenkodex der Straßendiebe von Aratania widersprach. Und es war ja nun auch prompt danebengegangen. Das muss wohl die Strafe dafür sein!, ging es Thobin durch den Kopf.

    Er erreichte eine Mauer.

    Na großartig!, durchfuhr es ihn ärgerlich.

    Hinter sich hörte er die Schritte der Wächter.

    Er saß in der Falle!

    Thobin nahm erneut sein Wurfseil, ließ den Haken über die Mauer fliegen und zog sich dann wenig später empor. Gerade, als er rittlings oben auf der Mauer saß, sah Thobin sich noch einmal kurz um. In der Dunkelheit des engen Ganges bemerkte er eine Bewegung, Stimmen, Schritte...

    Thobin sprang auf der anderen Seite herab und landete in einem Hinterhof. Ein Mann mit einem Schwert in der Hand stand ihm gegenüber. Er war kräftig, das Gesicht kantig und der Blick seiner meergrünen Augen wirkte durchdringend. Seine hervorspringende Nase erinnerte an einen Falken, das Haar hatte bereits graue Strähnen.

    Neben ihm stand ein Trork. So nannte man die fellbehängten  Bewohner des Wilderlandes. Sie überragten normalerweise selbst den größten Mann noch um mehr als die Hälfte und wirkten wie eine Mischung aus Trollen und Orks. Zottelig hing ihnen das Haar herab und zumeist standen ihnen lange Zähne als Hauer aus dem tierhaften Maul heraus.

    Dort, wo normalerweise die Augen hätten sein müssen, war bei einem Trork gar nichts.

    Nur die blanke Stirn – denn Trorks besaßen keine Augen. Sie hatten andere Sinne, um sich zu orientieren. Sinne, die allerdings niemand wirklich zu verstehen vermochte, außer ihnen selbst. Dieser Trork hielt in seiner rechten, sechsfingrigen Pranke einen gewaltigen Hammer.

    Thobin begriff, dass er offenbar geradewegs in eine Schmiedewerkstatt geraten war. Rauch quoll aus dem Abzug eines Ofens hervor.

    Der Trork knurrte leise vor sich hin.

    „Sei still, Shrrr!", schimpfte der grauhaarige Mann mit dem Schwert, an dessen Griff Thobin ein leuchtender Rubin auffiel, der dort eingelassen war. Stirnrunzelnd trat der Grauhaarige etwas vor, während der Trork ihm tatsächlich gehorchte und zu knurren aufhörte.

    Der Mann mit dem Schwert lauschte kurz den Stimmen der Stadtwachen. Dann deutete er auf einen Stapel alter, mottenzerfressener Decken und Lumpen. „Los! Versteck dich!"

    Thobin ließ sich das nicht zweimal sagen.

    Kapitel 2: Faragan, der Abenteurer

    Die Lumpen, unter denen sich Thobin verbarg, stanken entsetzlich. Thobin musste einen Brechreiz unterdrücken. Allerdings konnte er es doch nicht lassen, wenigstens mit einem Auge aus seinem Versteck herauszublinzeln.

    Inzwischen hatte es der erste Verfolger geschafft, die Mauer zu überwinden. Da die Soldaten ja weder ein Seil noch einen Haken zur Verfügung gehabt hatten, war das nicht so ganz einfach gewesen.

    Es war der Kerl mit der Einhand-Armbrust. Er landete mit einem federnden Satz auf dem Boden. Inzwischen hatte er längst einen neuen Bolzen in die Waffe eingelegt. Er spannte sie jetzt.

    „Wo ist der Kerl hin, der sich gerade über die Mauer schwang?", fragte der Soldat schroff.

    Der Trork knurrte wieder.

    „Ganz ruhig, Shrrr!, mahnte ihn der Grauhaarige mit dem Schwert. „Der Junge ist wie ein Wahnsinniger an uns vorbei gestürmt! So als wäre eine ganze Schar von Höllendämonen hinter ihm her. Mit dem Schwert deutete der Grauhaarige auf den offenen Eingang zu seiner Schmiedewerkstatt. „Auf der anderen Seite ist eine Tür, die zur Straße führt. Dort ist er hin! Beeilt euch, wenn ihr ihn noch aufhalten wollt!"

    Der Soldat zögerte. Ein zweiter kletterte gerade über die Mauer. Ein dritter folgte.

    „Na los, worauf wartet ihr?", setzte der Grauhaarige noch hinzu.

    „Ich kenne dich irgend woher", sagte der Soldat mit der Einhand-Armbrust, während die beiden anderen Männer bereits die Tür zur Straße erreicht hatten, sie aufrissen und ins Freie liefen.

    „Das muss ein Irrtum sein!"

    „Nein, das glaube ich nicht! Wie heißt du?"

    „Mein Name ist Faragan – und ich diente einst in der Garde des Großkönigs von Aratan!"

    Der Soldat nickte leicht. „Ein Veteran also. Vielleicht werden wir noch einmal wiederkommen, um dich nach Einzelheiten über diesen flüchtigen Dieb zu befragen."

    Faragan hob die Schultern. „Ich kann dir darüber nicht mehr sagen, als du auch gesehen hast", behauptete er.

    Der Soldat folgte den beiden anderen und verließ das Haus des Schmieds durch die zur Straße gewandte Tür. Man hörte, wie sie wenig später wieder ins Schloss fiel.

    Der Trork stieß ein wildes Knurren aus – so laut, dass ein paar Tauben, die auf einem der höheren Dächer ganz in der Nähe saßen und auf den Hinterhof herab blickten, augenblicklich davon stoben.

    „Ist ja schon gut, Shrrr, meinte Faragan an den Trork gerichtet. „Ich kann die Stadtwachen einfach nicht leiden. Und dass ich früher selbst mal dazugehörte könnte durchaus etwas damit zu tun haben. Aber das ist ein anderes Thema...

    Der Trork antwortete ihm mit einem tiefen, brummenden Laut, der schließlich in eine Art Gurgeln überging.

    Faragan ging zu dem Stapel Lumpen, spießte ein paar davon mit dem Schwert in seiner Hand auf und ließ sie zur Seite gleiten, sodass Thobin darunter zu sehen war.

    „Du kannst wieder hervor kommen, Dieb!", sagt er in einem Tonfall, der Thobin überhaupt nicht gefiel.

    Der Geruch der Lumpen war so scharf, dass er nur sehr schwer erträglich war. Ein Geruch, der Thobin an irgend etwas erinnerte, nur konnte er im Moment nicht so recht sagen, was es war. Es fiel ihm einfach nicht ein. Thobin verzog das Gesicht und stand unsicher auf. Er wagte sich gar nicht vorzustellen, wie lange dieser Gestank in seinen Kleidern bleiben würde.

    Aber dafür hatten ihn die Soldaten des Königs nicht in die Hände bekommen und das war wichtiger als alles andere.

    Einen Moment lang dachte Thobin darüber nach, dass der Geruch natürlich jetzt wohl auch von dem wertvollen Buch ausging, was er unter dem Wams trug. Wie sein Auftraggeber das Gesicht verzog, wenn der diesen übelriechenden kleinen Band ausgehändigt bekam, das mochte sich Thobin im Moment gar nicht weiter vorstellen. Er wird den Preis für meine Dienste drücken wollen, ging es dem Straßendieb sofort durch den Kopf.

    Faragan wandte sich an den Trork. „Shrrr, sieh mal vor der Tür nach, was sich auf der Straße so tut!"

    Der Trork erwiderte dies mit einem Knurrlaut und ging. Vorher warf er noch den großen Schmiedehammer auf den Boden.

    Faragan musterte Thobin von oben bis unten und trat etwas näher. „Was hast du gestohlen, dass so viele Wachsoldaten hinter dir her sind?", fragte er und senkte dabei das Schwert mit dem rubinbesetzten Griff.

