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Das Kreuz des Himmels
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eBook278 Seiten3 Stunden

Das Kreuz des Himmels

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Über dieses E-Book

"Annette Oppenlander hat die Geschichte zum Leben erweckt ... Mehr noch, sie hat sich eine unglaubliche Wendung am Ende ausgedacht ..." Readers' Favorite

Eine bewegende Geschichte über den Kampf einer Frau um den Erhalt ihres geliebten Klosters, eine fesselnde Abhandlung über Mut und Beharrlichkeit – inspiriert von einer wahren Begebenheit.

Südtirol, Kloster Säben, 1796: Die Benediktinerin Magdalena lebt mit ihren Mitschwestern in der Abtei Säben, einem abgeschiedenen Kloster auf einem Felsen hoch über dem Eisacktal, das nur durch einen mühsamen Aufstieg zu erreichen ist. In diesem einfachen Leben aus Arbeit, Gebet und Lektüre fühlt sich Magdalena geborgen und sicher, dass ihr Geheimnis für immer verborgen bleiben wird.

Bis einhundertsiebzig Tiroler Soldaten Einlass verlangen, denn Napoleons Armee ist auf dem Vormarsch. Während die Welt, die Magdalena so sorgfältig aufgebaut hat, zusammenbricht, muss sie eine Entscheidung treffen: das Kloster verlassen, um sich ihren Mitschwestern in der Sommerresidenz des Bischofs anzuschließen, oder für die Rettung des Klosters kämpfen – auch wenn es sie alles kosten könnte.

SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum11. März 2023
ISBN9783948100407
Das Kreuz des Himmels
Autor

Annette Oppenlander

Annette Oppenlander is an award-winning writer, literary coach and educator. As a bestselling historical novelist, Oppenlander is known for her authentic characters and stories based on true events, coming alive in well-researched settings. Having lived in Germany the first half of her life and the second half in various parts in the U.S., Oppenlander inspires readers by illuminating story questions as relevant today as they were in the past. Oppenlander’s bestselling true WWII story, Surviving the Fatherland, was a winner in the 2017 National Indie Excellence Awards and a finalist in the 2017 Kindle Book Awards. Her historical time-travel trilogy, Escape from the Past, takes readers to the German Middle Ages and the Wild West. Uniquely, Oppenlander weaves actual historical figures and events into her plots, giving readers a flavor of true history while enjoying a good story. Oppenlander shares her knowledge through writing workshops at colleges, libraries and schools. She also offers vivid presentations and author visits. The mother of fraternal twins and a son, she recently moved with her husband and old mutt, Mocha, to Solingen, Germany.

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    Buchvorschau

    Das Kreuz des Himmels - Annette Oppenlander

    ANNETTE OPPENLANDER

    © 2023 Annette Oppenlander

    Umschlaggestaltung, Illustration: fiverr.com/akira007 und fiverr.com/cal5086

    Lektorat, Korrektorat: Kristina Butz

    Übersetzung: Annette Oppenlander

    Herausgeber: Annette Oppenlander, Averesch 93, 48683 Ahaus

    ISBN eBook: 978-3-948100-41-4

    ISBN Taschenbuch: 978-3-948100-42-1

    Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

    Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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    Englisch

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    Surviving the Fatherland: A True Coming-of-age Love Story Set in WWII Germany

    (Historical Biographical Fiction)

    Everything We Lose: A Civil War Novel of Hope, Courage and Redemption (American Civil War)

    Where the Night Never Ends: A Prohibition Era Novel

    A Lightness in My Soul: Inspired by a True Story (WWII Novella)

    Boys No More (Short Story/Novella Collection)

    The Scent of a Storm (WWII and German Reunification)

    So Close to Heaven

    »Du trägst in dir Himmel und Erde.« – Hildegard von Bingen

    Widmung

    Im Laufe der Zeit haben Tausende, wenn nicht Zehntausende von Frauen zum Wohlergehen anderer und zu den Errungenschaften der Menschheit beigetragen. Viele dieser Frauen bleiben namenlos und vergessen. Sie sollen in Erinnerung bleiben und gewürdigt werden.

