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Emily & Amelie: Gefährliche Freundschaft
Emily & Amelie: Gefährliche Freundschaft
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eBook212 Seiten2 Stunden

Emily & Amelie: Gefährliche Freundschaft

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Über dieses E-Book

"Emily & Amelie - Gefährliche Freundschaft" ist der erste Band einer spannenden Tetralogie, die im 19. Jahrhundert spielt und von der geheimen Freundschaft zweier unterschiedlicher Mädchen handelt.

Klappentext:
Mai 1878 Zwischen Emily, einem einfachen Bauernmädchen, und Amelie, der Tochter des wohlhabenden Gutsherrn, entwickelt sich nach einem zufälligen Treffen eine innige Freundschaft, die jedoch ob ihres Standesunterschieds geheim bleiben muss.
Amelies älterer Bruder Fridolin scheint jedoch hinter das Geheimnis ihrer Freundschaft gekommen zu sein und will diese um jeden Preis verhindern. Für Emily und Amelie beginnt eine Zeit voller Aufregungen, Rätsel und Gefahren.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum20. Nov. 2020
ISBN9783752661293
Emily & Amelie: Gefährliche Freundschaft
Autor

Anni Tag

Anni Tag wurde 1991 in Wels geboren. Sie studierte Germanistik und Geschichte in Salzburg und ist seither als Schriftstellerin, Lektorin und Historikerin tätig.

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    Buchvorschau

    Emily & Amelie - Anni Tag

    Emily & Amelie

    Titelseite

    Inhaltsverzeichnis:

    Prolog

    Eine unerwartete Freundschaft

    Ungewöhnliche Begegnungen

    Neue Erfahrungen

    Eine Menge Rätsel

    Ein neuer Anfang

    Impressum

    Klappentext:

    Mai 1878  Zwischen Emily, einem einfachen Bauernmädchen, und Amelie,

    der Tochter des wohlhabenden Gutsherrn, entwickelt sich nach einem

    zufälligen Treffen eine innige Freundschaft, die jedoch ob ihres

    Standesunterschieds geheim bleiben muss. 

       Amelies älterer Bruder Fridolin scheint jedoch hinter das Geheimnis ihrer

    Freundschaft gekommen zu sein und will diese um jeden Preis verhindern.

    Für Emily und Amelie beginnt eine Zeit voller Aufregungen, Rätsel und 

    Gefahren.

    Über die Autorin:

    Anni Tag wurde 1991 in Wels geboren. Sie studierte Germanistik und Geschichte in Salzburg und ist seither als Schriftstellerin, Lektorin und Historikerin tätig. 

    In dieser Reihe gibt es vier Teile:

    „Emily & Amelie – Gefährliche Freundschaft"

    „Emily & Amelie – Getrennte Wege"

    „Emily & Amelie – Verborgene Abgründe"

    „Emily & Amelie – Dunkle Geheimnisse"

    Weitere Bücher der Autorin:

    „Die Kinder vom Silbertal und der verborgene Schatz"

    „Die Kinder vom Silbertal und die geheimnisvolle Ruine"

    „Die Kinder vom Silbertal und der rätselhafte Fremde"

    „Die Kinder vom Silbertal und das geheime Versteck"

    „Die Kinder vom Silbertal und der verschwundene Junge"

    Liste der vorkommenden Personen:

    Familie Stones:

    Emily: ein Bauernmädchen

    Tony: Emilys älterer Bruder

    Willi: Vetter von Emily und Tony

    Frau Stones: Mutter von Emily und Tony

    Herr Stones: Vater von Emily und Tony

    Familie Amalsberger:

    Amelie: Tochter des Gutsherrn

    Josef: ältester Sohn des Gutsherrn

    Fridolin: mittlerer Sohn des Gutsherrn

    Alexander: jüngster Sohn des Gutsherrn

    Herr Amalsberger: Gutsherr

    Regina: Amelies Zofe

    Karoline: Hausmädchen

    Johann: Kutscher des Gutes

    Max: Knecht auf dem Gutshof

    sonstige Personen:

    Herr Blauberger: Dorfschullehrer

    Victoria: Emily beste Freundin

    Erika & Magdalene: Freundinnen von Emily

    Barbara & Bertha: Zwillinge, leben auf dem Nachbarhof der Stones

    Stephan: Willis bester Freund und Bruder der Zwillinge

    Andreas: Bauernjunge

    Sämtliche Personen und Schauplätze in diesem Buch sind frei erfunden.

