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Santa wider Willen: Loved at Christmas, #1
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Santa wider Willen: Loved at Christmas, #1
eBook315 Seiten4 Stunden

Santa wider Willen: Loved at Christmas, #1

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Über dieses E-Book

Ausgerechnet an Weihnachten soll Ian seinen Job in einem New Yorker Großunternehmen verlieren. Es sei denn, er erweist seinem Chef einen ungewöhnlichen Gefallen und spielt für dessen Neffen den Santa Claus. Mit einem roten Mantel und viel Wut im Gepäck reist Ian nach Maine und gerät prompt in einen Schneesturm. Doch der entpuppt sich noch als sein geringstes Problem.

Nach der Scheidung hat Kendra sich mit ihrem Sohn Jackson in eine abgelegene Waldhütte zurückgezogen, um endlich ihren Traum vom Leben in der Natur zu verwirklichen. Doch leider lässt ihr besorgter Bruder sie nicht in Ruhe. Am Weihnachtsabend taucht mitten im Schneesturm ein Mann im Santa-Kostüm vor ihrer Tür auf, der von ihm geschickt wurde und Jackson überraschen soll. Der Störenfried wirkt zwar ganz süß, dennoch möchte sie ihn schnellstmöglich loswerden. Aber das Schicksal hat andere Pläne.

»Santa wider Willen« ist eine romantische Liebeserklärung an Weihnachten und die Kraft der Fantasie.

SpracheDeutsch
HerausgeberJana von Bergner
Erscheinungsdatum28. Nov. 2023
ISBN9798223254089
Santa wider Willen: Loved at Christmas, #1

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    Buchvorschau

    Santa wider Willen - Jana von Bergner

    Kapitel 1

    Ian

    Wo war bloß die Sicherungskopie? Immer hektischer scrollte ich durch die Dokumentenliste auf der externen Festplatte, während die Erinnerungen an Ambers bernsteinfarbene Augen und an ihr schüchternes Lächeln rasend schnell verblassten. Stattdessen trat mir der Angstschweiß auf die Stirn. Dieses Mal könnte mich mein Tagtraum während der Arbeit teuer zu stehen kommen.

    Meine Finger umklammerten die Maus wie einen Rettungsanker und meine Brust fühlte sich an, als würde unser kompletter Server dagegen drücken. Ich hatte die Kundendaten vor dem Reboot gespeichert. Ganz bestimmt.

    Am Schreibtisch gegenüber saß Zach, der als einziger aus unserem Gruppenbüro noch nicht in den Weihnachtsurlaub entschwunden war. Er zupfte seine Santa-Mütze mit den blinkenden Teufelshörnern zurecht und nahm einen Schluck Punsch direkt aus der Flasche, während er mich eindringlich musterte. Dann beugte er sich über die Tastatur und unser Chatfenster ploppte auf: »Nur noch zwei Stunden bis Feierabend! :))) Alles okay bei dir?«.

    Nichts war okay. In vier Stunden ging der Flug zu meiner Familie in Phoenix, die ich seit einem halben Jahr nicht mehr gesehen hatte. Mein Magen verkrampfte sich bei der Vorstellung, wie mein Besuch nun verlaufen würde. Wahrscheinlich müsste ich Mom und Dad ausgerechnet an Weihnachten beibringen, dass ich meine Stelle bei Mueller’s Solutions verloren hatte und nichts mehr zu den Collegebesuchen von Isla, Evie und Chloe beisteuern konnte.

    Mein Puls raste und ich wippte mit den Füßen auf und ab, während ich ein drittes Mal die lange Liste der vorhandenen Dateien durchsah.

    Fehlanzeige.

    Alle Hoffnung schmolz in sich zusammen. Ich hatte tatsächlich bei einem Standard-Update die wichtigste Datei der gesamten Consulting-Firma gelöscht. Und das nur, weil ich ständig an eine ehemalige Kollegin denken musste, die sich längst für jemand anderen entschieden hatte.

    Für diesen Fehler würde Bradley mich hochkant rauswerfen. Er konnte mich sowieso nicht leiden.

    Es sei denn, Zach besaß eine Sicherungskopie.

    Mit fliegenden Fingern tippte ich einen Hilferuf in den Messenger: »S.O.S. – Datencrash!:(((«.