    „Ich? Ich weiß nicht.. Jedenfalls also..."

    Thobin stotterte irgend etwas vor sich hin, was keinerlei Sinn ergab.

    „Keine Angst, ich tue dir nichts, sagte Faragan. Er deutete auf die ausgebeulte Stelle unter Thobins Wams. „Ist dort deine Beute... Meine Güte, nach dem gewaltigen Aufstand, den die Stadtwache hier veranstaltete, musst du ja die Kronjuwelen des aratanischen Großkönigs an dich gebracht haben oder irgend etwas anderes, das vergleichbar wertvoll wäre!

    „Es ist nur ein Buch, Herr!", sagte Thobin.

    „Ein Buch?" Faragan runzelte die Stirn.

    „Ja, ich bin in eine Bibliothek eingestiegen und habe ein Buch gestohlen."

    „Juwelen, etwas zu essen, meinetwegen auch noch ein gutes Schwert – für all das hätte ich Verständnis, aber bei der Hitze des Sonnengottes, was um alles in der Welt willst du mit einem Buch?"

    „Herr, ich bin sehr wissbegierig", behauptete Thobin. Dass er für dieses Buch eine hohe Summe an Silber angeboten bekommen hatte, erwähnte er ebenso wenig wie die Tatsache, dass er überhaupt nicht lesen konnte.

    Inzwischen kam der Trork zurück.

    „Sind draußen immer noch Soldaten?", fragte Faragan.

    Der Trork nickte und machte ein paar Zeichen mit den großen Pranken, von denen jede sechs Finger hatte.

    Faragan schien diese Mischung aus Zeichen und Lauten zu verstehen.

    Er wandte sich wieder an Thobin. „Ich kann dir nicht empfehlen, auf die Straße zu gehen. Offenbar sind die fest davon überzeugt, dass du hier irgendwo in diesem Viertel stecken musst..."

    „Verflucht...", murmelte Thobin.

    „Hast du Hunger? Shrrr, mein Trork-Freund, und ich wollten gerade sowieso eine Pause machen und wenn du willst, kannst du mit uns essen..."

    „Nun, ich..."

    „Du siehst aus wie ein hungriger Straßenjunge, und es würde mich brennend interessieren, warum so einer wie du, Bücher anstatt ein paar Früchte auf dem Markt stiehlt..."

    Im Moment hatte Thobin ohnehin keine andere Wahl, schließlich hatte er keine Lust, den Wachen geradewegs in die Arme zu laufen, sobald er das Haus verließ und auf die Straße ging.

    Also war es in jedem Fall besser, Faragans Gastfreundschaft anzunehmen.

    Das Haus gestand nur aus einem einzigen Raum, der Werkstatt und Wohnung zugleich war. Bevor sich Thobin an den großen Zisch setzte, sah er zunächst einmal durch eines der Fenster auf die Straße. Die Fenster waren nicht verglast, sondern wurden mit Holzläden geschlossen. Am Tag standen die Holzläden offen, aber die Öffnung war dann mit einem Vorhang aus Alabaster verhängt, den Thobin jetzt etwas zur Seite schob, um sehen zu können, was auf der Straße los war. Tatsächlich! Auf der anderen Straßenseite waren mehrere der Soldaten zu sehen, die ihn verfolgt hatten. Sie sprachen miteinander. Einer von ihnen fuchtelte ziemlich aufgeregt mit den Armen herum. Offenbar waren sie ziemlich ratlos.

    „Setz dich ruhig!, meinte Faragan. „Wenn sie nochmal zurückkommen, wird uns schon etwas einfallen.

    Faragan stellte Brot und Milch auf dem Tisch. Außerdem einen großen Holzeimer mit Haferbrei. Es dauerte ein paar Augenblicke, bis Thobin begriff, dass der Inhalt dieses Eimers ausschließlich für den Trork namens Shrrr gedacht war.

    Sie setzten sich.

    Thobin schlang ohne lange zu überlegen ein Stück Brot herunter. Er hatte tatsächlich ziemlich großen Hunger. Seit mehr als anderthalb Tagen hatte er schon nichts mehr gegessen. So lange dauerte die Hatz auf ihn schon und er war so sehr damit beschäftigt gewesen, den Soldaten zu entkommen, dass an Essen überhaupt nicht zu denken gewesen war. Dafür fiel ihm jetzt umso mehr auf, wie sehr ihm der Magen schon seit geraumer Zeit geknurrt hatte.

    Nachdem er dann auch noch eine kräftigen Schluck Milch zu sich genommen hatte, fragte er an Faragan gerichtet: „Warum tust du das für mich?"

    „Weil ich diese Wach-Soldaten nicht mag!"

    „Und woher kannte dich der Soldat?"

    „Er muss sich geirrt haben!"

    „Aber er schien sich ziemlich sicher zu sein!"

    Shrrr grunzte vor sich hin. Mit seinen sechsfingrigen Pranken nahm er jeweils einen riesigen Klumpen aus dem Eimer mit Haferbrei und stopfte ihn sich ins Maul. Ziemlich geräuschvoll schluckte er jeden Happen herunter und rülpste anschließend in verschiedenen Tonlagen, was ihn zu erfreuen schien.

    „Auch wenn du es nicht gewohnt bist, aber wir haben einen Gast!, wandte sich Faragan an den Trork. Dieser stutzte und machte eine Geste, die Erstaunen ausdrückte. Anschließend aß er etwas weniger geräuschvoll. „Shrrr denkt, dass ich mich nicht so haben soll!, grinste Faragan.

    „Du hast meine Frage nicht beantwortet", stellte Thobin fest.

    „Und du bist ein ziemlich hartnäckiger Quälgeist! Wie heißt du überhaupt?"

    „Thobin, Sohn eines unbekannten Vaters und einer bei meiner Geburt verstorbenen Mutter. Ich wuchs im städtischen Waisenhaus von Aratania auf, bis ich es geschafft habe, von dort zu entfliehen."

    „Und von da an hast du dich als Dieb durchgeschlagen?"

    „So ist es. Aber sei unbesorgt, jemanden, der mir geholfen hat, würde ich nicht bestehlen."

    „Und warum nicht?"

    „Weil das gegen die Diebesehre wäre, die unter den Straßendieben von Aratania gilt! Also kannst du ganz unbesorgt sein, Faragan!"

    Shrrr stieß einen grollenden Laut aus und Faragan musste schmunzeln. „Mein Trork-Freund scheint dir nicht so richtig zu trauen", meinte Faragan.

    „Versteht er denn überhaupt so richtig, was wir sagen?", erkundigte sich Thobin. Die Trorks lebten schließlich weit ab im Wilderland und man erzählte sich alle möglichen und wundersamen Geschichten über diese wilden Gesellen und ihr noch wilderes Land. Da die meisten dieser Geschichten von Zentauren erzählt wurden und die Zentauren die uralten Feinde der Trorks waren, wurden diese natürlich als grausame Bestien und ungehobelte Wilde dargestellt, die sich vom Fleisch der Riesenmammuts ernährten, aber auch gerne jeden anderen Besucher des Wilderlandes aufspießten und am Feuer brieten, wenn ihnen danach war. Dass sich Shrrr offenbar hauptsächlich von Haferbrei ernährte, hatte Thobin daher vom ersten Augenblick an gewundert.

    Nur äußerst selten gab es Trorks in Aratania zu sehen. Es gab inzwischen hier und da ein paar Handwerker, die sie wegen ihrer Stärke als Träger, Schmiedegehilfe oder Wächter beschäftigten.

    Und genau das war auch wohl hier der Fall.

    „Verlass dich drauf, er versteht jedes Wort, auch wenn er selbst kein Wort herausbringt. Aber ich habe mir das ehrgeizige Ziel gesteckt, ihm die Schönheiten unserer Sprache noch beizubringen."