    Inspiriert von einer wahren Begebenheit

    Sün·de

    /ˈzʏndə, Sǘnde /Sünde/: Eine unmoralische Handlung, die als Übertretung des göttlichen Gesetzes angesehen wird.

    Prolog

    Das lange, dunkle Haar des Mädchens klebt an ihrem Gesicht und Rücken. Der Regen hämmert mit solcher Intensität den Boden, dass die Tropfen wie besessen aufspringen. Das Geräusch von rauschendem Wasser erfüllt die Luft, Bäche und Rinnsale gurgeln und plätschern auf ihrem Weg ins Tal. Es ist dunkel, so dunkel, dass das Mädchen ihre Schritte vorsichtig wählt wie ein Blinder auf einer unbekannten Straße. Und doch kennt sie diese Hügel, diese Wege, die atemberaubenden Aussichten dieser Almen. Sie kennt sie wie nur jemand, der hier aufgewachsen ist.

    In der Ferne reißen Blitze den Himmel auf, beleuchten eine steil aufragende Felswand und die knorrigen, verkümmerten Bäume darunter wie stumpfe schwarze Arme. Die Luft ist kalt hier oben, viel kälter als in dem Tal, aus dem das Mädchen stammt. Der Stoff ihres Rockes ist schwer mit Wasser, Bluse und Mieder sind zu leicht, um den Wind abzuhalten. Sie trägt keinen Mantel, keine Tasche und keinen Rucksack, nicht einmal anständige Schuhe.

    Doch das Mädchen scheint es nicht zu bemerken. Sie geht langsam wie im Traum und doch zielstrebig. Es ist der Ort, den sie verlassen hat, der ihr diese Bestimmtheit gibt. Es ist Frühling, April, ein Monat, in dem die Natur hier oben noch zwischen Winter und Sommer schwankt. Schnee liegt auf den Gipfeln und der Regen ist nicht weit vom Gefrierpunkt entfernt. Bei schönem Wetter küssen diese Gipfel den Himmel, einen Himmel, der ein so tiefes Blau annimmt wie ein Bergsee im Sommer, so klar, dass er fast die Augen versengt.

    In der Morgendämmerung wird das Mädchen langsamer und lässt sich schließlich auf einen Felsen sinken. Sie streicht die Haare aus dem Gesicht und schlingt die Arme um sich, während weiße Wolken von ihre Lippen aufsteigen. Ihr Blick wandert in die Richtung, aus der sie gekommen ist, als erwarte sie einen Angriff. Sie ist ein hübsches Ding, ihre Augen haben das warme Braun von Kastanien, ihr Mund ist großzügig, wenn auch mit einer störrischen Ader versehen. Das Rotbraun ihrer Augen wiederholt sich in ihrem Haar, die satte, erdige Farbe eines schönen Herbsttages. Ein Kratzer, der inzwischen verkrustet ist, zieht sich über ihre rechte Wange. Er ist tief und muss wehtun, aber in den Zügen des Mädchens ist kein Schmerz zu erkennen, nur Besorgnis.

    Als ein Reh aus dem Wald bricht, springt sie auf und geht weiter den Weg hinunter. Unter ihr im Nebel liegt ein Dorf, eines von vielen, das sich zwischen die Berge Norditaliens quetscht, eine Region, die sie Südtirol nennen.

    Aber das Mädchen geht nicht abwärts. Sie eilt den Bergpfad entlang, ihre Schritte sind trotz der ungeeigneten Schuhe, der rutschigen Steine und des Schotters sicher. Nur die Pausen werden immer länger und häufiger. Das Mädchen ist müde. Irgendwann trinkt sie aus einem der zahlreichen Bäche, die ihren Weg kreuzen, dann zieht sie ihre Schuhe aus und massiert sich die Füße. Sie ist schlank, nicht knochig, ihr Körper der einer ausgewachsenen Frau, die Hüften schmal mit kleinen Brüsten unter dem Mieder aus grünem Leinen.

    Gegen Mittag wird sie langsamer. Die Sonne sticht schwach durch die Wolken und beleuchtet die ersten Wildblumen auf den Wiesen, die sich Hunderte von Metern über die Hügel erstrecken. Hier oben zieht sich der Himmel ewig hin, ein blau-weißer Baldachin der Unendlichkeit.