    Die Antwort kam binnen weniger Sekunden. »Shit! :()«

    Zach sprang auf, zog sich die Mütze vom Kopf, feuerte sie auf seinen freigewordenen Stuhl und umrundete unsere Schreibtische. »Was ist passiert?«

    Mit den Zähnen zupfte ich an meinem Lippenpiercing. Eine schlechte Angewohnheit, die ich einfach nicht ablegen konnte. »Ich hab beim Update eben die Kundendatei gelöscht. Eine Riesenkatastrophe! Gibt’s davon noch ’ne Kopie?«

    Er erblasste und schüttelte den Kopf. »Ich sage Bradley seit Jahren, dass wir eine Cloud-Lösung brauchen. Aber er will das nicht – aus Angst, dass uns jemand hacken könnte.«

    »Dann sind die Daten also endgültig weg?« Ich biss mir so fest auf die Lippe, dass ich Blut schmeckte. Auch wenn unser Chef furchtbar nervte, brauchte ich diesen Job unbedingt.

    Viel zu lange dauerte Zachs Schweigen. »Sieht so aus.«

    Wie betäubt starrte ich auf die kleine silberne Kunsttanne, die meinen halben Schreibtisch einnahm und die ich mit Star-Wars-Figuren behängt hatte. Weihnachten war offiziell ruiniert.

    Zach musterte mich eindringlich. »Hast du wieder an sie gedacht?«

    Ich wollte schon automatisch den Kopf schütteln, aber Zach verdiente die Wahrheit. Er und die anderen Jungs hatten mir in den vergangenen Monaten viel zu oft den Hals gerettet, wenn meine Gedanken zu Amber abgedriftet waren. »Ich weiß auch nicht, warum mir das immer wieder passiert. Vielleicht, weil wir mal gute Freunde waren.«

    Verlegen starrte ich auf das World-of-Warcraft-Poster an der Wand, um ihm nicht ins Gesicht zu sehen. Selbst ein halbes Jahr, nachdem Amber geheiratet und die Firma verlassen hatte, schmerzte jeder Gedanke an sie.

    Zach schüttelte den Kopf. »Sie war ’ne nette Kollegin und wir vermissen sie alle. Aber du musst dringend über sie hinwegkommen, bevor es diese Sache noch deine Zukunft zerstört.«

    »Könnte schon zu spät sein.« Mit meinem IT-Abschluss vom Community-College würde ich im Big Apple so leicht keine neue Stelle finden. Wahrscheinlich müsste ich zurück nach Phoenix und wieder in mein altes Kinderzimmer ziehen. Deprimierende Aussichten, auch wenn ich meine Eltern liebte.

    »Soll ich mit dem Boss sprechen?«, fragte Zach. »Immerhin bin ich als Sysadmin für die Daten verantwortlich.«

    Die Versuchung, einfach Ja zu sagen, war groß. Dennoch schüttelte ich den Kopf. »Es ist meine Schuld, also gehe ich auch zu ihm.« Meine Beine fühlten sich an wie aus Weihnachtspudding, als ich mich schwerfällig erhob.

    »Viel Glück, Mann!« Zach klopfte mir kameradschaftlich auf die Schulter. »Kannst es echt brauchen.«

    »Danke. Falls wir uns nicht mehr sehen sollten. Frohe Weihnachten!«

    »Dir auch.« Er verzog das Gesicht. »Verfluchtes Pech, das mit den Daten. Hätte jedem von uns passieren können.«

    Ich glaubte ihm kein Wort. Unsere drei Kollegen aus der IT-Abteilung musterten mich mitleidig, wenn sie dachten, ich würde es nicht bemerken. Doch das tat ich. Falls ich nicht achtgab, würde ich noch zum Außenseiter. Und das innerhalb einer Gruppe von Leuten, die sowieso schon als Nerds galten.

    Der lange Büroflur lag verlassen da. Aus einem Zimmer erklang Jingle Bells und der würzige Duft von Lebkuchen lag in der Luft. Doch insgesamt wirkte die Etage verwaist. Von den hundertzwanzig Kollegen befanden sich die meisten längst im Weihnachtsurlaub.