    Wie zur Bestätigung dieser Worte ließ Shrrr daraufhin einen kräftigen Knurrlaut folgen, der mit einem ohrenbetäubenden Schnalzen endete. Thobin verzog das Gesicht. „Ah, das tut ja in den Ohren weh!, beklagte er sich. „Kaum zu ertragen!

    „Na hör mal - ein Straßendieb, der so empfindlich wie ein Elb ist! Wer hat denn so etwas schon mal gehört!, meinte Faragan lachend. Er beugte sich nach vorn. „Du wolltest wissen, warum ich dir helfe! Es ist ganz einfach. Früher gehörte ich selbst zur Garde des Großkönigs und war ein geachteter Mann, aber ich geriet unter falschen Verdacht. Angeblich hätte ich mit Dieben gemeinsame Sache gemacht, sie absichtlich entkommen lassen und ihnen sogar geholfen, ihre gestohlene Ware zu verkaufen. So warf man mich nach Jahren treuer Dienste mit Schimpf und Schande aus der Garde von Aratan, obwohl mir niemand eine Schuld nachweisen konnte.

    „Dann ist dir übel mitgespielt worden", musste Thobin zugeben.

    „Seitdem muss ich mich als Söldner, Reiseführer und hin und wieder sogar als Waffenschmied durchschlagen, obwohl ich damals kurz davor stand, zum Hauptmann aufzusteigen! Aber stattdessen sind die befördert worden, die mich damals verdächtigten... Aber ich will mich nicht beklagen. Ich hätte auch im Kerker landen können... Jedenfalls freue ich mich, den Soldaten des Königs eins auswischen zu können. Und wenn man mich schon dafür gestraft hat, dass ich mit Dieben gemeinsame Sache gemacht habe, dann soll es doch wenigstens der Wahrheit entsprechen, oder?" Faragans Lachen klang rau und heiser. Thobin spürte, dass es ihn immer noch wurmte, auf so unrühmliche Weise aus der Garde des Großkönigs ausgeschieden zu sein. 

    Thobin hatte inzwischen aufgegessen. Er stand auf, ging noch einmal zum Fenster und schob den Alabaster-Vorhang zur Seite, um hinaus sehen zu können. „Ich will dir ganz sicher nicht länger als unnötig zur Last fallen, Faragan, aber da dort draußen immer noch ein paar Soldaten herumlaufen, wäre ich dir sehr dankbar, wenn ich zumindest bis zum Einbruch der Dunkelheit noch hier bleiben könnte..."

    Shrrr verschluckte sich an einer große Portion Haferbrei, die er sich gerade in diesem Augenblick in seinen Rachen hinein geschlungen hatte. Er fuchtelte mit den Armen herum und stieß dann einen tiefen Grunzlaut aus.

    „Tja, ich glaube, mein Freund hier ist nicht so besonders begeistert von der Idee", meinte Faragan.

    Wie zur Bestätigung nickte Shrrr und schlug mit der Faust auf den Tisch. Dabei stieß er einen dumpfen Brummlaut aus, der wie eine Bestätigung klang.

    „Er denkt wohl, dass du dich damit selbst in Gefahr bringst, wenn du mich länger beherbergst", stellte Thobin fest.

    „Ja, so könnte man das ausdrücken, stimmte Faragan zu. „Und wenn du da noch lange am Fenster herum hängst, wird die Gefahr wohl noch größer, da dann damit zu rechnen ist, dass irgendwann einer der Soldaten bemerkt, dass da jemand andauernd die Straße beobachtet.

    „Ich würde ja gerne meines Weges ziehen, versicherte Thobin. „Aber ich fürchte, dass ich damit die Aufmerksamkeit der Soldaten auf mich ziehe – und nicht nur auf mich, sondern auch auf euch beide! Es würde dann ziemlich schnell klar, dass ihr mir geholfen habt!

    Faragan nickte. Er erhob sich von seinem Platz. „Das ist ein Problem."

    „Ich mache dir einen Vorschlag, Faragan!"

    „Ich höre?"

    Thobin griff sich dorthin, wo das Buch sein Wams ausbeulte und erklärte: „Ich habe eine ziemliche Summe in Silber in Aussicht, wenn ich dieses Buch meinem Auftraggeber gegeben habe! Davon würde ich dir, sagen wir, ein Drittel abgeben, wenn ich hier noch eine Weile bleiben könnte."

    Faragan schien zu überlegen. Er kratzte sich nachdenklich am Kinn. „Dann bist du in Wirklichkeit gar nicht so wissbegierig wie du behauptet hast. Und ich soll darauf vertrauen, dass du wirklich zurückkommst und mir meinen Anteil am Silber bringst?"

    „Was ist das Leben ohne Vertrauen, werter Faragan!", erwiderte Thobin.

    „Da hast du sicher recht, gab Faragan zu. „Aber das ganze erscheint mir dich etwas windig. Wer ist denn derjenige, dem du das Buch versprochen hast?

    „Das darf ich leider niemandem sagen, erklärte Thobin in fast feierlichem Ernst. „Tut mir leid, aber daran kann ich nichts ändern. Schließlich bin ich ein ehrenhafter Dieb.

    „Ja, ich verstehe schon. Und ich bin jemand, der nicht so dringend auf ein paar Silbermünzen angewiesen ist, dass er sie deswegen auch von einem Dieb annehmen würde. Also, lass dein Geld da, wo es ist. Ich will es nicht! Schon deshalb, weil ich ja nicht weiß, wem es vorher gehört haben mag."

    „Aber..."

    „Ich habe dir eine anderen Vorschlag zumachen..."

    „Und der wäre?"

    „Zeig mir erstmal das Buch, da du gestohlen hast. Dann kann ich das Risiko vielleicht abschätzen und ahne, warum man dich so verfolgt... Keine Sorge, ich gebe es dir zurück, und selbst wenn ich das nicht täte, hättest du sicher das nötige Diebestalent, um es mir jederzeit wieder abzunehmen. Was ist? Traust du mir nicht? Dazu hast du keinen Grund, schließlich habe ich dich vor den Soldaten gerettet!"

    Thobin zögerte. Er holte das Buch schließlich doch unter der Kleidung hervor. Es wirkte unscheinbar und war nur so groß wie die Handfläche eines Mannes. Er trat an Faragan heran und und gab es ihm.

    „Kannst du es lesen?", fragte Thobin.

    Faragan sah es sich an, blätterte darin herum und schüttelte dann den Kopf. „Nein. Das ist Elbenschrift und obwohl ich schon in Elbiana gewesen bin, vermag ich die Schrift zwar wiederzuerkennen, aber nicht zu lesen. Hast du eine Ahnung, was für ein Buch das ist?"

    „Nein."

    „Hat den Auftraggeber dir das nicht gesagt?"

    „Mit wurde nur gesagt, wo es sich in der Bibliothek befindet und man zeigte mir ein Abbild der Elbenrune auf dem Einband, erklärte Thobin. „Das war alles!

    „Und wer, wenn ich fragen darf, hat dir den Auftrag dazu gegeben?"

    „Er wird Pendrasil genannt und ich hatte das Gefühl, dass er nicht von hier kommt. Er sprach mich in einem Gasthaus an, wo ich gerade damit beschäftigt war, die Gäste um das Silber in ihren Taschen zu erleichtern... Viel von ihm gesehen habe ich nicht – nicht einmal sein Gesicht, denn er trug eine weite Kutte und hatte die Kapuze immer tief herab gezogen, sodass sein Antlitz immer im Schatten lag..."

    Faragan schüttelte den Kopf. „Du machst mit jemandem Geschäfte, dem du nicht einmal in die Augen schauen kannst? Meine Güte, dir muss man noch viel beibringen, wie mir scheint. Du erinnerst dich wirklich an nichts weiter als an den Namen?"

    „Seine Hand hatte sechs Finger", erklärte Thobin.