    Schließlich bleibt sie stehen. Wieder wandert ihr Blick zu dem Weg, den sie gekommen ist, dann wendet sie sich erneut in die andere Richtung. Unsicherheit umspielt ihre Züge, ihr Kinn zittert.

    Irgendwann beginnt das Mädchen wieder zu klettern – weiter, immer weiter hinauf, über den nächsten Berggipfel. Es ist inzwischen Nachmittag und ihr Tempo ist träge. Doch sie hält nicht mehr an, sie geht weiter, vorbei an den Dörfern unter ihr, deren rote Dachziegel die letzte Sonne reflektieren und bald wieder im Schatten der Berge verschwinden.

    Irgendwo blöken Schafe, ein einsamer Klang, der über die steilen Felsen treibt. Das Mädchen nähert sich einer winzigen Hütte aus grob behauenem Lärchenholz mit einem steinernen Kamin, nicht größer als drei mal drei Meter. Im schwindenden Licht schlüpft sie hinein und stöbert in den wenigen Töpfen und Behältern nach Essbarem. Da sie nichts findet, kniet sie sich vor den Kamin und zündet mit einem Feuerstein Reisig an. Sie legt Holz auf und drängt sich nah an die Flamme.

    In einer Ecke entdeckt das Mädchen ein mottenzerfressenes Schafsfell. Sie wickelt sich darin ein und rollt sich vor dem Feuer zusammen, schläft ein, wie es nur die Erschöpften können.

    Irgendwo draußen, fünf oder sechs Kilometer weiter östlich, tragen drei Männer Fackeln. Sie rufen: »Mariele, Mariele, wo bist du?«

    Das Mädchen hört sie nicht. Sie schläft traumlos, während ihre Glieder einen Teil der Wärme in sich aufsaugen.

    In den frühen Morgenstunden wird sie ruckartig wach. Sie weiß nicht, warum, sie spürt nur, dass etwas nicht stimmt. Wie die haarigen Beine einer Großen Winkelspinne krabbelt Bangigkeit ihren Rücken hinauf. Sie richtet sich auf und hängt sich das Schafsfell um die Schultern ... und lauscht. Draußen wirft der schmale Mond tiefe Schatten auf die zerklüfteten Bergspitzen. Drinnen ist das Feuer erloschen.

    Stimmen, fast unhörbar, dringen in die Hütte und es ist unmöglich zu erkennen, woher sie kommen. Ein Ruck durchfährt das Mädchen, ergreift ihre schlanke Gestalt, bis sie von Kopf bis Fuß zittert. Sie eilt zur Tür, öffnet sie vorsichtig und horcht. Es ist zu dunkel, um viel zu sehen, ein schwerer Nebel liegt über den Wiesen. Die eisige Luft krabbelt unter ihre Haut, noch tiefer, in ihre Knochen. Sie zittert heftiger, aber sie lauscht, ohne einen Schritt zu tun.

    Die Stimmen werden lauter. »Sie kann nicht so weit gekommen sein, nicht bei diesem Wetter. Sie hat keinen Mantel ... trägt ihre guten Schuhe.«

    »Ich weiß nicht, warum sie das getan hat«, verkündet eine andere Stimme. »Das macht keinen Sinn. Sie ist immer vernünftig gewesen.« Die Stimme dieses Mannes ist leiser als die der anderen, älter, aber sie erreicht das Mädchen leicht. Diese Stimme fürchtet sie am meisten, sie wünscht sich, sie möge verschwinden.

    »Wir sollten uns beeilen. Irgendwo hier in der Nähe ist die Hütte eines Schafhirten. Vielleicht wartet sie auf den Morgen, um zu uns zurückzukehren ...«

    Das Mädchen schleicht nach draußen. Die Stimmen sind jetzt ganz nah, so nah, dass sie das Mädchen jeden Moment entdecken werden. Schnell duckt sie sich und schleicht sich auf die andere Seite der Hütte. Dort lagert unter einem Überhang Holz. Dahinter öffnet sich ein kleiner Raum, der nicht mehr als einen halben Meter breit ist. Das Mädchen klettert in das Loch und zieht sich das Schafsfell, das sie immer noch umklammert, über den Kopf.