    Bradleys Bürotür am Ende des Ganges flog auf und Nancy, seine persönliche Assistentin und Ambers Nachfolgerin, stöckelte so schnell heraus, wie ihre hohen Absätze es zuließen. Mit einem Knall zog sie die Tür hinter sich zu.

    Mein Frohe Feiertage erstarb mir auf der Zunge, als ich die Tränen in ihrem Gesicht entdeckte.

    Sie wischte sich mit dem Handrücken die Augen trocken. »Geh da bloß nicht rein. Er ist außer sich.«

    »Was ist passiert?« Ich fischte ein Taschentuch aus meiner Jeans und reichte es ihr.

    »Danke. Er ...« Sie schnäuzte sich. »... hat mich gefeuert. Ausgerechnet heute und ohne Vorwarnung. Kannst du dir das vorstellen?« Frische Tränen traten ihr in die Augen und ihre Stimme bebte. »Er hat mich angebrüllt, dass ich sofort verschwinden soll.«

    »Das tut mir sehr leid. Und es hört sich so an, als hätte Bradley furchtbar schlechte Laune.« Nervös starrte ich die Tür an, durch die ich gleich hindurchmusste.

    Nancy nickte. »Könnte nicht schlimmer sein.« Sie lehnte sich gegen die Wand und schlüpfte aus ihren High Heels. »Ist vermutlich das einzig Gute an der ganzen Geschichte, dass ich ihn nach heute nie wieder sehen muss.«

    Ich würgte an dem Kloß in meinem Hals. »Ich muss trotzdem mit ihm reden. Alles Gute für dich.«

    Zum Abschied reichte ich ihr die Hand. Sie hatte Amber nie wirklich ersetzen können, aber sie war eine freundliche Frau, die etwas Besseres verdiente als einen Chef wie Bradley.

    »Für dich auch.« Nancy verzog den Mund zu einem traurigen Lächeln. »Und viel Glück.«

    »Danke.«

    Schweren Herzens ließ ich sie stehen und klopfte an die Glastür zu Bradleys Büro, an der ein Messingschild mit dem Aufdruck »CEO« prangte.

    »Herein.« Bradleys Stimme klang selbst durch die Tür genervt.

    Am liebsten hätte ich sofort wieder kehrtgemacht. Aber ich musste die Angelegenheit vor den Feiertagen klären, also trat ich ein, bevor ich meine Meinung noch einmal ändern konnte.

    »Was gibt’s?« Bradley lehnte sich in seinem Drehstuhl zurück und schwenkte einen halb vollen Becher Kaffee in der Hand. »Ist das Update endlich durch? Ich muss dringend meinen Computer hochfahren.«

    »Ja, das auch.« Nervös zupfte ich an meinem Ohrläppchen. »Aber wegen des Updates muss ich mit dir reden. Es ist leider was schiefgelaufen.«

    Er winkte ab. »Das will ich gar nicht hören. Nach diesem Gebräu von Nancy vertrage ich keine schlechten Nachrichten mehr.« Anklagend hielt er mir seinen Becher unter die Nase. »Wieso hat Amber uns bloß verlassen? Ihr Kaffee war göttlich.«

    »Ich weiß es nicht«, log ich.

    Zwei Jahre hatte Amber unter Bradleys ignorantem und arrogantem Verhalten gelitten. Der Mann begriff einfach nicht, dass seine Mitarbeiter Gefühle besaßen, auf denen er regelmäßig herumtrampelte.

    Da allerdings noch die mikroskopisch kleine Chance bestand, dass ich meine Stelle behalten durfte, behielt ich diese Gedanken für mich.

    Stattdessen versuchte ich es mit einem Ablenkungsmanöver und deutete auf den Teller voll appetitlich duftender Weihnachtsplätzchen, von denen Bradley nie etwas abgab. »Hat deine Schwester wieder für dich gebacken?«

    »Oh ja.« Er verzog das Gesicht, als hätte er auf einen sauren Drops gebissen. »Ich wollte sie an Weihnachten überraschen, aber auch darin hat Nancy versagt.«

    »Wobei denn genau?« Mit schwitzigen Fingern umklammerte ich die Lehne des Besucherstuhls, den er mir nicht angeboten hatte.