    Shrrr stieß sofort einen Knurrlaut aus. Er hob seine eigene, ebenfalls sechsfingrige Pranke empor.

    „Ist ja schon gut, ich weiß, was du sagen willst, versicherte Faragan und der Trork beruhigte sich daraufhin etwas. Dann wandte sich Faragan wieder an Thobin. „Sechs Finger? Bist du dir da sicher?

    „So wahr ich die schärfsten Augen aller Diebe von Aratania habe!", versicherte Thobin.

    „Ein Abkömmling des legendären Volkes der Sechs Finger?" Faragan zuckte die Achseln. Niemand wusste, was mit diesem Volk geschehen war, das einst den ganzen Zwischenländischen  Kontinent beherrscht hatte. Die Sechsfingrigen waren verschwunden. Allerdings gab es einige Völker, die offenbar von ihnen abstammten, wie die Gnome von Hocherde oder die Trorks des Wilderlandes.

    Faragan gab Thobin das Buch zurück. „Ich habe keine Ahnung, worin der besondere Wert dieses Buches liegt und du magst Geschäfte machen, mit wem du willst. Aber eines Tages wirst du im Kerker oder am Galgen enden, wenn du so weitermachst."

    „Ich tue nur, was ich am besten kann – und ich habe nicht vor, mich erwischen zu lassen", versicherte Thobin.

    „Das haben viele vor dir auch schon gesagt. Und ihre Knochen bleichen heute in den Kerkern unter dem Palast des Großkönigs... Nein, du könntest mehr aus deinem Leben machen."

    Thobin sah Faragan etwas verwundert an. Er runzelte die Stirn, denn irgendwie war ihm nicht so recht klar, worauf Faragan hinaus wollte.

    „Wie meinst du das?", fragte er daher.

    „Ich könnte einen Gehilfen brauchen."

    „Um einen schweren Schmiedehammer zu schwingen, bin ich wahrscheinlich nicht der Richtige", gab Thobin zurück.

    „Nein, für grobe Sachen habe ich ja auch Shrrr. Aber manchmal brauche ich auch andere Talente. Und du scheinst geschickt zu sein, so dass man dir einiges beibringen kann... Was ist? Die einzige Bedingung ist, dass du mich nicht bestiehlst, denn dann ginge es dir schlecht..."

    Zur Bekräftigung ließ Shrrr ein dumpfes Grollen hören.

    Thobin dachte einen Moment nach. Von draußen hörte er Schritte. Schritte, die weder Faragan noch Shrrr bereits gehört hatten. Thobin hatte schon immer ein besonders gutes Gehör gehabt. Er konnte Menschen am Schlag ihres Herzens wiedererkennen und wenn er sich darauf konzentrierte, vermochte er den Schritt eines Menschen bereits zu hören, wie niemand anderes es konnte.

    „Einer der Soldaten kommt", sagte er.

    Faragan war irritiert.

    Shrrr stieß ein gurgelndes Geräusch aus. Offenbar spürte der augenlose Trork mit seinen besonderen Sinnen dasselbe.

    „In die Truhe da vorne!, bestimmte Faragan und deutete auf eine schwere Holztruhe. „Aber wenn hinterher etwas fehlt, bringe ich dich eigenhändig zum städtischen Kerker!

    Thobin ließ sich das nicht zweimal sagen. Als er die Truhe öffnete und hinein kletterte, polterte bereits jemand gegen die Tür.

    „Einen Moment!" rief Faragan.

    Er öffnete die Tür, nachdem von Thobin nichts mehr zu sehen war. Draußen stand tatsächlich jener Soldat mit der Einhand-Armbrust, der Thobin zuvor schon auf den Fersen gewesen war.

    „Habt Ihr den Dieb erwischt?", fragte Faragan.

    „Nein. Halt die Augen offen. Jeder, der diesem Nichtsnutz Unterschlupf gewährt, wird schwer bestraft!"

    „Das ist mir schon klar", erwiderte Faragan.

    Der Soldat blickte zum Tisch. „Dort haben drei Personen gegessen, stellte er fest. „Ich sehe hier nur zwei!

    „Ich habe meinen Lehrjungen ausgeschickt, um ein paar Besorgungen zu machen, log Faragan. „Aber vorher wollte er noch was essen, weil ihm der Magen so sehr knurrte. Nun, es soll ja niemand von mir behaupten, dass ich einen Lehrling hungern lasse!

    „So, so, murmelte der Soldat. „Wie auch immer, halt die Augen auf. Es ist übrigens auch eine Belohnung auf den Kopf dieses Diebes ausgesetzt. Wer zu seiner Ergreifung beiträgt, bekommt zwei Silberstücke!

    „Dann werde ich die Augen besonders weit offen halten", versicherte Faragan.

    Wenig später war der Soldat gegangen. Thobin hörte seine Schritte noch längere Zeit. Er kletterte aus der Truhe heraus, in der sich Kleidungsstücke, Waffen und Riemen befanden, die wohl zum Zaumzeug eines Pferdes gehörten.

    „Gilt dein Angebot jetzt auch noch, da du von der Belohnung erfahren hast?", fragte Thobin.

    Faragan nickte.

    „Es gilt."

    „Die zwei Silberstücke wirst du von mir bekommen. Und auch dieses Versprechen gilt!" 

    Kapitel 3: Pendrasil, der Finstere

    Thobin blieb also in Faragans Haus. Und obwohl der Trork Shrrr dem Straßendieb zuerst sehr kritisch gegenüberstand, schien auch der ungestüme, augenlose Riese sich an Thobin zu gewöhnen.

    Davon abgesehen verstand Thobin auch immer besser, was Shrrr mit seinem Geknurre und Gegurgel jeweils wollte. Mitunter hatte der Straßendieb sogar das Gefühl, erspüren zu können, was der Trork dachte. Das war ihm schon früher so gegangen und gehörte zu den besonderen Fähigkeiten, die für ihn seit frühester Kindheit selbstverständlich waren. Er konnte auch bei sehr wenig Licht viel besser sehen, als andere Menschen. Katzenauge hatte man ihn deswegen früher manchmal genannt. Sein Gehör war äußerst empfindlich und ab und zu kam es vor, dass er glaubte, Gedanken hören zu können. Etwa dann, wenn er sich sehr stark in jemanden hinein versetzte, sich auf denjenigen einstellte und versuchte, vorherzusehen, was er als nächstes tun würde.

    Für einen Dieb war das eine sehr praktische Fähigkeit, die ihm schon oft gute Dienste geleistet hatte. Dass andere Menschen darüber nicht verfügten, war ihm erst nach und nach aufgefallen.

    Zu diesen Fähigkeiten gehörte es auch, mit der Konzentration von Gedanken die Flugbahn eines Armbrustbolzens abzulenken. Aber das war etwas, worauf er sich wirklich nur im Notfall verlassen wollte. Denn manchmal funktionierte es und manchmal auch nicht. Woran das dann lag, konnte er nicht erklären. Auf jeden Fall war es das Beste, bewaffneten Stadtwachen immer auszuweichen.

    ––––––––

    In den nächsten Tagen verließ Thobin Faragans Haus nicht.

    Und das war auch sicher das Beste, was er tun konnte, denn in den Straßen des Hafenviertels von Aratania sah man in diesen Tagen besonders viele Soldaten der Stadtwache. Es sprach sich herum, dass ein besonders dreister Dieb in die Bibliothek des Großkönigs eingebrochen war, die bis dahin alle für vollkommen einbruchssicher gehalten hatten. Und es machte auch die Runde, dass der Dieb offenbar eine wertvolle magische Schrift gestohlen hatte.

    Herolde verkündeten lauthals an den Straßenecken, dass jeder, der dieses Buch ankaufen würde, mit schlimmster Bestrafung zu rechnen hätte und als genauso schuldig angesehen würde wie der Dieb selbst.