    Auf der anderen Seite werden nun Stimmen laut ... lebhaft. »Hier ist es. Ich wusste, es ist nah.« Es ist die Stimme des älteren Mannes. Triumph schwingt in ihr mit, aber auch etwas anderes, etwas Dunkles und Bedrohliches.

    »Ist niemand hier«, sagt die zweite Stimme. »Der Kamin ist aber noch warm.«

    »Sie muss hier gewesen sein.« Irritation schwingt in der Stimme des älteren Mannes. »Ich weiß es einfach.«

    »Vielleicht sollten wir warten und bei Tageslicht suchen.«

    »Unsinn, wir können nicht warten. Ist viel zu gefährlich, sie könnte in den Tod stürzen«, meint eine dritte Stimme.

    »Sie kennt diese Gipfel wie ihre Westentasche«, spottet der ältere Mann. »Ich habe sie schon oft zu anderen Dörfern mitgenommen. Wir werden sie in der Dunkelheit nur übersehen.«

    »Also gut. Es sind nur noch ein paar Stunden bis zum Morgengrauen, lasst uns eine Pause machen.«

    »Was ist mit einer Wache?«

    »Wovor willst du dich schützen? Vor Marieles Angriff?« Raues Lachen folgt.

    »Egal, wir ruhen uns jetzt aus.«

    Draußen klettert das Mädchen vorsichtig aus ihrem Versteck und richtet sich auf. Ihr ist kalt, kälter als je zuvor in ihrem Leben, aber trotz ihrer bläulichen Lippen und steifen Knie schleicht sie auf Zehenspitzen in die Dunkelheit. Erst als sie um die nächste Biegung kommt, beschleunigt sie ihre Schritte. Es ist mühevoll auf dem Geröll, aber sie begrüßt diese Aufgabe, um sich von ihren Verfolgern abzulenken. Steine rutschen, einige rollen in den Abgrund, landen nach einer gefühlten Ewigkeit irgendwo weit unten – ein falscher Schritt kann alles beenden.

    Das Mädchen hält den Blick auf den Pfad und den Abgrund zu ihrer Rechten gerichtet, ihr Mund ist verschlossen, während sie sich von den Männern entfernt, um Abstand zwischen sich und sie zu bringen.

    In der Dämmerung hält sie kurz inne, wirft einen ängstlichen Blick über ihre Schulter. Gegenüber, auf der anderen Seite eines engen Tals, stehen ummauerte Gebäude und mehrere Kirchen. Die Augen des Mädchens richten sich darauf, beobachten, wie die ersten Sonnenstrahlen auf ihren Dächern glitzern. Eine Glocke läutet wie ein Ruf, ein metallischer und doch melodischer Klang, der sich mit Leichtigkeit über die Weite ausbreitet.

    Das Zittern in den Schultern des Mädchens hört auf. Sie starrt weiter auf die Gebäude, die wie ein Adlernest auf dem Felsen thronen, Hunderte von Metern über dem Eisacktal. In ihre Augen tritt ein anderer Ausdruck, einer der Hoffnung. Wenn sie fliegen könnte, wäre sie in wenigen Minuten dort.

    Dann verzieht sie den Mund und etwas Neues zeigt sich in ihren Zügen: Entschlossenheit.

    Teil I

    Kapitel eins

    Kloster Säben, Südtirol, Juli 1796

    Ich sortiere gerade meine Sammlung von Tomaten- und Paprikasamen im Gewächshaus, als Schwester Adelheid durch die Tür stürmt. Ihr rundes Gesicht – alles an ihr ist rund, sogar ihre Hände – ist gerötet. »Schwester Magdalena, komm schnell. Die Äbtissin braucht Sie.«

    Ich verstaue meine geliebten Samen wieder in ihrer Schachtel und folge Schwester Adelheid bergauf. Sie schnappt nach Luft, denn der Hang zum Haupthaus ist steil. Zum Glück bin ich das von meiner täglichen Arbeit im Garten gewohnt.

