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Nachrufe und Anklagen: Aus dem Leben eines eigensinnigen Zeitgenossen
Nachrufe und Anklagen: Aus dem Leben eines eigensinnigen Zeitgenossen
Nachrufe und Anklagen: Aus dem Leben eines eigensinnigen Zeitgenossen
eBook121 Seiten1 Stunde

Nachrufe und Anklagen: Aus dem Leben eines eigensinnigen Zeitgenossen

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Über dieses E-Book

Über das Buch

Der Roman erinnert in einer Hommage an das Leben eines namenlosen Zeitgenossen, eines eigensinnigen Freigeistes, eines wagemutigen Nonkonformisten, der im alltäglichen Scheitern und spontanen Wiederbeginn den Sinn des Lebens begriff und in vielfältigen Existenzformen ausagierte.
Die Handlung spielt an einen Nachmittag an einem Ort, den der Protagonist vor seinem Tod bestimmt hatte. In seinem Testament bat er Freunde, Bekannte und auch die Menschen, von denen er als junger Mann abhängig war, zwei Wochen nach seinem Tod in der Friedhofskapelle des in Berlin-Schöneberg liegenden St. Mathäus-Kirchhofs zusammenzukommen, um seiner zu gedenken.
Zwei alte Bekannte des Verstorbenen führen den Leser über den Friedhof zu den Orten des Geschehens und kommentieren gelegentlich Ereignisse und Gedanken.
In drei Kapiteln wird die Vergangenheit des Protagonisten in Nachrufen, Anklagen und Gesprächen unterhaltsam aufgefächert
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum5. Okt. 2023
ISBN9783384034793
Nachrufe und Anklagen: Aus dem Leben eines eigensinnigen Zeitgenossen
Autor

Günther Knüppel

Über den Autor Im November 1939 in Berlin geboren, prägten Kriegs- und Nach-kriegsjahre meine Jugendzeit. Mit 16 erlernte ich das Tischlerhandwerk, studierte dann Innenarchitektur. 1970 bereiste ich 5 Monate den Vorderen Orient und Afghanistan. Anschließend studierte ich Stadtplanung an der HdK Berlin und machte mich selbstständig mit dem Bau der ersten Solar-Passiv-Häuser in Berlin. Ab 1980 erweiterte ich mein Leben mit Studien der Astrologie, Meditation, NLP-Techniken und der Feldenkrais Methode und gründete 1986 das >Centrum für bewusstes Leben< in Hameln. Seit 2000 lebe ich an der Algarve in einem Haus, das ich für meine Familie, für Freunde und für Gäste entworfen habe. Ich bin seit 35 Jahren verheiratet und habe 4 Kinder. 1977 erschienen im Selbstverlag ein Gedichtband und Reisebeschreibungen, 2010/11 dann eine dreibändige Autobiographie und seit 2013 mehrere Romane in dem Verlag tredition GmbH. Alle unter dem Pseudonym Satgyan Alexander.

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    Buchvorschau

    Nachrufe und Anklagen - Günther Knüppel

    Vorspann

    1

    Es war um die Mittagszeit an einem Samstag in den 20er Jahren dieses Jahrhunderts, als zwei ältere Herren im gediegenen Outfit auf einem Fußweg des St. Matthäus Kirchhofs in Berlin-Schöneberg spazieren gingen, um sich die Zeit mit der Betrachtung berühmter Grabstellen zu vertreiben.

    Schau mal Fritz, rief Eki, die Wege sind in den letzten Jahren asphaltiert worden. Ja, ich habe das auch schon bemerkt, antwortete sein Freund, aber warum nur? Na, um die Transporte der Toten zu den Gräbern mit gummibereiften Karren pietätvoll vorzunehmen, behauptete Eki mit ironischem Unterton.

    Bereits in der S-Bahn hatten sie sich angeregt über die letzten Jahre des verstorbenen Freundes ausgetauscht, der von der Furcht getrieben, einer körperlichen und geistigen Immobilität zu erliegen, täglich aufwendigen Körperübungen zelebriert hatte.

    Bis zum letzten Atemzug soll er noch kopfstand gemacht haben, erinnerte Fritz und blickte fragend auf Eki. der zustimmend nickte und sagte, ja, ich weiß, seine Klangmeditationen sollen auch in den letzten Tagen noch viele Meter weit zu hören gewesen sein. Dann schwieg er und blickte aus dem Fenster auf die vorbeiziehenden, grauen Hinterhausfassaden.