    Damit sollten wohl die Schwarzhändler von Aratania abgeschreckt hatten, von denen bekannt war, dass der Großteil ihrer Waren gestohlen waren oder aus anderen zweifelhaften Quellen stammten.

    ––––––––

    In der dritten Nacht, die Thobin in Faragans Haus verbrachte, klopfte es weit nach Mitternacht an der Tür.

    Faragan und Shrrr erwachten sofort.

    Thobin hingegen hatte sich längst von seinem Lager, das aus zwei Strohsäcken bestand und neben dem Ofen zu finden war,  erhoben. Er war bereits auf halbem Weg zu Tür, als Faragans Stimme ihn zurückhielt.

    Es war ziemlich dunkel. Nur die Glut des Ofenfeuers spendete einen schwachen Lichtschimmer. Für Thobins Auge reichte das und Shrrr orientierte sich ja ohnehin mit seinen Trork-Sinnen. Nur Faragan konnte bloß ein paar Schatten sehen.

    „Sag mal, erwartest du etwa Besuch oder hast du Sehnsucht nach dem Kerker?, flüsterte der ehemalige Gardist des Großkönigs. „Verschwinde! Versteck dich oder flieh durch den Hinterausgang, du Narr! Über Mauern klettern kannst du doch!

    Es klopfte erneut, diesmal heftiger.

    „Aufmachen!", ertönte eine dumpfe, sehr tiefe Stimme.

    „Einen Moment!", rief Faragan laut, ging zum Ofen und entzündete mit einem Holzspan eine Öllampe, sodass es etwas heller war.

    „Das ist für mich, behauptete Thobin flüsternd. „Keine Sorge, es ist kein Soldat!

    Shrrr bestätigte das durch ein Knurren. Offenbar sagten die geheimnisvollen Trork-Sinne ihm dasselbe. Faragan hingegen griff nach seinem Schwert. Er schien der Sache nicht zu trauen.

    Der Türriegel löste sich von selbst.

    Mit einem Ruck flog jetzt die Tür zur Seite. 

    Als ob eine unsichtbare Hand sie zur Seite gerissen hätte, knallte sie nur so gegen die Wand.

    Eine dunkle, nur als schattenhafter Umriss erkennbare Gestalt stand dort im Freien, gekleidet in eine bodenlange Kutte deren Kapuze tief ins Gesicht gezogen war. Auch der Schein der Öllampe erhellte die Finsternis darunter nicht.

    „Warum lässt du mich warten?" Der Düstere sprach diese Worte nicht laut aus. Es war nur ein Gedanke, der Thobin erreichte. Ein Gedanke, der so intensiv und aufdringlich war, dass er in seinem Kopf schmerzte.

    Thobin stöhnte auf.

    „Pendrasil!", entfuhr es ihm.

    „Ich habe dir angekündigt, dass ich dich finden werde, nachdem du deinen Auftrag ausgeführt hast, Straßendieb!", stellte Pendrasil fest – und diesmal nicht nur mit einem eindringlichen Gedanken, sondern auch mit seiner sehr tiefen, dröhnenden Stimme.

    Der Düstere trat einen Schritt in den Raum hinein.

    Dann streckte er seine linke Hand aus. Der schwache Schein der Öllampe zeigte sechs Finger, so knorrig wie die Finger einer Totenhand. „Gib mir, was mein ist!"

    Thobin, der das gestohlene Buch in Elbenschrift die ganze Zeit über stets unter seinem Wams getragen und nie aus den Augen gelassen hatte, holte es nun hervor. Dass Pendrasil irgendwann einmal auftauchen würde, um sich die Beute abzuholen und ihn auszuzahlen, hatte er gewusst – nur nicht, wann das der Fall sein würde. Zwar hatte es den jungen Dieb anfangs verwundert, dass Pendrasil weder Ort noch Zeit für dieses Treffen festlegen wollte, aber der seltsame Sechsfingrige hatte ihm versichert, ihn überall aufspüren zu können. Vermutlich mithilfe von Magie. Aber da Pendrasil ihm bereits eine Münze im voraus gegeben hatte und die Menge an Silber, die Thobin für seinen Diebstahl erhalten sollte, so fantastisch hoch war, hatte er alle Zweifel beiseite geschoben.

    Thobin hielt das Buch in Elbenschrift in der Rechten, aber er zögerte, es Pendrasil zu geben.

    „Na, los!", verlangte der Düstere und Thobin spürte plötzlich, wie eine unheimliche Kraft an dem Buch zu ziehen begann. Wenn er es nicht fest im Griff gehabt hätte, dann wäre es ihm in diesem Moment zweifellos einfach aus der Hand gerissen worden.

    „Was ist mit dem Silber, dass du mir versprochen hast?", fragte Thobin, der inzwischen ein sehr mulmiges Gefühl bei der Sache hatte.

    „Gib mir das Buch!", dröhnte jetzt ein Gedanke so schmerzhaft in Thobins Kopf hinein, dass ihm für einen Moment schwindelig wurde. Er machte taumelnd einen Schritt zurück.

    Thobin versuchte alles an innerer Kraft zu sammeln, um sich gegen diesen Einfluss zu wehren. Der düstere Magier – oder wie immer man Pendrasil auch bezeichnen mochte! - hatte offenbar überhaupt nicht die Absicht, Thobin den Lohn für seine Dienste auszuzahlen.

    „Gib her!", drang nun ein weiterer Gedanke wie ein Pfeil in Thobins Geist ein. Er spürte wie ihm das Buch durch magische Kraft aus der Hand gerissen wurde. Einen Augenblick später umfassten es Pendrasils Finger.

    Thobin schwankte. „Heh!" rief er, aber es klang nur wie ein schwaches Ächzen.

    „Was soll das?, mischte sich Faragan ein. „Nennst du das einen fairen Handel! Faragan hatte nur eine einzigen Schritt nach vorn gemacht, da hob Pendrasil die andere Hand. Ein Blitz fuhr aus den dürren Fingern, traf Faragan und schleuderte ihn bis zur Wand. Das Schwert wurde ihm dabei aus der Hand gerissen. Zitternd steckte es im nächsten Moment im Holz eines Deckenbalkens.

    Shrrr wütendes Knurren schien der Magier bereits als Ankündigung eines Angriff aufzufassen. Auch den Trork traf ein Blitz aus Pendrasils Hand. Shrrr wurde gegen ein Regal geschleudert, in dem sich allerlei Tongefäße und Krüge befanden. Das alle ging nun zu Bruch und stürzte auf den aufbrüllenden Trork ein.

    Ehe Thobin noch in der Lage war, etwas zu sagen oder zu tun, hatte sich Pendrasil bereits umgedreht und war gegangen. Die Tür wurde genauso gewaltsam und wie von selbst geschlossen, wie in dem Moment, als Pendrasil Faragans Haus betreten hatte. Mit einem Knall schlug sie zu.

    Das gibt’s doch nicht!, durchfuhr es Thobin, nachdem er wieder einigermaßen klar denken konnte.

    Er griff nach seinem Wurfseil und dem Haken. Beides lag neben seinem Lager. Dann schnellte zur Tür und versuchte, sie aufzureißen. Doch das ging nicht. Obwohl nicht einmal der Riegel davor geschoben war, ließ sie sie sich zunächst nicht öffnen. Thobin nahm seinen gesamten Willen zusammen. Manchmal ließen sich Dinge einfach mit dem Willen beeinflussen. So wie die Bahn eines Armbrustbolzens. Er rüttelte am Türknauf, dann ließ sie sich öffnen.

    Thobin rannte ins Freie.