    Ich sollte Bradley endlich die Wahrheit sagen, anstatt unsere Zeit mit sinnlosem Small Talk zu vergeuden. Doch in mir regte sich die schwache Hoffnung, dass ich ihn ein wenig milder stimmen könnte, bevor ich meine Hiobsbotschaft überbrachte.

    Bradly griff nach einem Zimtstern und biss hinein. »Sie sollte bloß einen Santa für meinen Neffen organisieren. Wie schwer kann das schon sein? Ich meine, es gibt doch sogar Agenturen dafür.«

    »Vielleicht waren die Santas alle schon ausgebucht.« Mein Herz raste wie nach einem Sprint durch den Central Park. Ich musste ihm sagen, dass die Daten futsch waren. Jetzt.

    »Nein, daran lag es nicht.« Bradly schaltete den Rechner wieder ein, der mit einem leisen Summen hochfuhr. Er nippte an seinem Kaffee, krauste die Stirn und schob den Becher weit von sich über den riesigen Glasschreibtisch.

    Sein Blick huschte zu der Fotografie im Silberrahmen, die ich schon öfter heimlich betrachtet hatte. Bradleys Schwester besaß die gleichen dunklen Augen und haselnussbraunen Haare wie er, doch schien sie deutlich jünger zu sein. »Nancy behauptet, die Agenturen schicken niemanden zu Häusern, die so weit außerhalb geschlossener Ortschaften liegen. Und meine Schwester mit ihrem Dickkopf musste ja mitten in den Wald ziehen.«

    »Wow.« Die Vorstellung, freiwillig in der Wildnis zu leben, wo es kein Glasfaserkabel gab, erschien mir reichlich trostlos. Dennoch hätte ich in diesem Moment nur zu gern mit Bradleys Schwester die Plätze getauscht.

    Fest krallten sich meine Finger um die Stuhllehne, während mir das Herz bis zum Hals schlug. Das Unvermeidliche ließ sich nicht länger aufschieben. Ich räusperte mich. »Ich weiß, du willst es nicht hören, aber es gab vorhin ein Problem bei der Datensicherung. Die Kundenadressen sind weg.«

    Bradley starrte mich an. Sein bohrender Blick war noch schwerer zu ertragen als sein Schweigen zuvor. Mit jedem Atemzug, den es andauerte, sank meine schwache Hoffnung. Das hier konnte unmöglich gut für mich ausgehen.

    Nur zu deutlich sah ich wieder Islas strahlende Augen vor mir, als ich Mom und Dad versprochen hatte, jeden Monat einen Scheck zu schicken, damit auch meine jüngste Schwester das College besuchen konnte. Ihr stand vermutlich eine schwere Enttäuschung bevor.

    »Verdammt, Ian!« Bradleys Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, während er eine Rentierfigur aus Porzellan vom Tisch fegte. Mit lautem Klirren zersprang sie auf dem Fußboden. »Du hast es geschafft, Nancys Inkompetenz noch zu überbieten. Pack deine Sachen und gib die Security Card ab. Du bist raus!«

    Panik schnürte mir die Kehle zu, obwohl ich doch mit genau dieser Reaktion gerechnet hatte. »Tu das bitte nicht. Meine Schwestern sind darauf angewiesen, dass ich ihre Collegebesuche finanziell unterstütze. Es würde ihnen Weihnachten komplett ruinieren.« Und womöglich ihre Chancen für die Zukunft.

    Ich schob den Besucherstuhl zur Seite und trat direkt an Bradleys Tisch. »Du hast doch selbst eine Schwester. Du weißt, wie das ist.«

    »Allerdings.« Einen Herzschlag lang wurden seine Züge weich, bevor seine Stirn sich erneut in Falten legte. »Aber ich bin nicht die Wohlfahrt. Und Kendras Fest ist ebenfalls ruiniert, weil Jackson seinen Santa nicht bekommt.«

    Wut wallte in mir auf. Wie konnte Bradley es wagen, die Situation seines verwöhnten Neffen, der auf einen kostümierten Mann mit Bart verzichten musste, mit der finanziellen Not meiner Familie zu vergleichen?