    Ähnlichkeiten und Namensgleichheiten mit realen Personen und Orten

    sind reiner Zufall.

    Inhaltsverzeichnis:

    Prolog

    Eine unerwartete Freundschaft

    Ungewöhnliche Begegnungen

    Neue Erfahrungen

    Eine Menge Rätsel

    Ein neuer Anfang

    Prolog

    Donnerstag, 4. Juni 1835

    E r erstarrte mitten in der Bewegung und blickte auf die umgekippte Fackel. Die Luft nahm den Geruch verbrannten Holzes an, und sein Blick folgte panisch den tanzenden Flammen, die sich mit rasender Geschwindigkeit auf den Holzdielen ausbreiteten. Sie schienen zu schweben, stiegen höher und höher empor, und die Stille der mondlosen Nacht füllte sich mit dem geheimnisvollen Knistern des munteren Feuers, das die Holzbretter der kleinen armseligen Hütte nahezu gierig verschlang.

    Die Furcht griff mit eiskalten Händen nach ihm und drängte ihn, von diesem Ort der Hölle zu verschwinden, solange die züngelnden Flammen den Ausgang noch nicht versperrt hatten und sich ihm noch eine Möglichkeit zu entkommen bot. Er drehte sich um, stieß die Tür auf, flüchtete hinaus in die rettende Dunkelheit der Nacht und ließ den Schein der grellen Flammen hinter sich, die sich leuchtend hell gegen die Finsternis rundum abhoben, alles in den Schatten stellten und sich zum Zentrum eines schrecklichen Geschehens machten.

    Eine unerwartete Freundschaft

      Montag, 17. Mai 1878

    D ie ersten Strahlen der langsam im Osten aufgehenden Sonne tauchten den klaren wolkenlosen Himmel in ihren rotgoldenen Schein. Der muntere lebhafte Klang der fröhlich zwitschernden Vögel und das monotone Summen der emsig umherschwirrenden Bienen füllten die kühle frische Morgenluft. Bunte Schmetterlinge flogen über die von vielen herrlich duftenden Blumen übersäte Wiese, und die saftig grünen Blätter wurden hoch oben in den Buchen, Eichen und Eschen, die die kleine idyllische Lichtung säumten, von einer lauen Brise sanft hin und her geschaukelt und raschelten leise. Eine erholsame Ruhe und Friedlichkeit hatte sich über die kleine romantische Lichtung mitten im sich scheinbar bis zum Horizont hin erstreckenden dichten Wald gelegt.

    Emily blieb stehen, breitete die Arme aus, schloss die Augen und atmete tief ein, als wolle sie so viel sie nur konnte von dieser wunderbaren Welt in sich aufsaugen. Der frische Morgenwind spielte mit ihren langen welligen Haaren, die sich teils widerspenstig aus ihrem dicken Zopf gelöst hatten, und wehte ihr die Röcke sanft um die Beine.

    Das Mädchen seufzte tief und schlug glücklich die Augen wieder auf. Es war ein wundervoller Morgen, so rein und klar wie aus dem Bilderbuch entsprungen. Sie blickte wohlwollend um sich und hätte vor Glück jauchzen können. Es gab eigentlich keinen bestimmten Grund dazu, doch beim Anblick dieses friedlichen Erwachens der Natur war sie von einer Fröhlichkeit erfüllt, die ihren gesamten Körper kribbelig machte.

    Plötzlich riss sich Emily einer spontanen Eingebung zufolge die Schleife von ihrem langen gleichmäßigen Zopf, trennte die geflochtenen Haare auf und schüttelte den Kopf, sodass sie ihr sanft über die Schultern den Rücken hinab nach unten hingen. Ihr Haar war von einem saftigen dunklen Braunton und reichte ihr bis zu den Hüften hinab. Sie mochte es und war stolz darauf, auch wenn es nicht blond war, wie sie sich früher, als sie noch kleiner gewesen war, immer gewünscht hatte.

    Sie raffte mit den Händen ihr Kleid und ihre Unterröcke und lief übermütig über die vom Tau noch feuchte Wiese. Mit jedem Schritt wurde sie von einem Gefühl völliger Freiheit durchströmt, sodass sie dachte, es könne nichts Schöneres geben als an einem himmlischen Morgen wie diesem mit wehenden Haaren über eine Lichtung voller blühender Wiesenblumen zu laufen und frei zu sein, unendlich frei.