    Die Straße war dunkel. Selbst in den Gasthäusern war jetzt kein Betrieb mehr. Öllampen, die die ganze Nacht über entzündet waren, leistete man sich höchstens in den Stadtvierteln der Reichen oder im Palast des Großkönigs. Die einzige Ausnahme waren die Leuchtfeuer am Hafen, die Tag und Nacht brannten. Da die Straße, an der Faragans Haus lag, zum Hafen führte, leuchtete deren Licht von dort herüber. Der Magier war als dunkler Umriss zu sehen. Er ging schnellen Schrittes Richtung Hafen.

    „So weit kommt es noch, dass sich ein ehrlicher Dieb bestehlen lassen muss", murmelte Thobin vor sich hin. Er rannte hinter dem Magier her und schleuderte dann seinen Wurfhaken. Aber anstatt, dass sich das Seil um die Füße des Magiers schlang, wurde es durch die Kraft der Magie abgelenkt und zurückgeworfen. Der Wurfhaken kam auf ihn zu. Thobin sprang zur Seite. Der Haken verfehlte ihn knapp, umkreiste ihn mehrfach auf eine Weise, die allen Naturgesetzen widersprach und wickelte Thobin mit seinem eigenen Seil ein. Innerhalb eines Augenblicks lag Thobin eingewickelt und gefesselt am Boden. Er konnte sich nicht mehr rühren und versuchte verzweifelt, sich zu befreien.

    Pendrasil hatte sich bisher nicht einmal umgedreht. Aber jetzt blieb zumindest stehen.

    „So ein Narr wie du sollte nicht versuchen, sich mit mir anzulegen!", erreichte Thobin im nächsten Moment ein so schmerzhafter Gedanke, dass Thobin am liebsten laut aufgeschrien hätte.

    Pendrasil drehte sich nun langsam herum. „Vergiss dieses Buch. Vergiss, dass du mich je getroffen hast..."

    Thobin spürte einen ungeheuren Druck in seinem Kopf. Die geistige Kraft des Magiers schien es darauf abgesehen zu haben, ihn zu brechen. Aber Thobin wehrte sich. Nein, er wollte nichts von dem vergessen, was geschehen war. Ganz im Gegenteil. Eines Tages trafen sie sich vielleicht wieder und dann würde er sich holen, was ihm zustand!

    Thobin spürte, wie es ihm immer schwerer fiel, überhaupt einen Gedanken zu fassen.

    Der Magier griff an seinen Gürtel und holte mit seinen langen, knorrigen Fingern irgend etwas aus dem Lederbeutel, den er dort befestigt hatte, heraus.

    Dann warf er Thobin etwas zu.

    Eine Münze.

    Sie schimmerte kupferfarben und begann in der Dunkelheit zu leuchten. Dann schoss eine Flamme daraus empor und erhellte für einige Augenblicke die ganze Straße bis zum Hafen.

    „Lauf mir nie wieder über den Weg... Straßendieb!"

    Thobin hörte Schritte und dann ein Knurren, wie es nur von einem Trork wie Shrrr stammen konnte.

    „Was ist denn mit dir passiert?, fragte Faragan und begann damit, Thobin von seinen Fesseln zu befreien. „Du hast dich da mit einem wahren Ungeheuer eingelassen... Bei allen Göttern, solche Magie habe ich noch nie gesehen!

    Und Shrrr schien derselben Ansicht zu sein, denn er gab einen tiefen Brummlaut von sich.

    Thobin schüttelte das Seil ab und raffte es mitsamt dem Haken einfach zusammen. „Er ist zum Hafen!", rief er.

    „Also dieser Kerl hat Kräfte, die ich weder verstehe noch denen ich irgend etwas auch nur entfernt Gleichwertiges entgegensetzen könnte, gab Faragan zu bedenken. „Und so, wie ich das gerade mitgekriegt habe, ist das bei dir dasselbe! Also kann ich nur empfehlen, sich mit dem Kerl nicht noch anzulegen!

    „Feigling", murmelte Thobin und rannte in Richtung Hafen – dorthin, wo der Magier verschwunden war.

    Unzählige Schiffe lagen an den Kaimauern vertäut. Die Leuchtfeuer markierten genau, wo die äußere Hafenmauer verlief, die einen weit ins Meer hineinreichenden Halbkreis beschrieb. Dazu schien ein fahler Vollmond vom Himmel.

    Ein Schiff war gerade ausgelaufen. Die Segel hatte man nicht gesetzt, da Windstille herrschte. Es war allerdings auch nicht das Platschen von Rudern zu hören, die ins Wasser getaucht wurden. Obwohl das Schiff weder ruderte noch segelte, nahm es ziemlich Fahrt auf. Eine geisterhafte, magische Kraft bewegte es geradewegs auf das freie Meer zu.

    Am Bug stand der düstere Magier und blickte zurück. Er schien Thobin zu bemerken und winkte ihm zu.

    Der Gedanke, den Pendrasil dem Dieb jetzt sandte, war nicht in Worte zu fassen. Er bestand einfach nur in einem triumphierenden Gelächter, das dröhnend in Thobins Kopf widerhallte.

    Faragan und Shrrr erreichten wenig später ebenfalls den Hafen.

    Sie fanden Thobin an der Kaimauer stehend, wie er dem entschwindenden Schiff des Magiers nachsah.

    „Ich fürchte, ich werde dir wohl kaum zwei Silberstücke zahlen können, meinte er. „Mein Auftraggeber hat mich geprellt!

    Faragan legte Thobin eine Hand auf die Schulter.

    „Vielleicht wäre dies der Moment, dich von diesem unsicheren Diebesgewerbe zu verabschieden!, meinte er. „Du siehst doch, was dabei passieren kann – und im Endeffekt bist du dich noch glimpflich davongekommen!

    „Glimpflich? Ich habe mein Diebesgut verloren und bin um meinen Lohn betrogen worden? Das nennst du glimpflich?", ereiferte sich Thobin.

    „Es gibt schlimmeres."

    „Ja, ich weiß, ich hätte im Kerker enden können – und ausgeschlossen ist das ja auch noch immer nicht!"

    „Oder dieser Magier hätte dir das Seil mit Hilfe seiner Kräfte so um deinen Körper gewickelt, dass du erwürgt worden wärst..."

    Thobin atmete tief durch.

    Nein, dachte er. Das konnte er nicht – obwohl er es vielleicht versucht hat... Die eigenartige Kraft, die in Thobins Innerem schlummerte, und die er selbst einfach nur seinen Willen nannte, hatte das verhindert. Davon war der junge Dieb inzwischen überzeugt.

    Auf den Gedanken, dass er selbst vielleicht auch so etwas wie ein Talent zur Magie hatte, war er bisher nicht gekommen. Allein der Gedanke war für ihn schon zu absurd gewesen, als dass es sich gelohnt hätte, weiter darüber nachzudenken. Davon abgesehen hatte es immer andere, einleuchtendere Erklärungen für das eine oder andere eigenartige Geschehnis gegeben.

    „Sieh das alles mal von der anderen Seite: Du bist dieses verfluchte Buch los und das bedeutet auch, dass es niemand mehr bei dir finden und dich deswegen festnehmen kann", hörte er Faragan sagen und Shrrr schien diese Sichtweise zu teilen, denn er ließ einen zustimmenden Grunzlaut hören.

    „Kommen andere Tage und bessere Beute, murmelte Thobin. „Altes Diebessprichwort...

    Kapitel 4: Emwén, die Heilerin

    Thobin blieb auch die nächsten Tage in Faragans Haus, half hier und da in der Schmiedewerkstatt mit und sah ansonsten interessiert zu.

    „Die besten Waffen schmiedet man sich selbst, sagte Faragan. „Dann weiß man, dass man sich auf eine Klinge auch verlassen kann und sie nicht schon beim ersten Übungskampf zu Bruch geht – was leider häufiger vorkommt, als man glaubt. Selbst bei der Garde hatten wir manchmal Schwerter... Ich sag dir, die waren von miesen Betrügen geschmiedet und dem Großkönig billig angeboten worden!