    »Was ist passiert?«, frage ich, aber Adelheid hebt nur die Arme und der Wind, der hier oben meist lebhaft ist, lässt ihr Gewand flattern und erinnert mich an die Flügel einer Krähe. Sie spricht selten, sogar für eine Nonne, und ich höre auf zu drängen. Selbst jetzt, nach all den Jahren, ist die Sünde der Ungeduld schwer zu beherrschen.

    Äbtissin Mayrin wartet bereits im Eingang des Haupthauses, zusammen mit der stämmigen Gestalt von Kaplan Pater Schweiggl. Wir sind zwar eine Benediktinerinnenabtei, aber Pater Schweiggl ist unser Beichtvater. Er entlässt Adelheid mit einem Nicken und winkt mich und Äbtissin Mayrin heran.

    »Wir müssen beten, Schwester Magdalena, um Kraft und Weisheit.« Äbtissin Mayrins sonst so ruhige Stimme ist angespannt und ich erkenne zwischen ihren zusammengekniffenen Brauen die Verzweiflung. Sie sind dick und dunkel mit grauen Sprenkeln wie die eines Mannes, aber Eitelkeit ist uns im Kloster fremd.

    Pater Schweiggl schweigt, wirft nur seine Kapuze über, um sein kahlgeschorenes Haupt zu bedecken.

    Von jenseits der Mauern dringen Stimmen zu uns, viele Stimmen – die Stimmen von Männern. Wie konnte ich sie bis jetzt überhören?

    »Das Tiroler Heer«, quiekt die Äbtissin. »Schwester Augusta sagt, es sind hundertsiebzig Kämpfer.«

    Augusta ist unsere Torschwester. Sie wurde mit einem Klumpfuß geboren und ist schon seit einem halben Jahrhundert hier.

    »Was wollen sie?«, frage ich. Mein Atem ist nicht mehr ruhig und ich zupfe am Schleier, der mein Gesicht umgibt.

    Vater Schweiggl brummt: »Das werden wir jetzt herausfinden.«

    Schwester Augusta wedelt mit den Armen, als sie uns sieht. Ihre Augen sind vor Sorge geweitet, ihre Wangen brennen, als sie auf uns zuhumpelt. »Sie werden nicht auf uns hören«, sagt sie. »Oh, das dürfen sie nicht.«

    Äbtissin Mayrin ergreift die Hände von Augusta und hält sie fest. »Was dürfen sie nicht?«

    »Sie verlangen Einlass.« Aus dem Munde der Schwester klingt es, als wollten die Männer uns verschlingen.

    »Aber warum?«, fragt die Äbtissin. Ich bin dankbar für ihre Gelassenheit, doch ich spüre auch ihre Besorgnis, die mich wiederum noch mehr beunruhigt. Ich atme tief ein, richte meine Schultern auf – ich muss stark sein.

    Augustas Augen schimmern vor Tränen. Sie ist wahrscheinlich über siebzig und hat Schwierigkeiten zu stehen. »Sie wollen hier wohnen.«

    Schweiggl hebt eine beruhigende Hand. »Lassen Sie mich mit ihnen reden.«

    Gemeinsam schreiten wir zum Tor, wo Männer in traditioneller Arbeitskleidung und dichten Bärten den Weg säumen. Es sind so viele, dass sie sich entlang der hoch aufragenden Mauern um die Kurve und außer Sichtweite schlängeln. Viele von ihnen tragen Musketen, einige Spitzhacken. Alle sehen so aus, als wollten sie uns niedertrampeln.

    Ich schicke ein Gebet um Kraft und Mut gen Himmel. Sie dürfen meine Angst nicht sehen, meine zitternden Knie, die unter der Tunika gut versteckt sind.

    »Ich bitte um Verzeihung«, sagt ein Mann mit jungem Gesicht und lehnt seine Muskete an die Seite des Tores. Er kann nicht älter als zwanzig sein, hat kupferfarbenes Haar, eine lange, gebogene Nase und hohe Wangenknochen. »Ich bin Joachim Haspinger. Wir muss um Einlass bitten. Meine Männer brauchen ein Quartier, um sich auf die französische Armee vorzubereiten.«

    »Auf welchen Befehl?«, fragt Schweiggl.