    Laub raschelte, die Zweige knackten unter ihren hastigen Tritten, ihr Atem rasselte und in ihrer Brust stach es höllisch, doch sie lief weiter, immer weiter und weiter, so schnell ihre Beine sie trugen und bahnte sich einen Weg durch das dichte dämmrige Unterholz.

    Die hohen Bäume wurden allmählich ein wenig lichter, und das erste Licht der aufgehenden Sonne funkelte zwischen den vielen Blättern in den Kronen der Bäume hindurch. Doch sie achtete kaum darauf, sondern rannte immer weiter und weiter, denn er durfte sie nicht erwischen. Nein, er durfte einfach nicht! Sie wagte sich gar nicht auszumalen, wie er reagieren würde, sondern achtete auf den engen unwegsamen Pfad. Der Abstand zwischen den Bäumen vergrößerte sich zunehmend, eine Wiese übersät mit wild blühenden Blumen kam dazwischen zum Vorschein. Sie atmete stoßweise und lief weiter, geradewegs darauf zu.

    Emily hüpfte ausgelassen über die Lichtung auf den Waldrand zu. Sie legte den Kopf in den Nacken, blinzelte zum Himmel hinauf, der früh morgens immer wie frisch gewaschen aussah, und lief weiter, ohne auf die Welt um sich herum achtzugeben.

    Plötzlich stieß jemand mit Wucht gegen sie, Emily ruderte mit den Armen in der Luft, um Halt zu finden, doch sie verlor das Gleichgewicht, und beide fielen gemeinsam nach hinten in das feuchte Gras. Das junge Mädchen, das auf ihr lag, krabbelte rasch von ihr hinunter; Emily setzte sich verwirrt auf und strich sich ihre langen, vom Laufen wirr gewordenen Haare aus dem Gesicht.

    Ihr gegenüber kniete ein Mädchen mit hellblonden zerzausten Locken, die im Sonnenlicht golden schimmerten, und starrte sie erschrocken aus großen Augen an, die von einem solch intensiven dunklen Blau waren, wie Emily es noch nie erlebt hatte. Ihre krausen Haare waren an ihrem Hinterkopf zu einem Knoten gebunden, doch einzelne Strähnen hatten sich daraus gelöst und fielen ihr ins verschwitzte Gesicht.

    Emily fiel auf, dass das fremde Mädchen sehr hübsch und außerdem auffallend gut gekleidet war. Sie hatte ein rundes Gesicht, fein gezeichnete Augenbrauen, lange dichte Wimpern, eine Stupsnase und volle rote Lippen. Ihr blassrosa Kleid war auf der Vorderseite mit perlmutfarbenen Knöpfen verziert und an den Ärmeln und am Saum mit feinen schlichten Rüschen besetzt. Außerdem trug sie ein braunes Umschlagtuch um die Schultern, das unter ihrem Hals mit einer silbernen Brosche festgesteckt war. Ihre hellrosa Haube baumelte an ihren langen Bändern, deren Enden vor ihrer Brust zu einer lockeren Schleife geknotet waren, ihren Rücken hinab.

    Plötzlich kam sich Emily im Vergleich zu dem fremden hübschen Mädchen, das immer noch schweigend vor ihr kniete und heftig atmete, in ihrem eigenen einfachen blauen Kleid, ihrem hellblauen geblümten Überkleid und ihrer ausgewaschenen Schürze, die inzwischen mehr grau als weiß war, schäbig vor. Ihre eigenen Augen waren schlicht und einfach braun, fast genau der gleiche Farbton wie der ihres langen Haares, und ihr Gesicht war etwas länglich und von der Sonne ebenso braun gebrannt wie ihre Arme, da sie meist vergaß, ihren Sonnenhut aufzusetzen und ohne Kopfbedeckung draußen herumlief. Emily fand sich selbst wahrlich nicht besonders hübsch, obgleich ihre Mutter immer wieder beteuerte, dass sie es sei. Sie zwirbelte etwas verlegen eine ihrer langen Haarlocken mit dem Finger und bewunderte das Mädchen ihr gegenüber, dessen hübsches Gesicht vor Scham rot angelaufen war.

    „Ent...entschuldige bitte, ich...ich wollte dir vorhin nicht wehtun", stammelte das Mädchen schließlich und fingerte nervös an seinem Kleid herum.