    Dennoch keimte in mir eine Idee auf, wie ich Bradleys offensichtliche Schwäche für seine Schwester und deren Sohn womöglich zu meinem Vorteil nutzen konnte. »Was ist, wenn ich einen Santa für Jackson finde? Ziehst du dann deine Kündigung zurück?«

    »Wie willst du das anstellen?« Bradley beugte sich vor und signalisierte Interesse. »Außerdem wären da immer noch die verlorenen Daten.«

    »Die Kundenadressen befinden sich doch auch in den einzelnen Akten, nicht wahr?« Das Archiv nahm ein ganzes Zimmer voller deckenhoher Regale ein, roch nach Staub und bisher war ich immer froh gewesen, dort nichts zu schaffen zu haben. »Ich könnte von Hand eine neue Excel-Tabelle anlegen.«

    »Das würde Tage dauern und wir brauchen die Kundenadressen gleich wieder nach den Feiertagen.«

    Ich schluckte. Da ging es dahin, mein Weihnachten mit Moms selbstgekochtem Haggis, den gefüllten Strümpfen über dem Kamin und den schottischen Liedern, die wir gemeinsam vor dem Christbaum sangen. Aber manche Opfer mussten eben gebracht werden. »Ich bleibe die Feiertage hier und bringe das wieder in Ordnung.«

    Bradley zog die Brauen hoch. »Dazu wärst du bereit?«

    Ich nickte. »Für meine Schwestern würde ich alles tun.«

    »Da haben wir etwas gemeinsam.« Bradley musterte mich mit einem Ausdruck, den man beinahe als wohlwollend bezeichnen konnte. »Ich nehme dich beim Wort. Wenn du mir dabei hilfst, mein Problem zu beheben, darfst du bleiben.« Er streckte seine Hand aus. »Deal?«

    Vor Erleichterung gaben beinahe meine Knie nach. Sofort schlug ich ein und erwiderte den festen Händedruck, der schmerzhaft meine Finger quetschte.

    Allerdings warnte mich ein Ziehen im Magen, dass ich noch nicht aufatmen durfte. Es musste einen Haken geben. Bradley kam niemandem einfach so entgegen.

    »Setz dich.« Er deutete auf den Besucherstuhl.

    Zögernd folgte ich seiner Aufforderung. Die Sache wurde immer merkwürdiger.

    Dann zog Bradley das Firmentelefon zu sich heran und drückte eine Kurzwahltaste. »Hallo Nancy! Gut, dass ich dich noch erwische ... Nein, so habe ich das nicht gemeint. Das war nur in der Wut. Ich möchte dir noch eine Chance geben, schließlich haben wir Weihnachten ... Hm, genau. Also, was sagst du? ... Es geht um einen kleinen Gefallen. Kannst du zwischen den Jahren für mich eine Excel-Tabelle mit allen Kundendaten anlegen? ... Nein, das ist kein Scherz. Die alte Liste ist weg und wir brauchen dringend Ersatz ... Natürlich weiß ich, dass du Familie hast, aber die können sich schon allein beschäftigen und die Überstunden werden auch bezahlt ... Wunderbar. Dann ist das ja geklärt.«

    Er legte auf und musterte mich. »Du hast Glück. Nancy kümmert sich um die Daten – allerdings nicht umsonst. Ich werde dir ihre Stunden vom Gehalt abziehen.«

    »Klingt fair.« Das Geld würde meiner Familie fehlen, aber ich hatte tausend Dollar für einen neuen Prozessor zurückgelegt, die ich ihnen stattdessen geben konnte.

    »Vielen Dank.« Der Druck auf meiner Brust nahm ein wenig ab, dennoch raste mein Puls und in meinem Magen rumorte es. Kam ich tatsächlich so billig davon?

    »Eine Hand wäscht die andere. Nancy bügelt deinen Fehler aus und du kümmerst dich um ihre.« Bradley reichte mir seinen kaum angetasteten Kaffeebecher. »Dieses Spülwasser hier ist nicht trinkbar. Kannst du Kaffee kochen?«

    »Es hat sich noch niemand beschwert.« Die Erleichterung machte mich schwindelig. Nancy und ich durften bleiben – auch wenn wir dafür ein paar unschöne Kompromisse eingehen mussten. Und das Beste daran war, dass ich trotzdem nach Phoenix fliegen konnte.