    »Haben Sie Papiere?« Äbtissin Mayrins rechtes Augenlid zuckt, während sie das Holzkreuz zwischen ihren Fingern knetet.

    Der junge Mann holt ein zerknittertes Blatt mit einem gebrochenen Siegel hervor, dessen Papier an der Stelle, an der sich das Wachs befand, rot gefärbt ist.

    Schweiggl und Äbtissin Mayrin lesen es, während ich versuche, einen Blick darauf zu erhaschen ...

    Unter einem wuchtigen Wappen mit einer rot-goldenen Krone und einem kirschroten Löwen stehen ein paar Zeilen: Auf Anordnung des Kaisers Franz II. ... Das Papier zittert in der Hand von Äbtissin Mayrin und ihr Gesicht ist fast so weiß wie ihre Haube.

    »Sie sollen uns Unterschlupf gewähren«, sagt der junge Mann. Er zögert. »Sie haben doch sicher von General Bonaparte gehört ... vom Krieg?«

    Natürlich haben wir Bruchstücke von Nachrichten gehört. Hier oben spricht es sich nur langsam herum, unsere Abtei ist nur zu Fuß erreichbar, aber wir wissen, dass Napoleon Bonaparte in Italien eingefallen ist und die meisten Schlachten gewonnen hat. Er scheint darauf erpicht zu sein, das zu erobern, was ihm nicht gehört.

    »Wie lange?«, kommt mir über die Lippen, während meine Gedanken zu Benedikts Lehren galoppieren. Gäste sollen willkommen geheißen und bewirtet werden. Mein Herz klopft, als ich auf das Gemurmel der Männer aufmerksam werde, die sich vor dem Tor drängeln. Einige lächeln jetzt, andere sehen verärgert aus, wieder andere wirken müde. Du bist eine Benediktinernonne, schreit mein Verstand. Verhalte dich wie eine.

    Aber das sind keine Pilger. Wie kann ich Gäste willkommen heißen, wenn sie wie wilde Tiere auftauchen, die bereit sind, unser Kloster – unser Zuhause – zu verschlingen?

    »Das wissen wir nicht«, meint der junge Mann. »Wir werden gegen die Franzosen kämpfen, wenn sie hier auftauchen. Die meisten von uns sind aus der Gegend, aber wir brauchen einen Ort zum Exerzieren und Verstecken.«

    »Wir brauchen Zeit zur Vorbereitung«, sagt die Äbtissin entschlossen.

    »Nicht nötig«, sagt der Mann. »Das machen wir schon.«

    »Wir können uns doch sicher einigen.« Schweiggl versucht ein Lächeln, aber der junge Mann Haspinger ignoriert es.

    Er tritt einfach vor und geht an unserer Äbtissin, die mit offenem Mund dasteht, vorbei. Ich ziehe sie zur Seite, bevor der Mob uns überrennen kann. Wie Wassermassen durch einen gebrochenen Damm branden, marschieren die Männer an uns vorbei, die Luft ist getränkt mit dem Gestank ungewaschener Körper und lauernder Blicke.

    Meine Aufmerksamkeit wandert zu einem älteren Mann, der eine gut geölte Muskete trägt. Er ist groß und muskulös und muss ungefähr in meinem Alter sein. Doch etwas in seinem Gesichtsausdruck kommt mir bekannt vor, die schweren Brauen, das Grinsen, das ihn gleichermaßen gefährlich und berechnend erscheinen lässt.

    Meine Knie, dann meine Knöchel werden weich. Ich will mich abwenden, will weglaufen, aber ich trete nur einen Schritt zurück und lehne mich an die Wand neben Schwester Augusta, die sich Luft zufächelt.

    »Was für eine Schande, wie können sie das tun?«, sagt sie, aber ich bin nicht in der Lage, sie anzuschauen oder ein Wort herauszubringen. Der Mann naht mit der Menge und hat uns fast erreicht. Die Narbe, die quer über seine Stirn verläuft und sich im Haaransatz verliert, ist deutlich sichtbar. Es gibt keinen Zweifel mehr, ich kenne diesen

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