    Thobin erfuhr nun auch, warum die Lumpen, unter denen er sich bei seiner Flucht vor den Wächtern versteckt hatte, so furchtbar stanken. Faragan wickelte darin nämlich normalerweise Hühnerdreck ein, den er sich von Händlern auf dem Markt besorgte und später dem Stahl beimengte. „Ich habe mir alles selber beigebracht, meinte er immer wieder und schien besonders darauf sehr stolz zu sein. „Und wenn du willst, zeige ich dir nach und nach, wie es geht...

    „Es sieht anstrengend aus, meinte Thobin. „Anstrengender als die Arbeit eines Diebs. Aber vielleicht schadet es nichts, etwas dazuzulernen.

    „Das will ich meinen!", stimmte Faragan zu.

    ––––––––

    Hin und wieder verkaufte Faragan auch eines seine Schwerter an ausgewählte Kunden. Hohe Herrschaften aus dem aratanischen Adel zumeist, die für eine einzelne Klinge mehr ausgeben konnten, als ein Handwerker in einem halben Jahr verdiente.

    ––––––––

    Mit der Zeit schwand bei der Stadtwache offenbar der unbedingte Wille, den Dieb des Buches in Elbenschrift doch noch zu fangen. Jedenfalls hörte man bald keine Herolde mehr von ausgesetzten Belohnungen sprechen und auch die Soldaten schienen nun mit anderen Dingen beschäftigt zu sein. Thobin wagte sich schließlich wieder ins Freie, erkundete die Lage auf dem Markt am Hafen und hörte zu, worüber die Leute redeten. Auch wenn es ihm schwer fiel, so hielt er sich doch beim Stehlen zurück. Schließlich wollte er jetzt auf keinen Fall irgendwie auffallen.

    Inzwischen redeten die Leute fast nur noch von einer Betrügerbande, die mit falschen Gewichten auf dem Markt gute Geschäfte gemacht hatte. Aufgebrachte Bürger gingen auf Händler los und die Soldaten der Stadtwache hatten alle Hände voll zu tun, um sie auseinander zu bringen.

    Gut so, dachte Thobin. Dann wird sich hoffentlich bald niemand mehr an mich erinnern.

    Einen Augenblick blieb er bei einem Marktstand stehen, an dem eine Tinktur angeboten wurde, die angeblich die Haare färben konnte. Thobin überlegte, ob das nicht etwas für ihn  war, den schließlich musste er ja nach wie vor stets damit rechnen, dass ihn einer der Soldaten, die ihm auf den Fersen gewesen waren, wiedererkannte. Und wenn er sein Äußeres etwas veränderte, war die Wahrscheinlichkeit dafür vielleicht etwas geringer.

    Aber dann entschied er sich dagegen.

    Als er ein paar Angehörige der Stadtwache sich durch die Menge drängeln sah, verdrückte er sich schnell seitwärts und verbarg sich hinter dem Handwagen eines Obsthändlers.

    ––––––––

    Es war ein paar Tage später, als Thobin erneut mitten in der Nacht durch ein Geräusch geweckt wurde. Er lag auf seinen Strohsäcken neben dem Ofen und hörte, wie zwei Pferde herangaloppierten und vor Faragans Haus anhielten. Jemand stieg aus dem Sattel. Es war eine leichte Person, wie Thobin sofort zu hören vermochte.

    Es klopfte.

    „Ist hier das Haus von Faragan, dem Meister des Schwertkampfes und der Schmiedekunst? So öffnet!"

    Es war eine helle, klare und vor allem weibliche Stimme, die da ertönte.

    Faragan war sofort auf den Beinen. Er entzündete eine Öllampe und wandte sich flüsternd an Thobin. „Verdanke ich dir jetzt wieder irgendeinen unangenehmen Besuch?", wisperte er.

    „Ich habe mein Diebeshandel nicht mehr ausgeübt seit ich bei dir wohne. Ehrenwort", flüsterte Thobin.

    „Das Ehrenwort eines Diebes."

    „Aber das ist mehr wert als das jener Händler, die auf dem  Markt mit falschen Gewichten betrogen haben."

    Es klopfte erneut.

    „Meister Faragan! Ich muss Euch dringend sprechen! Bitte öffnet mir!", sagte die weibliche Stimme erneut, diesmal noch drängender.

    Shrrr, der inzwischen auch wach war, ließ einen Laut hören, den Thobin nicht zu deuten vermochte und wie der junge Dieb ihn auch noch nie zuvor von dem Trork gehört hatte.

    „Was meint er?", wisperte Thobin an Faragan gerichtet.

    „Diesmal hat er nur Blähungen, erwiderte Faragan leise. „Versteck dich in der Truhe! Sofort! Laut fuhr er dann fort. „Noch einen Moment Geduld!"

    „Ich bin einen weiten Weg geritten, um Euch zu finden, Meister Faragan! Und man hat mir Eure Dienste sehr empfohlen! Also lasst mich nicht vor der Tür stehen!"

    Faragan wartete bis Thobin in der Truhe verschwunden war. Dann öffnete er. Shrrr hatte inzwischen noch eine weitere Öllampe entzündet, sodass es einigermaßen hell im Raum war. Trotz seiner gewaltigen sechsfingrigen Pranken war der augenlose Riese dabei überraschend geschickt.

    Thobin blinzelte derweil durch einen winzigen Spalt im Holz der Truhe.

    Er sah, dass eine Frau den Raum betrat.

    „Was ist mit Eurem Begleiter?", fragte Faragan und meinte damit wohl den zweiten Reiter, den Thobin gehört hatte.

    „Er wird draußen warten und uns gegebenenfalls warnen..."

    „Warnen?"

    „Wenn Gefahr besteht. Ich werde Euch alles so rasch wie möglich erklären, Meister Faragan."

    „Nennt mich nicht Meister! Ich bin nie in die Schmiedemeisterzunft aufgenommen worden, weil ich auf andere Weise meine Arbeit zu tun pflege, als es die Regeln vorschreiben! Aber dafür sind meine Schwerter auch besser als das meiste Blech, das anderswo zusammen gehauen wird!"

    „Ein Meister ist, wer die Fähigkeiten eines Meisters besitzt, unabhängig davon, ob er dafür anerkannt wird oder nicht."

    Sie schlug die Kapuze ihres Umhangs zurück, während Faragan kurz zu ihrem Begleiter hinaus blickte und dann die Tür schloss.

    Das Licht der beiden Öllampen fiel in ein elfenbeinfarbenes Gesicht mit etwas schräg gestellten, dunklen Augen. Das blauschwarze, schimmernde Haar fiel ihr weit über die Schultern. Spitze Ohren stachen daraus hervor.

    Eine Frau aus dem Volk der Elben, ging es Thobin durch den Kopf. Die Elben lebten weit im Norden in ihrem Reich Elbiana. Man sagte ihnen ein sehr langes Leben und eine besondere Begabung für die Magie nach.

    Auf ihrer Brust trug die Elbin ein Amulett, das Thobin schon einmal gesehen hatte. Es bedeutete, dass diese Frau eine Heilerin war. Immer wieder kam es vor, dass Elbenheiler ihre Dienste auch in den Ländern der Menschen anboten und allein in Aratania gab es einige von ihnen, die durch ihre Kunst reich geworden waren.

    Die Elbin wandte den Kopf, ließ den Blick durch den Raum schweifen, so als suchte sie etwas und wandte sich dann an Faragan.

    Thobin konnte sich nicht erinnern, schon jemals ein so schönes und ebenmäßiges Gesicht gesehen zu haben. Ihre Stimme klang sanft und voll. Ein eigenartiger Zauber ging davon aus.

    „Ich bin Emwén, Heilerin aus Elbenhaven, sagte sie. „Und da draußen wartet Ylandor auf mich, ein Hauptmann aus der Leibwache von Elbenkönig Daron. Er soll mich begleiten und auf mich aufpassen... Ihr müsst Faragan sein!