    Doch vorher würde ich für Kendra und ihren Sohn einen Santa besorgen. »Gibst du mir bitte die Adresse deiner Schwester?«

    »Natürlich.« Bradley kritzelte einige Zeilen auf ein Post-it mit Schneemann-Aufdruck und pappte den Zettel an den Becher in meiner Hand. »Aber ruf sie nicht an. Es soll eine Überraschung sein.«

    »Hab ich nicht vor. Ich sage den Agenturen, dass alles über dich läuft.« Hoffentlich fand sich tatsächlich eine, die am Vorabend vor Weihnachten noch jemanden ins Nirgendwo schickte. Allerdings besaß Bradley genug Geld, um den Last-Minute-Santa zu entschädigen.

    Er schüttelte den Kopf. »Die Zeit kannst du dir sparen. Nancy hat alle Agenturen in Maine angerufen. Außerdem sämtliche Nummern aus Kleinanzeigen in Tageszeitungen und aus dem Internet. Fehlanzeige.«

    Frische Panik überkam mich. Wie sollte ich unter diesen Umständen jemanden auftreiben? Die Zeit lief mir davon und wenn mir nicht bald eine Lösung einfiel, verpasste ich meinen Flug.

    Doch eine Möglichkeit gab es noch. »Dann suche ich Kendras Nachbarn aus dem Telefonbuch heraus. Vielleicht findet sich ja jemand, der ...«

    »Sie hat keine Nachbarn.« Bradleys Tonfall klang unwirsch. »Das sagte ich schon. Du musst es selbst machen.«

    »Ich?« Beinahe glitt mir der Becher aus den schweißfeuchten Fingern. »Warum ich?« Das durfte doch nicht wahr sein! In Phoenix warteten meine drei Schwestern auf mich. Meine Mom, die mir jedes Jahr einen scheußlichen Pullover strickte, und Dad, dessen Pfeifentabak so gemütlich nach Vanille duftete.

    Bradley lehnte sich in seinem Stuhl zurück und legte die Füße auf den Tisch. »Ich kann wohl schlecht Nancy schicken. Santa ist nun mal keine Frau.«

    Er drückte wieder auf die Kurzwahl-Taste. »Nancy, buch einen Flug für Ian Kinley nach Portland ... Natürlich noch heute Abend. Und für morgen dann einen Rückflug ... Ich weiß, dass dann Weihnachten ist ... Versuch es trotzdem.« Mit einem Seufzen legte er auf. »Warum muss sie immer alles so kompliziert machen?«

    Zorn wallte in mir auf. Wenn jemand etwas kompliziert machte, dann doch wohl Bradley selbst. Schwungvoll stellte ich den Becher samt Post-it auf dem Schreibtisch ab. »Ich kann heute Abend nicht nach Portland fliegen. Ich habe ein Ticket nach Phoenix, das sonst verfällt. Meine Eltern haben mich ein halbes Jahr nicht mehr gesehen.«

    »Es geht doch nur um einen einzigen Tag.« Bradley verdrehte die Augen. »Morgen Mittag kannst du schon im Flieger nach Phoenix sitzen. Außerdem nehme ich an, dass es ihre Wiedersehensfreude erheblich trüben würde, wenn du ihnen als Arbeitsloser gegenübertrittst.«

    Wut brodelte durch meine Adern, vermischte sich mit Fassungslosigkeit und Schmerz. »Du hast wirklich kein Herz. Nicht einmal zu Weihnachten.«

    »Doch das habe ich – und zwar für meine Familie.« Er schob sich eine Pfeffernuss in den Mund und kaute mit geschlossenen Augen.

    Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Dann solltest du sie besuchen und selbst den Santa spielen, anstatt mich vorzuschicken.«

    »Ausgeschlossen.« Bradley reckte sich ausgiebig und nahm die Füße vom Tisch. »In dieser Waldhütte gibt es keine ordentliche Kaffeemaschine. Ich kann auf vieles verzichten, aber darauf nicht. Außerdem würde Jackson mich erkennen und dadurch seinen Glauben an den Weihnachtsmann verlieren.«

    »Wozu überhaupt die Täuschung? Niemand sieht Santa. Er kommt mitten in der Nacht, füllt die Strümpfe, trinkt die Milch, isst die Kekse und verschwindet durch den Schornstein. Das alles lässt sich wunderbar regeln, ohne dass ich dafür in einem roten Mantel auftauchen muss.«