    Was wir wohl Neues über ihn von den anderen Gästen hören werden, spekulierte Fritz, während er sich zu seinem schweigenden Gesprächspartner drehte.

    Eki antwortete nicht, hob nur leicht seine Schultern und breitete die Arme aus, um seine Ahnungslosigkeit auf das Unvorhersehbare auszudrücken.

    Verlegen hüstelnd ergänzte er dann doch, ich glaube, wir werden etliche Überraschungen erleben. So ein narzisstischer Charakter, wie unser Verstorbener, der sich bis zum Schluss gut im Griff hatte, birgt vermutlich auch noch Unheimliches.

    Was meinst du damit, Eki? Fritz war elektrisiert, glaubst du denn, dass er noch mehr Kinder mit anderen Frauen gezeugt hat und, dass die alle heute dabei sein werden?

    Naja, das kann sein, Eki hüstelte verlegen, aber das wäre ja nichts Unheimliches. Ich erwarte eher kriminelle Vergehen, krumme Dinge, die er im Rahmen seiner Immobiliengeschäfte zu verantworten hatte. Er gab sich ja immer so sozial und moralisch, als könnte er kein Wässerchen trüben, aber ich hatte seinen humanen Wertvorstellungen nie wirklich getraut. Er wandte sich von Fritz ab und schaute wieder aus dem Fenster auf die vorbeiziehende Stadtlandschaft.

    Sie waren durch ein Vermächtnis des Verstorbenen zu diesem mittäglichen Ausflug und einer am Vortag absolvierten dreistündigen Reise mit dem Flugzeug von Faro nach Berlin animiert worden. Sie waren nicht gezwungen worden, es war halt nur ein Wunsch gewesen, den der Verstorbene in dem Testament geäußert hatte: Alle, die mich in meinem Leben begleitet haben, lade ich zu einer letzten Begegnung ein. Wir treffen uns zwei Wochen nach meinem Ableben in der Säulenhalle der Friedhofskapelle des St. Matthäus Kirchhofs in Berlin-Schöneberg. Eine persönliche Einladung mit den genauen Daten wird rechtzeitig digital zugestellt werden.

    Der Himmel über Berlin hatte sich in den Morgenstunden zugezogen und anhaltender Nieselregen erfüllte seitdem die Luft. Die beiden Freunde waren lange vor der angegebenen Zeit an dem steinernen dreibogigen Eingangsportal des Friedhofs eingetroffen und entschieden sich nach kurzer Diskussion, doch nicht sofort in das Friedhofscafé finovo einzukehren, übrigens das erste in Deutschland.

    Heben wir uns das lieber für später auf, schlug Eki vor, vielleicht treffen wir noch einige Bekannte, mit denen wir dann gemeinsam plaudern können.

    Sie gingen also stattdessen über den alten Friedhof, auf den neuen Wegen, um die Gräber der Gebrüder Grimm und das Mausoleum der Familie Hansemann zu besuchen und dabei vielleicht unter den alten Bäumen die innere Ruhe zu finden, von der sie schon oft gehört und gelesen hatten.

    Als sie vor den vier schwarzen Marmorsteinen der Familie Grimm standen, waren sie etwas enttäuscht. Ich hatte mir viel mehr Lametta vorgestellt, witzelte Eki.

    Dagegen waren beide von den harmonischen Proportionen der Familiengrabstelle begeistert. Das Bauwerk für den Bankier und preußischen Finanzminister David Hansemann und seiner Ehefrau Ottilie, einer frühen Förderin der Frauenbewegung hatte Friedrich Hitzig 1877 errichtet.

    Fritz hatte seine Neugierde bei Wikipedia befriedigt und herausgefunden, dass der Architekt ein Schüler von August Stüler gewesen war, ein Zeitgenosse Friedrich Schinkels.

    Inzwischen war Eki weitergegangen, um einen Abstecher zum Grab von Bolle zu machen.

    Bolle? rief Fritz überrascht aus, der Name kommt mir doch irgendwie bekannt vor.

    Das glaube ich, bestätigte Eki und freute sich über sein Wissen. Bolle hatte vor 150 Jahren, erzählte er weiter, seine Meierei gegründet und dann die Idee umgesetzt, die frische Milch in ganz Berlin von seinen 250 Bollewagen zu verkaufen.

    Tolle Idee, also so etwas wie Freihauslieferung, nicht wahr? meinte Fritz und hielt ihn am Arm fest, sag mal, ist hier nicht auch Rio Reisers letzte Ruhestätte?