    „Der bin ich!, versicherte der Angesprochene und deutete neben sich. „Und dies ist mein Gefährte Shrrr, vor dem Ihr Euch nicht zu fürchten braucht!

    Ein dumpfer Ton kam zur Bestätigung aus dem Maul des Trork.

    Die Elbin verzog schmerzverzerrt das Gesicht.

    „Nicht, murmelte sie. „Wir Elben haben sehr empfindliche Sinne. Ein solcher Ton dröhnt mir fast unerträglich in den Ohren. Wenn man mich doch wenigstens vorwarnen könnte, dann wäre es für mich möglich, dass ich mich darauf einstelle und mein Gehör etwas abschirme...

    Der Trork machte eine hilflose Geste. Man sah ihm an, dass er eigentlich gerne noch irgendeinen Laut hinterher geschickt hätte, aber stattdessen öffnete er nur das Maul und atmete einmal tief durch.

    „Shrrr hatte bisher wenig Umgang mit Elben, sagte Faragan entschuldigend. „Aber ich bin mir sicher, dass er sich darauf einstellen wird...

    „Danke."

    „Und nun sagt mir bitte, weshalb Ihr mich mitten in der Nacht aus dem Bett holt und was Ihr von mir wollt!"

    „Einen Moment... Emwén blickte sich erneut suchend um. „Es ist hier noch eine weitere Person im Raum. Ich höre ihr Herz schlagen. Es ist... seltsam... Sie ging auf die Truhe zu. Thobin sah den Saum des Kleides aus fließender Elbenseide, das sie unter dem Umhang trug. „Ich möchte nicht, dass wir während unseres Gespräches belauscht werden."

    „Keine Sorge, gab Faragan zurück. Er trat neben sie, klopfte mit den Knöcheln seiner Hand auf den Deckel der Truhe. „Du kannst herauskommen, Thobin. Erstens hast du wohl für den feinen Gehörsinn dieser Dame dein Herz zu schnell schlagen lassen und zweitens beschäftigt die Stadtwache auch keine Elbenheilerinnen, sodass wohl keine Gefahr für dich besteht!

    Thobin hob den Deckel der Truhe empor und kletterte daraus hervor.

    Er fühlte sich ziemlich unwohl in seiner Haut.

    „Sei gegrüßt", wandte er sich an Emwén.

    „Du auch", erwiderte die Heilerin mit einem freundlichen Lächeln. Von ihrem jugendlich wirkenden Äußeren her glaubte Thobin, dass sie nicht älter als er selbst war. Andererseits alterten Elben auf eine andere Art als Menschen und es konnte ebenso gut sein, dass sie bereits Jahrhunderte alt war.

    „Das ist mein Gehilfe Thobin. Er wohnt auch hier und es besteht kein Grund, vor ihm etwas geheim zu halten, was wir miteinander zu besprechen haben", erklärte Faragan.

    Er klopfte Thobin auf die Schulter und setzte dann noch hinzu: „Womit auch immer Ihr mich beauftragen mögt, werte Heilerin, so werden mir Thobin und Shrrr vermutlich dabei helfen, sodass ich ihnen dann ohnehin alles sagen müsste, was es über die Angelegenheit zu wissen gilt!"

    Emwén hob den Kopf. „Wie Ihr meint, Faragan!"

    Die Elbin zögerte noch. Sie schien nach den richtigen Worten zu suchen und fand sie schließlich. „Es ist der Elbenkönig Daron persönlich, der mich zu dieser Mission ausgesandt hat, sagte sie. „Und was auch immer hier in diesem Raum heute besprochen wird, es muss unter uns bleiben.

    „Darauf gebe ich mein Ehrenwort!", erklärte Faragan fast schon feierlich.

    „Wie allgemein bekannt ist, ist König Daron streng genommen ein Halbelb, weil seine Mutter eine Menschenfrau war. Der König und seine Zwillingsschwester Sarwen, die jetzt dem Schamanenorden der Elben vorsteht, waren die allerersten Halbelben, auch wenn man ihnen das äußerlich nicht ansieht. Man dachte, dass sie neben den magischen Fähigkeiten ihrer Elben-Vorfahren auch deren lange Lebensspanne geerbt hätten, aber es gibt Anzeichen dafür, dass das nicht so ist."

    „Das ist bedauerlich, aber nichts wobei ich zu helfen vermag", erklärte Faragan.

    Emwén lächelte. „Ihr braucht niemanden zu bedauern. Ein Elb wird so alt, dass niemand genau weiß, wo das Höchstmaß liegt.  Jahrtausende, ganze Zeitalter... Bei Halbelben liegt die Lebensspanne aber vielleicht nur bei tausend Lebensjahren."

    Shrrr konnte sich eines erstaunten Brummlautes nicht enthalten. Wie alt ein Trork wurde, hatte noch niemand erforscht. Und die Trorks galten als so unzivilisiert und wild, dass niemand annahm, sie könnten es selbst schon erforscht haben. Aber das war vielleicht ein Irrtum.

    „Tausend Jahre! Meine Güte, das ist aber um einiges mehr als die Lebensdauer eines Menschen", meinte Thobin.

    Emwén wandte den Kopf in seine Richtung und ihre dunklen Augen musterten ihn. Zwischen ihren schräg gestellten Augen entstand plötzlich eine kleine Falte. „Mit dir stimmt etwas nicht!", nahm Thobin einen Gedanken in aller Deutlichkeit wahr, der zweifellos von Emwén stammte.

    Laut sagte die Elbin: „Es bedeutet, dass unser König bereits in etwa fünfhundert Jahren sterben könnte. Wenn das bekannt wird, könnte es zu Unruhen in unserem Reich kommen – denn es gibt nicht wenige, die es ablehnen, dass ein Halbelb der König von Elbiana geworden ist."

    „König Daron ist sicher in einer bedauernswerten Lage, sagte Faragan etwas spöttisch. „Zu wissen, dass man in fünfhundert Jahren bereits wahrscheinlich sterben muss, das kann einen schon um den Verstand bringen – wobei ich mich natürlich frage, wie Ihr das vorherzusagen vermögt...

    „Seid versichert, dass die Heiler der Elben so etwas untersuchen können!, versetzte Emwén jetzt etwas ärgerlich. Und gereizt. „Mir vertraut König Daron allerdings – ebenso wie Ylandor. Denn König Daron und ich sind von demselben Problem eines für elbische Verhältnisse kurzen Lebens betroffen.

    „Oh, murmelte Faragan. „So seid auch Ihr auch eine Halbelbin?

    „Es gab in den letzten Jahrhunderten immer häufiger Verbindungen zwischen Elben und Menschen, aus denen Kinder hervorgingen." Emwén holte aus einer Tasche, die sie am Gürtel trug, ein in fein gearbeitetes Leder gebundenes Buch hervor und legte es auf den Tisch in der Mitte des Raumes. Thobin glaubte seinen Augen nicht zu trauen. Er konnte zwar  die elbische Schrift nicht lesen – aber die Elbenrune, die den Einband verzierte, erkannte der Dieb sofort wieder.

    Es war das gleiche Schriftzeichen, wie auf jenem Buch, das er in Pendrasils Auftrag geraubt hatte.

    „Bei diesem Buch handelt es sich um die Übersetzung eines Textes, der aus der Zeit stammt, als es weder Menschen noch Elben hier im Zwischenland gab. Niemand weiß, wer diesen Text verfasst hat – aber es ist darin von einer Verborgenen Stadt die Rede. Und in dieser Verborgenen Stadt soll das Geheimnis der Unsterblichkeit zu finden sein."

    Faragans Augen wurden schmal. „Und danach seid Ihr auf der Suche?"

    „Ich habe gehört, dass Ihr schon einmal die Verborgene Stadt gefunden

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