    Er schlug sich an die Stirn. »Der Mantel, natürlich! Das hätte ich beinahe vergessen.« Wieder wählte er Nancys Durchwahl. »Wir brauchen noch ein Weihnachtsmannkostüm. Stiefel, Bart, roter Mantel und Mütze ... Natürlich sind die Geschäfte überfüllt. Es ist Heiligabend ... Dann mach dich besser gleich auf den Weg ... Wann geht der Flug? ... Ja, dann bring die Sachen direkt zum Flughafen ...«

    Ich wippte ungeduldig auf den Fußballen. Nun, da die Gefahr einer Kündigung vorerst abgewendet war, überwog mein Ärger auf Bradley, der sich einen Dreck darum scherte, dass er Nancy und mir das Weihnachtsfest verdarb.

    »... Nein, das wird nicht nötig sein.« Bradley unterbrach die Verbindung und rief sein E-Mail-Postfach auf. »Nancy hat dir dein Ticket ausgedruckt. Dein Flug geht in zweieinhalb Stunden.«

    »Das schaffe ich nicht. Ich muss schließlich noch nach Hause fahren und packen. Dazu die Zeit für den Check-in und das Boarding.« Neue Hoffnung keimte in mir auf. Bradley musste doch selbst einsehen, dass sein absurder Plan nicht durchführbar war.

    Stattdessen schüttelte er den Kopf. »Für’s Packen bleibt keine Zeit. Du reist mit meinem Notfallkoffer. Der passt ins Handgepäck.«

    Er stand auf, ging zu seinem Aktenschrank und zog einen kleinen Trolley heraus. Mit einem einzigen Handgriff klappte er das Köfferchen auf und nahm einen dunklen Anzug heraus. »Den wirst du nicht brauchen. Nancy bringt dir dein Santa-Kostüm direkt zum Flughafen, das sollte noch reinpassen.«

    Fassungslos starrte ich auf den halb leeren Trolley. Auf Bradley, der seinen Anzug an den Aktenschrank hängte. Und auf den Klebezettel am Kaffeebecher. »Was du da von mir verlangst, ist vollkommen verrückt.«

    Er ließ den Arm sinken und zog die Brauen hoch. »Du wirst es trotzdem tun, nicht wahr?«

    Ein Nein brannte mir auf der Zunge. Ich wollte mich von diesem Mann nicht herumschubsen lassen, schließlich verkaufte ich hier nur meine Arbeitskraft. Doch die Sorge um Isla, Chloe und Evie ließ mich meinen Stolz herunterschlucken. »Ja.«

    »Enttäusch mich nicht.« Seine unausgesprochene Drohung schwang deutlich mit.

    »Werde ich nicht.« Aus Liebe zu ihnen würde ich in die Rolle von Santa Claus schlüpfen und einem verwöhnten Kind die Feiertage versüßen.

    Und jede Minute davon hassen.

    Kapitel 2

    Kendra

    Ich liebte meinen Job – besonders an Tagen wie diesem. Eine Gruppe von etwa zwanzig Zweitklässlern folgte mir mit glänzenden Augen auf dem Erlebnispfad durch den Wald. Die Kinder trugen Mützen und dicke Winterjacken und ihre Wangen röteten sich vor Kälte, doch ihrer Begeisterung tat das keinen Abbruch.

    Mein Atem puffte als Wölkchen in die Luft und ich vergrub die Hände in den Taschen meiner gefütterten Park-Ranger-Jacke. Der breitkrempige Hut, der zu meiner Uniform gehörte, schützte mich nur unzureichend vor dem beißenden Wind, in den sich nun auch die ersten Schneeflocken mischten. Der Boden war bereits mit Schnee bedeckt, der unter unseren Schuhen knirschte, und Raureif überzog die nach Harz duftenden Nadeln der mächtigen Kiefern. Tief atmete ich die klirrend kalte Luft ein. Nie fühlte ich mich lebendiger als hier im Wald.

    Ich hielt an einer Stelle, an der Schnee beiseitegefegt und der Boden aufgewühlt worden war. »Seht ihr das hier?«

    Geduldig wartete ich, bis

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