    „Oh, das...das macht nichts, wirklich nicht. Du...du hast mir nicht wehgetan", erwiderte Emily mit belegter Stimme und räusperte sich.

    Die Amseln in den Bäumen zwitscherten immer noch munter ein und dasselbe fröhliche Lied, während ein unangenehmes Schweigen zwischen den beiden einander fremden Mädchen lastete. Die Sekunden verstrichen, ohne dass eine von ihnen etwas sagte oder tat.

    Emily schluckte. „Wie heißt du eigentlich?", fragte sie schließlich und konnte dabei eine Spur von Neugier in ihrer Stimme nicht verbergen.

    Das fremde Mädchen hob zaghaft den Kopf und blickte sie ein wenig scheu mit ihren dunkelblauen Augen an. „Amelie Amalie Amalia Amanda Annegret Adele Amalsberger", antwortete sie nach einem kurzen Zögern, und ein kurzes leicht verschmitztes Lächeln huschte über ihr Gesicht.

    Emily hatte Mühe, den vielen Namen zu folgen, und sie staunte darüber, dass jemand so einen langen Namen haben konnte; aber dann fiel ihr ein, dass sie einmal von einem Mädchen gehört hatte, das auf achtzehn Vornamen getauft worden war. Im Vergleich dazu schien dieser Name ja noch richtig kurz.

    „Ich heiße Emily Mary Stones, antwortete sie lächelnd. „Darf ich dich etwas fragen?

    „Natürlich", erwiderte Amelie mit einem zurückhaltenden Lächeln.

    „Verwechselst du die Reihenfolge deiner vielen Namen nicht manchmal?", wagte Emily vorsichtig einen kleinen Scherz, und das fremde Mädchen lachte kurz und hell auf. Seine strahlenden Augen leuchteten dabei noch viel mehr und machten Emily ein klein wenig neidisch.

    „Nein, selbstverständlich vertausche ich sie nicht, ich muss mir doch schließlich merken, wie ich heiße", meinte sie schmunzelnd.

    „Ja, gewiss, Emily lachte, dann runzelte sie nachdenklich die Stirn. „Amalsberger heißt du, nicht wahr?, fragte sie, und Amelie nickte langsam.

    „Irgendwo habe ich diesen Namen schon einmal gehört, murmelte Emily, und plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. „Bist du etwa die Tochter des Gutsherrn?, platzte sie heraus.

    Amelie starrte sie erschrocken an. Dann schien ein düsterer Schatten über ihr Gesicht zu ziehen, und sie senkte hastig den Kopf.

    „Habe… ich etwas Falsches gesagt?", fragte Emily erschrocken, doch Amelie schüttelte nur bekümmert den Kopf.

    Emily knotete ihre Finger und suchte verzweifelt nach Worten, doch ihr Kopf war wie leergefegt – außerdem kannte sie das Mädchen doch eigentlich gar nicht.

    „Wie kommst du darauf, dass ich mit dem Gutsherrn verwandt sein soll?", fragte Amelie schließlich, sichtlich nervös.

    „Nun ja, wegen des Namens eben, aber ich kann mich natürlich auch täuschen", erklärte Emily leicht verwirrt.

    Amelie seufzte. „Du hast recht, ich bin die Tochter des Gutsherrn. Ich hätte meinen Namen nicht nennen sollen, aber ich habe es nun einmal getan", gab sie widerstrebend zu.

    „Aber das ist doch nichts, wofür man sich zu schämen braucht! Ich wäre stolz, wenn ich an deiner Stelle wäre!", rief Emily impulsiv und schlug sich sogleich erschrocken mit der Hand vor den Mund. Sie hatte wieder einmal gesprochen, ohne vorher nachzudenken; das passierte ihr ständig, und sie wusste, dass sie sich zusammennehmen musste, immerhin war sie kein kleines Kind mehr.

    Doch Amelie schien ihr ihre Offenheit nicht übelzunehmen. Sie strich sich eine widerspenstige Haarlocke aus dem Gesicht und betrachtete Emily nachdenklich.

    „Ich schäme mich auch nicht dafür, erwiderte sie ernst, „aber du musst mir etwas versprechen.

    „Was soll ich denn versprechen?", fragte Emily verwundert.