    Es waren tatsächlich nur ein paar Schritte zu dem Stein von Rio Reiser.

    Schon 1996 gestorben, flüsterte Eki ehrfurchtsvoll, ein Idol von mir, Ton Steine Scherben und schon hörte er innerlich einen seiner Songs Für immer und Dich, den er so mochte. Schweigend zog er die Schultern hoch und ließ sie sehr langsam wieder sinken, wobei er sich im Takt der inneren Musik bewegte.

    Schau mal da drüben, rief Fritz mit seiner kraftvollen Stimme in die Stille hinein, das Grab von Alfred Messel, das war der Architekt des ersten großen Kaufhauses im Berlin der Gründerzeit, das Wertheim am Potsdamer Platz.

    Na und, müffelte Eki, der sich in seiner Erinnerung an Rio Reiser gestört fühlte, kenn´ ich nicht.

    Schließlich waren sie schon auf dem Rückweg zur Friedhofskapelle und hatten bereits die Hälfte des Weges zurückgelegt, als ein starker Schauer sie zwang, unter einer Blutbuche Schutz zu suchen.

    An Regenmänteln hatten sie gedacht, aber nicht an die Mitnahme von Schirmen. Sie hatten sich am Morgen im Hotel in angemessene Schale geworfen, auf Trauerkleidung, also schwarze Anzüge, bewusst verzichtet.

    Fritz, Anfang 80, glattrasiert und ohne Falten, war durch sein volles, kurzgeschnittenes Haar, seine stattliche Größe von einem Meter und vierundachtzig und der Kleidergröße 54 noch immer ein Blickfang für die Witwen. Er hatte sich für eine dunkelblaue Jeans und ein braunes Karo-Sakko mit schicken Lederflecken auf den Ellenbogen entschieden, ein Outfit, das Eki bereits zu Kopfschütteln und einem kritischen Stöhnen veranlasst hatte.

    Eki war genauso alt, aber bei gleicher Größe beleibter. Das Aufstehen vom Tisch fiel ihm schon schwer, dennoch hielt er sich aufrecht. Dünnes, weißes Haar bedeckte locker seinen Schädel, das Gesicht verschwand hinter einer getönten Brille und einem kurzgestutzten Vollbart. Er wollte sich wegen seiner lebenslangen Unternehmertätigkeit auf jeden Fall im

    Businesslook zeigen und wählte daher einen der modernen dunkelblauen Einreiher, die nicht zugeknöpft werden können und eigentlich nur für relativ Schlanke geeignet sind. Vor dem Spiegel nickte er sich noch einmal vor dem Verlassen des Hotelzimmers wohlwollend zu, während Fritz, um des lieben Friedens willen, den Seitenhieb unterdrückte, du siehst wie ein Pinguin aus. Er setzte seinen neuen, dunkelbraunen Stetson auf und ging schon mal voraus.

    Hast du eine Ahnung, erregte sich Fritz unter der Krone des schützenden Baumes stehend, warum er uns bei diesem Wetter auf den alten Friedhof gescheucht hat?

    Ich weiß es nicht, keine Ahnung, versuchte Eki den Freund zu beruhigen, der unzufrieden mit dem Wetter seinen Kopf schüttelte und dabei den Regen von seiner Hutkrempe gegen Ekis Brille wirbeln ließ. Die getönte, verspiegelte Sonnenschutzbrille, die er an diesem Tage aufgesetzt hatte und, die seine Augen vollständig verdeckten, wirkte zu dem Anlass schon etwas sonderbar.

    Als er sie nun abnahm und mit einem Tuch trockenrieb, das er umständlich aus einem am Handgelenk hängenden Lederetui herausnahm, erblickte Fritz Ekis gerötete Augen. Er wollte schon nach der Ursache fragen, ob er noch immer über den Verlust des Freundes trauere, enthielt sich jedoch der Frage und vertrieb sich die Zeit mit dem Ausbalancieren seines Gleichgewichts.

    Nachdem Eki das Tuch verstaut und noch, ja, ja, so ist es gesagt hatte, fiel ihm jedoch noch etwas ein. Ich erinnere mich gerade, sagte Eki, dass er diesen Friedhof einmal im Zusammenhang mit seinen Großeltern erwähnt hatte, als einen Ort, zu dem er als Kind mit seiner Mutter jedes Jahr zum Totensonntag fahren musste, um das Grab auf Vordermann zu bringen, wie er sich ausdrückte. Zur Belohnung hätte er immer ein Eis bekommen.

    Während

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