    „Bitte, erzähle niemandem, dass du mich hier gesehen, geschweige denn, dass du mit mir gesprochen hast!", flehte Amelie eindringlich.

    „Natürlich nicht!", versprach Emily sofort, um sie zu beruhigen.

    „Danke." Amelie war sichtlich erleichtert.

    „Aber darf ich wissen, weshalb nicht?"

    Amelie biss sich kurz auf die Lippen und spähte in den blauen Himmel hinauf. „Weißt du, ich…ich bin von zu Hause weggelaufen und…und meine Brüder suchen jetzt nach mir", erzählte sie stockend.

    Emily starrte sie einen Augenblick lang sprachlos an. Sie wusste zwar nicht, was sie erwartet hatte, aber dies gewiss nicht. An diesem Morgen war sie sehr bald aufgewacht, noch eine Weile vor Sonnenaufgang, und sie hatte plötzlich einen unwiderstehlichen Drang verspürt, nach draußen zu gehen und über die vom Tau benetzten Wiesen zu laufen. Sie hatte ihrer inneren Stimme gegenüber kurzerhand nachgegeben, war aufgestanden, hatte sich lautlos angekleidet und war auf Zehenspitzen heimlich aus dem Haus geschlichen, um niemanden zu wecken. Es war wundervoll gewesen, durch den stillen langsam erwachenden Wald zu laufen, doch nie im Leben hätte sie gedacht, dass sie plötzlich auf die Tochter des Gutsherrn treffen würde, die wie von Hunden gehetzt durch den Wald gehastet kam und ihr nun anvertraute, dass sie fortgelaufen sei.

    „Weshalb hast du das gemacht?", fragte Emily schließlich und musterte Amelie neugierig.

    „Ich…ich wollte einfach… Also, weißt du, es…es ist eine lange Geschichte", stammelte Amelie verlegen, und eine leichte Röte überzog ihr vornehm blasses Gesicht. Es war offensichtlich, dass sie nicht weiter darüber sprechen wollte, und obgleich sie furchtbar neugierig war, welche Geschichte sich hinter diesem Mädchen verbarg, beschloss Emily, sie nicht zu drängen, denn es ging sie im Grunde genommen auch gar nichts an.

    „Wie alt bist du eigentlich?", fragte sie stattdessen, um auf ein anderes, belangloseres Thema zu kommen und riss dabei, ohne es zu bemerken, ein Gänseblümchen aus der Wiese. Sie zwirbelte es so lange mit ihren Fingern, bis schließlich alle Blütenblätter abgefallen waren.

    „Ich bin vierzehn, im Herbst werde ich fünfzehn", antwortete Amelie, dankbar über den Themenwechsel, und beobachtete die Blütenblätter, die in Emilys Schoß herabfielen.

    „Na so etwas! Ich werde auch im Herbst fünfzehn Jahre alt, sagte Emily fröhlich. „An welchem Tag hast du denn Geburtstag?

    „Gleich zu Beginn, am 23. September", berichtete Amelie, und Emily ließ verblüfft das Gänseblümchen fallen.

    „Das gibt es doch nicht!, rief sie aus. „Bist du dir wirklich sicher?

    „Natürlich bin ich das", lachte Amelie, erstaunt über Emilys Ausruf.

    „Nun, erinnern kann man sich schließlich nicht", gab Emily scherzhaft zu bedenken. Sie war stets zu Späßen aufgelegt.

    „Nein, das wohl nicht, aber ich möchte wissen, was an meinem Geburtstag so besonders ist", hakte Amelie nach.

    „Im Grunde genommen gar nichts", meinte Emily gedehnt.

    „Nichts? Das glaube ich dir nicht, du hast doch eben…"

    „Weißt du, ich bin genau am selben Tag geboren, erklärte Emily schließlich. „Lustig, nicht wahr?

    Amelie schüttelte verwundert den Kopf. „Dass es solch einen Zufall gibt, hätte ich nicht für möglich gehalten", gestand sie.

    „Ich auch nicht", meinte Emily lachend und riss einen gelben Löwenzahn aus der farbenfrohen Wiese. Gedankenverloren zupfte sie erneut die einzelnen Blütenblätter nacheinander ab. Sie fand es unheimlich interessant, mit Amelie zu reden, denn wann bot sich einem schließlich schon die Möglichkeit, einen neuen Menschen kennenzulernen?

    Die Sonne war inzwischen vollends aufgegangen, und

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